Illness name: haemolytische anaemie
Description:
Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.
Eine hämolytische Anämie liegt vor, wenn rote Blutkörperchen zerstört oder zu früh abgebaut werden. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Typische Symptome sind Blässe, Müdigkeit, Gelbfärbung von Haut und Schleimhäuten und eine Vergrößerung der Milz. Lesen Sie hier, wie hämolytische Anämien verlaufen und was Ärzte dagegen tun!
Als hämolytische Anämie bezeichnen Ärzte eine Blutarmut (Anämie), die durch eine Zerstörung oder den verfrühten Abbau roter Blutkörperchen (Erythrozyten) ausgelöst wird. Normalerweise unterliegen Abbau und Neubildung der roten Blutkörperchen einem Zyklus: Gesunde Erythrozyten haben einen Lebenszyklus von etwa 120 Tagen (bei Neugeborenen 70 bis 90 Tage), bevor sie abgebaut und im Knochenmark neu gebildet werden.
Bei der hämolytischen Anämie ist dieser Zyklus verkürzt: Die roten Blutkörperchen werden vorzeitig (im Schnitt nach etwa 30 Tagen) abgebaut, die Neubildung im Knochenmark hinkt hinterher. Insgesamt sind im
Blut
zu wenige Erythrozyten vorhanden und Abbauprodukte der Blutzellen lagern sich im Körper ab. Typische Anzeichen eine hämolytischen Anämie sind Blässe,
Müdigkeit
,
Schwindel
, Kreislaufprobleme, Gelbfärbung der Haut und Milzvergrößerung.
Eine hämolytische Anämie hat viele mögliche Ursachen, manche sind angeboren (zum Beispiel
Thalassämie
,
Sichelzellanämie
,
Kugelzellanämie
, Favismus), andere werden erst im Laufe des Lebens erworben. Beispiele für erworbene hämolytische Anämien sind die autoimmunhämolytische Anämie, Rhesus-Unverträglichkeit,
Malaria
, Bleivergiftung, unverträgliche Bluttransfusionen, stark erhöhter Kupferspiegel und die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie.
Zudem unterscheiden Ärzte, ob die Ursache der Hämolyse in den roten Blutkörperchen selbst (korpuskuläre Anämie) oder außerhalb der Blutzellen (extrakorpuskuläre Anämie) liegt.
Unter einer Hämolyse versteht man die Auflösung der roten Blutkörperchen. Dabei wird die Hülle (Zellmembran), die das rote Blutkörperchen umgibt, zerstört. Hämolyse an sich ist keine Krankheit, sie findet in jedem Körper ständig statt: Rote Blutkörperchen haben einen Lebenszyklus von etwa 120 Tagen. Danach werden sie abgebaut und durch neue ersetzt. Für die Neubildung roter Blutkörperchen ist das Knochenmark zuständig: Dort entstehen aus Vorläuferzellen (Megakaryozyten) neue Erythrozyten. Abbau und Neubildung der roten Blutkörperchen gehen normalerweise
Hand
in Hand. So ist gewährleistet, dass immer ausreichend Blutzellen vorhanden sind.
Der reguläre Abbau alter Erythrozyten erfolgt durch sogenannte Fresszellen (Makrophagen) in der Milz, zu einem geringeren Anteil auch in der
Leber
. Sie lösen die Hülle der roten Blutkörperchen auf und bauen sie ab. Makrophagen kommen in unterschiedlichen Geweben vor, ihre Gesamtheit bezeichnen Ärzte als „retikuloendotheliales System“.
Erythrozyten haben die Aufgabe, Sauerstoff an sich zu binden und den gesamten Körper damit zu versorgen. Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen ist der rote Blutfarbstoff
Hämoglobin
. Wird das Blutkörperchen abgebaut, wird das Hämoglobin zerlegt. Es entsteht das Abbauprodukt
Bilirubin
, das über die Leber in die
Galle
gelangt und von dort aus über den Stuhl und in geringem Maße über den
Urin
ausgeschieden wird.
Bei der hämolytischen Anämie zerfallen mehr rote Blutkörperchen als üblich, gleichzeitig hinkt das Knochenmark in der Bildung neuer Zellen hinterher. Die Folge ist, dass insgesamt zu wenige Erythrozyten vorhanden sind.
Beim verstärkten Zerfall von roten Blutkörperchen ist die Leber überfordert: Es sammeln sich so viele Abbauprodukte wie Bilirubin an, dass diese nicht mehr schnell genug über den Stuhl (und in geringem Maße über den Urin) ausgeschieden werden. Bilirubin lagert sich stattdessen in den Schleimhäuten und der Haut an. Dadurch kommt es zur typischen Gelbfärbung von Haut und Schleimhäuten.
Von einer Anämie (Blutarmut) spricht man, wenn die Zahl der roten Blutkörperchen (und damit auch der rote Blutfarbstoff Hämoglobin) unter dem alters- und geschlechtsspezifischen Referenzwert liegen.
