Illness name: bipolare stoerung
Description:
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Eine
Bipolare Störung
ist eine schwere psychische Erkrankung. Menschen, die darunter leiden, erleben ein ständiges Auf und Ab der Gefühle. Zeitweise fühlen sich die Betroffenen sehr niedergeschlagen, dann wiederum sind sie euphorisch, aufgedreht, hyperaktiv und überschätzen sich. Lesen Sie hier, wie man eine Bipolare Störung erkennt und behandelt.
Die Bipolare Störung gehört wie die
Depression
zu den sogenannten affektiven Störungen. Das bedeutet, dass sie sich auf die Gefühle der Betroffenen auswirkt. Die Patienten erleben starke
Stimmungsschwankungen
, für die es meist keinen äußeren Auslöser gibt. Manische Phasen mit großer Euphorie, Energie und Selbstüberschätzung oder aber Gereiztheit und Misstrauen wechseln sich mit depressiven Phasen ab, in denen die Betroffenen niedergeschlagen und antriebslos sind. Oft wird die Bipolare Störung daher heute noch umgangssprachlich als Manische Depression bezeichnet.
Bipolare Störungen betreffen schätzungsweise ein bis drei Prozent der Bevölkerung.
Bei einer Bipolaren Störung wechseln sich in unregelmäßigen Abständen Phasen oder Episoden mit gedrückter (depressiver) Stimmung und solche mit auffälligem Stimmungshoch oder gereizter Stimmung (manische Phasen) ab. Nichtsdestotrotz handelt es sich nicht um ein einheitliches Krankheitsbild. Vielmehr gibt es verschiedene Erscheingunsformen einer Bipolaren Störung, darunter vor allem folgende:
Es gibt bei Bipolarer Störung vier verschiedene Episodenarten. Neben den "klassischen" depressiven und manischen Episoden zählen dazu auch hypomanische und gemischte Episoden. Manchmal folgt auf eine manische Phase eine depressive Episode - entweder direkt als "Nachschwankung" oder später (nach eine Periode mit "normaler" Stimmungslage) als separate Episode. In anderen Fällen läuft es umgekehrt: Es beginnt mit einer depressiven Phase, gefolgt von einer manischen Phase - wiederum entweder als "Nachschwankung" oder isoliert auftretend. Ganz selten leidet ein Patient nur unter manischen Phasen.
In den depressiven Phasen gleicht das Krankheitsbild einer Depression. Zu den Hauptsymptomen gehören dann:
Die Gesichtsmimik ist während eines depressiven Schubs tendenziell starr und ausdruckslos. Die Betroffenen sprechen meist leise und ihre Antworten kommen verzögert.
In der depressiven Phase können
auch körperliche Symptome
auftreten. Der Appetit nimmt ab, und viele Betroffene verlieren deutlich an Gewicht. Manche empfinden Schmerzen an unterschiedlichen Körperstellen. Häufige Beschwerden sind Atemnot, Herzbeschwerden, Magen- und Darmprobleme sowie
Schwindel
,
Kopfschmerzen
und Erektionsstörungen.
In Phasen der Manie ist alles übersteigert – emotionale Erregung, Denken, Sprechen, Handeln: Der Patient ist voller Energie (bei gleichzeitig geringem Schlafbedürnis) und entweder auffällig gehobener Stimmung oder aber sehr gereizt. Er hat einen starken Rededrang, ist sprunghaft und unkonzentriert, außerdem sehr kontaktbedürftig, überaktiv und impulsiv.
Typisch sind auch Selbstüberschätzung, vermehrtes Risikoverhalten und Leichtsinnigkeit. Manche Patienten geben etwa gedankenlos Geld aus und beginnen überdimensionale Projekte, die sie in finanzielle und rechtliche Probleme bringen können. Problematisch ist auch, dass die sozialen Hemmungen verloren gehen. Betroffene sprechen dann willkürlich fremde Leute an und neigen zu einem offeneren Flirt- und Sexualverhalten.
Während einer manischen Episode sind die Patienten auch sehr kreativ. Man geht heute davon aus, dass unter anderem Vincent van Gogh und Georg Friedrich Händel manisch-depressiv waren.
Bei mehr als zwei Drittel aller Patienten mit Manie treten
zusätzlich psychotische Symptome
auf. Dazu zählen zum Größenwahn gesteigerte Selbstüberschätzung,
Halluzinationen
, Verfolgsungswahn und Wahngedanken.
In manchen Fällen von Bipolarer Störung sind die manischen Symptome in abgeschwächter Form ausgeprägt. Dann spricht man von Hypomanie. Betroffene leiden beispielsweise eher an Konzentrationsschwierigkeiten als an Ideenflucht und Gedankenrasen. Auch besonders auffällige Manie-Symptome wie Verlust sozialer Hemmungen, starke Selbstüberschätzung und tollkühnes Verhalten sind nicht beziehungsweise kaum vorhanden.
Abgesehen von rein depressiven oder (hypo-)manischen Episoden treten bei Bipolarer Störung manchmal auch gemischte Phasen auf. Sie zeichnen sich durch eine Mischung oder einen raschen Wechsel (innerhalb weniger Stunden) von depressiven und (hypo-)manischen Symptomen aus. Von einer gemischte Episode spricht man aber erst, wenn depressive und (hypo-)manische Symptome gleichermaßen die meiste Zeit über mindestens zwei Wochen auftreten.
Eine Bipolare Störung ist mit großem Leiden und einer erhöhten Suizidgefahr verbunden. Dabei ereignen sich Suizidversuche und Suizide fast immer während oder unmittelbar nach einer depressiven oder gemischten Episode.
Die Bipolare Störung ist sowohl durch biologische als auch psychosoziale Faktoren bedingt. Bisherige Untersuchungen lassen vermuten, dass ein kompliziertes Zusammenspiel mehrerer Gene mit verschiedenen Umweltfaktoren die Krankheit begünstigt.
Familien- und Zwillingsstudien haben gezeigt, dass genetische Faktoren an der Entstehung einer Bipolaren Störung beteiligt sind. So werden Kinder eines erkrankten Elternteils mit zehnprozentiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls manisch-depressiv. Liegt eine Bipolare Störung bei beiden Elternteilen vor, steigt die Erkrankungswahrscheinlichkeit sogar auf bis zu 50 Prozent.
Neuere Studien haben gezeigt, dass elf Regionen im menschlichen Genom mit einer Bipolaren Störung (und auch mit Schizophrenie) assoziiert sind. Sechs von diesen Regionen waren bislang noch nicht bekannt gewesen.
Vieles deutet darauf hin, dass bei der Bipolaren Störung die Verteilung und Regulation wichtiger Botenstoffe im Gehirn (Neurotransmitter) gestört ist. Neurotransmitter sind körpereigene Stoffe, die bestimmte Reaktionen im Körper und im Gehirn hervorrufen. Beispiele sind
Serotonin
, Noradrenalin und
Dopamin
.
Bei depressiven Menschen hat man einen Mangel an Noradrenalin und Serotonin festgestellt. In manischen Phasen hingegen ist die Konzentration an Dopamin und Noradrenalin erhöht. Bei der Bipolaren Störung spielt also möglicherweise das Ungleichgewicht der verschiedenen Botenstoffe eine wichtige Rolle. Die medikamentöse Therapie der bipolaren Störung zielt deshalb darauf ab, eine kontrollierte Ausschüttung dieser Signalstoffe zu erreichen.
Neben den biologischen Einflüssen sind auch die individuellen Lebensumstände an einer bipolaren Störung beteiligt. Vor allem Stress scheint ein Auslöser für manisch-depressive Schübe zu sein.
Schwere Krankheiten, Mobbing, schlimme Erlebnisse in der Kindheit, Trennungen durch Scheidung oder Tod bedeuten ebenso Stress wie manche Entwicklungsphasen (z.B. Pubertät). Wie Stress empfunden und verarbeitet wird, hängt von der jeweiligen Person ab. Manche Menschen haben gute Strategien entwickelt, um mit Stress umzugehen, während andere schnell überfordert sind. So können stressauslösende Faktoren die Wahrscheinlichkeit, an einer Bipolaren Störung zu erkranken, erhöhen.
Manche Medikamente können die Stimmungslage verändern und im Extremfall sogar eine Bipolare Störung auslösen. Dazu gehören kortisonhaltige Präparate,
Methylphenidat
, bestimmte Antiparkinson- und Epilepsie-Medikamente, aber auch Drogen wie Alkohol, LSD, Marihuana und Kokain.
Es existieren auch einzelne Fallberichte, wonach Bipolare Störungen nach Hirnverletzungen aufgetreten sein sollen.
Die Bipolare Störung ist
nicht leicht zu diagnostizieren
, weil sie mit anderen psychischen Störungen wie einer klassischen Depression oder Schizophrenie verwechselt werden kann. Da die manische Phase von den Angehörigen und Betroffenen oft als lediglich aufgedrehte Stimmung interpretiert wird, dauert es oft Jahre, bis eine richtige Diagnose gestellt wird.
Vor allem die Bipolar-II-Störung und die Zyklothymia sind schwer zu erkennen, da die Symptome hier schwächer ausgeprägt sind als bei der Bipolar-I-Störung. Es ist daher besonders wichtig, dem Arzt oder Therapeuten Erleben, Stimmungen und Gefühle detailliert zu beschreiben.
Bei Verdacht auf eine Bipolare Störung kann zuerst der Hausarzt kontaktiert werden. Aufgrund der schwierigen Diagnose und der erhöhten Suizidgefahr ist es aber ratsam, sofort den Kontakt zu einer Klinik aufzunehmen oder einen Facharzt für Psychiatrie aufzusuchen. Häufig sehen Betroffene allerdings keine Notwendigkeit für ärztliche Hilfe – vor allem während ihrer manischen Phase.
Zur Abklärung einer möglichen Bipolaren Störung wird sich der Arzt zuerst ausführlich mit dem Patienten unterhalten, um die Krankengeschichte zu erheben (
Anamnese
). Folgende Fragen könnte der Arzt oder Therapeut dabei stellen:
Sehr sinnvoll ist es, wenn neben dem Patient
auch Angehörige
vom Arzt befragt werden (und später in die Behandlung mit einbezogen werden). Besonders wenn der Betroffene keine Krankheitseinsicht hat, sind die Beobachtungen und Mithilfe von nahestehenden Personen extrem wichtig. Denn Angehörige können die verschiedenen Stimmungsphasen des Betroffenen oft gut einschätzen. Die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Betroffenen, Angehörigen und Professionellen (Therapeuten), wie sie die moderne Psychiatrie vorsieht, nennt sich "Trialog".
Zum Einsatz kommen bei der Diagnostik einer Bipolaren Störung auch klinische
Fragebögen
. Einige dienen der Beurteilung manischer Symptome, andere die der Einschätzung depressiver Symptome. Außerdem gibt es solche Fragebögen sowohl für die Selbstbeurteilung als auch für die Fremdbeurteilung (etwa durch den Partner).
Bei der Diagnosefindung muss der Arzt vor allem auf die Unterscheidung zwischen Manie und Schizophrenie achten, was nicht immer leicht ist. Auch andere psychische Erkrankungen können anstelle von Bipolarer Störung für die Symptome des Patienten verantwortlich sein. Zu diesen Differenzialdiagnosen zählen etwa die
Borderline-Persönlichkeitsstörung
und ADHS.
Ebenso muss der Arzt diverse organische Erkrankungen als mögliche Ursachen für manische bzw. depressive Symptome ausschließen, bevor er die Diagnose Bipolare Störung stellen kann. Zu diesen Erkrankungen gehören zum Beispiel
Epilepsie
, Hirntumoren, Multiple Sklerose, Schilddrüsenerkrankungen, Alkohol-, Drogen- oder
Medikamentensucht
, Neurosyphilis (Entzündungen im Nervensystem als Folge von
Syphilis
),
Frontotemporale Demenz
, Parkinson,
Morbus Cushing
und
Morbus Addison
. Diverse körperliche Untersuchungen helfen dabei, solche organischen Erkrankungen nachzuweisen beziehungsweise auszuschließen.
Diagnostiziert der Arzt eine Bipolare Störung, muss er auch sorgfältig eventuelle Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) erfassen. Solche sind bei Bipolarer Störung nicht selten und können deren Verlauf und Prognose beeinflussen. Das muss der Arzt bei der Therapieplanung berücksichtigen.
Viele Menschen mit Bipolarer Störung leiden etwa noch an anderen psychischen Erkrankungen. Zu den häufigsten zählen Angst- und Zwangsstörungen, Alkohol- oder Drogensucht, ADHS, Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen.
Außerdem haben Bipolare oft noch eine oder mehrere organische Erkrankungen, darunter vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Metabolisches Syndrom
,
Diabetes mellitus
,
Migräne
sowie Erkrankungen des Bewegungsapparates (Muskulatur und Skelett).
Steht die Diagnose "Bipolare Störung" fest, sollten Patienten und Angehörige vom Arzt angemessen über die Erkrankung und die möglichen Behandlungsstrategien aufgeklärt werden. Idealerweise entscheiden Arzt, Patient – und bei Zustimmung des letzeren – Angehörige gemeinsam über den Therapieplan. Wenn Patienten gut informiert und eingebunden werden, fördert dies ihre Kooperationsbereitschaft und Behandlungstreue sowie ihr Selbstbewusstsein und ihre Lebensqualität.
Grundsätzlich unterscheidet man bei der Therapie einer Bipolaren Störung die Akutbehandlung von der Phasenprophylaxe:
Sowohl in der Akutbehandlung als auch bei der Phasenprophylaxe setzt man in der Regel auf eine Kombination aus Medikamenten und psychotherapeutischen Maßnahmen:
Medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung können durch weitere Maßnahmen sinnvoll ergänzt werden. Das können zum Beispiel
Wachtherapie
oder
Elektrokrampftherapie
in der Akutbehandlung oder
kreative und handlungsorientierte Verfahren
(z.B. Musiktherapie) in der Phasenprophylaxe sein.
Außerdem sollte der behandelnde Arzt den Patient und seine Angehörigen darauf hinweisen, dass
Ratgeber, Selbsthilfenmanuale und Schulungsprogramme
(z.B. Selbstmanagement-Training) wertvolle Unterstützung bieten können. Er kann konkrete Literaturtipps geben und zur Teilnahme an aktuellen Veranstaltungen ermuntern. Auch zum Besuch von
Selbsthilfegruppen
soll der Arzt Patienten und Angehörige ermutigen – der regelmäßige Kontakt und Austausch mit anderen Betroffenen kann den Behandlungserfolg stabilisieren.
Manisch-Depressive müssen meist ein Leben lang behandelt werden, da nur so die Stimmung stabil gehalten werden kann. Brechen Patienten die Behandlung ab, besteht ein hohes Rückfallrisiko.
Für die Behandlung einer Bipolaren Störung setzt man im Wesentlichen auf Antidepressiva, "Stimmungsstabilisierer" und atypische Neuroleptika. Leidet der Patient auch unter Unruhe, aggressiven Impulsen oder Angststörungen, kann der Arzt zusätzlich vorübergehend ein Beruhigungsmittel (Sedativum) wie
Diazepam
verschreiben.
Der Einzelfall entscheidet, welche Wirkstoffe in welcher Kombination und in welcher Dosierung der behandelnde Arzt dem Patienten verschreibt. Ausschlaggebend sind unter anderem die Art und Phase der bipolaren Erkrankung, die Verträglichkeit einzelner Wirkstoffe und eventuelle Begleiterkrankungen.
Die Wirkung der genannten Medikamente setzt oft erst nach einigen Wochen ein. Betroffene müssen sich also gedulden, bis die Verbesserung spürbar wird.
Bei der Einnahme der Medikamente sollte man sich unbedingt an die Anweisungen des Arztes halten. Eine eigenständige Erhöhung der Dosis ist sehr gefährlich und kann schwere Nebenwirkungen verursachen. Keinesfalls sollten die Medikamente plötzlich und ohne ärztliche Rücksprache abgesetzt werden, sonst kommt es meist zu einem erneuten Schub der manisch-depressiven Erkrankung.
