Illness name: parodontitis
Description:
Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Als
Parodontitis
bezeichnet man eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates. Sie entsteht meist durch bakteriellen Zahnbelag (Biofilm, Plaque), besonders in höherem Alter. Als Folge der Entzündung können die Zähne schmerzen, und das Zahnfleisch blutet leichter. Unbehandelt kann eine Parodontitis auch zum Zahnausfall führen. Erfahren Sie hier alles Wichtige über Symptome, Ursachen und Behandlung der Parodontitis.
Bei einer Parodontitis handelt es sich um eine
chronische Entzündungskrankheit des Zahnhalteapparates
(Zahnbett, Parodontium), die zu einem
Verlust von paraodontalem Stützgewebe
führt. Dazu zählen Zahnfleisch, Wurzelzement, Wurzelhaut und Kieferknochen:
Der Wurzelzement ist eine dünne Mineralschicht, welche die Zahnwurzel umgibt. Der Zahn steckt mit seiner Wurzel in einem knöchernen Fach, der sogenannten Alveole. Zwischen dem Alveolarknochen und der Zahnwurzel liegt die Wurzelhaut. Sie ist eine Art Bindegewebe, dessen Fasern (Sharpey-Fasern) den Zahn in der Alveole aufhängen. Der Zahn sitzt also nicht fest in seinem Fach - vielmehr kann er durch die lockere Aufhängung unterschiedliche Belastungen wie zum Beispiel Kauen aushalten. Das Zahnfleisch (Gingiva) schließt den Zahnhalteapparat nach außen hin ab. Zwischen dem locker aufgehängten Zahn und dem anliegenden Zahnfleisch verläuft die Zahnfleischfurche.
Eine Parodontitis ist durch
drei Merkmale
gekennzeichnet:
Parodontitis gilt als
Volkskrankheit
- sie ist nach
Karies
die häufigste Zahn- beziehungsweise Munderkrankung. Prinzipiell können Menschen jeden Alters eine Parodontitis entwickeln. Das Erkrankungsrisiko steigt allerdings mit dem Alter an. Menschen nach dem 35. Lebensjahr verlieren
Zähne
häufiger wegen Parodontitis als wegen Karies.
Der Begriff Parodontose ist eine veraltete Bezeichnung, die aber umgangssprachlich noch oft verwendet wird. Sie beschreibt dasselbe Krankheitsbild wie die Parodontitis. Manche Zahnmediziner gebrauchen den Begriff aber auch für einen nicht-entzündungsbedingten
Zahnfleischrückgang
(Gingivarezession).
Im Jahr 1999 erarbeiteten Wissenschaftler eine internationale Einteilung der Parodontalerkrankungen, die seit 2001 auch in Deutschland empfohlen wurde. Demnach wurde eine Parodontitis entweder als chronisch, aggressiv, nekrotisierend oder als Manifestation einer systemischen Erkrankung eingestuft. Seit wenigen Jahren gibt es aber eine neue Klassifikation, die folgende
drei Formen von Parodontitis
umfasst:
Die allermeisten Patienten haben gewissermaßen eine simple Parodontitis. Unter diesem Begriff werden heute die früheren Kategorien "chronische Parodontitis" und "aggressive Parodontitis" zusammengefasst. Es hat sich nämlich gezeigt, dass es keine wissenschaftlich fundierte Begründung für eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen gibt.
Als "chronische Parodontitis" (alter Name: Erwachsenen-Parodontitis) wurde früher die am weitesten verbreitete, langsam fortschreitende Krankheitsform bezeichnet, die meist Menschen ab 35 Jahre betrifft. Die viel seltenere, schnell fortschreitende "aggressive Parodontitis" wurde hauptsächlich bei Kindern und jungen Erwachsenen diagnostiziert.
Nach ihrem Stadium ("Staging") und ihrem Grad ("Grading") wird die Parodontitis eines Patienten näher beschrieben:
>> Staging
: Das Staging richtet sich nach dem Schweregrad der Parodontitis zum Zeitpunkt der Diagnose und der Einschätzung des Zahnarztes, wie komplex sich die Behandlung gestalten wird. Relevant ist hierbei zum Beispiel, wie stark das Zahnfleisch bereits von den Zähnen zurückgewichen ist, wie viel Knochengewebe laut Röntgenbefund bereits verloren ging und wie viele Zähne schon infolge der Parodontitis ausgefallen sind. Möglich sind vier Stadien (Stadien I bis IV).
>> Grading
: Der Grad der Erkrankung beschreibt das (wahrscheinliche) Fortschreiten der Parodontitis, das langsam (Grad A), moderat (Grad B) oder rasch (Grad C) sein kann. Dazu beurteilt der Zahnarzt anhand der Krankengeschichte des Patienten (
Anamnese
) den Krankheitsfortschritt zum Zeitpunkt der Diagnose. Es fließen aber noch weitere Aspekte in das Grading ein. Unter anderem schätzt der Zahnarzt ab, wie die Parodontitis künftig weiter fortschreiten wird und inwieweit der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten sowie sonstige Faktoren (wie Rauchen) sich negativ auf die Erkrankung auswirken könnten.
Die nekrotisierende ulzerierende Parodontitis (NUP) ist eine seltene, aber besonders ansteckende Krankheitsform, die rasch fortschreitet. Sie geht mit ausgeprägtem Zahnfleischbluten, Absterben von Gewebe (Nekrose), Geschwüren (Ulzera) im Zahnfleisch zwischen den Zähnen sowie Schmerzen einher. Dazu kommen
Mundgeruch
, geschwollene Lympknoten und sogenannte Pseudomembranen (entstehen als Folge einer Entzündung aus abgestorbenen Gewebszellen und haben keine geordnete feingewebliche Struktur).
Die NUP beruht auf einer Infektion mit
Bakterien
, die sich auch bei Gesunden im Mundraum tummeln, bei den betroffenen Patienten aber übermäßig vermehrt haben. Oft passiert das zum Beispiel bei
HIV
-Patienten mit ihrem geschwächten Immunsystem. Die nekrotisierende Parodontitis wird deshalb manchmal auch
HIV-assoziierte Parodontitis
genannt.
Die nekrotisierende ulzerierende Parodontitis (NUP) sowie die nekrotisierende ulzerierende Gingivitis (NUG) werden zusammen als
nekrotisierende Parodontalerkrankungen
bezeichnet. Es handelt sich um verschiedene Stadien derselben Infektion: Solange das Zahnfleisch allein betroffen ist, diagnostiziert der Zahnarzt eine NUG. Greifen die Entzündungs- und Abbauprozesse auf den Kieferknochen und das Bindegewebe zwischen Wurzelzement und Knochen (Desmodont) über, spricht er von NUP.
Manchmal tritt eine Parodontitis im Rahmen einer systemischen Erkrankung (Allgemeinerkrankung) auf. Dabei ist es nicht immer leicht festzustellen, ob die Krankheit die Parodontitis verursacht oder vielmehr zur Entstehung einer "normalen", von Zahnbelägen ausgehenden Parodontitis beiträgt.
Folgende systemische Erkrankungen können bekanntlich
Entzündungen des Zahnhalteapparates beeinflussen
und so wesentlich zu einem
Verlust an parodontalem Stützgewebe
beitragen:
Daneben gibt es Allgemeinerkrankungen, die den
Verlauf einer Parodontitis beeinflussen
können. Dazu zählen:
Es gibt auch systemische Erkrankungen, die
unabhängig von einer Parodontitis
zu einer Zerstörung des Zahnhalteapparates führen können, was dann manchmal wie Parodontitis aussieht. Das kann etwa bei einem
Plattenepithelkarzinom
im
Mund
oder einer
Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener)
der Fall sein.
Bei einer Parodontitis haben Betroffene zu Beginn in der Regel kaum Beschwerden. Nur bei einer nekrotisierenden Parodontitis treten Schmerzen auf. Es gibt keine typischen Parodontitis-Symptome (umgangssprachlich: Parodontose-Symptome). Allerdings können einige Anzeichen auf eine Parodontitis hinweisen:
Diesen Anzeichen liegen zwei weitere Erkrankungsmerkmale zugrunde:
Zum einen geht der Parodontitis, wie oben erwähnt, meist eine Zahnfleischentzündung (Gingivitis) voraus, die weiterhin besteht und das Zahnfleisch besonders empfindlich macht. Patienten haben in diesem Fall auch sonst untypische Schmerzen beim Zähneputzen.
Zum anderen erweitert sich die Zahnfleischfurche durch den Abbau des Parodonts, insbesondere des Alveolarknochens. Unbemerkt vertieft sich diese Furche, und es bilden sich Zahnfleischtaschen. Hier können Bakterien nun noch leichter eindringen und Entzündungen hervorrufen. Infolgedessen kommt es vermehrt zu Blutungen, Eiterentleerungen, Mundgeruch und im fortgeschrittenen Stadium zur Lockerung von Zähnen.
Die Parodontitis beginnt in der Regel schleichend mit einer
Entzündung des Zahnfleisches
(
Gingivitis
). Deren Hauptursache ist
schlechte Mundhygiene
:
Durch mangelndes bzw. falsches Zähneputzen bilden sich Beläge auf den Zähnen (
Plaques
), vor allem am Übergang zwischen Zahn und Zahnfleisch. Die Plaques bestehen aus Nahrungsresten,
Speichel
, Bakterien und deren Stoffwechselprodukten. Anfangs sind die Beläge weich; mit der Zeit werden sie aber hart - Zahnstein entsteht. Seine raue Oberfläche erleichtert es Bakterien, sich an den Zähnen anzuheften. Um die Keime unter Kontrolle zu kriegen und ihr Eindringen ins Gewebe zu verhindern, startet das Immunsystem
oberflächliche Entzündungsprozesse
im Zahnfleisch - der Patient hat eine Zahnfleischentzündung.
Manchmal heilt eine Zahnfleischentzündung wieder ab. Wenn die Entzündung aber länger anhält, kann es passieren, dass die Bakterien schließlich die Körperabwehr besiegen und die Oberhand gewinnen: Sie dringen tiefer ins Gewebe ein, die Entzündung wird chronisch und weitet sich nach und nach auf den Zahnhalteapparat aus - eine Parodontitis resultiert:
Durch die anhaltende Entzündung löst sich das Zahnfleisch von den Zähnen, und es bilden sich
Zahnfleischtaschen
zwischen Zahn und Zahnfleisch. Diese können mehrere Millimeter, manchmal sogar über einen Zentimeter tief werden und lassen sich nur schwer reinigen. Deshalb können sich hier leicht bakterielle Zahnbeläge bilden, die nach dem Verfestigen
Konkremente
genannt werden (analog zum Zahnstein = verfestigtem Zahnbelag oberhalb des Zahnfleisches).
Die Konkremente und Bakterien in den Zahnfleischtaschen können weitere Entzündungen in Gang setzen, die nach und nach auf die verschiedenen Komponenten des Zahnhalteapparates übergreifen. Irgendwann kann sogar der
Kieferknochen
rund um die Zähne betroffen sein und in der Folge abgebaut werden. Die
Zähne lockern sich
und können Probleme beim Kauen bereiten oder sogar beim Kauen schmerzen. Schließlich droht
Zahnausfall
.
Die Parodontitis gilt als
multifaktorielle Erkrankung
- also als eine Erkrankung, die nicht eine einzelne Ursache hat, sondern an deren Entstehung mehrere Faktoren beteiligt sind. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Immunsystem: Von der Körperabwehr hängt es entscheidend ab, ob jemand eine Parodontitis entwickelt und wie diese verläuft.
Beeinflusst wird das Immunsystem von verschiedenen inneren und äußeren Faktoren, die sich somit auch auf Entstehung und Verlauf einer Parodontitis auswirken. Zu diesen
Risikofaktoren
zählen vor allem:
Wie oben erwähnt, entwickelt sich eine Parodontitis fast immer infolge einer Zahnfleischentzündung (oft unter Beteiligung von Risikofaktoren) und geht damit vom Zahnfleischsaum aus. Dann spricht man von
marginaler Parodontitis
.
Viel seltener ist die
apikale Parodontitis
, die von der Zahnwurzelspitze (Apex) und dem umliegenden Gewebe ausgeht:
Das Zahnmark (Zahnpulpa) füllt den Zahn innen aus und enthält Nerven und
Blutgefäße
. Über ein Loch an der Zahnwurzelspitze (Foramen apicalis) und kleine Seitenkanäle ist es sowohl mit dem übrigen Gefäß- und Nervensystem als auch mit dem Zahnhalteapparat verbunden. Entzündet sich das Zahnmark durch Karies, können sich die Erreger über den Wurzelkanal ausbreiten, über die kleinen Seitenkanäle in das Zahnbett (Parodontium) gelangen und hier ebenfalls eine Entzündung in Gang setzen - eine apikale Parodontitis entsteht.
Auch zahnerhaltende Maßnahmen wie eine
Wurzelbehandlung
bergen ein erhöhtes Parodontitis-Risiko, beispielsweise durch zu tief eingeführte Instrumente. Ebenso kann eine Überfüllung oder eine mangelhafte Auffüllung des Wurzelkanals kann eine apikale Parodontitis nach sich ziehen. Nicht zuletzt kann die Wurzelhaut durch einen Schlag oder Stoß geschädigt werden, was eine Parodontitis begünstigen kann.
Wie jede bakterielle Infektionskrankheit ist auch eine Parodontitis ansteckend. Daher sollte auch der Lebenspartner auf mögliche Parodontitis-Symptome achten. Unter Umständen können gewisse Bakterien beim Küssen oder Teilen von Besteck, Trinkflaschen oder Gläsern übertragen werden, auch wenn keine Parodontitis ausbricht. Dies wiederum hängt von den jeweiligen Risikofaktoren ab. Vorsicht ist auch bei Säuglingen geboten: Mütter wie Väter mit Parodontitis können die Erreger auf ihr Kind übertragen.
Zur Abklärung einer möglichen Parodontitis erhebt der Zahnarzt zuerst im Gespräch mit dem Patienten dessen Krankengeschichte (Anamnese). Dabei kann er zum Beispiel folgende Fragen stellen:
Als Nächstes untersucht der Arzt die Mundschleimhaut, die Zähne und den Zustand des Zahnhalteapparates. Dabei achtet er auf bekannte Parodontitis-Symptome wie Zahnfleischtaschen, freiliegende Zahnhälse oder Mundgeruch. Er wird auch die naheliegenden Kiefer-Lymphknoten abtasten. Sie können bei entzündlichen Prozessen unter Druck schmerzen und vergrößert sein.
Wichtig ist die Beurteilung des Zahnfleisches: Im Normalfall ist es fest mit dem Untergrund verbunden und lässt sich nicht verschieben. Es ist blassrosa und liegt in der Regel zwei Millimeter über der Grenzlinie zwischen Zahnschmelz und Wurzelzement (Schmelz-Zement-Grenze, SZG) am Zahn an. Ist das Zahnfleisch aber zurückgewichen - entweder bis zur Schmelz-Zement-Grenze oder noch darunter -, spricht dies für eine Parodontitis. Verdächtig ist auch ein geschwollenes und deutlich gerötetes Zahnfleisch.
Anschließend begutachtet der Zahnarzt den Zahnstatus. Fehlende oder gefüllte Zähne, Implantate, Kronen und anderweitiger
Zahnersatz
werden notiert. Außerdem kontrolliert er sichtbaren Zahnstein (Plaque) und testet die Zahnempfindlichkeit. Dazu sprüht er kaltes Wasser vor allem auf die Parodontitis-verdächtigen Zähne.
Der Parodontale Screening Index (PSI) ist eine spezielle zahnmedizinische Untersuchung, auf die gesetzlich Krankenversicherte alle zwei Jahre Anspruch haben. Dabei untersucht der Zahnarzt (oder ein speziell ausgebildeter Dentalhygieniker) das Zahnfleisch auf
Zahnfleischtaschen
– bei Erwachsenen bei jedem Zahn, bei Kindern meist nur bei einem unteren und oberen Schneidezahn sowie den ersten Backenzähnen.
Zum Einsatz kommt dabei ein spezielles Instrument, die
WHO-Sonde
. Sie hat eine längere, gewinkelte Spitze, die wie ein Lineal funktioniert. Auf einer Höhe zwischen 3,5 und 5,5 Millimetern ist die Sonde schwarz markiert. Am Ende der Spitze befindet sich eine kleine Kugel.
Für die Untersuchung teilt der Zahnarzt das Gebiss in sechs Teile (Sextanten) ein - pro Kiefer drei Sextanten. Dann prüft er mit der Sonde an vier bis sechs Stellen pro Zahn, wie weit er in die Zahnfleischfurche am Zahnfleischsaum eindringen kann. Möglich sind - je nach Taschentiefe - fünf Grade von 0 bis 4. Sie werden
PSI-Codes
genannt. Pro Sextant wird nur der jeweils schlechteste (sprich höchste) PSI-Code dokumentiert. Folgendes besagen die Codes aus:
Um zu prüfen, ob eine Zahnfleischtasche vorliegt und wie tief diese ist (
Sondierungstiefe
), führt der Zahnarzt die WHO-Sonde (oder eine ähnliche Sonde) sehr vorsichtig zwischen Zahn und Zahnfleisch ein. Die gemessene Sondierungstiefe sagt etwas über die Entzündungsaktivität im Gewebe aus.
Wenn das Zahnfleisch beim Sondieren blutet, spricht das für eine Entzündung. Der Zahnarzt dokumentiert dies als BOP positiv (
BOP = bleeding on probing
). Ein gesundes Zahnfleisch dagegen blutet normalerweise nicht (BOP negativ). Allerdings kann bei Rauchern der BOP-Index auch ohne Entzündung positiv ausfallen. Grund ist die Nikotin-bedingte schlechte Durchblutung des Zahnfleisches.
Wie der BOP-Index eignet sich auch der
PB-Index (Papillen-Blutung-Index)
dazu, den Zahnhalteapparat zu beurteilen und den Verdacht auf Parodontitis abzuklären. Die Papillen sind die freien "Zahnfleischzipfel" zwischen benachbarten Zähnen. Bei einer Entzündung beginnen sie auf leichten Druck mit der Sonde zu bluten. Dabei gilt: Je stärker die Blutung, desto stärker die Entzündung. Demnach unterscheiden Zahnmediziner fünf Schweregrade von 0 (keine Blutung) bis 4 (stärkere, fließende Blutung).
Die Beurteilung des Zahnfleischzustandes mittels Sonde kann schwierig sein, weil bei entzündetem Zahnfleisch und lockeren Zähnen die Sonde sehr leicht ins Gewebe eindringt. Sie kann so schnell unterhalb die eigentliche Taschentiefe vordringen. Das kann es dem Zahnarzt erschweren, