Illness name: morbus bechterew
Description:
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Sabrina Kempe ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Biologie studiert und sich dabei besonders in die Molekularbiologie, Humangenetik und Pharmakologie vertieft. Nach ihrer Ausbildung zur Medizinredakteurin in einem renommierten Fachverlag hat sie Fachzeitschriften und eine Patientenzeitschrift betreut. Jetzt verfasst sie Beiträge zu Medizin- und Wissenschaftsthemen für Experten und Laien und redigiert wissenschaftliche Fachbeiträge von Ärzten.
Carola Felchner ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und geprüfte Trainings- und Ernährungsberaterin. Sie arbeitete bei verschiedenen Fachmagazinen und Online-Portalen, bevor sie sich 2015 als Journalistin selbstständig machte. Vor ihrem Volontariat studierte sie in Kempten und München Übersetzen und Dolmetschen.
Morbus Bechterew
ist eine besondere Form entzündlichen Rheumas. Er äußert sich hauptsächlich in Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Im Verlauf können sich Verknöcherungen bilden, daher auch der medizinische Name Spondylitis ankylosans: Er bedeutet "versteifende Wirbelsäulenerkrankung". Morbus Bechterew ist nicht heilbar und kann die Beweglichkeit der Betroffenen einschränken. Lesen Sie hier alles Wichtige zum Thema Morbus Bechterew!
Morbus Bechterew (M. Bechterew, Spondylitis ankylosans) gehört zur Gruppe der sogenannten
Spondyloarthritiden
. Das sind Erkrankungen des Achsenskeletts (
Schädel
,
Wirbelsäule
und Brustkorb). Morbus Bechterew betrifft besonders die Wirbelsäule und deren Verbindung zum Becken, wo sich Entzündungen bilden. Diese können Knochengewebe zerstören.
Außerdem können die Entzündungen bewirken, dass sich Knochenanhängsel in Form von Faserknorpeln bilden, welche die Gelenkränder ersetzen. Das kann, muss aber nicht immer, dazu führen, dass die vielen kleinen Gelenke und Bänder der Wirbelsäule und des Beckens verknöchern. Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit sind damit häufige Anzeichen von Morbus Bechterew. Im Endstadium kann die Wirbelsäule komplett knöchern versteifen.
Morbus Bechterew tritt in Mitteleuropa bei rund 0,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung auf, meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. In Deutschland sind etwa 350.000 Menschen mehr oder weniger stark von der Krankheit betroffen, darunter dreimal so viele Männer wie Frauen.
Morbus Bechterew bei Frauen stellt normalerweise keine besondere Gefahr dar: Weder wird die Fruchtbarkeit beeinträchtigt noch erhöht sich im Falle einer Schwangerschaft das Risiko einer Fehl- oder
Frühgeburt
. Auch für die werdende Mutter selbst besteht für gewöhnlich kein besonderes Risiko durch die Morbus Bechterew-Erkrankung. Allerdings sollten Schwangere grundsätzlich möglichst wenig Medikamente einnehmen. Der behandelnde Arzt wird hierzu jede Frau individuell beraten.
Morbus Bechterew darf nicht mit dem weniger dramatischen Morbus Forrestier (Spondylitis hyperostotica) verwechselt werden. Zu den Symptomen dieser Erkrankung zählen zwar auch eine zunehmende Versteifung und Schmerzen. Allerdings handelt es sicher hierbei nur um eine reine Verknöcherung der Wirbelsäule, die ohne Entzündungsreaktionen entsteht. Die Folgen sind in der Regel wesentlich harmloser.
Morbus Bechterew ist eine chronische Erkrankung und tritt
oft in Schüben
auf. Das heißt: Die Patienten erleben Phasen mit starken Beschwerden (Schübe) und solche, in denen es ihnen besser geht. Im Laufe der Zeit kann Morbus Bechterew von Schub zu Schub voranschreiten, sodass die Wirbelsäule steifer wird und sich verformt.
Die Art und Schwere der Morbus-Bechterew-Symptome hängen im Einzelfall zum einen vom Stadium der Erkrankung ab. Zum anderen gibt es auch individuelle Unterschiede von Patient zu Patient.
Zu den Hauptsymptomen bei Morbus Bechterew zählen
tiefsitzende Rückenschmerzen
,
morgendliche Steifigkeit
und
nächtliche Schmerzen
, die über mindestens drei Monate anhalten. Viele Patienten berichten von Schmerzen in der zweiten Nachthälfte, die erträglicher werden, wenn sie umhergehen oder Gymnastik machen. Ausgehend von den Kreuzbein-Darmbein-Gelenken des Beckens (Iliosakralgelenke) strahlen die Schmerzen beim Morbus Bechterew in beide Beine (Oberschenkel) und ins Gesäß aus. Der Gesäßschmerz wechselt zwischen links und rechts.
Häufige
Frühzeichen
sind zudem auch:
Nach Monaten bis Jahren können sich durch Morbus Bechterew die
Körperhaltung und -bewegung verändern
, und zwar in typischer Weise: Während die untere Wirbelsäule (
Lendenwirbelsäule
) meist abflacht, krümmt sich die
Brustwirbelsäule
zunehmend. So bildet sich oft ein
Buckel
. Zum Ausgleich streckt sich der Hals, und die Hüft- und Kniegelenke beugen sich. Durch die Buckelbildung der Wirbelsäule kann das Blickfeld beim Geradeausschauen eingeschränkt sein. Zudem lassen sich große Gelenke (Hüfte, Knie, Schulter,
Ellenbogen
) teilweise nur noch eingeschränkt bewegen.
Bei ungefähr 20 Prozent der Patienten treten
weitere entzündliche Reaktionen
im Körper auf. Betroffen sind beim Morbus Bechterew oft Augen (Iris),
Herz
und Nieren. Das kann unter anderem zu
Sehstörungen
,
Herzrhythmusstörungen
beziehungsweise Nierenschwäche führen. Solche Entzündungsreaktionen müssen unbedingt abgeklärt werden: Die Funktion von Augen, Herz und Nieren kann gefährdet sein.
Seltener kommt es bei M. Bechterew zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder einer Entzündung der großen Körperschlagader (Aortitis). Auch Gelenksentzündungen (Arthritis) ganzer Finger oder Zehen oder eine Sehnenansatzentzündung (Enthesitis) sind möglich. Letztere entwickelt sich besonders oft am Ansatz der
Achillessehne
.
Viele Patienten zeigen außerdem eine
verringerte Knochendichte
(Osteopenie) bis hin zum Knochenschwund (
Osteoporose
).
Manche Betroffene entwickeln mit dem Morbus Bechterew auch
Symptome im
Darm
. Es wird ein Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (u.a.
Morbus Crohn
oder Colitis ulcerosa) vermutet. Dann können sich schmerzhafte Darmkrämpfe und Durchfälle zu den Morbus-Bechterew-Symptomen gesellen.
Es besteht zudem der Verdacht, dass die Spondylitis ankylosans in Zusammenhang mit Harnwegserkrankungen stehen könnte.
Die genaue Ursache des Morbus Bechterew ist nicht bekannt. Vermutlich handelt es sich aber um eine
Fehlfunktion des Immunsystems
. Da manchmal mehrere Mitglieder einer Familie daran erkranken, vermuten Experten eine
genetische Veranlagung
für Morbus Bechterew – und somit eine mögliche
Vererbung
: Etwa 90 Prozent aller Patienten besitzen ein spezielles Protein namens
HLA-B27
. Es sitzt auf der Oberfläche bestimmter Zellen des Immunsystems und soll eigentlich Krankheitserreger oder Fremdstoffe erkennen und abwehren.
Bei Morbus-Bechterew-Patienten scheint dieses Protein bei manchen Erregern aber weniger erfolgreich zu sein. Deshalb muss das Immunsystem stärker reagieren, um gegen diese Eindringlinge wirksam vorgehen zu können. Dabei kommt es dann wohl zu einer chronischen Entzündung der Wirbel und Beckenknochen.
Die erbliche Veranlagung allein reicht aber für einen Krankheitsausbruch nicht aus: Laut aktuellem Stand der Wissenschaft muss
zusätzlich eine Infektion
auftreten, um Morbus Bechterew auszulösen.
So kann die Erkrankung aus einer sogenannten
reaktiven Arthritis
hervorgehen. Darunter versteht man eine Gelenkentzündung, die als Reaktion auf eine Infektion in einer anderen Körperregion (Atemwege, Harnwege etc.) entsteht. Ob Faktoren wie körperliche Belastung, Kälte und Nässe oder seelische Einflüsse den Ausbruch begünstigen oder nur die Symptome nachträglich verschlimmern, ist nicht abschließend geklärt. Sicher ist jedoch eines:
Morbus Bechterew ist nicht ansteckend
.
Die wichtigste Informationsquelle für den Arzt bei der Abklärung einer möglichen Morbus Bechterew-Erkrankung sind Sie selbst als Patient. Der Arzt unterhält sich ausführlich mit Ihnen, um Ihre
Krankengeschichte
zu erheben (Anamnese). Vor allem lässt er sich die auftretenden Beschwerden genau beschreiben.
Es kann auch sein, dass Sie der Arzt bittet, spezielle Fragebögen (Bath-Indizes) auszufüllen. Sie werden als subjektives Maß herangezogen, um die Schwere der Krankheit und die körperliche Funktionsfähigkeit einzuschätzen.
Typische Fragen, die für die Diagnose Morbus Bechterew wichtig sind, sind zum Beispiel:
Danach kann der Mediziner bei Verdacht auf Morbus Bechterew mit einigen
klinischen Tests
feststellen, wie beweglich Sie in Ihrer Wirbelsäule sind und ob Schmerzen in den Iliosakralgelenken bestehen. Beispiele:
Es gibt
keine spezifischen Blutuntersuchungen
für die Bechterew-Krankheit. Oft lassen sich zwar im
Blut
der Patienten moderat erhöhte Entzündungswerte (wie
CRP
oder
Blutsenkungsgeschwindigkeit
) feststellen. Diese Blutwerte können aber auch durch viele andere Erkrankungen erhöht sein.
Mit den Bildgebungsverfahren
Röntgen
und
Magnetresonanztomografie
(MRT, auch
Kernspintomografie
genannt) lassen sich die Zerstörung und Neubildung von Knochengewebe sowie der Zustand der Gelenke erkennen. Dabei bildet die MRT den Goldstandard beim Erkennen von Morbus Bechterew. Die Diagnose ist mittels Magnetresonanztomografie schon im frühen Krankheitsstadium möglich - auf MRT-Bilder lassen sich auch entzündliche Veränderungen in den Kreuz-Darmbein-Gelenken erkennen, die auf Röntgenbildern noch nicht sichtbar sind.
Die Morbus Bechterew-Therapie besteht darin, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen – heilbar ist die Erkrankung bislang nicht. Grundsätzlich gibt es bei M. Bechterew verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die auch miteinander kombiniert werden:
Die Morbus Bechterew-Therapie wird individuell an die Bedürfnisse eines Patienten angepasst.
Sie richtet sich nach den Beschwerden des Patienten und zielt vor allem darauf ab, Entzündungen, Schmerzen und Steifigkeit bei Morbus Bechterew zu verringern sowie die Beweglichkeit der Patienten zu erhalten. Dazu werden meist entzündungshemmende und schmerzlindernde Mittel aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (
NSAR
) eingesetzt, zum Beispiel
Ibuprofen
.
Da diese Medikamente die Magenschleimhaut angreifen, sollte zusätzlich ein magenschützendes Medikament (z. B.
Omeprazol
,
Pantoprazol
) eingenommen werden.
Bei einem akuten Morbus Bechterew-Schub oder besonders starken Gelenkschmerzen kann der Arzt in die entsprechende Region ein
Glukokortikoid (Kortison)
spritzen. Das entzündungshemmende Mittel wirkt meist schnell. Man weiß bislang aber nicht, ob und inwiefern solche Kortisonspritzen den Verlauf der Krankheit beeinflussen.
Sind auch Arme und Beine von Morbus Bechterew betroffen und reichen andere entzündungshemmende Mittel nicht aus, kann der Arzt einen
Immunmodulator
verschreiben:
Sulfasalazin
oder Upadacitinib. Diese Wirkstoffe greifen in den Stoffwechsel von Entzündungsbotenstoffen ein.
Neben diesen entzündungshemmenden Medikamenten kommen manchmal auch sogenannte
TNF-Alpha-Blocker
zum Einsatz. Sie dämpfen das Immunsystem. Angewendet werden sie bei Patienten, bei denen die ankylosierende Spondylitis schwer verläuft und die Symptome nicht anders kontrollierbar sind.
Durch die dämpfende Wirkung auf das Immunsystem können solche Medikamente anfälliger für Infektionen machen: Krankheitserreger können sich leichter und schneller im Körper ausbreiten.
Eine Operation kann bei Morbus Bechterew zum Beispiel nötig sein, wenn die chronische Entzündung ein Gelenk (wie das
Hüftgelenk
) stark beschädigt oder zerstört hat. Dann kann man es unter Umständen durch eine
Prothese
ersetzen.
Ist Ihre
Halswirbelsäule
eines Patienten infolge der Erkrankung sehr instabil, können die Wirbelkörper operativ versteift werden (
zervikale Fusion
). Außerdem kann ein Chirurg Knochenkeile entfernen, um eine sich zunehmend krümmende Wirbelsäule wieder aufzurichten (
Keilosteotomie
).
Bewegung kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Sie ist vielleicht sogar der wichtigste Baustein in der Morbus Bechterew-Behandlung. Körperliche Aktivitäten im Alltag wie Spazierengehen, regelmäßige Gymnastik, Radfahren, Schwimmen, Nordic Walking und andere Sportarten erhalten Ihre Beweglichkeit. Außerdem sind bei Morbus Bechterew Übungen wichtig, die die Muskulatur kräftigen – etwa die Rumpfmuskulatur, was das Aufrichten der Wirbelsäule unterstützt.
Ebenfalls eine wichtige Rolle spielt bei Morbus Bechterew die Ernährung. So weiß man, dass die Omega-6-Fettsäure
Arachidonsäure
Entzündungen in den Gelenken fördert. Diese Fettsäure ist hauptsächlich in (Schweine-)Fleisch enthalten. In fettreichen Kaltwasser-Fischen, Lein- und Rapsöl stecken dagegen reichlich
Omega-3-Fettsäuren
. Sie können Entzündungen hemmen. Für Sie als Morbus Bechterew-Patient ist deshalb eine
fleischarme Ernährung
mit viel Obst, Gemüse, Fisch, pflanzlichen Fetten und fettreduzierten Milchprodukten empfehlenswert.
Die richtige Ernährung ist – zusammen mit regelmäßiger Bewegung – außerdem wichtig für ein
gesundes Körpergewicht
. Besonders Übergewicht ist bei Morbus Bechterew nicht ratsam: Mit zu vielen Fettpolstern ist es schwerer, eine aufrechte Haltung zu wahren und sich ausreichend zu bewegen.
Sprechen Sie Ihren Arzt auf strukturierte Schulungsprogramme an, wo man Sie unter anderem im Hinblick auf Bewegungsübungen und gesunde Ernährung berät und unterstützt.
Rauchen ist grundsätzlich schlecht für die Gesundheit, umso mehr aber bei M. Bechterew: Nikotinkonsum kann nämlich die knöchernen Veränderungen schneller voranschreiten lassen. Deshalb sollten Sie bei Morbus Bechterew keinesfalls rauchen!
Sehr sinnvoll zur Unterstützung Ihrer Therapie sind Wärmeanwendungen, Massagen und gezielte Gymnastikübungen bei Morbus Bechterew: Sie helfen Ihnen, Ihre Körperhaltung und Beweglichkeit zu erhalten, verkürzte Muskeln zu dehnen und schwache zu kräftigen. Regelmäßige Physiotherapie kann zudem die Versteifung Ihrer Wirbelsäule hinauszögern und die Schmerzen verringern.
Im Alltag sollten Sie Tätigkeiten vermeiden, bei denen Sie sich weit nach vorn beugen müssen. Ideal ist es, wenn Sie regelmäßig aufstehen (müssen). Bei Schreibtischarbeit und beim Autofahren kann ein keilförmiges Sitzkissen hilfreich sein: Es verhindert, dass das Becken nach hinten kippt. So sitzt man automatisch aufrechter.
Achten Sie darauf, dass Ihre Bettmatratze fest ist und nicht durchhängt. Das Kopfkissen sollte möglichst flach sein und den Kopf gerade halten. Ein Muldenkissen kann verhindern, dass der Kopf in den Nacken kippt.
Die Bechterew-Krankheit ist eine über lange Zeit (
chronisch
) verlaufende Krankheit, die in Schüben auftritt. Das bedeutet, die Beschwerden (Schmerzen und Steifheit) werden plötzlich innerhalb von einigen Wochen stärker. Danach kommt es in der Regel zu einer leichten Erholung bis hin zu einem fast beschwerdefreien Intervall. Dieses kann unterschiedlich lang andauern, bevor dann der nächste Krankheitsschub kommt.
Morbus Bechterew ist
nicht heilbar
. Alle Therapieansätze können nur das Fortschreiten der Erkrankung bremsen und die Beschwerden lindern. Die Sterblichkeit wird aber nicht beeinflusst durch Morbus Bechterew: Die Lebenserwartung der Patienten ist die gleiche wie beim Bevölkerungsdurchschnitt.
Als M. Bechterew-Patient sollten Sie zu
regelmäßigen Kontrolluntersuchungen
gehen. Dabei prüft der Arzt die Beweglichkeit der Wirbelsäule, des Beckens sowie der großen Gelenke an Armen und Beinen. Auch sollten bei Morbus Bechterew die Augen (Sehfähigkeit) und die Herzfunktion regelmäßig kontrolliert werden.
Je nachdem, wie stark Sie vom Morbus Bechterew betroffen und in Ihrem Alltagsleben eingeschränkt sind, kann Ihre Erkrankung als Behinderung oder sogar Schwerbehinderung eingestuft werden. Grundlage für die Einstufung ist die Versorgungsmedizinverordnung (zu finden unter https://www.gesetze-im-internet.de/versmedv/BJNR241200008.html).
Wenn bei einer beeinträchtigenden Erkrankung wie Morbus Bechterew der
Behinderungsgrand (Grad der Behinderung, GdB) mindestens 50
beträgt, liegt eine Schwerbehinderung vor. Der Betreffende bekommt dann einen Schwerbehindertenausweis.
Zuständig für die Einstufung und die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises ist das Versorgungsamt, in manchen Bundesländern auch das Amt für Versorgung und Rehabilitation des Landratsamts bzw. der kreisfreien Städte. Welche Behörde in Ihrem Fall zuständig ist, erfahren Sie im Internet unter: https://www.integrationsaemter.de/kontakt/89c7/index.html.
Als chronisch erkrankter Patient mit Morbus Bechterew, ist Ihr Risiko erhöht, arbeitsunfähig zu werden. Allerdings besteht manchmal die Möglichkeit, das eigene Arbeitsumfeld gemeinsam mit dem Arbeitgeber an die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Dazu zählen beispielsweise
Anpassungen hinsichtlich Sitzmöbel und Arbeitshöhe
und eventuell die Anschaffung eines
Steh-Sitz-Arbeitstisches
.
Vielleicht können Sie mit Ihrem Arbeitgeber auch einen
späteren Arbeitsbeginn
vereinbaren, wenn Sie sehr unter Morgensteifigkeit leiden. Außerdem sollten Sie
keine schweren Lasten heben
und das
Arbeiten in vornübergebeugter Körperhaltung vermeiden
.
Das Sozialgesetzbuch fordert eine bedarfsgerechte Unterstützung vom Arbeitgeber.
Neben schwerer körperlicher Arbeit und einer ungünstigen Sitzhaltung kann auch zu viel Stress einen Schub auslösen. Achten Sie also auf nötige
Ruhepausen
und teilen Sie sich Ihre Kraft gut ein. Mittags zehn bis 20 Minuten flach auf den Rücken legen, richtet ihre Wirbelsäule wieder gerade.
Sind solche Arbeitsplatz-Anpassungen nicht möglich oder ist Ihre Arbeit für Ihre Erkrankung ungeeignet, können Sie sich an den Betriebsarzt oder das Integrationsamt wenden.
Das Robert Koch-Institut hat Patienten mit Morbus Bechterew und anderen Formen von entzündlichem Rheuma (wie
Rheumatoider Arthritis
) generell als Risikopatienten für COVID-19 eingestuft. Denn manche Medikamente zur Behandlung entzündlichen Rheumas unterdrücken das Immunsystem. Eigentlich ist aber noch unklar, ob dadurch auch das Risiko steigt, schwerer an der neuen Infektionskrankheit COVID-19 zu erkranken. Deshalb sind zurzeit Forscher dabei, international Fälle von Rheumapatienten mit COVID-19 in Registern zusammenzutragen und die Verläufe zu beobachten und zu vergleichen. Auch in Deutschland wird ein solches Register geführt (erste Daten unter:
https://www.covid19-rheuma.de
).
Bisherige Ergebnisse sind beruhigend – die meisten Patienten erholen sich von COVID-19, auch wenn sie Rheuma-Medikamente erhalten. So wurden im Register "EULAR and Global Rheumatology Alliance COVID-19" bereits 600 COVID-19-Erkrankungen von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen aus 40 Ländern vom 24. März 2020 bis 20. April 2020 analysiert: Die Einnahme von Basismedikamenten wie Sulfasalazin, Biologika, nichtsteroidalen Antirheumatika und TNF-alpha-Hemmern erhöhte die Wahrscheinlichkeit nicht, bei COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Nur eine Behandlung mit einer mäßigen bis hohen Kortisondosis (mit mehr als 10 mg
Prednison
pro Tag) war mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines Klinikaufenthalts verbunden.
Die genannten Erkenntnisse sind nur vorläufiger Natur. Weitere Forschungsergebnisse und Studien sind erforderlich, um das Risiko besser einschätzen zu können.
Achtung! Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie warnt ausdrücklich vor dem eigenmächtigen Absetzen der Rheuma-Therapie!
Sie können die Forscher unterstützen: Melden Sie sich, wenn Sie als Rheumapatient an COVID-19 leiden oder wenn Sie unabhängig von einer COVID-19-Erkrankung an einer Patientenumfrage zur Situation von Rheumapatienten teilnehmen möchten unter
https://www.covid19-rheuma.de/patienten-information
.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Sabrina Kempe ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Biologie studiert und sich dabei besonders in die Molekularbiologie, Humangenetik und Pharmakologie vertieft. Nach ihrer Ausbildung zur Medizinredakteurin in einem renommierten Fachverlag hat sie Fachzeitschriften und eine Patientenzeitschrift betreut. Jetzt verfasst sie Beiträge zu Medizin- und Wissenschaftsthemen für Experten und Laien und redigiert wissenschaftliche Fachbeiträge von Ärzten.
Carola Felchner ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und geprüfte Trainings- und Ernährungsberaterin. Sie arbeitete bei verschiedenen Fachmagazinen und Online-Portalen, bevor sie sich 2015 als Journalistin selbstständig machte. Vor ihrem Volontariat studierte sie in Kempten und München Übersetzen und Dolmetschen.
Morbus Bechterew
Kurzübersicht
Was ist Morbus Bechterew?
Morbus Bechterew in der Schwangerschaft
Abgrenzung zu Morbus Forrestier
Morbus Bechterew: Symptome
Morbus Bechterew: Ursachen
Morbus Bechterew: Diagnose und Untersuchungen
Morbus Bechterew: Behandlung
Medikamentöse Therapie
Operative Therapie
Gesunder Lebensstil
Bewegung
Ernährung
Verzicht auf Nikotin
Sonstige Therapiemaßnahmen
Morbus Bechterew: Verlauf und Prognose
Morbus Bechterew: Tipps
Schwerbehindertenausweis
Arbeitsplatz
Morbus Bechterew & COVID-19
Weiterführende Informationen:
Übungen bei Morbus Bechterew:
Leitlinien:
Selbsthilfegruppe und Forum:
Autoren- & Quelleninformationen