Es gibt verschiedene psychotherapeutische Verfahren, die zur Behandlung einer Bipolarer Störung eingesetzt werden. Einige Verfahren haben sich zur Vorbeugung weiterer Krankheitsepisoden besonders bewährt:
Bei einer Psychoedukativen Therapie werden der Patient und seine Angehörigen über die Erkrankung Bipolare Störung, ihre Ursachen, den Verlauf und die Behandlungsmöglichkeiten informiert und aufgeklärt. Das kann in unterschiedlichem Ausmaße erfolgen – zum Beispiel in einem zeitlich begrenzten Infogespräch im Einzel- oder Gruppensetting ("einfache Psychoedukation") oder aber als ausführliche und interaktive Psychoedukation.
Letztere umfasst beispielsweise eine Anleitung zur Selbstbeobachtung: Der Patient soll auf seine Stimmungen, Aktivitäten, seinen Schlaf-Wach-Rhythmus und Alltagserlebnisse achten, um einen möglichen Zusammenhang zu seinen Stimmungsschwankungen zu erkennen.
Bei einer
Verhaltenstherapie
lernt der Patient beispielsweise, Frühwarnzeichen und potenzielle Auslöser von depressiven bzw. manischen Phasen zu erkennen. Er soll sich einen gewissenhaften Umgang mit den Medikamenten aneignen und Strategien zum Umgang mit manischen und depressiven Symptomen entwickeln.
Außerdem werden in der Verhaltenstherapie individuelle Probleme und zwischenmenschliche Konflikte bearbeitet. Das soll das Belastungsniveau des Patienten verringern – Stress spielt nämlich beim Aufflammen von bipolarer Krankheitsphasen eine entscheidende Rolle.
Die Familien-fokussierte-Therapie wird vor allem bei jüngeren Patienten angewendet. Es handelt sich um eine kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierte
Familientherapie
– es werden hier also wichtige Bezugspersonen des Patienten (z.B. Familie, Partner) mit in die Therapie einbezogen.
Der Therapieplan besteht aus 21 Sitzungen. Er beinhaltet einen psychoedukativen Teil sowie das Trainieren von Kommunikations- und Problemlösefertigkeiten aller Beteiligten. Das soll ein gemeinsames Alltagsleben trotz Erkrankung ermöglichen und eventuell bestehende Probleme aus dem Weg räumen.
Bei der Interpersonellen und Sozialen Rhythmustherapie versucht man, manisch-depressiven Episoden über drei Mechanismen vorzubeugen. Diese Mechanismen sind:
Eine Wachtherapie beziehungsweise Schlafentzugstherapie hilft in depressiven Episoden: Bei 40 bis 60 Prozent der bipolaren Patienten bessern sich die depressiven Symptome durch den reduzierten Schlaf deutlich, allerdings nur für kurze Zeit. Deshalb ist die Wachtherapie nur als Ergänzung zu anderen Therapien (wie Medikamenten) geeignet.
Das Behandlungsprotokoll einer Wachtherapie umfasst zwei bis drei Wachperioden innerhalb einer Woche:
Beide Varianten zeigen die gleiche antidepressive Wirkung und können sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden.
In bestimmten Fällen darf keine Wachtherapie durchgeführt werden, etwa bei Patienten mit bekanntem Anfallsleiden (der Schlafentzug erhöht das Risiko epileptischer Anfälle).
Eine Akutbehandlung mit der Elektrokrampftherapie (Elektrokonvulsionstherapie, EKT) ist sehr wirksam bei schweren depressiven und manischen Episoden. Sie läuft folgendermaßen ab:
Über Elektroden am Kopf werden dem Gehirn des Patienten kurze elektrische Impulse versetzt. Weil das Ganze unter Vollnarkose geschieht, merkt der Patient nichts davon. Die Stromimpulse erzeugen einen kurzzeitigen (20 bis 40 Sekunden) Krampfanfall – das klingt erschreckend, ist tatsächlich aber harmlos und im Gegenteil sogar sehr effektiv: Durch die strominduzierten Krampfanfälle normalisiert sich die Stimmungslage des Patienten. Bislang weiß man allerdings nicht, wie das genau möglich ist.
