Illness name: gynaekomastie
Description:
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Die
Gynäkomastie
ist ein gutartiges Wachstum der Brustdrüse beim Mann. Sie kommt einseitig oder auf beiden Seiten vor. Die Gynäkomastie ist abzugrenzen von der sogenannten Pseudogynäkomastie (Lipomastie), die durch eine vermehrte Bildung von Fettgewebe im Brustbereich bei starkem Übergewicht entsteht. Eine Gynäkomastie ist nicht immer krankhaft, sondern tritt auch ganz natürlich in bestimmten Lebensphasen bei Jungen oder Männern auf. Hier erfahren Sie alles Wichtige dazu.
Gynäkomastie bezeichnet ein Brustwachstum beim Mann. Dabei wächst das Drüsengewebe, das ähnlich wie in der Pubertät bei Mädchen verschiedene Stadien durchläuft. Ärzte unterscheiden verschiedene Formen der Gynäkomastie anhand ihrer Ursachen. Je nachdem, ob es sich dabei um einen natürlichen (physiologischen) oder einen krankhaften (pathologischen) Prozess handelt, entscheidet der Arzt über eine geeignete Behandlung.
Bei einer Gynäkomastie wächst die Brustdrüse. Dies geschieht entweder einseitig oder beidseitig.
Es gibt Betroffene, die keine Beschwerden haben. Andere klagen über ein Spannungsgefühl in den Brüsten, sind in ihrer Bewegung eingeschränkt oder sind besonders empfindlich bei Berührungen an den Brustwarzen.
Der normale Testosteronspiegel liegt bei erwachsenen jungen Männern bei etwa sechs Nanogramm pro Milliliter
Blut
(ng/ml), der normale Östrogenspiegel bei 20 bis 40 Picogramm (pg/ml). Dadurch ergibt sich ein
Testosteron
/Östrogen-Quotient von etwa 200-300.
Das Brustdrüsengewebe reagiert sehr sensibel auf Schwankungen im männlichen Hormonhaushalt, sodass Störungen des Gleichgewichts ein Brustwachstum begünstigen. Alle Dinge, die in dieses Gleichgewicht eingreifen, gelten daher als Risikofaktoren für die Entstehung einer Gynäkomastie.
Eine physiologische Gynäkomastie entsteht durch ein verändertes Gleichgewicht zwischen weiblichen Geschlechtshormonen (Östrogenen) und dem männlichen Geschlechtshormon (Testosteron). Der Anteil an dem weiblichen Botenstoff, der in geringer Menge auch beim Mann immer im Körper kursiert, nimmt dabei zu. Diese Veränderungen entstehen allerdings nicht immer durch krankhafte Prozesse, sondern treten manchmal in bestimmten Lebensabschnitten natürlicherweise auf:
Circa 60 Prozent aller männlichen Neugeborenen haben in den ersten Wochen einen kleinen Brustansatz. Dieser ist vorübergehend und verschwindet nach wenigen Wochen bis Monaten wieder. Männliche Babys kommen während der Schwangerschaft und in den ersten Wochen ihres Lebens in Kontakt mit weiblichen Hormonen: Östrogen wird durch die
Plazenta
sowie die
Muttermilch
an das Kind weitergegeben. Die
Leber
des Kindes baut dieses Hormon zu Beginn noch nicht so effizient ab. Daher kommt es zu einer leichten Brustbildung.
Während der Pubertät wächst bei manchen Jungen die Brust, weil sich die Balance der Sexualhormone verändert. Aufgrund der gravierenden Umstellungen des Hormonhaushalts kommt es vor, dass vermehrt auch weibliche Sexualhormone gebildet werden. Da Fettgewebe bei der Umwandlung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron zu weiblichem Östrogen eine Rolle spielt, kommt die Pubertätsgynäkomastie bei übergewichtigen Jugendlichen häufiger vor.
Im Alter nimmt der Körperanteil an Fettgewebe zu und die Produktion von Testosteron nimmt ab. Das Enzym Aromatase, welches im Fettgewebe besonders reichlich vorkommt, wandelt Testosteron zu Östrogen um. Beide Effekte begünstigen das Wachstum von Brustdrüsengewebe. Auch diese Form des Brustwachstums kommt bei Übergewichtigen häufiger vor.
Ein Brustwachstum bei Männern ist möglicherweise auch ein Hinweis auf einen krankhaften Prozess im Körper, der das Hormongleichgewicht stört, oder der direkt in der Brust selbst stattfindet.
Bei manchen Männern liegt ein Problem in der Produktion oder der Weiterverarbeitung von Hormonen vor. So bilden zum Beispiel
Enzyme
bestimmte Vorstufen des männlichen Hormons nicht, oder beide
Hoden
– die Hauptproduzenten von Testosteron – fehlen. Erste Hinweise auf diese Form der Gynäkomastie bekommt der Arzt im Patientengespräch, denn „Männer mit Brüsten“ sind dann oft bereits in der Familie bekannt.
Manchmal fehlen auch Abschnitte der Erbsubstanz DNA, oder das (weibliche)
X-Chromosom
liegt doppelt vor (
Klinefelter-Syndrom
). Dann kommt es vor, dass sich Brust, Becken und Po weiblich ausbilden und gleichzeitig männliche Geschlechtsmerkmale vorliegen. Solche Abweichungen in der Erbsubstanz entstehen in der Regel bei der Produktion der Spermien und der Eizelle oder bei deren Verschmelzung (Befruchtung).
Die Leber baut unter anderem Hormone ab, insbesondere Östrogen. Eine Lebererkrankung wie zum Beispiel eine Leberzirrhose führt eventuell zu einem Überschuss an weiblichen Hormonen und in der Folge zu einer Gynäkomastie.
Auch eine kranke
Niere
verursacht möglichweise eine Gynäkomastie. Eine Funktionsstörung (
Niereninsuffizienz
) verändert die Filterfunktion und wirkt so auf den Hormonhaushalt. Bei einer schweren Unterernährung, wie sie etwa bei einer
Magersucht
entsteht, fällt der Testosteronspiegel drastisch ab, und die Leber arbeitet nicht mehr mit voller Kraft. Folgt auf eine solche Hungerphase wieder eine normale Ernährung, ist der Hormonspiegel dennoch für eine gewisse Zeit gestört, was eine Gynäkomastie begünstigt.
Auch der Verlust eines oder beider Hoden verändert mitunter das Verhältnis von Testosteron und Östrogen in einem Ausmaß, das das Brustdrüsengewebe stärker wachsen lässt. Es gibt auch andere Erkrankungen, die den Hormonhaushalt verändern, wie zum Beispiel eine
Schilddrüsenüberfunktion
(Hyperthyreose).
Tumore sind Zellverbände, die ihre normale Aufgabe verloren haben. Manche Tumore produzieren selbst wirksame Mengen von Hormonen, sodass ein Überschuss dieser Botenstoffe im Körper zirkuliert. Bisweilen handelt es sich dabei um Sexualhormone, die unter Umständen das Brustwachstum anregen. Man spricht in diesem Fall von „paraneoplastischen Symptomen“ (Neoplasie = Gewebeneubildung).
Auch beim Mann tritt Brustdrüsenkrebs (Mamma-Karzinom) auf. Dieser ist sehr viel seltener als bei der Frau und wird daher oft erst spät erkannt. Typisch ist das akute, einseitige Auftreten. Im Gegensatz zur Gynäkomastie, bei der das Brustgewebe eher weich, elastisch und gleichmäßig um den Warzenhof verteilt ist, ist das Brustgewebe bei einem Mamma-Karzinom meist fest und ungleichmäßig verteilt.
Eine recht häufige Ursache ist die äußere Zufuhr von Hormonen oder Substanzen, die den Hormonhaushalt beeinflussen. Auch einige Herzmedikamente, Antibiotika oder Antidepressiva verändern den Hormonstoffwechsel. Zudem ist langjähriger starker Alkohol- oder Drogenkonsum (Marihuana, Heroin) eine mögliche Ursache für eine Hormonstörung mit Gynäkomastie.
