Illness name: skoliose
Description:
Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.
Bei einer Skoliose verkrümmt sich die Wirbelsäule zur Seite. Meist sind auch die Wirbelkörper verdreht. Symptome entstehen meist erst bei einer stärkeren Wirbelsäulenverkrümmung. Leichte Formen lassen sich oft mit Physiotherapie und einem speziellen Korsett behandeln, schwere Fälle müssen operiert werden. Lesen Sie hier mehr über Skoliose.
Eine Skoliose ist eine dauerhafte seitliche Verkrümmung der
Wirbelsäule
, bei der auch die Wirbelkörper selbst verdreht und verschoben sind. Um genau zu verstehen, was eine Skoliose ausmacht, ist es hilfreich zu wissen, wie eine gesunde Wirbelsäule aufgebaut ist.
Eine gesunde Wirbelsäule besteht aus etwa 33 Wirbelknochen: sieben Halswirbeln, zwölf Brustwirbeln, fünf Lendenwirbeln, fünf miteinander verschmolzenen Kreuzbeinwirbeln und etwa vier — ebenfalls verschmolzenen — Steißbeinwirbeln. Über Knochen-Fortsätze sind die Wirbelkörper mit den benachbarten Wirbeln und Rippen verbunden.
Von der Seite betrachtet, hat die Wirbelsäule die Form eines doppelten "S". Die Hals- und
Lendenwirbelsäule
wölben sich jeweils nach vorne (
Lordose
), die Brust- und Sakralwirbelsäule (
Kreuzbein
) nach hinten (
Kyphose
). Betrachtet man die Wirbelsäule von hinten, bildet sie mit ihren Dorn-Fortsätzen eine annähernd gerade Linie vom Kopf bis zur Anal-Falte. Die Wirbelkörper liegen gleichmäßig aufeinander und zwischen jeweils zwei davon liegt eine
Bandscheibe
als Stoßdämpfer.
Die Wirbelsäule ist ein wichtiger Teil des tragenden Skeletts und schützt außerdem das Rückenmark, ein Bündel von Nervenbahnen, das Signale zwischen Körper und
Gehirn
überträgt.
Bei einer Skoliose ist der Wirbelsäulen-Aufbau gestört. Der Name der Krankheit leitet sich vom griechischen Wort "skolios" ab, was "krumm" bedeutet: Die Wirbelsäule krümmt sich in diesem Fall nicht nur nach vorn und hinten, sondern auch zur Seite.
Nach der leitliniengerechten Skoliose-Definition handelt es sich bei diesem Krankheitsbild um "eine dauerhaft bestehende (fixierte) seitliche Wirbelsäulen-Verkrümmung um mindestens zehn Grad
Cobb-Winkel
". Dieser Winkel gibt an, wie stark die seitliche Krümmung der Wirbelsäule ist und lässt sich anhand eines Röntgenbildes bestimmen. Je nachdem, auf welche Seite sich die Wirbelsäule krümmt, sprechen Ärzte von einer rechts- beziehungsweise links-konvexen Skoliose.
Außerdem sind die einzelnen Wirbelknochen in sich und die gesamte Wirbelsäule in ihrer Längs-Achse verdreht (Rotation und Torsion). Dadurch zeigen die knöchernen Wirbelkörper-Fortsätze (
Dornfortsatz
, Processus spinosus) nicht geradeaus nach hinten. Die Seite der Fortsätze, die zum Bauch oder zur
Brust
zeigt, dreht sich also in die Richtung der Wirbelsäulen-Krümmung. Die Rotation ist am Scheitelpunkt der Skoliose am stärksten und nimmt an den Ausläufern des verkrümmten Wirbelsäulen-Abschnitts wieder ab.
Bei fortschreitender Skoliose ist es möglich, dass sich der entsprechende Wirbel-Abschnitt versteift.
Durch die unterschiedlich starke Verdrehung entstehen zwischen den einzelnen Wirbelkörpern Spannungs- und Druck-Kräfte. Infolgedessen hat der Wirbelknochen auch eine in sich verzogene Knochenstruktur (torquiert): Auf der nach außen gewölbten Seite ist der Wirbelkörper höher als auf der nach innen zeigenden Seite. Gleiches gilt für die Bandscheiben zwischen den Wirbelknochen. Daraus resultiert ein dauerhaft bestehender Schiefwuchs. Die verdrehte und krumme Wirbelsäule bezeichnen Experten auch als
Torsions-Skoliose
.
Meist tritt eine Torsions-Skoliose nur an der Haupt-Krümmung auf. Um eine starke Skoliose auszugleichen, entstehen durch Muskelkraft Neben-Krümmungen der Wirbelsäule in direkter Nachbarschaft zur Haupt-Krümmung (statischer Ausgleich). Die Neben-Krümmungen weisen jedoch keine Rotation oder Torsion auf. Wenn doch, nennt man das eine
Mehrfach-Skoliose
.
Eine Skoliose lässt sich, je nach Gesichtspunkt, in unterschiedliche Formen einteilen. So unterscheidet man etwa allgemein die
idiopathische Skoliose
von einer
sekundären Skoliose
.
Diese "echten" (strukturellen) Skoliosen sind von einer skoliotischen Fehlhaltung (auch funktionelle Skoliose) zu unterscheiden.
Eine skoliotische Fehlhaltung geht vorüber und normalisiert sich durch passive oder aktive Bewegungen wieder. Sie entsteht beispielsweise, um einen Becken-Schiefstand auszugleichen.
Da man in vielen Fällen die Ursache einer Skoliose nicht kennt, lässt sich ihr auch nicht wirkungsvoll vorbeugen.
Echte Skoliosen lassen sich weiter nach Alter und Krümmungs-Muster differenzieren.
Skoliosen sind unter anderem auch nach dem Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens unterscheidbar. Die frühe Form nennen Mediziner
Säuglings-Skoliose
. Sie bildet sich in den meisten Fällen ohne Therapie zurück. Von einer
infantilen Skoliose
sprechen Ärzte, wenn die Wirbelsäulen-Krümmung bis zum dritten Lebensjahr auftritt. Eine Skoliose bei Kindern im Alter von vier bis zehn Jahren wird als
juvenile Form
bezeichnet.
Am häufigsten ist jedoch die
Adoleszenten-Skoliose
ab dem elften Lebensjahr. Die Wirbelsäule ist dabei meist im Brustwirbel-Bereich nach rechts verkrümmt (rechts-konvexe Skoliose). Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen.
Außerdem lässt sich eine Skoliose nach der Mitte (beziehungsweise dem Scheitel) ihrer Haupt-Krümmung in der Wirbelsäule zuordnen. Bei einer
Thorakal-Skoliose
liegt die Verkrümmung im Bereich der
Brustwirbelsäule
(BWS).
Thorako-lumbale Skoliosen
haben ihre stärkste Seitausbiegung dort, wo die Brust- in die Lendenwirbelsäule (LWS) übergeht. Eine Wirbelsäulen-Verkrümmung im Lenden-Bereich nennt sich
Lumbal-Skoliose
.
Auch je nachdem wie stark die Wirbelsäule verkrümmt ist, lässt sich eine Skoliose einteilen:
Etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung leiden an einer idiopathischen Skoliose. Nach einer Studie des Maimonides Medical Center (USA) steigt die Häufigkeit im hohen Alter (60 bis 90 Jahre) auf bis zu 68 Prozent an.
Je größer die Wirbelsäulen-Verkrümmung und je höher das Alter, desto häufiger sind Frauen beziehungsweise Mädchen betroffen. Bei Jungen lassen sich vor allem leichte Skoliosen feststellen. Ausgeprägtere Skoliosen, mit einem Cobb-Winkel über zwanzig Grad, sind bei Frauen etwa sieben Mal häufiger als bei Männern zu finden.
Woran erkenne ich eine Skoliose?
Da gibt es verschiedene Anhaltspunkte. Vor allem, wenn in der Familie bereits eine Skoliose aufgetreten ist, sollten Sie aufmerksam sein. Bei Kindern und Jugendlichen verändert sich zum Beispiel das Gangbild. Auch Unterschiede in der Beinlänge oder ein deutlicher Rundrücken, Sitzbuckel genannt, können auf eine Skoliose hinweisen. Oft haben Sportlehrer und -trainer einen guten Blick für Auffälligkeiten an der Wirbelsäule.
Warum ist eine frühe Behandlung bei Kindern und Jugendlichen so wichtig?
Je früher die Behandlung einsetzt, desto besser. Damit kann man die Wachstumsphase der jungen Patienten optimal ausnutzen und Maßnahmen, wie etwa ein Korsett oder das gezielte Training der Rückenmuskulatur über einen langen Zeitraum durchführen. Nach dem pubertären Wachstumsschub ist es viel schwieriger, mithilfe einer konservativen Therapie zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.
Wann ist eine Operation sinnvoll?
Konservative Maßnahmen wie Physiotherapie, Sport und Training der Atemmuskulatur können verhindern, dass sich die Skoliose verschlechtert. Manchmal lässt sich dadurch eine Operation vermeiden. Bei einer sehr starken Seitverbiegung von über 30 Grad mit Rotation der Wirbelkörper ist eine Operation allerdings ratsam. Vor allem, wenn die Funktion innerer Organe wie Herz und Lunge dadurch eingeschränkt werden.
Chefarzt des Endozentrums am Orthopädiezentrum München Ost, Hüft- und Knieendoprothetik, Kinderorthopädische Erkrankungen, Sportmedizin, Hand- und Fußchirurgie, seit 1997 betreuender Arzt der deutschen Eishockey-Nationalmannschaften
Im Einzelfall ist es möglich, dass eine Skoliose ein möglicher Grund für einen anerkannten Grad der Behinderung ist. Das kommt allerdings auf den Schweregrad und die Einschränkungen durch die Erkrankung für den Einzelnen an. So ist es möglich, dass eine schwere Skoliose mit einem Cobb-Grad ab 70 Grad mit einem Grad der Behinderung (GdB) im Sinne einer Schwerbehinderung von 50 bis 70 Prozent anerkannt wird, bei schwereren Einschränkungen auch mehr.
Zuständig für die Anerkennung eines GdB sind in der Regel die Versorgungsämter vor Ort, Ansprechpartner ist Ihr Arzt.
Eine Skoliose behandeln Mediziner konservativ mit Krankengymnastik oder Korsett und in schweren Fällen operativ. Der Beginn einer Skoliose-Therapie ist möglichst rasch nach der Diagnose angeraten. Die Wahl der Behandlungsform richtet sich nach Ausmaß, Ursache und Lage der Wirbelsäulen-Krümmung, sowie dem Alter und der körperlichen Verfassung des Patienten. Bei leichten Skoliosen genügt oft Krankengymnastik, stärkere Ausprägungen behandeln Ärzte mit einem
Skoliose-Korsett
. Liegt eine sehr starke Krümmung vor, hilft oft eine Operation weiter.
Mit der Behandlung einer Wirbelsäulen-Verkrümmung versuchen Ärzte zusammen mit anderen Fachkräften wie Physiotherapeuten zu erreichen, dass sich die Skoliose zurückbildet oder zumindest nicht verschlechtert.
Lässt sich durch eine Skoliose-Therapie die Verkrümmung vermindern, sorgen weitere Behandlungs-Schritte für den Erhalt dieses Erfolgs. Für Kinder und Jugendliche legen die Leitlinien ein klares Ziel fest: Der Cobb-Winkel soll bei Wachstums-Abschluss unter 40 Grad liegen. Gelingt dies, ist laut Experten eine operative Skoliose-Therapie nicht mehr nötig.
Ein Skoliose-Korsett kommt bei stärkeren Wirbelsäulen-Verkrümmungen des Kindes zum Einsatz (Cobb-Winkel 20-50 Grad). Oft erzielt man damit sehr gute Ergebnisse bei Skoliosen, die nicht auf schweren Grunderkrankungen (Fehlbildungen, Muskel- oder Nerven-Krankheiten oder anderen) beruhen.
Das Korsett (
Orthese
) besteht aus Kunststoff und hat sowohl eingearbeitete Druck-Polster (Pelotten) als auch Freiräume (Expansions-Zonen).
Es wird maßgefertigt, mittels Gurten und Klett-Verschlüssen am Körper befestigt und hat die Aufgabe, die Wirbelsäule in ihre natürliche Form zurückzuführen. Die Orthese trägt der Patient dabei in der Regel 22 bis 23 Stunden täglich. Je nach Höhe der Hauptkrümmungen stehen dabei verschiedene Skoliose-Korsetts zur Verfügung.
Bei Mädchen lässt sich die tägliche Tragedauer je nach Verlauf etwa zwei bis drei Jahre nach der ersten Regelblutung allmählich reduzieren. Bei Jungen sollte dafür erst eine gewisse Skelett-Reife erreicht sein (Risser-Stadium vier oder fünf), sodass ein großes Wachstum der Wirbelsäule nicht mehr zu erwarten ist.
Erwachsene profitieren nur wenig von dieser Skoliose-Therapie, da ihr Knochen-Wachstum bereits abgeschlossen ist. Dennoch kommen die Orthesen auch im höheren Lebensalter zum Einsatz, zum Beispiel um zu stabilisieren und so den Krankheitsverlauf abzumildern.
Regelmäßige Gymnastik-Übungen unterstützen zusätzlich eine erfolgreiche Skoliose-Therapie mit Orthesen.
In manchen Fällen einer frühen Wirbelsäulen-Verkrümmung (unter fünf Jahren, early-onset-Skoliose) kommt eine Skoliose-Therapie mittels Gips-Korsett in Frage. Hierbei wächst die Wirbelsäule normal weiter. An die Gips-Behandlung schließt sich meist die Therapie mit einem Skoliose-Korsett an.
In manchen Fällen ist eine konservative Skoliose-Therapie (Krankengymnastik, Korsett) nicht ausreichend. Verschlechtert sich eine Skoliose zusehends und ist die Verkrümmung stark ausgeprägt, empfehlen Ärzte in der Regel eine operative Skoliose-Therapie. Dabei berücksichtigen sie mehrere Faktoren:
Mit der chirurgischen Skoliose-Therapie versucht man unter anderem eine Einsteifung durch
Spondylose
zu verhindern. Bei einer Spondylose baut der Körper Knochen-Substanz an die Wirbelkörper-Kanten, um damit vermehrte Belastung auszugleichen. Diese Knochen-Zacken benachbarter Wirbel verwachsen allerdings oft miteinander. Durch die so entstandene Knochenbrücke versteift die Wirbelsäule. Auch möglichen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und die Lungenfunktion versucht man mit einer Operation vorzubeugen.
Beim eigentlichen chirurgischen Eingriff legt der Operateur den betroffenen Wirbelsäulen-Abschnitt frei. Die OP erfolgt entweder von vorne, über die Brust- oder Bauchhöhle, oder von hinten. Alle operativen Skoliose-Therapien haben als Ziel gemeinsam, dass die krumme Wirbelsäule gestreckt und ihre Rotation beseitigt wird. Außerdem stabilisiert der Arzt die Wirbelsäule, beispielsweise mittels Schrauben und Stäben.
Mit der sogenannten
Spondylodese
(Wirbelsäulen-Versteifung) bewirkt man absichtlich das Zusammenwachsen von Wirbeln an der betroffenen Stelle. So möchte man die Wirbelsäule in ihrer zuvor korrigierten Form versteifen.
Eine Versteifung der Wirbelsäule verhindert ihr natürliches Wachstum. Deshalb ist sie bei Kindern und Jugendlichen keine Option. Stattdessen verwenden Ärzte in diesen Fällen zum Beispiel spezielle Titan-Stäbe.
Die sogenannten VEPTRs (vertical expandable prosthetic titanium rib) werden so eingesetzt, dass sie die Wirbelsäule nicht am Wachstum hindern — etwa von der Rippe zum Wirbel.
Bei dieser Skoliose-Therapie müssen die Ärzte die Stäbe regelmäßig durch weitere kleinere Eingriffe dem Wachstum anpassen, ungefähr alle vier bis sechs Monate.
Moderne Varianten solcher Stäbe, die
"growing rods
" (=mitwachsende Stäbe), beinhalten einen kleinen ferngesteuerten Motor. So lassen sie sich von außen und ohne erneuten Eingriff auf das jeweilige Wirbelsäulen-Wachstum einstellen.
Ein komplexes System aus Schrauben, Stäben und einer speziellen Platte namens
Shilla-Verfahren
verspricht ebenfalls eine Skoliose-Therapie, ohne das Wachstum zu behindern. Die verwendeten Stäbe "wachsen mit", da sie in ihren Befestigungs-Schrauben gleiten. Ist das Knochen-Wachstum abgeschlossen, lässt sich das System wieder entfernen.
Eine weitere Methode ist das Korrektur-System "ApiFix". Man befestigt es senkrecht im Krümmungsbogen der Skoliose. In den Monaten nach der Implantation folgen physiotherapeutische Behandlungen.
Darauf reagiert das Korrektursystem durch einen Ratschen-Mechanismus: Streckt sich die Wirbelsäule durch eine Übung, wird das System mitgezogen und rastet auf einer neuen Position ein. Infolgedessen fällt die Wirbelsäule nicht mehr in ihre verkrümmte Ausgangslage zurück. Diese Skoliose-Therapie erfolgt schrittweise, sodass sich das umliegende Gewebe besser anpasst.
Diese Form der operativen Skoliose-Therapie eignet sich für Krümmungswinkel unter 35 Grad. Dabei bringen Ärzte an der Krümmungsseite der Wirbelsäule spezielle, krallenförmige Klammern (Shape-Memory-Alloy, SMA) an. Vor dem Eingriff werden sie gekühlt, nach dem Eingriff drängen sie durch die Körperwärme des Patienten zusehends in ihre ursprüngliche Form zurück und korrigieren so die Skoliose.
Je nach durchgeführter operativer Skoliose-Therapie folgen weitere Behandlungen, zum Beispiel:
Die Rehabilitation erfolgt entweder ambulant oder stationär. Betroffene werden dazu angehalten, in jedem Fall möglichst früh neue Bewegungen zu erlernen. Mit solchen Rehabilitations-Maßnahmen lässt sich eine operative Skoliose-Therapie sinnvoll unterstützen und späteren Schäden vorbeugen.
Ist eine Skoliose die Folge einer anderen Erkrankung, behandelt man diese immer mit. Das gilt insbesondere für Krankheiten oder Fehlbildungen, die das Fortschreiten der Wirbelsäulen-Verkrümmung fördern würden. Hat ein Patient beispielsweise unterschiedlich lange Beine, versucht man, diese Differenz etwa mit speziellen Schuhen auszugleichen.
Skoliose-Schmerzen im Rücken, Nacken oder in den Schultern, aber auch
Kopfschmerzen
werden üblicherweise mit Schmerzmitteln in Tabletten-Form behandelt. Manchmal helfen auch Pflaster, die Wärme abgeben. Örtlich betäubende Spritzen in den Rücken kommen nur bei schweren Schmerzen zum Einsatz. Sie entstehen im Rahmen einer Skoliose beispielsweise durch Verschleiß-Schäden an der Wirbelsäule und eingeengten Nerven des Rückenmarks.
Gegen Schmerzen bei einer Skoliose hilft manchmal auch die sogenannte
Transkutane elektrische Nerven-Stimulation (
TENS
)
. Dabei bringt man Elektroden auf der
Haut
über der schmerzenden Stelle auf. Diese Elektroden setzten elektrische Impulse frei, die auf tieferliegende Nerven wirken. Sie hemmen somit die Schmerz-Übertragung dieser Nerven an das Gehirn. Das Deutsche Skoliose Netzwerk führt zudem die Akupunktur als Teil einer umfassenden Skoliose-Therapie an – auch sie soll bei manchen Patienten die Schmerzen lindern.
Bei leichten Wirbelsäulenverkrümmungen eignen sich krankengymnastische Übungen als Skoliose-Therapie. Sie sollen die Körperhaltung korrigieren. Neben physiotherapeutischen Anwendungen gibt es auch Übungen bei Skoliose, die sich vom Patienten Zuhause durchführen lassen. Übungen als Teil der Skoliose-Therapie sollen:
Mittlerweile gibt es sehr viele Methoden, um Skoliose mittels Übungen zu therapieren.
Lesen Sie im Beitrag
Skoliose-Übungen
mehr darüber, wie sich Skoliose mit Übungen therapieren lässt.
Neben einem Korsett, das man in manchen Fällen als Hilfsmittel zur Therapie einsetzt, gibt es für Skoliose-Patienten weitere Hilfsmittel, die unter Umständen auch von den Krankenkassen erstattet oder bezuschusst werden (Abhängig vom individuellen Fall).
So existieren etwa spezielle Kissen und Matratzen, die Betroffenen helfen, besser oder schmerzfrei zu schlafen.
In schweren Fällen sind Gehhilfen möglich, auch spezielle ergonomische Büro-Stühle helfen Betroffenen im Alltag beziehungsweise im Beruf.
Die Skoliose ist in einer Vielzahl der Fälle ein eher kosmetisches Problem. Je länger sie jedoch unbehandelt bleibt, desto wahrscheinlicher treten im Krankheitsverlauf Schmerzen auf. Denn wie ausgeprägt die Symptome sind, hängt immer auch davon ab, wie weit fortgeschritten die Verkrümmung ist.
Zu den äußerlichen Skoliose-Symptomen, die sich mit bloßem
Auge
erkennen lassen, gehören unter anderem
Bei ausgeprägten Skoliosen tritt oft der sogenannte Rippen-Buckel auf, es bilden sich in vielen Fällen Muskelwulste im Lenden- und Hals-Bereich.
Durch zunehmende Verschleiß-Erscheinungen haben Betroffene vor allem ab Mitte des dritten Lebensjahrzehnts vermehrt Probleme mit Muskel-Verspannungen und Schmerzen. Auch die Lungenkapazität vermindert sich unter Umständen und Atemnot, ein Druckgefühl auf der Brust oder Herzrasen treten in manchen Fällen auf.
Lesen Sie hier mehr über
Skoliose-Symptome
.
Etwa 90 Prozent aller Skoliosen sind idiopathisch, man weiß also nicht, wieso sie entstehen. Bei den restlichen zehn Prozent – den sekundären Skoliosen — kommen verschiedene Ursachen in Frage, die zu einer Wirbelsäulen-Verkrümmung führen.
Diese Form der Skoliose ist auf angeborene Fehlbildungen einzelner Wirbelsäulen-Anteile zurückzuführen, zum Beispiel
Experten bezeichnen sie daher als kongenitale (angeborene) Skoliose.
Diesen Wirbelsäulen-Verkrümmungen liegen Muskel-Erkrankungen (unter anderem vererbbare Muskelschwäche-Krankheiten) zugrunde. Am häufigsten ist die Muskeldystrophie Duchenne, bei der ein bestimmtes Muskel-Eiweiß nicht gebildet wird. Infolgedessen leiden die Kinder bereits im frühen Alter an zunehmender Muskel-Schwäche und -Schwund. Mehr als die Hälfte aller Betroffenen entwickelt im Verlauf der Muskeldystrophie Duchenne eine Skoliose, meist im frühen Jugendalter und nach Verlust der Gehfähigkeit.
Auch eine Arthrogryposis führt in schweren Fällen oft zu ausgeprägten Skoliosen. Es handelt sich dabei um eine angeborene Gelenk-Steife, die durch Veränderungen der Sehnen, Muskeln und des Bindegewebes entsteht.
Bei dieser Form führen Schäden im Nervensystem zu einer schiefen Wirbelsäule. Muskeln, die die Wirbelsäule stabilisieren (Bauch- und Rücken-Muskulatur) funktionieren dann nicht mehr wie gewohnt. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht und die Wirbelsäule krümmt sich in die Richtung der schlaffen Muskeln.
Unter anderem führen diese Erkrankungen des Nervensystems zu einer Skoliose:
Nebst den genannten Muskel- und Nerven-Erkrankungen gehen unter Umständen zahlreiche weitere Krankheitsbilder mit unterschiedlich ausgeprägten Skoliosen einher. Dabei sind umgebendes Bindegewebe, meist aber auch die Knochen- und Knorpel-Strukturen direkt betroffen. Die Tabelle führt einige Beispiele an.
Krankheitsgruppe
Skoliose-Ursachen (Beispiele)
Bindegewebs-Störungen
Rheumatische Erkrankungen
Fehlbildungen der Knochen-Knorpel-Strukturen (Osteo-Chondro-Dysplasien)
Knochen-Infektionen (akut, chronisch)
Stoffwechsel-Erkrankungen (metabolische Störungen)
Lumbosakrale Veränderungen im Lendenwirbel-Kreuzbein-Bereich
Außerdem führen in manchen Fällen Unfälle zu einer Skoliose. Zu diesen posttraumatischen Skoliosen kommt es beispielsweise nach dem Buch eines Wirbelknochens, Verbrennungen oder Rückenmarks-Verletzungen. Des Weiteren verursachen manche ärztliche Eingriffe eine Wirbelsäulen-Verkrümmung, wie etwa
Bestrahlungen
oder
Laminektomien
. Bei Letzteren entfernt man einen Teil des Wirbelknochens (Wirbelbogen eventuell mit Dornfortsatz).
Wie bei vielen Erkrankungen vermuten Experten, dass die Skoliose auch vererbbar ist. Bei 97 Prozent zeigt sich ein familiär gehäuftes Auftreten. Unter eineiigen Zwillingen erkranken in bis zu 70 Prozent der Fälle beide an einer Skoliose. Da Skoliosen mit steigendem Alter zunehmen, gehen Forscher davon aus, dass letztlich auch Abnutzungs-Erscheinungen einen entscheidenden Einfluss haben (degenerative Veränderungen).
Der Spezialist für Erkrankungen des Stütz- und Bewegungs-Apparates ist der Orthopäde. Es gibt auch auf Skoliosen spezialisierte Kinderärzte beziehungsweise Kinderorthopäden. Zunächst erhebt der Arzt die Krankengeschichte (
Anamnese
) und stellt dem Patienten oder dessen betreuenden Angehörigen unter anderem folgende Fragen:
Die US-amerikanische Scoliosis Research Society veröffentlicht regelmäßig Fragebögen für Patienten, die an Skoliose leiden (aktuelle Version SRS-30). In deutscher Übersetzung verwenden auch Ärzte hier diesen Fragebogen.
Es ist sinnvoll, dass Betroffene den Fragebogen in regelmäßigen Abständen ausfüllen. Dadurch lässt sich angeben, wie sie den Krankheitsverlauf empfinden und den Erfolg durchgeführter Therapien beurteilen.
Nach der Befragung wird Sie Ihr Arzt körperlich untersuchen. Zunächst bestimmt er die Steh- und Sitz-Größe, anschließend begutachtet er den Rücken und insbesondere die Wirbelsäulenform. Weicht die Linie der Dornfortsätze ab, stellt er einen sogenannten Überhang fest. Dabei ist der Brustkorb seitlich verlagert. Eine gerade Linie vom letzten Halswirbel nach unten endet bei einer Skoliose infolgedessen nicht mehr in der Anal-Falte, sondern daneben.
Zudem überprüft er die Seitengleichheit der Schulterblätter (symmetrischer Schulterstand) und der Taille sowie den Umriss des Rumpfes. Bei einer Skoliose sind die Schultern unterschiedlich hoch. Auch die beiden sogenannten Taillen-Dreiecke sind unterschiedlich groß, also die Abstände vom linken beziehungsweise rechten herabhängenden Arm zum Rumpf.
Im Zuge der körperlichen Untersuchung betrachtet der Arzt das Standbild auch von der Seite. Dadurch erkennt er eine übermäßige Buckelung (Hyperkyphose) oder eine stark zum Bauch hin gekrümmte Wirbelsäule (Hyperlordose, wie etwa Hohlkreuz).
In seltenen, ausgeprägten Fällen bildet sich ein deutlicher Brustwirbel-Buckel. Die Brustwirbelsäule ist dann nicht nur zur Seite, sondern auch stark nach hinten gekrümmt (Kypho-Skoliose).
Eine solche Kypho-Skoliose tritt meist mit anderen Krankheiten auf, zum Beispiel bei der Rachitis, bei einer Knochenmark-Entzündung oder bei einer
Tuberkulose
der Wirbelkörper.
Darüber hinaus fallen im Rahmen der Skoliose auch ein schiefes Becken oder unterschiedlich lange Beine auf (Beinlängen-Differenz).
Auch die Rückenhaut nimmt der Arzt in Augenschein, da sich bereits hier unter Umständen Krankheiten des Rückenmarks zeigen.
Hellbraune und gleichmäßige Flecken auf der Haut, sogenannte Café-au-lait-Flecken, sind dagegen typisch für die Erbkrankheit
Neurofibromatose
Typ 1 (Morbus Recklinghausen), die vor allem die Haut und das Nervensystem betrifft. Auch dabei leiden Betroffene in einigen Fällen unter einer Skoliose, insbesondere einer Kypho-Skoliose.
Skoliosen bei Säuglingen lassen sich durch verschiedene Haltetests sichtbar machen. Liegt das Kind beispielsweise mit dem Bauch auf der
Hand
des Untersuchers, erkennt er eine schiefe Wirbelsäule gut, da sich die Krümmung meist deutlich am Rücken abzeichnet.
Bei der
Vojta-Seit-Kipp-Reaktion
lassen sich Unterschiede in der Arm- und Bein-Entwicklung feststellen. Dafür hält der Arzt das Kind seitlich und achtet auf die Körper-Spannung des Säuglings. Auf der von der Krümmung abgewandten Seite gehalten fällt der Körper meist deutlich schlaffer ab, als auf der Seite, nach der die Krümmung gerichtet ist.
Eine Skoliose wird auch bei der
vertikalen Hänge-Reaktion nach Peiper und Isbert
gut sichtbar. An den Füßen gehalten kopfüber hängend zeigt sich der gesamte Körper des Säuglings C-förmig zu einer Seite hin gekrümmt.
Bei dieser Untersuchung bittet Sie der Arzt, sich bei durchgestreckten Knien nach vorne zu beugen. Betrachtet er nun ihren Rücken, erkennt er eventuell typische Anzeichen einer Skoliose, zum Beispiel einen Rippen-Buckel am Rücken bei vorgebeugter Körperhaltung oder Muskelwülste im Nacken- und Lendenbereich.
In der Regel misst der Arzt die Ausprägung des Rippen-Buckels oder der Muskelwulste mittels eines sogenannten
Skoliometers
oder
Inklinometers
. Dabei vergleicht er die Höhen der linken und der rechten Seite miteinander. Abweichungen von über fünf Grad sind laut Leitlinien als krankhaft anzusehen. In diesen Fällen folgen weitere Untersuchungen, insbesondere Röntgen-Bilder der Wirbelsäule.
Im Rahmen der körperlichen Untersuchung wird Sie der Arzt zudem bitten, sich vor und zurück sowie zur Seite zu neigen. Dadurch überprüft er die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Er misst dabei auch den Finger-Boden-Abstand in maximal nach vorne gebeugter Haltung bei durchgestreckten Beinen. Idealerweise berühren Sie den Boden (0 cm), bei einer ausgeprägten Skoliose ist das jedoch nur selten möglich.
Zudem wird der Arzt überprüfen, ob sich die Wirbelsäulen-Verkrümmung aktiv durch Ihre eigenen Bewegungen oder durch händische Mithilfe des Arztes (passive, manuelle Redressierbarkeit) ausgleichen lässt. "Echte", strukturelle Skoliosen lassen sich kaum bis gar nicht verändern.
Wichtig ist auch, eventuelle Auffälligkeiten im Nervensystem zu erkennen, die eine Skoliose verursachen oder eventuell durch eine Wirbelsäulen-Verkrümmung oder erbliche Bindegewebs-Erkrankungen (Marfan-Syndrom) entstehen.
In vielen Fällen diagnostiziert der Arzt allein anhand der körperlichen Untersuchung bereits eine Skoliose. Allerdings wird er beim Verdacht auf eine Wirbelsäulen-Verkrümmung immer auch eine Röntgen-Untersuchung veranlassen. Dabei bildet man die ganze Wirbelsäule im Stehen ab, einmal von vorn (beziehungsweise hinten) betrachtet, einmal von der Seite.
Mit Hilfe der Röntgenbilder misst der Arzt den Cobb-Winkel (bei Säuglings-Skoliosen eher den Rippen-Abgangswinkel RVAD), ermittelt Haupt- und Neben-Krümmungen, macht den Scheitel- und die Endwirbel aus und bestimmt das Krümmungs-Muster. Dieses Vorgehen ist wichtig für die spätere Skoliose-Therapie. Außerdem lassen sich so Fehlbildungen oder Verformungen der Knochen erkennen.
Um bei Jugendlichen den Verlauf einer Skoliose einzuschätzen, ist es wichtig den Stand des Wirbelsäulen-Wachstums festzustellen. Dazu beurteilt man mit Röntgenbildern die Skelett-Reife anhand der Verknöcherung der Beckenkamm-Fortsätze (Apophysen).
Diese Fortsätze verknöchern mit zunehmendem Alter immer mehr. Sind sie komplett verknöchert und die Apophysen damit geschlossen, ist das Skelett-Wachstum abgeschlossen. Das Knochenalter lässt sich auch mittels eines Röntgenbildes des Handgelenks bestimmen und nach Greulich und Pyle einteilen.
Zwar hängt das Lebensalter meist mit der Skelett-Reife zusammen, es weicht unter Umständen aber auch ab. Für die Prognose der Skoliose ist das Knochenalter zuverlässiger als das Lebensalter.
Neben einer herkömmlichen Röntgen-Diagnose gibt es für die Untersuchung einer Skoliose auch eine Reihe bildgebender Verfahren ohne Strahlen-Belastung. Alternativen sind zum Beispiel das Optimetric-Verfahren, die Moiré-Fotogrammetrie, das Video-Raster-Steriometrie-Formetric-System oder die 3D-Wirbelsäulenanalyse "ZEBRIS". Anhand dieser Methoden lassen sich Skoliosen aber nur bedingt einschätzen, vor allem im Vergleich zu Röntgen-Aufnahmen.
In Ausnahmefällen lässt der Arzt Schnittbilder mittels eines Magnetresonanztomographen (MRT) anfertigen, vor allem wenn Fehlbildungen des Rückenmarks oder Veränderungen im Rückenmarkskanal (wie etwa Tumore) vermutet werden.
Bei schweren Skoliosen sind Herz- und Lungen-Funktion durch die Verkrümmungen und Verdrehungen des gesamten Brust-Bereichs gestört. In diesen Fällen veranlasst der Arzt weitere Tests. Dazu zählen beispielweise Ultraschall-Untersuchungen des Herzens und ein Lungen-Funktionstest (
Spirometrie
).
Je nach Ausmaß der Skoliose wiederholt der Arzt regelmäßig verschiedene Tests, um den Krankheitsverlauf der Wirbelsäulen-Verkrümmung zu beobachten. Bei den Röntgen-Untersuchungen zur Kontrolle beschränken sich Ärzte aber meist auf ein frontales Bild.
Der Verlauf einer Skoliose ist sehr unterschiedlich. Prinzipiell gilt: Je früher eine Wirbelsäulen-Verkrümmung auftritt, desto wahrscheinlicher schreitet sie (unbehandelt) voran.
Eine Ausnahme stellt die Säuglings-Skoliose dar. Innerhalb der ersten beiden Lebensjahre bildet sich eine schiefe Wirbelsäule in bis zu 96 Prozent der Fälle selbstständig zurück. Außerdem lässt sie sich durch geeignete Lagerungs-Maßnahmen und Physiotherapie positiv beeinflussen.
Verbleibt eine Rest-Skoliose von über 20 Grad, müssen die Eltern des betroffenen Babys mit einem Fortschreiten der Skoliose rechnen.
Tritt eine Skoliose erst in den folgenden Lebensjahren auf, ist die Prognose von verschiedenen Kriterien abhängig. Beispielweise verschlechtern Grunderkrankungen am Muskel- oder Nervensystem den Krankheitsverlauf oft. Bei idiopathischen Skoliosen sind neben dem Alter (mögliches Restwachstum) weitere Faktoren von Bedeutung:
Der Cobb-Winkel hat zu Beginn der Diagnose den größten Stellenwert. Die Leitlinien geben die Wahrscheinlichkeit, dass eine idiopathische Skoliose zunimmt, abhängig vom Krümmungsgrad und dem Alter, wie folgt an:
Cobb-Winkel in Grad
10-12 Jahre
13-15 Jahre
16 Jahre
kleiner 20
25 Prozent
10 Prozent
0 Prozent
20-29
60 Prozent
40 Prozent
10 Prozent
30-59
90 Prozent
70 Prozent
30 Prozent
größer 60
100 Prozent
90 Prozent
70 Prozent
Skoliosen verschlechtern sich in vielen Fällen auch noch im Erwachsenen-Alter. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Cobb-Winkel bei Wachstums-Abschluss über 50 Grad liegt. Dabei haben Berechnungen zu thorakalen und lumbalen Skoliosen gezeigt, dass die Krümmung um etwa 0,5 bis ein Grad jährlich zunimmt.
Bei starken Skoliosen, vor allem im unteren Rücken, steigt das Risiko schmerzhafter Beschwerden. Besonders ausgeprägte Verkrümmungen reizen oft auch Rückenmarksnerven (Spinalnerven) und rufen dann Missempfindungen oder Schmerzen hervor.
Erreicht die Skoliose einen Wert von etwa 80 Grad, verringert sie in vielen Fällen die Lebenserwartung.
Bei sehr ausgeprägten Verläufen fällt das Atmen durch die zunehmende Verformung immer schwerer. Der Brustkorb ist kaum noch beweglich (Thorax-Starre) und das Lungenvolumen sinkt. Auf der Seite der Krümmung wird die Lunge überbläht (Lungen-Emphysem). Die andere Lungenhälfte wiederum wird kaum noch belüftet und das Lungengewebe fällt stellenweise zusammen (
Atelektase
).
Es drohen schwere Komplikationen wie eine Lungen-Entzündung, eine chronische Bronchitis oder eine Lungenfell-Entzündung (Pleuritis). Darüber hinaus wird auch das Herz immer stärker belastet (
Cor pulmonale
).
Wie jeder chirurgische Eingriff birgt auch eine Operation an der Wirbelsäule gewissen Risiken wie Blutungen, Infektionen (insbesondere bei Akne-Patienten) oder Wundheilungs-Störungen. Empfindungs-Störungen oder Lähmungen treten bei idiopathischen Skoliosen in der Regel nicht auf. Durch eine operative Skoliose-Therapie sind aber zu Nerven- oder Rückenmarks-Verletzungen möglich.
Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Komplikation ist allerdings sehr gering. Studien zufolge liegt sie bei 0,3 bis 2,5 Prozent. Das Risiko steigt, wenn ein großer Eingriff durchgeführt wird und weitere Erkrankungen (insbesondere des Rückenmarks) bestehen. In manchen Fällen — beispielweise bei Rückenmarks-Erkrankungen — lassen die Ärzte den Betroffenen während der OP aufwachen und überprüfen dessen Bewegungen und Empfindungen an der Haut.
Wurde durch die Brusthöhle operiert sind außerdem Flüssigkeits-Ansammlungen im Brustkorb möglich. Diese leiten die Mediziner durch einen Schlauch (Drainage) aus dem Körper. Unter Umständen fällt ein Lungenflügel zusammen, was medizinisch als Pneumo-Thorax (kurz: Pneu) bezeichnet wird. Auch hier verwendet man ein spezielles Drainage-System, damit sich die Lunge wieder entfaltet.
Nach manchen Versteifungs-Operationen verstärkt sich zudem die Gegen-Krümmung einer Skoliose. Darüber hinaus geht die erreichte Korrektur in den ersten Jahren nach dem Eingriff manchmal teilweise verloren. In der Regel stabilisiert sich eine Skoliose aber nach der Operation.
Bei jungen Patienten, die schon im frühesten Knochenalter (Risser 0) versteift werden, gestaltet sich ein Korrektur-Verlust unter Umständen problematisch. Da die Wirbelkörper weiterwachsen, verstärkt sich in vielen Fällen die Wirbelsäulen-Verdrehung. Mediziner sprechen vom sogenannten
Kurbelwellen-Phänomen
. Um das zu verhindern, erfolgt die versteifende Skoliose-Therapie für gewöhnlich sowohl von vorne als auch von hinten.
Zu weiteren speziellen Komplikationen zählen Metallbrüche der bei einer OP eingesetzten Stäbe und Schrauben. In diesen Fällen kommt es fast immer zu einem Korrektur-Verlust. Bei manchen Versteifungs-Operationen verwachsen die Wirbelkörper nicht wie geplant. Es bilden sich "falsche" Gelenke, sogenannte Pseudarthrosen. Sie verursachen eventuell anhaltende Schmerzen (insbesondere bei Lumbal-Skoliosen).
Bei manchen Patienten entwickelt sich durch eine aufrichtende Operation mittels Stäben (Harrington-Stäbe) ein Flachrücken. Dabei ist die natürlich bestehende Vorwärts-Krümmung der Lendenwirbelsäule aufgehoben. Infolgedessen verschleißen die angrenzenden Wirbel und Bandscheiben schneller und verursachen schmerzhafte Beschwerden.
Entgegen vieler Befürchtungen wirkt sich eine Skoliose nicht negativ auf eine Schwangerschaft aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Patientinnen konservativ (Krankengymnastik, Korsett) oder operativ behandelt wurden. Wie bei allen Schwangeren kommt es auch bei Skoliose-Betroffenen manchmal zu tieferliegenden Rückenschmerzen, eine Zunahme des Cobb-Winkels ließ sich bislang aber nicht nachweisen.
Je nach Ausmaß der Skoliose kontrolliert der Arzt den Krümmungsverlauf regelmäßig. Kindliche Rückgrat-Verkrümmungen unter 20 Grad überprüft man ungefähr alle drei bis sechs Monate durch körperliche Untersuchungen. Hat der Arzt den Verdacht einer Krümmungs-Zunahme, wird er ein Röntgenbild veranlassen. Skoliosen über 20 Grad kontrolliert man mindestens einmal jährlich mittels Röntgen-Untersuchung. Auch im Rahmen einer Skoliose-Therapie erfolgen mindestens halbjährlich klinische Untersuchungen.
Ist das Wachstum abgeschlossen und der Cobb-Winkel kleiner als 20 Grad, bedarf es keiner weiteren Kontrolle. Bei einer Skoliose von 20 bis 40 Grad, die nicht operiert wurde, führt der Arzt etwa zwei bis vier Jahre nach Wachstums-Abschluss eine Kontroll-Untersuchung durch. Hat die Krümmung um fünf Grad zugenommen, folgen weitere Kontrollen. Leiden Erwachsene unter einer über 40-gradigen Skoliose, empfehlen die Leitlinien eine jährliche Überprüfung.
Wurde der Betroffene operiert, sind zwei Jahre nach dem Eingriff bei stabiler Versteifung und einem Cobb-Winkel unter 40 Grad keine weiteren Routine-Untersuchungen notwendig.
In den meisten Fällen leben Patienten gut mit ihrer Skoliose. Wichtig ist, aktiv gegen die Wirbelsäulen-Deformität zu arbeiten. Integrieren Sie Skoliose-Übungen in Ihren Alltag.
Treiben Sie (Schul-)Sport. Verschiedene Sportarten eignen sich dafür, wie etwa verschiedene Formen von Yoga, Schwimmen — dabei insbesondere Rücken-Schwimmen. Auch Bogenschießen, Radfahren, Nordic Walking oder therapeutisches Reiten gelten als geeignete Sportarten. Haben Sie bei manchen Aktivitäten Bedenken, befragen Sie auf jeden Fall Ihren Arzt.
Belastet Sie Ihre Skoliose im alltäglichen Leben, beispielsweise im Beruf oder in Ihrer Freizeit, zögern Sie nicht, um Hilfe zu bitten. Wenden Sie sich an Ihren Arbeitgeber, Ihren Physiotherapeuten oder an Freunde. Manche Betroffene engagieren sich auch in Selbsthilfegruppen.
Lastet die Skoliose auf Ihrer Psyche oder der Ihres Kindes, ist eventuell auch eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll. Durch ein offenes und aktives Verhalten sammeln Sie so wertvolle Tipps und beugen dem Fortschreiten Ihrer
Skoliose
vor.
Da die Ursachen der meisten Skoliosen nicht bekannt sind, lässt sich einer Skoliose nicht generell vorbeugen. Bei bekannten Risiko-Erkrankungen hilft es jedoch, durch regelmäßige Vorsorge-Untersuchungen rechtzeitig eine beginnende Skoliose zu erkennen und eine Verschlechterung zu verhindern.
Das gleiche gilt für die standardmäßigen Kontroll-Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen, mit denen sich frühzeitig in der Wachstumsphase eine Diagnose stellen lässt. Mit entsprechender Therapie lassen sich ein Voranschreiten der Skoliose und spätere Folgeschäden verhindern.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.
Skoliose
Kurzübersicht
Was ist Skoliose?
Kurzer Ausflug in die Anatomie: Der Aufbau der Wirbelsäule
Die Skoliose
Welche Skoliose-Formen gibt es?
Skoliose verschiedener Altersgruppen
Krümmungs-Muster
Krümmungsgrad
Häufigkeit: So oft tritt die Krankheit auf
Skoliosetherapie – je früher, desto besser!
Drei Fragen an
Facharzt für Orthopädie
Facharzt für Orthopädie
Schwerbehinderung
Wie wird Skoliose behandelt?
Ziele einer Skoliose-Therapie
Skoliose-Korsett
Gips-Behandlung
Operative Skoliose-Therapie
Therapie durch Versteifung
Neuere operative Skoliose-Therapien für Kinder und Jugendliche
Korrektur-System
Klammer-Technik
Rehabilitation
Behandlung von Grunderkrankungen
Schmerz-Therapie
Skoliose-Übungen
Hilfsmittel
Symptome
Ursachen und Risikofaktoren
Fehlbildungs-Skoliose
Myopathische Skoliosen
Neuropathische Skoliosen
Weitere Skoliose-Ursachen
Diagnose und Untersuchung
Körperliche Untersuchung
Körperliche Untersuchung beim Säugling
Adams-Test
Untersuchung von Beweglichkeit, Kraft, Dehnbarkeit und Reflexe
Röntgen
Bestimmung der Skelett-Reife
Röntgen-Alternativen
Weitere Untersuchungen
Krankheitsverlauf und Prognose
Risiko einer Verschlechterung der Skoliose
Krankheitsverlauf im höheren Alter
Komplikationen nach Skoliose-Operationen
Ergüsse und "Pneu"
Korrektur-Verlust
Skoliose und Schwangerschaft
Kontroll-Untersuchungen
Leben mit Skoliose
Vorbeugung
Weiterführende Informationen
Leitlinien:
Autoren- & Quelleninformationen