Eine Anämie hat viele unterschiedliche Ursachen: Sie entsteht entweder durch zu raschen Abbau der roten Blutkörperchen (Hämolyse), Enzym- oder Membrandefekte der Blutzellen, eine Verteilungsstörung (z.B. Schwangerschaftsanämie oder Hypersplenismus durch eine vergrößerte Milz) oder durch eine Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Abwehrkörper (Antikörper) gegen rote Blutkörperchen bildet. Andere Ursachen für Blutarmut sind bestimmte chronische Erkrankungen oder Krebserkrankungen.
Sowohl der Verlauf als auch die Prognose hämolytischer Anämien hängen von der zugrundeliegenden Ursache ab.
Autoimmunhämolytische Anämien beispielsweise haben – besonders, nachdem die Milz entfernt wurde – eine gute Prognose. Ähnliches gilt für die angeborene Kugelzellanämie: Nach Entfernung der Milz bessern sich die Beschwerden der Erkrankung deutlich. Insgesamt hat sich die Behandlung angeborener Anämien in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verbessert. Folgeerkrankungen und Komplikationen sind weitgehend beherrschbar, und die Lebenserwartung ist stark gestiegen. Eine ungünstigere Prognose haben insbesondere ältere Patienten mit zusätzlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
In jedem Fall ist es wichtig, regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen. Bei chronischer Hämolyse untersucht der Arzt engmaschig das Blut.
Es gibt unterschiedliche Ursachen für eine hämolytische Anämie. Welche Symptome auftreten, hängt vom jeweiligen Auslöser der Erkrankung ab.
Allen gemeinsam sind die Symptome, die durch den übermäßigen Zerfall und Abbau der Erythrozyten ausgelöst werden. Ihre Ausprägung ist abhängig davon, wie schnell sich die Anämie entwickelt: Je rascher, desto ausgeprägter sind die Beschwerden. Ist die Anämie angeboren oder entwickelt sie sich nur langsam, passt sich der Körper an die Blutarmut an und entwickelt mitunter keine oder nur schwache Symptome.
Folgende Beschwerden deuten auf eine hämolytische Anämie hin:
Hämolytische Krise:
Eine hämolytische Krise liegt vor, wenn sich in kurzer Zeit sehr viele rote Blutkörperchen auflösen. Solche Krisen sind etwa beim Favismus, der Sichelzellanämie und bei Bluttransfusionen möglich. Anzeichen für eine hämolytische Krise sind:
Eine hämolytische Krise ist ein medizinischer Notfall. Rufen Sie bei ersten Anzeichen einen Notarzt!
Gallensteine
:
Als Folge einer chronischen hämolytischen Anämie bilden sich bei manchen Patienten Gallensteine. Sie entstehen, weil beim Abbau des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) vermehrt Bilirubin anfällt. Es sammelt sich in der
Gallenblase
und bildet bei manchen Patienten sogenannte „Pigmentsteine“.
Folsäuremangel
:
Um neue, gesunde rote Blutkörperchen zu bilden, benötigt das Knochenmark Folsäure. Eine dauerhaft gesteigerte Neubildung von Erythrozyten mündet unter Umständen langfristig in einem Folsäuremangel.
Eisenmangel
:
Gehen zu viele rote Blutkörperchen verloren, kommt es langfristig zu einem Eisenmangel. Eisen ist nämlich ein Bestandteil des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin.
Bei der korpuskulären hämolytischen Anämie liegt die Ursache in den roten Blutkörperchen selbst. Diese Form der hämolytischen Anämie ist in der Regel vererbt und äußert sich bereits im Kindes- oder Jugendalter. Hier lösen unterschiedliche Defekte der Blutzelle eine hämolytische Anämie aus:
Bei den extrakorpuskulären Anämien liegt die Ursache nicht in den roten Blutkörperchen selbst, sondern in äußeren Faktoren. Diese Form der hämolytischen Anämie ist in der Regel nicht angeboren, sondern entwickelt sich erst im Laufe des Lebens.
Mögliche Ursachen sind:
Angeborene hämolytische Anämien wie die Sichelzellanämie oder die Kugelzellanämie werden meist schon im Kindes- oder Jugendalter diagnostiziert. Erworbene Anämien entdecken Ärzte in vielen Fällen erst zufällig im Rahmen von Blutuntersuchungen, beispielsweise bei einer Vorsorgeuntersuchung. Bei bereits fortgeschrittener hämolytischer Anämie ist meist die Gelbfärbung der Haut oder Blut im Urin Anlass für den ersten Arztbesuch. Erste Ansprechpartner sind, abhängig vom Alter des Patienten, der Kinderarzt oder der Hausarzt.
Im Erstgespräch erkundigt sich der Arzt nach den aktuellen Beschwerden und fragt, wie lange diese bereits vorliegen. Besteht aufgrund eines Blutbefundes der Verdacht auf eine hämolytische Anämie, erkundigt sich der Arzt nach weiteren Auffälligkeiten. Dazu zählen:
Liegt noch kein aktueller Blutbefund vor, nimmt der Arzt dem Patienten Blut ab und achtet besonders auf folgende Werte:
Für einen Blutausstrich streicht der Arzt einen Tropfen Blut auf einen Glasträger und untersucht die einzelnen Blutzellen unter dem Mikroskop auf Veränderungen. Bestimmte Formveränderungen der roten Blutkörperchen geben Hinweise auf spezifische Erkrankungen, die eine hämolytische Anämie auslösen. So sind die Erythrozyten beispielsweise bei der Kugelzellanämie kugelförmig statt flach.
Der Hauptanteil des roten Blutfarbstoffs – beziehungsweise dessen Abbauprodukt Bilirubin – wird über den Stuhl ausgeschieden, ein kleiner Teil über den Urin. Findet sich Bilirubin im Urin, ist das ein Anzeichen für einen vermehrten Abbau von roten Blutkörperchen. Ärzte sprechen von „Urobilinogen“.
Der Coombs-Test ist ein Bluttest zum Nachweis von Antikörpern gegen Erythrozyten. Damit untersucht der Arzt, ob im Blut des Patienten Antikörper gegen die roten Blutkörperchen vorliegen.
Eine Ultraschalluntersuchung des Bauches gibt Aufschluss darüber, ob Milz und/oder Leber vergrößert sind.
Wie der Arzt eine hämolytische Anämie behandelt, richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache. Unabhängig vom Auslöser der Erkrankung ist das Ziel der Behandlung, die Blutarmut zu beheben und die Krankheit zu kontrollieren.
Glukokortikoide und Immunsuppressiva:
Bei autoimmunen hämolytischen Anämien helfen Glukokortikoide (Kortison) und Immunsuppressiva (Medikamente, die eine überschießende Reaktion des körpereigenen Abwehrsystems unterdrücken).
Entfernung der Milz (Splenektomie):
Wird die Milz entfernt, werden weniger rote Blutkörperchen abgebaut. Dies hilft, die Beschwerden zu lindern, macht Betroffene aber anfälliger für Infektionen. Aus diesem Grund werden die Patienten einige Wochen vor der Operation gegen bestimmte Erkrankungen (etwa Influenza, Pneumokokken-, Meningokokken- und Haemophilus-influenzae-Infektionen) geimpft.
Vermeidung auslösender Medikamente:
Liegt die Ursache der hämolytischen Anämie in einem bestimmten Wirkstoff, wird der Arzt das Medikament umstellen und gegebenenfalls auf ein anderes, gleichwertiges Präparat wechseln.
Folsäure:
Bei einer hämolytischen Anämie benötigt der Körper mehr Folsäure, um die Neubildung der roten Blutkörperchen im Knochenmark anzukurbeln. Ärzte empfehlen eine folsäurehaltige Ernährung mit Spinat, Salat, Kohl, Obst, Vollkornprodukten, Weizenkeimen, Sojabohnen, Hülsenfrüchten und Leber. Wenn dies nicht ausreicht, ist die Einnahme eines Folsäure-Präparats sinnvoll.
Knochenmarkstransplantation:
Eine Heilung der Sichelzellanämie und der Thalassämie ist mit einer Knochenmarkstransplantation möglich. Dabei wird Knochenmark von einem gesunden Spender auf den Patienten übertragen.
Phototherapie:
Säuglingen, die mit Favismus oder einer Rhesus-Unverträglichkeit zur Welt kommen, hilft unter Umständen eine Phototherapie. Die Babys werden mit kurzwelligem Licht bestrahlt, wodurch das Bilirubin in der Haut umgewandelt und anschließend über die Galle und die Nieren ausgeschieden wird.
Schutz vor Kälte:
Bei der chronischen autoimmunhämolytischen Anämie vom Kältetyp ist die wichtigste Maßnahme, Betroffene vor Kälte zu schützen.
Da eine hämolytische Anämie verschiedene Ursachen hat, lässt sich nur bedingt vorbeugen. Wichtig ist in jedem Fall, ernährungsbedingten Mangelerscheinungen entgegenzuwirken. Ernähren Sie sich ausgewogen und nehmen Sie ausreichend Folsäure – enthalten in Spinat, Bohnen, Kohl und Leber – zu sich. Ähnliches gilt für
Vitamin B12
: Es ist in Fisch, Milchprodukten, Fleisch und Eiern enthalten. Ärzte empfehlen Frauen, während der Menstruation eisenhaltige Lebensmittel zu sich zu nehmen. Ideal geeignet sind rotes Fleisch, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Nüsse.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.
Hämolytische Anämie
Kurzübersicht:
Was versteht man unter hämolytischer Anämie?
Was ist eine Hämolyse?
Was ist eine Anämie?
Krankheitsverlauf und Prognose
Welche Symptome treten bei hämolytischer Anämie auf?
Mögliche Komplikationen bei hämolytischer Anämie
Ursache und Risikofaktoren
Korpuskuläre hämolytische Anämie
Extrakorpuskuläre hämolytische Anämien
Untersuchung und Diagnose
Anamnese
Blutuntersuchung
Blutausstrich
Urinuntersuchung
Coombs-Test
Ultraschall-Untersuchung
Behandlung
Vorbeugen
Autoren- & Quelleninformationen