In manchen Haut- und Haarpflegeprodukten kommen kleine Mengen künstlicher weiblicher Hormone vor, die über die
Haut
oder Kopfhaut in den
Blutkreislauf
gelangen. So stehen bestimmte chemische Substanzen, die in Lavendel- oder Teebaumöl enthalten sind, im Verdacht, östrogenartig zu wirken. Es sind weitere Studien notwendig, um einen eventuellen Zusammenhang mit einer Gynäkomastie zu bestätigen.
Es ist wichtig, eine Gynäkomastie von der Pseudogynäkomastie (Lipomastie) abzugrenzen. Bei der Pseudogynäkomastie vermehrt sich nicht das Drüsengewebe, sondern es lagert sich Fett in die Brust ein. Die Pseudogynäkomastie tritt vor allem bei starkem
Übergewicht
und Fettsucht (
Adipositas
) auf. Anhand des BMI (Body-Mass-Index) lässt sich das Übergewicht selbst einschätzen.
Bei einer vergrößerten männlichen Brust wenden sich Betroffene, je nach Alter und Ursache, an folgende Ärzte: Allgemeinmediziner, Kinder- und Jugendarzt, Facharzt für Urologie, Andrologie (Männergesundheit) oder Endokrinologie (Hormonlehre).
Das wichtigste Werkzeug des Arztes bei der Gynäkomastie ist das Patientengespräch (
Anamnese
). Hinweise auf eine erbliche Form bekommt der Arzt, wenn in der Familie bereits "Männer mit Brüsten" vorkommen. Er fragt, ob und welche Medikamente oder Drogen regelmäßig genommen werden. Handelt es sich um einen natürlichen Wachstumsprozess während der Pubertät, ist bei Jungen unter 15 Jahren meist keine weitere Diagnostik nötig.
Der Arzt diagnostiziert eine Gynäkomastie, wenn der Durchmesser des Brustwarzenhofs über drei Zentimeter beträgt. Anhand der Form und Größe der
Brustwarze
lässt sich das Wachstum der Brust in Stadien (sogenannte Tanner-Stadien) einteilen:
Um zu unterscheiden, ob eine echte Gynäkomastie oder Pseudogynäkomastie vorliegt, ist das Abtasten (Palpation) der Brust hilfreich. Auf diese Weise unterscheidet der Arzt Drüsengewebe schnell von einfachem Fettgewebe und beurteilt, ob ein abnormes Wachstum des Brustdrüsengewebes vorliegt. Manche Ärzte bevorzugen es, diesen Unterschied mit dem Ultraschallgerät festzustellen.
Darüber hinaus bestimmt der Arzt im Blut insbesondere die Leber- und Nierenwerte sowie die Hormonspiegel von Östrogen und Testosteron und deren Abbauprodukten.
Eine Ultraschalluntersuchung der Hoden und des Bauchraumes ist wichtig, um die Produktionsorte der Hormone zu beurteilen. Zusätzlich tastet der Arzt die Hoden ab und prüft, ob zum Beispiel Strukturveränderungen oder Knoten vorliegen. Bei Jugendlichen wird gleichzeitig die Entwicklung des
Penis
und des Körperbaus beurteilt. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die körperliche Entwicklung und das Stadium der Pubertät. Mitunter setzt der Mediziner auch bildgebende Verfahren wie Röntgen oder eine CT (
Computertomografie
) ein.
Bei einer einseitigen Gynäkomastie mit harten Gewebsanteilen (Knoten) wird bei dem Betroffenen eine Mammografie zum Ausschluss von Brustkrebs durchgeführt. Bei Verdacht auf einen bösartigen Tumor ordnet der Arzt eine Gewebeentnahme an.
Lässt sich keine Ursache für die Gynäkomastie finden oder besteht diese seit der Geburt beziehungsweise Pubertät, ist möglicherweise eine Chromosomenanalyse hilfreich, um Störungen im Erbgut auszuschließen. Aus Kostengründen wird diese Untersuchung nur bei weiteren Anhaltspunkten für eine genetische Erkrankung gemacht.
