Illness name: insektengiftallergie
Description:
Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Bei einer
Insektengiftallergie
reagiert das Immunsystem überempfindlich auf bestimmte Bestandteile von Insektengift. Unter Umständen entwickeln sich schwere allergische Symptome wie Schwellungen an Gesicht und Hals, Schwindel, Übelkeit oder Atemnot. Lebensgefährlich wird es, wenn die Allergie einen Herz-Kreislauf-Stillstand verursacht – Betroffene brauchen schnelle ärztliche Hilfe! Lesen Sie hier, warum eine Insektengiftallergie auftritt, wie sie sich äußert und was sich dagegen tun lässt.
Insektenstiche
sind nie angenehm. Während Mückenstich meist nur heftig jucken, rufen Bienen- und Wespenstiche eine schmerzhafte oder juckende Schwellung und Rötung an der Einstichstelle hervor. Solche Symptome gehen auf Inhaltsstoffe im Insektenspeichel zurück, die zum Beispiel entzündungsfördernd oder reizend auf das Gewebe wirken. Sie sind normal und meist harmlos.
Anders sieht es bei einer
Insektengiftallergie
aus - also einer überschießenden Reaktion des Immunsystems auf das Gift, das beim Stich mancher Insekten (wie Bienen, Wespen) in den Körper gelangt. Das Immunsystem geht hier heftig gegen bestimmte Inhaltsstoffe im Insektengift vor.
Diese Überreaktion entspricht einer
Typ-I-Allergie (Soforttyp-Allergie)
: Die allergische Reaktion wird von spezifischen Antikörpern vom Typ
Immunglobulin E
(IgE) vermittelt und löst wenige Minuten nach dem Insektenstich Symptome aus. Diese können neben verstärkten lokalen Reaktionen mehr oder weniger heftige Symptome in anderen Körperregionen umfassen (z.B. Herz-Kreislauf- oder Atembeschwerden) und unter Umständen lebensbedrohlich werden.
In Mitteleuropa lösen hauptsächlich die Stiche von sogenannten Hautflüglern (Hymenoptera) eine Insektengiftallergie aus, darunter vor allem die Stiche bestimmter Wespen sowie der Honigbienen. Seltener geht die Allergie auf das Konto anderer Hymenoptera wie Hummeln, Hornissen oder Ameisen.
Oft sind allerdings
Kreuzreaktionen
(Kreuzallergien) möglich, weil sich das Gift einiger Hymenoptera in seiner Zusammensetzung ähnelt. Deshalb vertragen Menschen mit einer Wespengiftallergie oft auch das Gift von Bienen und Hornissen nicht - aufgrund strukturell ähnlicher Allergene. Und eine Bienengiftallergie kann neben einer
Kreuzallergie
gegen Wespen auch eine gegen Hummeln sowie gewisse Bestandteile von Honig entwickeln.
Mehr zum Thema lesen Sie im Beitrag
Kreuzallergie
.
Mücken produzieren kein Gift. Auf ihren Stich reagieren manche Menschen dennoch recht heftig mit einer großen, geröteten und stark juckenden Schwellung. Eine allergische Reaktion?
Im Allgemeinen nicht. Meist ist eine lokale Entzündung dafür verantwortlich, ausgelöst durch Eiweiße im Mückenspeichel. Sie weiten die
Blutgefäße
und hemmen die
Blutgerinnung
- so kann die Mücke leichter
Blut
saugen. Bestimmte Immunzellen (Mastzellen) aber reagieren auf diese fremden Eiweiße mit der Ausschüttung des Botenstoffes Histamin. Er ruft die lokale Entzündung und den
Juckreiz
hervor - ein allgemeiner Mechanismus zur Abwehr von potenziell gefährlichen Eindringlingen.
