Illness name: zwangsstoerung

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Zwangsstörung

Von Julia Dobmeier , Masterstudium in Psychologie
Julia Dobmeier

Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.

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Die Zwangsstörung ist eine schwere psychische Erkrankung. Die Betroffenen führen zwanghaft immer wieder die gleichen Rituale aus oder werden von beunruhigenden Gedanken geplagt. Obwohl sie erkennen, dass ihre Handlungen und Ängste irrational sind, bekommen sie ihr Denken und Handeln nicht in den Griff. Lesen Sie hier, wie eine Zwangsstörung entsteht, wie man sie erkennt und wie sie behandelt wird.

ICD-Codes für diese Krankheit: ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen. F42

Kurzübersicht

  • Ursachen: Mehrere Faktoren kommen zusammen, wie erbliche Vorbelastung, Veränderungen im Gehirn (beispielsweise überaktiver Frontallappen, gestörter Serotoninhaushalt), Umwelteinflüsse (wie belastende Ereignisse, überbehütete Kindheit)
  • Symptome: Wiederkehrende Zwangshandlungen oder -gedanken, die eine starke innere Anspannung und Angst erzeugen; Beispiele für Handlungen: Putz-, Zähl- oder Ordnungszwang, Beispiele für Gedanken: Gewalt oder Blasphemie; Betroffenen ist bewusst, dass Denken und Verhalten unsinnig ist
  • Diagnostik: Aufnahme der Krankengeschichte, Therapeut klassifiziert nach der ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen
  • Therapie: Kognitive Verhaltenstherapie , unterstützt durch autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Achtsamkeitstraining, Medikamente wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Selbsthilfegruppe als ergänzende Maßnahme
  • Prognose: Meist chronischer Verlauf, verstärkt durch Stress, bessere Prognose bei frühzeitiger Behandlung, vollständige Heilung eher selten
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Was ist eine Zwangsstörung?

Eine Zwangsstörung (englisch: obsessive compulsive disorder, OCD-Krankheit) ist eine schwere psychische Störung, die die Betroffenen stark belastet.

Zwangsstörungen umfassen ein breites Spektrum von Verhaltensauffälligkeiten und weiteren psychischen Merkmalen. Manche Betroffene werden von Zwangsgedanken verfolgt. Sie haben beispielsweise die zwanghafte Vorstellung, eine Gewalttat oder sexuell unerwünschte Handlung begehen zu müssen. Andere Betroffene stehen unter dem Druck, bestimmte Handlungen wieder und wieder in ritualisierter Form ausführen zu müssen (zum Beispiel Hände waschen, vorbeifahrende Autos zählen).

Die Gedanken und Handlungen werden als Zwang bezeichnet, denn die Betroffenen versuchen oft erfolglos, gegen sie anzukämpfen. Der innere Widerstand, die Handlungen oder Gedanken zu unterlassen, kostet viel Kraft und erzeugt immer stärker werdende Anspannung und Angst. Erst wenn sie den Zwängen nachgeben, lässt der Druck nach.

Ähnlich wie bei Suchtkranken tritt mit der Zeit eine Art Gewöhnungseffekt ein: Das Ritual wird meist immer komplexer und langwieriger, bis es die erhoffte Entspannung bringt. Die Zwänge nehmen daher immer mehr Zeit und Energie in Anspruch.

Ein veralteter Begriff für die Zwangsstörung ist die Zwangsneurose. Die Zwangsneurose-Definition beinhaltet, dass zwangsneurotische Menschen den Bezug zur Realität nicht verlieren – im Gegensatz zu Menschen mit einer Psychose . Sie wissen, dass ihre Zwangsgedanken und -handlungen irrational sind, sind aber nicht in der Lage, sie abzustellen.

Nicht jedes Ritual ist zwanghaft

Ein bisschen Zwanghaftigkeit steckt in jedem Menschen – abergläubische Vorstellungen gehören ebenso dazu wie harmlose Rituale. So verspürt mancher ansonsten rationale Mensch leichtes Unwohlsein, wenn er am Freitag, den 13., einen wichtigen Vertrag unterschreiben soll.

Der Übergang vom normalen Verhalten zur Zwangsstörung ist fließend. So fühlen sich die einen vielleicht nur gezwungen, vor dem Schlafengehen noch einmal zu überprüfen, ob der Herd ausgeschaltet ist – auch wenn sie gar nicht gekocht haben. Andere hingegen müssen ein mehrstündiges Waschritual vollziehen, bevor sie das Haus verlassen.

Grundsätzlich gilt, dass eine Zwangsstörung nur dann vorliegt, wenn der Betroffene selbst darunter leidet oder in seinem Alltag massiv eingeschränkt ist.

Wie viele sind betroffen?

Menschen, die unter einer Zwangserkrankung leiden, schämen sich oft für ihr irrationales Verhalten und schweigen darüber nach Möglichkeit. Die Dunkelziffer der Betroffenen ist daher hoch. Experten schätzen, dass etwa ein bis drei Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer Zwangsstörung betroffen sind. Bei Männern treten häufiger Kontrollzwänge auf, Frauen leiden dagegen häufiger unter Wasch- oder Putzzwängen.

Neben der Zwangsstörung treten bei den Betroffenen meistens weitere psychische Störungen wie Depression oder Angststörungen auf.

Waschzwang

Weitere Informationen zu Anzeichen und Behandlung eines Waschzwangs finden Sie im Beitrag Waschzwang .

Kontrollzwang

Wie sich ein Kotrollzwang äußert und wie er behandelt wird, erfahren Sie im Beitrag Kontrollzwang .

Zwänge bei Kindern

Eine Zwangsstörung beginnt oft schon im Kindes- oder Jugendalter. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen zeigen sich bereits vor dem 15. Lebensjahr erste Symptome der Zwangsstörung. Kinder und Jugendliche bemühen sich oft, diese Zwänge geheim zu halten. Dabei sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen. Massiv manifestieren sich die Zwänge dann oft in Lebenskrisen oder Konfliktsituationen.

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Was sind die Ursachen?

Wie die unterschiedlichen Arten von Zwangsstörungen entstehen, ist noch nicht geklärt. Familienuntersuchungen und Zwillingsstudien zeigen, dass es – wie bei den meisten psychischen Erkrankungen – eine erbliche Vorbelastung für die Zwangsstörung gibt. Damit sie ausbricht, müssen jedoch weitere Faktoren hinzukommen.

Veränderungen im Gehirn

Inzwischen weiß man, dass bei Menschen mit einer Zwangserkrankung der Frontallappen des Gehirns überaktiv ist. Er kontrolliert unter anderem die sogenannten Basalganglien . Das sind Hirnstrukturen, die für die motorischen Abläufe zuständig sind. Erhärtet wird diese Hypothese dadurch, dass Menschen, deren Basalganglien durch Tumore oder Kopfverletzungen beeinträchtigt sind, häufiger Zwangsstörungen entwickeln.

Darüber hinaus scheint bei Menschen mit Zwangsstörung der Serotoninhaushalt im Gehirn gestört zu sein. Serotonin ist ein wichtiger Nervenbotenstoff (Neurotransmitter). Vielen Patienten helfen Medikamente, die den Serotoninspiegel erhöhen.

Umwelteinflüsse

Auslöser einer Zwangsstörung sind häufig belastende Ereignisse. Jegliche Überforderung erzeugt den Wunsch nach Kontrolle. Wenn die Situation für die Person jedoch nicht zu bewältigen ist, dienen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen zum einen als Ablenkung. Zum anderen verschaffen Zwangsgedanken und -handlungen Personen, die ängstlich sind und ein erhöhtes Bedürfnis nach Sicherheit haben, die Illusion, im Grunde unkontrollierbare Ereignisse kontrollierbar zu machen. Sie hoffen zum Beispiel, dass durch bestimmte Rituale Unglücke vermieden werden.

Mitunter trägt die Erziehung zur Entstehung einer Zwangsstörung bei. Kinder, die eher ängstlich sind, werden durch überbehütendes Verhalten der Eltern zusätzlich verunsichert. Sie lernen von den Eltern, bedrohliche Situationen zu meiden, anstatt sich ihnen zu stellen. Auch Eltern, die sehr kritisch mit den Kindern sind oder perfektionistische Ansprüche haben, fördern möglicherweise eine Zwangsstörung beim Nachwuchs.

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Was sind die Symptome?

Das Hauptmerkmal einer Zwangsstörung sind wiederkehrende Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen. Häufig treten diese Symptome gemeinsam auf. Die Zwangsgedanken und Zwangshandlungen erzeugen eine starke innere Anspannung und sind meistens mit Angst verbunden.

Zwangshandlungen

Zwangshandlungen sind irrationale Handlungen, die von den Betroffenen ausgeführt werden. Oft geht es darum, damit ein mögliches Unglück abzuwenden. Dabei muss der Inhalt der Handlungen nicht in einem rationalen Zusammenhang mit den Befürchtungen stehen. So befürchtet eine Mutter beispielsweise, dass ihren Kindern etwas Schlimmes widerfährt, wenn sie vergisst, das Licht auszuschalten. Aus Angst um ihre Kinder überprüft sie daher ununterbrochen die Lichtschalter.

Häufige Formen von Zwangsverhalten sind beispielsweise der Putzzwang und der Ordnungszwang. Beim Putzzwang müssen die Betroffenen die Wohnung oder Gegenstände immer wieder reinigen. Ordnungszwänge gehen mit einem zwanghaften Wunsch nach Gleichförmigkeit und Symmetrie einher. So müssen vielleicht die Stifte auf dem Schreibtisch exakt parallel ausgerichtet sein oder alle Hemden zu exakt derselben Größe gefaltet werden. Das Abweichen von dieser Vorgabe ist für die Betroffenen unerträglich.

Viele leiden an einem Zähl- und Wiederholungszwang , bei dem sie den Zwang verspüren, gewisse Handlungen in einer bestimmten Häufigkeit durchzuführen. Wenn die Betroffenen in ihren Ritualen einen Fehler machen oder den Eindruck haben, diese seien nicht gründlich genug gewesen, müssen sie wieder von vorne beginnen. Durch die zunehmende Komplexität der Rituale nimmt eine Zwangshandlung manchmal bis zu mehrere Stunden in Anspruch.

Ob Zwangsgedanke oder Zwangshandlung – den Betroffenen ist die Unsinnigkeit ihres Denkens und Verhaltens durchaus bewusst, und sie schämen sich dafür. Sie versuchen immer wieder, dem Zwang Widerstand entgegenzusetzen, was jedoch nur kurzfristig und unter großer Kraftanwendung gelingt.

Zwangsgedanken

Zwangsgedanken äußern sich in Form von aufdringlichen Ideen, Vorstellungen oder Impulsen. Oft haben sie gewalttätige, sexuelle oder blasphemische Inhalte. Weitere Informationen zu Anzeichen und Behandlung von zwanghaftem Denken finden Sie im Beitrag Zwangsgedanken .

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Welche Untersuchungen und Diagnosen gibt es?

Häufig schämen sich die Betroffenen für ihre Zwänge, weil sie diese als unsinnig erkennen. Es fällt ihnen schwer, sich einem Psychologen oder Arzt anzuvertrauen. Die Betroffenen sollten sich jedoch bewusstmachen, dass die merkwürdigen Gedanken und Handlungen Teil einer Zwangsstörung sind und viele Menschen mit denselben oder ähnlichen Zwängen ringen. Vor allem verschwinden Zwänge in der Regel nicht wieder von allein.

Es ist daher wichtig, dem Arzt oder Psychologen offen und ehrlich zu antworten, damit sich die Zwangsstörung erkennen und behandeln lässt.

Anamnese

In einem ersten Gespräch ( Anamnese ) wird der Arzt oder Therapeut durch Fragen feststellen, ob die genannten Kriterien auf die Person zutreffen. Folgende Fragen stellt der Experte zur Zwangsstörung beispielsweise:

  • Haben Sie häufig unangenehme Gedanken, die sich Ihnen aufdrängen?
  • Verspüren Sie einen inneren Druck, bestimmte Handlungen immer wieder durchzuführen?
  • Empfinden Sie diese Gedanken oder Handlungen als unsinnig?
  • Befürchten Sie, dass etwas Schlimmes passiert, wenn Sie die Handlungen nicht ausführen?
  • Brauchen Sie sehr lange für Alltagstätigkeiten?

Diagnosekriterien

Für die Diagnose der Zwangsstörung orientiert sich der Therapeut an der ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. Folgende Kriterien müssen zutreffen:

  1. Die Betroffenen haben Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen an den meisten Tagen über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen.
  2. Die Zwangsgedanken und -handlungen zeigen die folgenden Merkmale:
  • Die Betroffenen wissen, dass die Gedanken/Handlungen ihre eigenen sind und nicht von äußeren Einflüssen erzeugt werden.
  • Die Gedanken/Handlungen wiederholen sich dauernd, werden als unangenehm empfunden und als übertrieben oder unsinnig erkannt.
  • Die Betroffenen versuchen, gegen die Zwangsgedanken oder -handlungen Widerstand zu leisten.
  • Die Ausführung der Zwangsgedanken oder -handlungen empfinden die Betroffenen als unangenehm.
  • Die Betroffenen leiden unter der Zwangsstörung, und der damit verbundene enorme Zeitaufwand schränkt sie in ihrem beruflichen und sozialen Leben ein.
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Wie erfolgt die Behandlung?

Die besten Behandlungserfolge zeigt die kognitive Verhaltenstherapie. Zusätzlich sind Medikamente hilfreich.

Kognitive Verhaltenstherapie

Zu Beginn bespricht der Therapeut mit dem Patienten die konkrete Vorgehensweise. Eine Methode in der kognitiven Verhaltenstherapie sind Expositionsübungen , die als besonders wirksam gelten. Bei diesen Übungen wird der Patient mit dem Reiz konfrontiert, der normalerweise sein zwanghaftes Verhalten auslöst, ohne dass er dem inneren Druck nachgeben darf. Jemand, der einen Ordnungszwang hat, muss zum Beispiel Unordnung in seinen Kleiderschrank bringen und darf die Kleider anschließend nicht wieder sortieren.

Die Exposition erfolgt so, dass die Herausforderungen von Mal zu Mal gesteigert werden oder aber der Betroffene gleich zu Beginn der Therapie mit seiner größten Angst konfrontiert wird. Während der Drang, dem üblichen Ritual zu folgen, anfangs übermächtig scheint, erlebt der Patient, wie der Druck langsam nachlässt – auch ohne, dass er dem Zwang nachgibt. Durch diese bewusste Erfahrung gewinnt er ein Stück weit die Kontrolle über sein Verhalten zurück. Zu Beginn der Therapie dauert es allerdings eventuell mehrere Stunden, bis sich dieser Effekt einstellt.

Zur Bewältigung von Zwangsgedanken werden die Patienten dazu aufgefordert, die unangenehmen Gedanken zuzulassen. Denn das Unterdrücken führt dazu, dass diese noch häufiger auftreten. Wenn sich die Betroffenen darauf einlassen und sich direkt mit den Gedanken auseinandersetzen, sind sie in der Lage, ihre Zwänge zu besiegen.

Außerdem erklärt der Verhaltenstherapeut dem Patienten, wie Zwänge entstehen, und hilft ihm, ungünstige gedankliche Muster zu verändern.

Die kognitive Verhaltenstherapie wird sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern eingesetzt.

Unterstützend wirken Methoden zum Stressabbau wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder ein Achtsamkeitstraining.

Medikamente

Einem großen Teil der Zwangserkrankten helfen sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) – eine spezielle Gruppe von Antidepressiva. Sie müssen in der Regel deutlich höher dosiert werden als bei der Behandlung von Depressionen. Durch die Einnahme von SSRI verringert sich bei den meisten Betroffenen die innere Anspannung. Die Zwangssymptome lassen nach.

Sie verschwinden aber meist nicht komplett und kehren nach Absetzen der Medikamente verstärkt wieder zurück. Eine begleitende kognitive Verhaltenstherapie ist daher immer zu empfehlen.

Auch bei Kindern gilt diese Vorgehensweise. Sind die Zwänge stark ausgeprägt, werden zusätzlich zur kognitiven Verhaltenstherapie auch bei ihnen Medikamente, vor allem SSRI wie beispielsweise Fluoxetin , eingesetzt.

Selbsthilfegruppen

Die Selbsthilfe bei einer Zwangsstörung stellt einen wichtigen ergänzenden Baustein in der Behandlung einer Zwangsstörung dar. Zum einen sind Selbsthilfezentren oftmals für Betroffene ein erster Anlaufpunkt für eine Beratung. Sie helfen, bei der Aufklärung des Erkrankten mitzuwirken und so einen adäquaten Umgang mit der Störung zu fördern. Zum anderen spielen Selbsthilfegruppen eine Rolle dabei, nach einer Behandlung Rückfälle zu vermeiden. Zudem eignet sich Selbsthilfeliteratur als Mittel zur eigenen Unterstützung.

