Illness name: guillain barre syndrom
Description:
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Das
Guillain-Barré-Syndrom
(GBS, idiopathische Polyradikuloneuritis) ist eine entzündliche Erkrankung der Nerven. Das typische Symptom ist eine an den Händen oder Füßen beginnende Lähmung und Sensibilitätsstörung, die sich allmählich immer weiter zum Körperstamm hin ausbreitet. Dem GBS liegt eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems zugrunde. Lesen Sie hier mehr über das Guillain-Barré-Syndrom und damit verbundene Komplikationen bei Impfungen.
Die ersten Hinweise auf den Beginn von GBS sind unspezifisch und ähneln denen eines leichten Infekts. Es treten beispielsweise Rücken- und Gliederschmerzen auf. Im Unterschied zu anderen Erkrankungen wie Hirnhautentzündungen verursacht das Guillain-Barré-Syndrom in der Frühphase meist kein Fieber.
Im weiteren Verlauf entwickelt sich das eigentliche Guillain-Barré-Syndrom mit Missempfindungen, Schmerzen und Lähmungen an den Händen und Füßen. Häufig sind diese Ausfälle beidseitig etwa gleich ausgeprägt (symmetrisch). Besonders typisch sind die Lähmungen, welche sich innerhalb von Stunden bis Tagen entwickeln. Diese meist im Bereich der Beine beginnenden Symptome nähern sich im Verlauf immer weiter dem Körperstamm und nehmen nach und nach an Intensität zu.
Die
Rückenschmerzen
verleiten manchmal zu der Fehldiagnose
Bandscheibenvorfall
. Wahrscheinlich verursacht die Entzündung der aus dem
Rückenmark
austretenden Nervenpaare (Spinalnerven) die Schmerzen beim Guillain-Barré-Syndrom.
In der zweiten bis dritten Krankheitswoche erreicht das Guillain-Barré-Syndrom seinen Höhepunkt. Danach bleiben die Symptome zunächst stabil (Plateauphase), bevor sie sich innerhalb von acht bis zwölf Wochen langsam zurückbilden.
Es ist möglich, dass das Guillain-Barré-Syndrom länger andauert und die Symptome nicht wieder komplett verschwinden. Wenn die Beschwerden des GBS länger als zwei Monate bestehen, wird diese chronische Form der Erkrankung auch als
chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikulopathie (CIDP)
bezeichnet.
Bei vielen Patienten sind die sogenannten
Hirnnerven
vom Guillain-Barré-Syndrom betroffen. Diese Nervenbahnen treten direkt aus dem
Gehirn
aus und steuern vor allem Sensibilität und Motorik im Kopf- und Gesichtsbereich.
Typisch für eine Beteiligung der Hirnnerven beim Guillain-Barré-Syndrom ist eine beidseitige Lähmung des siebten Gehirnnervs (N. facialis), die zu einer sogenannten Fazialislähmung (Fazialisparese) führt. Das äußert sich durch Gefühls- und Bewegungsstörungen im Gesicht, vor allem im Bereich von
Mund
und Augen. Bei den Betroffenen ist das unter anderem an einer fehlenden oder gestörten Mimik zu erkennen.
Darüber hinaus ist es beim Guillain-Barré-Syndrom möglich, dass das autonome Nervensystem betroffen ist. Dadurch kommt es zu Funktionsstörungen des Kreislaufs und der Drüsen (Schweiß-, Speichel-, Tränendrüsen). Auch die normale Funktion der Blase und des Mastdarms ist mitunter beeinträchtigt, sodass eine Inkontinenz auftritt.
Das sogenannte
Miller-Fisher-Syndrom
ist eine Sonderform der GBS-Krankheit, die besonders stark die Hirnnerven betrifft. Die drei Hauptsymptome dieser Sonderform sind Lähmung der
Augenmuskeln
, Reflexverlust und Gangstörungen. Im Gegensatz zum klassischen Guillain-Barré-Syndrom sind beim Miller-Fisher-Syndrom die Lähmungen der Extremitäten nur gering ausgeprägt.
In manchen Fällen von Guillain-Barré-Syndrom ist ausschließlich das
autonome Nervensystem
betroffen (akute Pandysautonomie). Dadurch ergeben sich die oben beschriebenen Störungen der Kreislauffunktion, der Schweiß- und Speichelsekretion sowie der Blasen- und Mastdarmfunktion.