Auch bei allergischen Reaktionen spielt Histamin eine wichtige Rolle. Im Falle von Mückenstichen ist seine Freisetzung aber normalerweise nicht allergisch bedingt. Nichtsdestotrotz ist eine echte Allergie gegen Mückenstiche möglich, allerdings selten. Wenn sie auftritt, kann sie in Einzelfällen auch Allgemeinreaktionen wie Übelkeit,
Herzrasen
oder Atemnot hervorrufen - wie eine schwere Insektengiftallergie.
Nicht alle Reaktionen auf einen Insektenstich sind allergischer Natur:
Als
normale örtliche Reaktion
auf einen Insektenstich bildet sich eine gerötete, schmerzhafte Schwellung an der Einstichstelle. Ihr Durchmesser beträgt in der Regel weniger als zehn Zentimeter. Innerhalb von 24 Stunden klingt diese nicht allergisch bedingte Reaktion wieder ab.
Manche Menschen entwickeln eine gesteigerte örtliche Reaktion (
schwere Lokalreaktion
). Sie ist vermutlich allergisch bedingt, wenn auch nicht unbedingt durch IgE vermittelt, sondern durch andere allergische Mechanismen:
Die Schwellung an der Einstichstelle dehnt sich hier auf einen Durchmesser von mehr als zehn Zentimetern aus und hält länger als 24 Stunden an. Manchmal entzünden sich auch Lymphgefäße (Lymphangitis). Selten gesellen sich Krankheitsgefühl,
Kopfschmerzen
und andere Begleitsymptome hinzu.
Egal, ob normale oder gesteigerte örtliche Reaktion: Hat das Insekt in
Mund
oder
Rachen
zugestochen, kann die lokale Schleimhautschwellung die Atemwege einengen oder sogar verschließen!
Allergische Allgemeinreaktionen
(allergische Systemreaktionen) bei einer Insektengiftallergie können unterschiedlich schwer ausfallen. In leichteren Fällen beschränken sie sich auf die
Haut
. Innerhalb von Minuten nach dem Insektenstich kommt es zu Symptomen wie:
Bei einer stärker ausgeprägten Insektengiftallergie gesellen sich zu den Hautsymptomen allergische Beschwerden im Bereich von Magen-Darm-Trakt, Atemtrakt und Herz-Kreislauf-System hinzu. Möglich sind je nach Schweregrad beispielsweise:
Im Extremfall führt eine Insektengiftallergie zu einem Atem- und Herz-Kreislauf-Stillstand.
Mehr über eine solche schwere allergische (anaphylaktische) Reaktion lesen Sie im Beitrag
Anaphylaktischer Schock
.
Es gibt auch andere mögliche Reaktionen auf Insektenstiche, die in der Regel nicht allergisch bedingt sind. Wer etwa von sehr vielen Insekten (wie Bienen, Wespen) gestochen wird, kann toxische Reaktionen entwickeln. Dazu zählen etwa der Zerfall von Muskelfasern (Rhabdomyolyse), Nieren- und Leberschäden. Dafür verantwortlich ist die zellgiftige Wirkung verschiedener Substanzen im Insektengift.
Eine Insektengiftallergie entwickelt sich nicht schon beim ersten Stich. Zunächst erfolgt die
Sensibilisierung
: Das Immunsystem stuft bestimmte Substanzen im Insektengift (z.B. Hyaluronidasen, Phospholipasen) als gefährlich ein und entwickelt spezifische Antikörper vom Typ
Immunglobulin E
(IgE) dagegen.
Beim erneuten Stich "erinnert" sich das Immunsystem beziehungsweise die Truppe der spezifischen IgE-Antikörper an diese fremden Substanzen (Allergene genannt). In der Folge wird eine
Kaskade an Abwehrmechanismen
angestoßen: Verschiedene Immunzellen (Mastzellen, Granulozyten) schütten Histamin, Leukotriene und Prostaglandine aus. Diese entzündungsfördernden Botenstoffe setzen die allergische Reaktion in Gang, die den ganzen Körper betreffen kann.
Eine
genetische Veranlagung
für allergische beziehungsweise atopische Erkrankungen (
Atopie
) begünstigt die Sensibilisierung auf das Gift verschiedener Insekten. Sie ist aber keine Voraussetzung dafür, dass sich aus der Sensibilisierung tatsächlich eine Insektengiftallergie entwickelt. Das heißt: Eine solche Allergie kommt sowohl bei Menschen mit als auch ohne eine genetische Veranlagung vor.
Ein
erhöhtes Risiko für Insektenkontakt
(erhöhtes Expositionsrisiko) begünstigt das Auftreten einer Insektengiftallergie: Wer etwa häufiger mit Bienen oder Wespen in Kontakt kommt, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit öfters gestochen. Das trifft zum Beispiel auf Imker beziehungsweise deren Familienangehörige sowie nahen Nachbarn zu. Auch Obst- und Bäckereiverkäufer werden dank ihrer Waren oftmals von Insekten wie Wespen umschwirrt.
Wer sich viel im Freien aufhält, läuft ebenfalls leicht Gefahr, von Bienen & Co. gestochen zu werden und so mit der Zeit eine Insektengiftallergie zu entwickeln. Das gilt zum Beispiel für Gärtner, Bauern, Waldarbeiter sowie für Menschen, die oft schwimmen gehen, viel Rad fahren oder regelmäßig im Garten arbeiten.
Ein
erhöhtes Risiko für schwere Reaktionen
besteht zum Beispiel in folgenden Fällen:
Besteht der Verdacht auf eine Insektengiftallergie (wie Bienen- oder Wespengiftallergie), wird der Arzt im Erstgespräch (
Anamnese
) zunächst die Krankengeschichte erheben. Dabei kann er beispielsweise folgende Fragen stellen:
Noch vorhandene Symptome (z.B. Schwellungen) kann der Arzt im Rahmen einer
körperlichen Untersuchung
genauer begutachten.
Allergietests
(wie Hauttest, Bestimmung spezifischer Antikörper) sind meist nur dann angezeigt, wenn die Symptome sich nicht auf die Einstichstelle begrenzen, sondern auch andere Körperregionen betreffen (systemische Reaktionen) - etwa in Form von Nesselsucht am Körper, Atembeschwerden oder Übelkeit.
Beim
Pricktest
trägt der Arzt verschiedene Allergene (etwa aus Bienengift) in Tropfenform auf die Innenseite des Unterarms. An diesen Stellen ritzt er die Haut dann leicht an. Anschließend gilt es abzuwarten, ob sich an den betroffenen Hautstellen Reaktionen zeigen. Diese sprechen für eine allergische Reaktion. Beispielsweise kann sich bei einer Wespen- oder Bienenstichallergie die Haut dort röten und zu jucken beginnen, an der das betreffende Insektengift aufgetragen wurde.
Alternativ oder bei negativem Pricktest kann der Arzt die Allergene in die Haut spritzen (Intradermaltest). Auch hier achtet er im Anschluss auf eventuelle Überempfindlichkeitsreaktionen.
Der Verdacht auf eine Insektengiftallergie erhärtet sich, wenn sich im Blut des Patienten spezifische Immunglobulin-E-Antikörper gegen ein Insektengift (gesamt) nachweisen lassen. In unklaren Fällen kommen weitere Untersuchungen und Tests in Betracht. Beispielsweise kann man nach spezifischen IgE gegen wichtige Einzelallergene in Insektengiften fahnden.
Lassen sich sowohl gegen Wespen- als auch gegen Bienengift spezifische Antikörper nachweisen, ist der Patient entweder gegen beide Insektengifte sensibilisiert und allergisch. Oder aber er hat nur eine der beiden Insektengiftallergien (Bienen- oder Wespengiftallergie) und reagiert nur im Zuge einer Kreuzreaktion (Kreuzallergie) auch auf das andere Insektengift.
Besonders wichtig für Menschen mit einer Insektengiftallergie ist es, Insektenstiche möglichst zu vermeiden (siehe unten: Vorbeugung von Insektenstichen). Da dies nicht immer gelingt, sollten die Betroffenen stets einen Allergie-Pass bei sich tragen und ein Notfallset griffbereit haben (besonders, wenn sie schon einmal eine schwere allergische Reaktion hatten).
Wer um seine Insektengiftallergie weiß, hat idealerweise die notwendigen Medikamente in einem Notfallset griffbereit und ihre richtige Anwendung im Vorfeld mit einem Arzt besprochen.
Bei einem Insektenstich in Mund oder Rachen sollten Sie dem Betreffenden nichts zu trinken geben – er könnte sich durch die Schleimhautschwellung leicht verschlucken.
Im hoffentlich griffbereiten Notfallset befinden sich Medikamente, die der Betroffene im Ernstfall noch vor Ankunft des Arztes (umgehend
Rettung alarmieren!
) anwenden kann:
Betroffene mit schweren allergischen Symptomen müssen ins Krankenhaus und dort meist einige Zeit zur Überwachung bleiben, da körperliche Reaktionen auch noch später auftreten können.
Manche Insektengiftallergie lässt sich durch eine sogenannte
Hyposensibilisierung
(spezifische Immuntherapie) ursächlich behandeln. Im Verlauf mehreren Sitzungen erhält der Allergiker steigende Mengen "seines" Allergieauslösers unter die Haut gespritzt. Auf diese Weise soll sich das Immunsystem langsam an das Allergen "gewöhnen", sodass sich die Insektengiftallergie mit der Zeit deutlich abschwächt.
Die Hyposensibilisierung ist bei schwerer Insektengiftallergie angezeigt. Ihre Wirksamkeit ist gut dokumentiert. Allerdings ist sie meist ein langwieriger Prozess, der sich über Jahre hinzieht. Zudem ist sie nicht für jeden Betroffenen geeignet oder möglich.
Mehr über Dauer, Ablauf und Risiken der spezifischen Immuntherapie lesen Sie im Beitrag
Hyposensibilisierung
.
Meist hinterlassen Überempfindlichkeitsreaktionen auf Insektengift keine bleibenden Schäden. Es kommt aber auch immer wieder zu Todesfällen aufgrund einer schweren allergischen Reaktion auf Insektenstiche. Die Dunkelziffer dürfte dabei höher sein, da Anaphylaxie als Todesursache oft unerkannt bleibt.
Einen Schutz vor systemischen Reaktionen bei Insektengiftallergie bietet oftmals eine Hyposensibilisierung: Untersuchungen zufolge beträgt ihre Effektivität bei Wespengiftallergie mehr als 95 Prozent und bei Bienengiftallergie zwischen 80 und 85 Prozent.
Allergiker sollten Bienen, Wespen, Hornissen, Hummeln und Mücken nach Möglichkeit meiden. Verschiedene Maßnahmen können besonders in der warmen Jahreszeit dabei helfen, Insekten fernzuhalten. Die wichtigsten sind:
Das Risiko, von einem Insekt gestochen zu werden, ist besonders in den Monaten von April bis November erhöht. In dieser Zeit ist es besonders für Menschen mit schwerer
Insektengiftallergie
wichtig, dass sie stets Notfallset und Allergiepass bei sich tragen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Insektengiftallergie
Insektengiftallergie: Beschreibung
Häufige Verursacher einer Insektengiftallergie
Können auch Mückenstiche allergische Reaktionen auslösen?
Insektengiftallergie: Symptome
Insektengiftallergie: Ursachen und Risikofaktoren
Risikofaktoren für Insektengiftallergie
Insektengiftallergie: Untersuchungen und Diagnose
Hauttest
Bestimmung spezifischer Antikörper
Insektengiftallergie: Behandlung
Akut-Therapie der örtlichen Reaktionen
Akut-Therapie allergischer Allgemeinreaktionen
Hyposensibilisierung
Insektengiftallergie: Krankheitsverlauf und Prognose
Insektengiftallergie: Vorbeugung von Insektenstichen
Autoren- & Quelleninformationen