Auch Fachgesellschaften bieten Betroffenen und ihren Angehörigen Rat und Hilfe, wie zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Zwangserkrankungen DGZ ( https://www.zwaenge.de ).

Tipps für Angehörige

Eine Zwangsstörung ist nicht nur für den Patienten eine Belastung, sondern auch für alle, die mit ihm zusammenleben. Die zeitaufwendigen Zwangshandlungen gehen zulasten der Partner und Familie. Mitunter wird ihnen sogar abverlangt, sich dem Zwang zu unterwerfen, indem sie beispielsweise ebenfalls überzogene Hygieneregeln einhalten.

Folgende Tipps sind hilfreich für Angehörige, um mit der schwierigen Situation fertig zu werden:

  • Das Zwangsritual lässt sich vom Patienten willentlich nur begrenzt und mit großem Kraftaufwand kontrollieren. Die Aufforderung, sich zusammenzureißen, sowie Diskussionen über die Sinnlosigkeit des Tuns helfen daher nicht weiter. Das einzig wirklich Hilfreiche ist eine Therapie.
  • Ermutigen Sie daher den Betroffenen, sich therapeutische Hilfe zu suchen.
  • Unterstützen Sie den Betroffenen nicht in seinem Ritual. Helfen Sie ihm beispielsweise nicht, vor dem Verlassen des Hauses sämtliche Elektrogeräte zu kontrollieren oder Dinge für ihn zu zählen, um ihn zu beruhigen. Auf Dauer stabilisieren Sie dadurch nur das Zwangsverhalten.
  • Loben Sie ihn für Fortschritte, aber kritisieren Sie ihn nicht, wenn sich die Symptome auch wieder einmal verstärken – beispielsweise, wenn der Betroffene unter Druck steht. Solche Schwankungen in der Symptomstärke sind normal.
  • Lassen Sie sich vom Zwang des Betroffenen nicht vereinnahmen. Gehen Sie weiterhin Ihren Hobbys nach, treffen Sie Freunde und versuchen Sie, auch mit dem Zwangserkrankten im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas zu unternehmen.
  • Setzen Sie dem Betroffenen klare Grenzen für das, was Sie bereit sind, in Kauf zu nehmen, und was nicht.
  • Wenn Sie mitunter entnervt und zornig sind (und das ist unvermeidlich!), sollten Sie deutlich machen, dass sich dies auf die Symptome bezieht und nicht auf den Erkrankten selbst.

Wie sind Krankheitsverlauf und Prognose?

Zwangsstörungen verlaufen meistens chronisch. Unter Stress verschlimmern sich die Symptome.

Früher galten Zwangsstörungen als kaum behandelbar. Mit den heutigen Methoden der Psychotherapie und bestimmten Medikamenten aber lassen sich die Symptome meist auf ein erträgliches Maß reduzieren. Dabei gilt: Je früher die Therapie einsetzt, desto besser die Prognose. Schlechtere Aussichten haben allerdings Betroffene, die zusätzlich an Depressionen leiden.

Langzeitstudien haben gezeigt, dass sich der Zustand von etwa zwei Drittel der therapierten Patienten auch noch zwei bis sechs Jahre nach Therapieende im Vergleich zu früher gebessert oder sehr gebessert hat. Eine vollständige Heilung der Zwangsstörung ist jedoch eher selten.

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Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Dr. med. Nina Buschek, Christiane Fux
Autor:
Julia Dobmeier

Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.

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ICD-Codes:
F42
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Blanz, B. et al.: Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter: Ein entwicklungspsychopathologisches Lehrbuch. Schattauer Verlag, 1. Auflage, 2005
  • Goodman, R. & Scott, S.: Kinder- und Jugendpsychiatrie. Schattauer Verlag, 3. Auflage, 2016
  • Margraf, J. & Schneider, S.: Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 2 Psychologische Therapie bei Indikationen im Erwachsenenalter. Springer-Verlag, 4. Auflage, 2018
  • Neurologen und Psychiater im Netz: Zwangserkrankungen – Informationen für Angehörige, unter: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org (Abruf: 31.03.2022)
  • S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN): Zwangsstörungen (Stand: 2013, in Überarbeitung), unter: www.awmf.org (Abruf: 31.03.2022)