Insgesamt umfasst eine Behandlungsserie der Elektrokrampftherapie meist sechs bis zwölf Sitzungen. Die Ansprechrate ist meist deutlich höher als bei einer medikamentösen Behandlung - die Elektrokrampftherapie schlägt also bei mehr Patienten an als eine Akutbehandlung mit Medikamenten. Zudem setzt ihr Effekt schneller ein – bei den Medikamenten dagegen dauert es in der Regel mehrere Wochen, bis sich die Wirkung einstellt.
Trotzdem müssen Patienten nach erfolgreicher Anwendung der Elektrokrampftherapie möglichst Medikamente zur Vorbeugung neuer Krankheitsepisoden erhalten (in Kombination mit einer Psychotherapie). Anderenfalls kann es schnell zu einem Rückfall kommen.
Vor einer Elektrokrampftherapie werden sicherheitshalber verschiedene körperliche und psychiatrische Untersuchungen durchgeführt. Denn in bestimmten Fällen darf sie nicht angewendet werden, etwa bei erhöhtem Hirndruck oder schwerem
Bluthochdruck
. Auch höheres Lebensalter sowie Schwangerschaft "verbieten" eine EKT.
Umfassende Therapiekonzepte, wie sie bei Bipolarer Störung Anwendung finden, umfassen in der Regel auch unterstützende Verfahren. Beispielsweise können
Entspannungsverfahren
gegen spezifische Symptome wie Unruhe, Schlafstörungen und
Angst
helfen.
Eine
Sport- und
Bewegungstherapie
kann von negativen Reizen ablenken und durch die Interaktion mit anderen Menschen die Stimmung verbessern.
Mittels
Ergotherapie
kann man Menschen mit Bipolarer Störung helfen, weiterhin oder wieder an wichtigen Lebensbereichen wie Haushaltsführung, Beruf, Ausbildung oder Freizeitgestaltung teilzuhaben.
Verschiedene
künstlerische Therapien
(Musiktherapie, Tanztherapie,
Kunsttherapie
) können die psychische Gesundheit von Patienten unterstützen oder wiederherstellen.
Eine Bipolare Störung begleitet die Patienten oft ein Leben lang. Es ist für sie darum wichtig zu lernen, mit dieser Erkrankung umzugehen, um eine gute Lebensqualität zu erlangen. Die psychotherapeutische Behandlung unterstützt die Betroffenen auch dabei, sich in ihrem sozialen und beruflichen Umfeld zu integrieren.
Ist eine Bipolare Störung heilbar? Diese Frage stellen sich viele Betroffene wie auch Angehörige. Die Antwort: Derzeit kennt die Wissenschaft keine gesicherten Methoden oder Wege, mit denen sich eine bipolare Störung heilen ließe. Es gibt zwar Patienten, bei denen die manisch-depressive Episoden mit dem Alter schwächer werden, nur noch ganz selten auftreten oder sogar ganz ausbleiben. Die allermeisten Patienten begleitet die Erkrankung aber ein Leben lang.
Eine Bipolare Störung verläuft individuell sehr unterschiedlich. Eine Rolle spielt hier die Art der Bipolaren Störung: So wechseln sich bei Bipolar-I-Störung und beim Rapid Cycling manische und depressive Episoden ab – im zweiten Fall aber in viel kürzeren Abständen. Bei der Bipolar-II-Störung gibt es depressive und schwach ausgeprägte manische (= hypomanische) Episoden. Die Zyklothymia (die teils gar nicht zu den bipolaren Störungen gerechnet wird) ist durch eine eher anhaltende sind sowohl die manischen als auch die depressiven Phasen nur schwach ausgeprägt.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Betroffene mit einer Bipolar-II-Störung oder der Zyklothymia einen geringeren Leidensdruck haben. Denn bei diesen Formen der Bipolaren Störung treten die manischen oder depressiven Episoden oft häufiger auf als bei der Bipolar-I-Störung.