Bei der Gynäkomastie richtet sich die Behandlung entsprechend nach der Ursache der Erkrankung. Handelt es sich um ein vorübergehendes Problem, wie zum Beispiel bei der Pubertätsgynäkomastie, bildet sie sich von selbst zurück. Es ist nur dann eine Behandlung notwendig, wenn Schmerzen auftreten oder sich psychische Probleme aufgrund kosmetischer Gründe aufbauen. Ist der Leidensdruck sehr hoch, empfiehlt es sich, einen klinischen Psychologen hinzuzuziehen.
Ist die Ursache bekannt und behandelbar, zielt die Behandlung darauf ab, den Hormonhaushalt zu korrigieren. Gelingt das nicht mit einfachen Mitteln wie einer Umstellung der Ernährung oder dem Verzicht auf versteckte äußere Östrogenquellen, verschreibt der Arzt Medikamente, die in den Hormonhaushalt eingreifen. Dies erfolgt entweder durch direkte Gabe von Testosteron oder indem die Umwandlung, Herstellung und Wirkung des weiblichen Hormons Östrogen blockiert wird.
Eine solche medikamentöse Therapie ist aber umstritten. Zudem besteht die Annahme, dass diese Therapie höchstens in den ersten Monaten nach Beginn des Brustwachstums eine Wirkung zeigt.
Wenn Medikamente nicht helfen, schlägt der Arzt möglicherweise eine chirurgische Entfernung der Brust vor. Lesen Sie dazu alles im Beitrag
Gynäkomastie-OP
.
Bei der physiologischen Gynäkomastie ist eine Behandlung nur dann nötig, wenn die Veränderungen den Patienten belasten. Zudem handelt es sich häufig um ein vorübergehendes Erscheinungsbild, welches sich nach einiger Zeit von selbst zurückbildet. Die Pubertätsgynäkomastie beispielsweise bildet sich in aller Regel bis zum 20. Lebensjahr wieder zurück. Wurde die Gynäkomastie durch eine Hungerphase, gefolgt von einer Phase der normalen Ernährung ausgelöst, ist sie meist innerhalb von ein bis zwei Jahren wieder verschwunden.
Handelt es sich um eine pathologische Gynäkomastie, helfen verschiedene Untersuchungen dabei, mögliche Grunderkrankungen und Hormonstörungen zu erkennen und entsprechend zu behandeln.
Liegt eine Pseudogynäkomastie vor, ist diese für die Patienten mitunter kosmetisch belastend, hat aber keinen Krankheitswert. Oft handelt es sich auch um Mischformen, denn Fettgewebe spielt eine wichtige Rolle im Hormonhaushalt des Mannes und deshalb auch bei der Gynäkomastie.
Eine Gynäkomastie hat vielfältige Auslöser, die einen natürlichen oder krankhaften Ursprung haben. Es gibt keine gesicherten Maßnahmen, um eine Gynäkomastie gezielt zu verhindern.
Ist der Hormonhaushalt zum Beispiel durch übermäßiges Essen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch aus dem Gleichgewicht und stellen Betroffene ein Brustwachstum fest, ist es ratsam, Gewicht zu reduzieren beziehungsweise den starken Alkohol- oder Drogenkonsum zu beenden.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Gynäkomastie
Kurzübersicht
Was ist eine Gynäkomastie?
Wie erkennt man eine Gynäkomastie?
Was sind die Ursachen einer Gynäkomastie?
Physiologische Gynäkomastie
Neugeborenengynäkomastie
Pubertätsgynäkomastie
Altersgynäkomastie
Pathologische Gynäkomastie
Erbliche Gynäkomastie
Chronische Erkrankungen
Krebserkrankungen
Medikamente, Drogen oder Pflegeprodukte
Pseudogynäkomastie (Lipomastie)
Welche Untersuchungen und Diagnosen erfolgen bei einer Gynäkomastie?
Wie wird eine Gynäkomastie behandelt?
Operation einer Gynäkomastie
Krankheitsverlauf und Prognose
Kann man einer Gynäkomastie vorbeugen?
Autoren- & Quelleninformationen