In Abhängigkeit von der Schwere der Symptome erfolgt die Behandlung beim Guillain-Barré-Syndrom auf einer Intensivstation. In leichteren Fällen ist dies nicht notwendig, aber eine Überwachung auf einer normalen Krankenhausstation ist meist unumgänglich. Das Guillain-Barré-Syndrom führt nämlich in einigen Fällen zu lebensbedrohlichen Lähmungen. Besonders bei Störungen der Atmung, des Herz-Kreislauf-Systems oder des Schluckreflexes muss der Patient in regelmäßigen Abständen genau beobachtet werden.
Lebensgefährliche Situationen treten teilweise unvermittelt auf und bedürfen einer schnellen Behandlung. So müssen Ärzte und Pflegekräfte bei einem schweren Guillain-Barré-Syndrom ständig darauf vorbereitet sein, dass gravierende Störungen des Herzrhythmus auftreten oder der Patient künstlich beatmet werden muss. Eine solche
Beatmung
ist in rund 20 Prozent der Fälle zeitweise nötig.
Eine ursächliche Therapie des GBS ist nicht bekannt. In schwereren Fällen ist eine immunmodulierende Therapie mit sogenannten
Immunglobulinen
sinnvoll, die der Patient über eine Infusion erhält. Dabei handelt es sich um eine Mischung von Antikörpern, welche mit den autoaggressiven Antikörpern in Wechselwirkung treten und dadurch die Immunreaktion normalisieren.
Eine gleichwertige Therapiealternative beim Guillain-Barré-Syndrom ist der sogenannte
Plasmatausch (Plasmapherese)
. Dabei wird das
Blut
des Patienten wie bei einer
Dialyse
durch eine Maschine geleitet, in der sich Membranen befinden. Diese Membranen filtern die schädlichen autoaggressiven Antikörper heraus. Das verhindert eine weitere Schädigung der Nervenstrukturen. Da der Körper die Antikörper allerdings wieder neu bildet, wird die Plasmapherese oft mehrfach wiederholt.
Eine Kombination der Gabe von Immunglobulinen und dem Plasmatausch empfehlen Experten im Moment nicht.
Kortison
ist bei Patienten mit
chronischer GBS-Krankheit
eine weitere Behandlungsmöglichkeit. Beim akuten Guillain-Barré-Syndrom ist das Medikament aber nicht wirksam.
Wenn viele Muskeln von der Lähmung betroffen sind und der Patient nicht mehr in der Lage ist, sich ausreichend zu bewegen, wird mithilfe von sogenannten
Heparinen
der Bildung von Blutgerinnseln vorgebeugt (
Thromboseprophylaxe
). Dazu wird meist einmal täglich eine Spritze unter die
Haut
(subkutan) verabreicht. Außerdem ist es wichtig, möglichst früh eine begleitende
Physiotherapie
zu beginnen, um den Körper beim Erhalt der Bewegungsfähigkeit zu unterstützen und eine schnelle Regeneration zu fördern.
Manchen Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom macht ihre Erkrankung besonders aufgrund der Lähmungen große
Angst
. Grundsätzlich gilt jedoch für die Mehrzahl der Fälle, dass sich diese unangenehmen Symptome wieder vollständig zurückbilden.
Falls die GBS-Krankheit durch den unvorhersehbaren Verlauf zu einer schweren psychischen Belastung führt, ist eine intensive Betreuung des Patienten (zum Beispiel durch
Psychotherapie
) sinnvoll. Wenn die Angst sich besonders stark entwickelt, kommen mitunter Medikamente zum Einsatz, die die Ängste reduzieren.
In den Sicherheitsinformationen verschiedener Impfungen ist das Guillain-Barré-Syndrom als mögliche Nebenwirkung erwähnt. Ein GBS als Folge einer Impfung ist nach derzeitigem Kenntnisstand allerdings äußerst selten.
So haben Mediziner einen Zusammenhang von GBS und Impfungen gegen SARS-CoV-2 (COVID-19) untersucht und festgestellt, dass bis Ende Mai 2021 in über 150 Fällen in Deutschland innerhalb von vier bis maximal sechs Wochen nach der ersten Impfdosis Symptome einer GBS-Erkrankung auftraten. Sie äußerten sich meist durch eine beidseitige
Gesichtslähmung
und Gefühlsstörungen (Parästhesien).
Eine Infektion mit dem COVID-19-Virus oder andere Infektionen lagen in keinem der Fälle vor. Die Experten haben bislang keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der COVID-19-Impfung und GBS festgestellt und keinen nennenswerten Anstieg von GBS-Erkrankungen über den Impfzeitraum beobachtet. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) geht daher davon aus, dass eine Erkrankung am GBS durch die Impfung gegen SARS-CoV-2 sehr unwahrscheinlich ist.
Einen ähnlichen Zusammenhang untersuchten Experten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), das für deutsche Impfstoff-Zulassungen zuständig ist, bereits für die Schweinegrippe-Impfung. Demnach hätten Geimpfte in den sechs Wochen nach der Impfung kein bis ein geringfügig erhöhtes Risiko, ein Guillain-Barré-Syndrom zu entwickeln. In diesem Zeitraum würden etwa sechs Menschen von einer Million Geimpfter zusätzlich an GBS erkranken.
Bislang ist nicht sicher geklärt, was das Guillain-Barré-Syndrom verursacht. Besonders auffallend ist jedoch, dass die GBS-Krankheit häufig nach einer Infektion wie
Herpes
Zoster,
Mumps
oder auch
Borreliose
auftritt. Drei Viertel aller Patienten geben an, dass sie eine Atemwegs- oder Magen-Darm-Infektion vor Beginn des Guillain-Barré-Syndroms hatten.
Häufig beginnt das GBS sieben bis zehn Tage nach einer Infektion. Als Auslöser kommen neben SARS-CoV-2 beispielsweise das Epstein-Barr-Virus, das Zika-Virus oder das Zytomegalievirus infrage.
Es wird vermutet, dass autoaggressive Immunzellen, die sich gegen den Körper richten und die isolierenden Ummantelungen der Nervenbahnen (Myelinscheiden) angreifen, eine Entzündung der Nerven (Polyneuritis) provozieren. Hinzu kommen entzündungsbedingte Schwellungen (Ödeme) der Nerven.
Campylobacter jejuni, ein bakterieller Erreger von Magen-Darm-Infekten, ist vermutlich der häufigste Auslöser von GBS. Während einer Infektion bildet der Körper Antikörper gegen Oberflächenstrukturen eines Krankheitserregers. Campylobacter jejuni besitzt auf seiner Oberfläche Strukturen, die denen der Nervenhülle ähneln. Experten vermuten daher, dass die Antikörper gegen den Krankheitserreger nach überstandenem Infekt weiter im Körper zirkulieren und aufgrund der ähnlichen Oberflächenstrukturen nun die Nerven angreifen („molekulares Mimikry“). Allerdings entwickeln nur etwa 30 von 100.000 Menschen, die mit diesem Bakterium infiziert sind, ein Guillain-Barré-Syndrom. Diese Vermutung der „molekularen Mimikry“ gilt ebenso für andere
Bakterien
und auch
Viren
.
Die Symptome, die das Guillain-Barré-Syndrom hervorruft, nehmen im Verlauf der Erkrankung häufig zu. Sie führen mitunter zu einer fast vollständigen Lähmung aller Muskeln. Aus diesem Grund zieht das Guillain-Barré-Syndrom oft schwerwiegende Komplikationen nach sich. Im schlimmsten Fall sind die Atmung und das Herz-Kreislauf-System schwer gestört. Die Atmung ist in bis zu 20 Prozent der Fälle beeinträchtigt („Landry-Paralyse“) und erfordert gegebenenfalls eine maschinelle Beatmung des Erkrankten.
Für einen Großteil der Betroffenen bedeutet die Erkrankung eine Einschränkung oder Umstellung ihres bisherigen Lebens. Schwere Langzeitkomplikationen durch Atem- und Herz-Kreislaufprobleme sind möglich. Da Betroffene zunehmend schlechter in der Lage sind, sich zu bewegen, steigt die Gefahr einer Blutgerinnsel-Bildung in den Gefäßen (Thrombosen). Durch das lange Liegen entstehen oft Blutgerinnsel, welche die Gefäße verschließen (Beinvenenthrombose,
Lungenembolie
).
Halten die Lähmungserscheinungen der Muskeln längere Zeit an, kommt es häufiger zu Muskelschwund (Muskelatrophie).
Während der Plateauphase des GBS sind die Bewegungseinschränkungen und sonstigen Symptome zumeist schwer. Der weitere Verlauf der Erkrankung gestaltet sich aber bei der großen Mehrheit der Patienten günstig: Die Symptome bilden sich bei etwa 70 Prozent der Betroffenen vollkommen zurück. Allerdings nimmt die vollständige Genesung mitunter viele Monate in Anspruch. In manchen Fällen ist die Rückbildung der Beschwerden auch unvollständig.
Ein Jahr nach der Erkrankung klagt ein Drittel der Patienten noch über Schmerzen. Rund 15 Prozent der Betroffenen sind dauerhaft erkrankt und leiden weiterhin unter Muskelschwäche sowie neuronalen Störungen. Sie benötigen beispielsweise Gehhilfen zur Fortbewegung.
Es ist möglich, dass das
Guillain-Barré-Syndrom
wiederholt auftritt und Übergänge in eine chronische Verlaufsform auch Jahre später noch vorkommen.
Kinder und Jugendliche haben selten Langzeitschäden, obwohl es möglich ist, dass auch bei ihnen leichte Störungen bestehen bleiben. Aus diesem Grund ist der Verlauf bei Kindern meist günstiger.
Im Jahr 1916 beschrieben die drei französischen Ärzte Guillain, Barré und Strohl erstmals das Guillain-Barré-Syndrom (GBS). „Syndrom“ bedeutet, dass es sich um eine Krankheit handelt, die sich durch eine bestimmte Kombination von Symptomen auszeichnet.
Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine seltene Erkrankung des Nervensystems und durch aufsteigende Lähmungen (Paresen) und Sensibilitätsstörungen, die zumeist beidseitig in den Händen oder Füßen beginnen, gekennzeichnet. Zu diesen Ausfällen kommt es, weil Immunzellen die isolierende Ummantelung der körpereigenen Nervenbahnen angreifen (Demyelinisierung) und auch die Nervenbahnen (Axone) selbst schädigen.
Diese Immunzellen sind autoaggressiv, weshalb es sich bei dem Guillain-Barré-Syndrom um eine Autoimmunerkrankung handelt. Beim GBS sind vor allem periphere Nervenbahnen (peripheres Nervensystem) und die aus dem Rückenmark austretenden Nervenpaare (Spinalnerven) geschädigt. Das sogenannte zentrale Nervensystem, das Gehirn und Rückenmark umfasst, ist seltener betroffen.
Die Ursachen für das Guillain-Barré-Syndrom sind noch weitgehend unklar. In der Regel tritt die Erkrankung jedoch nach einer Infektion auf.
Das Guillain-Barré-Syndrom lässt sich in sieben verschiedene Subtypen unterteilen, die sich durch die Ausprägung der Symptome und bestimmte Laborbefunde voneinander unterscheiden. In Europa ist die sogenannte
Akute Inflammatorische Demyelinisierende
Polyneuropathie
oder auch
Polyneuritis (AIDP)
mit etwa 90 Prozent der Fälle der häufigste Subtyp. Sie ist gekennzeichnet durch einen Abbau der Schutzhülle, welche die Nervenbahnen isoliert (Myelinscheide).
Etwa einer von hunderttausend Menschen erkrankt in Deutschland pro Jahr am Guillain-Barré-Syndrom. Das GBS kommt im höheren Lebensalter häufiger vor, wobei in einigen Fällen auch Personen mittleren Alters und Kinder sowie Jugendliche betroffen sind. Männer erkranken zudem etwas häufiger am Guillain-Barré-Syndrom als Frauen.
In etwa 70 Prozent der Fälle gehen die Symptome innerhalb von Wochen oder Monaten wieder vollständig zurück. Ungefähr acht Prozent der Erkrankten sterben jedoch an Komplikationen des GBS, wie beispielsweise Atemlähmung oder Lungenembolie. Gehäuft tritt das Guillain-Barré-Syndrom im Frühjahr und Herbst auf, möglicherweise da in diesen Jahreszeiten Infekte deutlich häufiger sind.
Bei Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom empfehlen Mediziner,
umgehend eine neurologische Klinik mit Intensivstation
aufzusuchen. Der Arzt erhält bereits durch die Schilderung Ihrer Beschwerden und eventueller Vorerkrankungen wichtige Informationen (
Anamnese
). Typische Fragen, die der Arzt bei Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom stellt, sind:
Oft besteht ein Zusammenhang mit einer ungefähr zwei Wochen zurückliegenden Magen-Darm- oder Atemwegserkrankung. Wenn nach einer solchen Infektion Muskelschwächen oder Störungen der Sensibilität auftreten, ist es ratsam, sofort ärztlichen Rat einzuholen. In einer Klinik überprüfen Spezialisten, ob tatsächlich das Guillain-Barré-Syndrom dahintersteckt oder die Symptome eine andere Ursache haben wie etwa Muskelerkrankungen oder Verletzungen des Rückenmarks.
Nach der Anamnese folgt die körperliche Untersuchung. Dabei testet der Arzt die Sensibilität und Muskelkraft an verschiedenen Körperstellen. Auch eine Überprüfung der zwölf Hirnnerven und der Reflexe ist Teil der körperlichen Untersuchung.
Experten haben Kriterien definiert, mit deren Hilfe der Arzt die Diagnose Guillain-Barré-Syndrom stellt. Die drei erforderlichen Hauptkriterien sind:
In der Klinik wird nach einer genauen körperlichen Untersuchung eine Probe der
Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (
Liquor
) entnommen und im Labor untersucht (Liquorpunktion). Dies ist unbedingt notwendig, um den Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom zu bestätigen und andere Ursachen auszuschließen. Um das Nervenwasser zu gewinnen, schiebt der Arzt eine sehr feine Nadel in Höhe der
Lendenwirbelsäule
bis zum Rückenmarkskanal vor und zieht das Nervenwasser mit einer Spritze ab. Das Rückenmark endet bereits oberhalb der Einstichstelle, sodass er dieses nicht verletzt.
Den Eingriff empfinden die meisten Menschen als unangenehm, aber nicht besonders schmerzhaft. Im Nervenwasser lässt sich beim Guillain-Barré-Syndrom typischerweise eine erhöhte Konzentration an Eiweißen nachweisen, während die Zahl der Zellen im Liquor normal ist (zytoalbuminäre Dissoziation). Dieser charakteristische Befund zeigt sich mitunter erst sieben bis zehn Tage nach Beginn der Erkrankung.
Ebenfalls wichtig bei Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom ist es, die Störungen der Nervenleitung durch
elektrophysiologische Untersuchungen
genauer zu begutachten. Dazu wird beispielsweise mit kurzen elektrischen Stromstößen die Leitfähigkeit von Nerven überprüft (Elektroneurografie).
Die Nervenleitungsgeschwindigkeit ist beim Guillain-Barré-Syndrom typischerweise vermindert, da die isolierenden Myelinscheiden von den Immunzellen segmentweise zerstört werden. Das lässt sich aber erst nach einigen Tagen Krankheitsdauer messen. Deshalb sollten elektrophysiologische Untersuchungen regelmäßig im Verlauf des Guillain-Barré-Syndroms wiederholt werden.
Im
Blut
lassen sich in rund 30 Prozent der Fälle von Guillain-Barré-Syndrom bestimmte Antikörper gegen Bestandteile der Nervenhülle (zum Beispiel Anti-GQ1b-AK, Anti-GM1-AK) finden. Nur selten ist es noch möglich, den Erreger einer dem Guillain-Barré-Syndrom vorausgehenden Infektion zu bestimmen. Bei Kindern gelingt dies etwas häufiger als bei Erwachsenen. Die Erreger-Bestimmung hat in der Regel keinen Einfluss auf die Therapie.
Wenn die bisher genannten Untersuchungen keine klaren Ergebnisse liefern, lässt sich zusätzlich eine
Magnetresonanztomografie (MRT)
anwenden. Mit Hilfe dieser Technik werden sehr genaue Bilder des Rückenmarks und der austretenden Nerven gemacht. Der Arzt spritzt dem Patienten dazu ein Kontrastmittel in die Vene. Es reichert sich beim Guillain-Barré-Syndrom besonders in den Nervenwurzeln (Ein- und Austrittsstellen der Nervenfasern am Rückenmark) an. Zusätzlich lässt sich mittels MRT ausschließen, dass ein Bandscheibenvorfall die Symptome verursacht.
Aufgrund der schweren Auswirkungen einer GBS-Erkrankung überprüfen Ärzte bei Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom im Vier- bis Acht-Stundentakt die Muskelkraft und allgemeine Parameter der
Herz- und Atemfunktion
. Besonders bei älteren Menschen oder einem raschen Voranschreiten der Symptomatik ist eine engmaschige Überwachung erforderlich. Dabei achten Ärzte vor allem auf eventuelle Komplikationen wie eine Atemlähmung (Landry-Paralyse) und eine Lungenembolie.
Da die genauen Ursachen und Auslöser des Guillain-Barré-Syndroms nach wie vor weitgehend unbekannt sind, gibt es keine Empfehlungen zur Vorbeugung.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Guillain-Barré-Syndrom
Kurzübersicht
Symptome des Guillain-Barré-Syndroms
Sonderformen des Guillain-Barré-Syndroms
Wie wird das Guillain-Barré-Syndrom therapiert?
Ursachen für GBS – Komplikation nach COVID-19-Impfung?
Weitere Ursachen für das Guillain-Barré-Syndrom: Infektionen
Komplikationen und Folgeschäden
Krankheitsverlauf und Prognose
Was ist das Guillain-Barré-Syndrom?
Häufigkeit
Wie wird das Guillain-Barré-Syndrom diagnostiziert?
Körperliche Untersuchung
Weitere Untersuchungen
Vorbeugen
Autoren- & Quelleninformationen