Die meisten Patienten mit einer bipolaren Störung erleben nur wenige Krankheitsepisoden. Nur einer von zehn Patienten erleidet mehr als zehn Episoden in seinem Leben. Eine besonders schwerwiegende Erkrankungsform ist das Rapid Cycling mit seinem sehr raschen Wechsel zwischen den verschiedenen Krankheitsepisoden.
Die Dauer von depressiven und manischen Episoden variiert zwischen einigen Tagen, mehreren Monaten und (sehr selten) einigen Jahren. Im Schnitt beträgt sie bei unbehandelten Patienten vier bis zwölf Monate. Zwischen diesen Episoden können Betroffene mehr oder weniger lange symptomfrei sein. Bei der Sonderform namens Rapid Cycling treten über das Jahr verteilt mindestens vier Phasen einer Manie oder Depression auf, und die instable Stimmungslage bleibt oft auch in den Intervallen dazwischen erhalten.
Die Bipolare Störung macht sich meist erstmals im Alter zwischen 15 und 25 Jahren bemerkbar. Dabei gilt: Je früher die Bipolare Störung auftritt, desto ungünstiger ist meist der Verlauf. Laut Studien besteht bei jungen Patienten eine höhere
Suizidalität
, und es treten oft weitere psychische Störungen auf.
Experten schätzen die Rate an Suiziden bei bipolaren Patienten auf circa 15 Prozent.
Neben einem jungen Ersterkrankungsalter gibt es noch weitere Risikofaktoren für einen schweren Verlauf bei bipolarer Störung, sprich für häufig wiederkehrende Episoden. Dazu zählen weibliches Geschlecht, schwerwiegende Lebensereignisse, gemischte Episoden, psychotische Symptome (wie Halluzinationen) sowie ungenügendes Ansprechen auf die phasenprophylaktische Therapie. Sehr häufig wiederkehrende Krankheitsepisoden gibt es auch bei der Erkrankungsform Rapid Cycling.
Wichtig für die Prognose ist, eine Bipolare Störung möglichst früh zu diagnostizieren und zu behandeln. Unbehandelt treten die manischen und depressiven Phasen immer öfter auf. Je mehr solcher Krankheitsepisoden ein Patient durchgemacht hat, desto schlechter wirkt in der Regel die Behandlung. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eine rechtzeitige fachgerechte Therapie den Verlauf deutlich verbessern kann.
Leider können aber auch dann Rückfälle nicht ausgeschlossen werden. Die Symptome der Bipolaren Störung und damit der Leidensdruck lassen sich durch die Medikamente (und andere Behandlungsmaßnahmen) aber deutlich abschwächen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Bipolare Störung
Kurzübersicht
Bipolare Störung: Beschreibung
Bipolare Störung: Die verschiedenen Formen
Bipolare Störung: Symptome
Symptome der depressiven Episode
Symptome der manischen Episode
Symptome der hypomanischen Episode
Symptome der gemischten Episode
Bipolare Störung: Ursachen und Risikofaktoren
Bipolare Störung: Genetische Ursachen
Bipolare Störung: Einfluss der Neurotransmitter
Bipolare Störung: Psychosoziale Ursachen
Bipolare Störung: Medikamentöse Ursachen
Bipolare Störung: Untersuchungen und Diagnose
Der richtige Ansprechpartner
Umfangreiche Befragung
Differenzialdiagnosen
Begleiterkrankungen
Bipolare Störung: Behandlung
Bipolare Störung: Therapiebausteine
Bipolare Störung: Medikamentöse Behandlung
Bipolare Störung: Psychotherapeutische Behandlung
>> Psychoedukative Therapie
>> Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
>> Familien-fokussierte-Therapie (FFT)
>> Interpersonelle und Soziale Rhythmusstherapie (IPSRT)
Bipolare Störung: Wachtherapie
Bipolare Störung: Elektrokrampftherapie
Andere Therapieverfahren
Leben mit der Krankheit
Bipolare Störung: Krankheitsverlauf und Prognose
Verlauf
Anzahl und Dauer der Krankheitsepisoden
Risikofaktoren für einen schweren Verlauf
Frühe Diagnose wichtig
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Autoren- & Quelleninformationen