Illness name: nikotinsucht
Description:
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Eine
Nikotinsucht
ist nicht leicht zu überwinden. Zwar ist die körperliche Abhängigkeit nach Tagen oder spätestens wenigen Wochen ausgestanden. Doch bleibt die psychische Sucht noch lange im Kopf gespeichert. Wer nicht alleine von Zigaretten & Co. loskommt, sollte sich Hilfe suchen: Nikotinersatzpräparate helfen, den körperlichen Entzug zu überwinden. Noch wichtiger aber sind psychologische Bewältigungsstrategien. Lesen Sie hier alle wichtigen Informationen zur Nikotinsucht.
Jahrzehntelang hat die Werbung Raucher als attraktive, freie und weltoffene Menschen präsentiert. Dieses Bild steckt trotz intensiver Bemühungen um Aufklärung auch heute noch in vielen Köpfen. Tatsächlich sind die meisten Tabakkonsumenten schlichtweg süchtig nach Nikotin. Die Chemikalie aus der Tabakpflanze beeinflusst sowohl den Körper als auch die Psyche des Rauchers. Zigaretten können beruhigend, aber auch belebend wirken. Die Gefahr, dass Rauchen zur Sucht wird, ist groß.
Der Tabakkonsum ist dann keine Wahl mehr, sondern entspringt einem inneren Zwang. Spätestens dann ist es mit dem Genuss vorbei. Versuchen die Betroffenen, ihren Konsum zu reduzieren oder ganz aufzuhören, beginnt ein Kampf mit sich selbst. Auch die besten Vorsätze können nicht eingehalten werden, weil das Verlangen zu stark ist. Dieser Zwiespalt erzeugt Stress. Der Griff zur Zigarette läuft wie automatisiert ab und soll den Druck reduzieren. Sucht ist ein Teufelskreis, der häufig nur mit Hilfe von außen unterbrochen werden kann.
Nicht nur für den Rauchenden selbst ist der Qualm gefährlich. Auch Menschen, die den Rauch passiv einatmen, können Schäden davon tragen. Besonders gefährlich ist es, wenn Frauen in der Schwangerschaft rauchen. Dabei steigt das Risiko einer
Frühgeburt
, Neugeborene haben oft ein geringeres Gewicht bei der
Geburt
und erleiden häufiger einen plötzlichen Kindstod. Das Nikotin gelangt auch durch die
Muttermilch
in den Organismus des Babys. Je mehr eine Mutter raucht, desto höher ist die Konzentration in der Muttermilch. Auch Kinder, die passiv Rauch ausgesetzt sind, nehmen Schaden. Sie leiden häufiger als andere Kinder unter Atemwegserkrankungen, Lungenentzündungen und auch Mittelohrentzündungen.
Etwa 29 Prozent der Erwachsenen in Deutschland rauchen. Das sind etwa 20 Millionen Menschen. Unter den Männern greifen circa 31 Prozent zur Zigarette, bei den Frauen sind es ungefähr 26 Prozent.
Bei den Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren ist die Zahl der Raucher seit 2001 deutlich zurückgegangen: Damals lag sie noch bei 28 Prozent. Nach den letzten Erhebungen im Jahr 2014 ist sie mittlerweile auf knapp 10 Prozent gesunken. Dabei rauchten Jungen etwas häufiger als Mädchen (11 versus 9 Prozent).
Dennoch bleibt die Nikotinsucht eine häufige Sucht. Raucher verkürzen ihre Lebenszeit durch den Tabakkonsum um circa zehn Jahre. Etwa 140.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an den Folgen des Rauchens.
Der größte Teil des hierzulande verbrauchten Tabaks steckt in Zigaretten - mit oder ohne Filter, konfektioniert aus der Schachtel oder selbst gedreht beziehungsweise gestopft. Zigarillos, Zigarren, Pfeifen, Schnupf- und Kautabak sowie Wasserpfeifen spielen eine untergeordnete Rolle.
Ausgangstoff des Rohtabaks sind getrocknete Blätter der Tabakpflanze. Konsumierbar - als Rauchmittel, Kau- oder Schnupftabak - wird die Pflanze erst nach industrieller Aufbereitung. Tabakrauch enthält mehr als 4.000 Inhaltsstoffe. Der wichtigste Wirkstoff ist Nikotin. Je nach Herkunft der Pflanzen und Zubereitung des Tabaks bekommt der Raucher, Schnupfer oder Kauer unterschiedlich viel von der giftigen chemischen Verbindung ab. Neben Nikotin stecken zahlreiche weitere Chemikalien und Schwermetalle im Tabakrauch, beispielsweise Cyanwasserstoff, Benzol, Formaldehyd, Hydrazin, Vinylchlorid, Kadmium, Blei, Nickel, Chrom, Aluminium und Kohlenmonoxid. Mehr als 40 dieser Substanzen sind nachweislich krebserregend.
Nach der Klassifikation psychischer Störungen im ICD-10 (ICD in Kurzform: Internationale Klassifikation der Krankheiten) müssen für die Diagnose der Nikotinabhängigkeit über einen Zeitraum von einem Monat oder wiederholt innerhalb eines Jahres mindestens drei der folgenden Kriterien zutreffen:
Da der Körper sich an das Nikotin gewöhnt, muss der Betroffene anfangs zunehmend mehr konsumieren, um die gleiche Wirkung zu spüren. Typische Entzugserscheinungen sind dann eine erhöhte Erregbarkeit und Ruhelosigkeit. Viele Raucher glauben die innere Unruhe durch das Nikotin zu reduzieren, doch tatsächlich wird sie dadurch langfristig stärker. Weitere Entzugserscheinungen sind eine geringere Konzentrationsfähigkeit, Hungergefühle sowie
Schlafstörungen
und Angstzustände.
Während Nikotin für Wirkung und Sucht verantwortlich ist, schaden die übrigen Chemikalien im Tabakrauch in erster Linie der Gesundheit. Die Folgen des Rauchens beeinträchtigen die Gesundheit des gesamten Körpers. In vielen Fällen ist der Tabakkonsum sogar für einen frühzeitigen Tod verantwortlich.
So sind die
Atemwege
eines Rauchers einer massiven Chemikalienbelastung ausgesetzt. Die möglichen Spätschäden der Nikotinsucht reichen deshalb von chronischer Bronchitis bis hin zu Lungenkrebs. Zudem fördert Rauchen die
Arteriosklerose
(
Gefäßverkalkung
), was schwerwiegende Durchblutungsstörungen verursachen kann.
Rauchen steigert darüber hinaus den Blutdruck und fördert somit
Erkrankungen von
Herz
und Gefäßen
. Gefürchtete Spätfolgen der Nikotinsucht sind etwa Koronare Herzerkrankung (KHK),
Herzinfarkt
sowie Durchblutungsstörungen der Beinarterien ("Raucherbein"). Weitere Folgen sind
Zuckerkrankheit
(
Diabetes Typ 2
) sowie
Haut- und Zahnschäden
.
Nicht zuletzt erhöht Rauchen auch das Risiko für
Krebserkrankungen
. Das gilt besonders für Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs,
Speiseröhrenkrebs
und Mundhöhlenkrebs. Auch bei der Entstehung von anderen bösartigen Tumoren spielt Nikotinkonsum eine Rolle, etwa bei Bauchspeicheldrüsenkrebs,
Nierenkrebs
,
Magenkrebs
und Leukämie. Etwa 25 bis 30 Prozent der Todesfälle durch Krebs sind auf das Rauchen zurückzuführen.
Die Nikotinsucht entsteht durch den Einfluss verschiedener psychologischer und biologischer Faktoren. Das Nikotin erzeugt sowohl eine körperliche als auch psychische Abhängigkeit.
Die meisten Betroffenen haben im Kindes- oder Jugendalter mit dem Rauchen begonnen. Aus Neugierde oder durch Gruppendruck greifen sie zur Zigarette. Viele überspielen auch mit der Zigarette in der
Hand
ihre Unsicherheiten.
Die erste Zigarette erzeugt noch kein gutes Gefühl. Denn auf die ersten Nikotindosen reagiert der Körper wie bei einer
Vergiftung
: mit
Schwindel
, erhöhtem Speichelfluss, Herzjagen,
Kopfschmerzen
, Übelkeit bis hin zu Erbrechen oder
Durchfall
und Bewusstseinsstörungen. Doch viele Jugendliche fühlen sich beim Rauchen „cool“ und nehmen den zunächst unangenehmen Geschmack und Begleiterscheinungen in Kauf. Das positive Gruppengefühl, das aus dem gemeinsamen Rauchen entsteht, verstärkt den Konsum sozial.
Auch im Erwachsenenalter erfüllen die gemeinschaftlich gerauchten Zigaretten einen sozialen Zweck. Das Rauchen in Arbeitspausen und nach dem Essen verknüpft den Nikotinkonsum mit einem Gefühl der Erholung und des Genusses. Sobald der Zusammenhang zwischen dem Rauchen und bestimmten Situationen erlernt ist, erfolgt der Griff zu Zigarette nach dem Essen oder beim Ausgehen fast automatisch.
Nikotinsucht entsteht, wenn unser natürliches Belohnungssystem im Gehirn manipuliert wird. Das Belohnungssystem ist überlebenswichtig. Es belohnt uns beispielsweise dafür, dass wir essen, wenn wir Hunger haben. Dazu schüttet es den Botenstoff
Dopamin
aus, der uns ein gutes Gefühl vermittelt. Durch den Konsum von Nikotin wird vermehrt Dopamin freigesetzt. Der Griff zur Zigarette wird daher ebenso belohnt, wie Essen, Trinken und Sex. Wer regelmäßig raucht, überreizt jedoch das System. Die bisherige Menge an Nikotin reicht für eine positive Wirkung nicht mehr aus. Diese Toleranzentwicklung und die dazugehörigen Entzugserscheinungen kennzeichnen die körperliche Abhängigkeit der Nikotinsucht. Der Körper verlangt zunehmend mehr Nikotin.
Über die Ausschüttung von Botenstoffen wirkt das Nikotin auf die Psyche. Man spricht von einer psychotropen Wirkung. Nikotin steigert die Aufmerksamkeit, stützt das
Gedächtnis
und erhöht die Stresstoleranz. Gleichzeitig senkt es den Aggressionspegel, baut Erregung ab und mindert das Hungergefühl. Je nach Grundstimmung des Rauchers kann Nikotin sowohl beruhigend (beispielsweise in Stresssituationen) als auch anregend (beispielsweise bei
Müdigkeit
) wirken. Psychisch abhängig ist die Person dann, wenn sie glaubt, die Zigarette unbedingt zu brauchen.
Besteht eine körperliche und psychische Abhängigkeit, ist es für die Betroffenen kaum möglich den Konsum zu kontrollieren. Die unangenehmen Entzugserscheinungen der Nikotinsucht, die eintreten, sobald der Nikotinspiegel abnimmt, bestimmen, wann die nächste Zigarette geraucht wird.
Besteht der Verdacht einer Tabaksucht, können Sie zunächst Ihren Hausarzt aufsuchen. Für die Diagnose der Nikotinsucht wird dieser Fragen zu Ihrem Tabakkonsum stellen. Sehr bewährt ist der Fagerström-Fragebogen, mit dem der Schweregrad der Nikotinsucht erfasst werden kann. Der Fagerströmtest enthält unter anderem folgende Fragen:
Der Arzt wird auch den körperlichen Gesundheitszustand überprüfen, um festzustellen, ob durch die Nikotinsucht bereits Folgeschäden entstanden sind. Gegebenenfalls müssen diese behandelt werden.
Liegt eine schwere Nikotinsucht vor, wird der Arzt eine therapeutische Behandlung empfehlen. Ist der Betroffene motiviert, können auch weniger intensive Hilfsmaßnahmen wirken. Der Arzt informiert sie über die verschiedenen Angebote zur Raucherentwöhnung bei Nikotinsucht.
Zur Behandlung einer Nikotinsucht kommen vom Nikotinpflaster bis hin zur
Psychotherapie
verschiedene Möglichkeiten infrage. Die Kostenübernahme gestaltet sich in jedem Land anders und ist meist gesetzlich geregelt. Viele Maßnahmen werden nicht oder nicht vollumfänglich bezahlt oder erstattet. Wenden Sie sich am besten an Ihre Krankenkasse, um zu klären, welche Kosten für Entwöhnung und Behandlung getragen werden.
Eine Kurzintervention zur Behandlung von Nikotinsucht findet in der Regel bei Ärzten oder in Suchtberatungsstellen statt. Dazu wird zunächst das Rauchverhalten erfasst und daraufhin die Motivation zum Aufhören ergründet. Der Raucher wird durch kurze motivierende Gespräche in seinem Verzicht auf Nikotin unterstützt. Telefonische Beratung und Selbsthilfegruppen bieten ebenso wirksame Hilfe bei der Bekämpfung der Nikotinsucht.
Zur Rauchentwöhnung haben sich vor allem die verhaltenstherapeutische Gruppen- und die Einzelintervention bewährt. In der
Verhaltenstherapie
werden das Verhalten des Betroffenen analysiert und alternative Verhaltensweisen erarbeitet. Der Therapeut wird zum Beispiel danach fragen, welche Zustände und Situationen den Betroffenen zum Rauchen verleiten. Häufig besteht ein Zusammenhang mit Stress, der durch die Zigarette reduziert werden soll. Der Therapeut hilft dem Patienten, andere Wege zu finden, um mit Stress umzugehen. Entspannungstechniken und die Stärkung des sozialen Netzwerks spielen dabei eine wichtige Rolle.
Eine weitere Möglichkeit zur Rauchentwöhnung sind Nikotinpflaster, - kaugummi, -inhaler oder -sprays. Sie versorgen den Körper mit einer gewissen Menge Nikotin. Das Nikotinpflaster gibt kontinuierlich Nikotin ab. Abhängig vom früheren Konsum wird zunächst mit einer hohen Dosis von Nikotin begonnen und diese langsam reduziert. Die Nikotinpflaster halten den Nikotinspiegel im Körper zunächst aufrecht, damit die Entzugserscheinungen nicht so stark einsetzen.
Nikotinkaugummis und Nikotinmundsprays wirken nicht kontinuierlich, sondern leicht verzögert nach der Einnahme. Nikotinnasalsprays imitieren am besten die Wirkung der Zigarette, haben jedoch aus diesem Grund eine höhere Suchtgefahr.
Die körperliche Abhängigkeit der Nikotinsucht ist nach etwa zwei Wochen vorbei. Die psychische Abhängigkeit bleibt jedoch weiter bestehen und muss behandelt werden, um Rückfälle zu vermeiden. Wie lange das starke Verlangen (Craving) bestehen bleibt, ist sehr verschieden. In vielen Fällen ist die Nikotinersatztherapie aber eine wirksame Methode, um einen dauerhaften Tabakverzicht zu unterstützen.
Wer mit einer Rauchentwöhnung beginnt, sollte sich einen Plan zur Strukturierung des Tages überlegen. Ablenkende Aktivitäten sind eine wichtige Unterstützung. Insbesondere Sport erleichtert die Abstinenz. Zum einen spüren die Betroffenen eine Verbesserung in ihrer Kondition und das Atmen fällt leichter. Zum anderen löst Sport die Ausschüttung von Botenstoffen aus, die ein Glücksgefühl erzeugen. Auch Freunde und Familie können einen wichtigen Beitrag leisten. Die Mitmenschen sollten über die Rauchentwöhnung informiert werden, damit sie den Betroffenen unterstützen können.
Je früher mit dem Rauchen begonnen wird, desto höher ist die Gefahr, abhängig zu werden und langfristige Schäden davon zu tragen. Jugendliche, die sehr früh zur Zigarette greifen, konsumieren meist auch Alkohol und Drogen. Es ist daher wichtig, vor allem Kinder und Jugendliche vor Nikotin zu schützen. Erwachsene können als gutes Vorbild einen positiven Einfluss auf jüngere Generationen nehmen.
Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Rauchentwöhnung ist die Motivation des Betroffenen. Nach längerer Abstinenz verringert sich das Risiko rückfällig zu werden. Dennoch ist auch nach Jahren noch Wachsamkeit nötig. Bestimmte Gerüche oder Situationen können die Erinnerung an das gute Gefühl mit der Zigarette wieder hervorrufen. Die Entscheidung gegen die
Nikotinsucht
muss daher immer wieder neu getroffen werden.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Nikotinsucht
Kurzübersicht
Nikotinsucht: Beschreibung
Nikotinsucht: Passivrauchen
Nikotinsucht: Wie viele sind betroffen?
Nikotinsucht: Giftiger Dunst
Nikotinsucht: Symptome
Rauchen: Folgen für die Gesundheit
Nikotinsucht: Ursachen und Risikofaktoren
Nikotinsucht: Rauchen als erlernte Verhaltensweise
Nikotinsucht: Biologische Faktoren
Nikotinsucht: Untersuchungen und Diagnose
Nikotinsucht: Behandlung
Nikotinsucht: Motivationsbehandlung und Kurzinterventionen
Nikotinsucht: Therapeutische Behandlung
Nikotinsucht: Nikotinersatztherapie
Nikotinsucht: Weitere Maßnahmen
Nikotinsucht: Verlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen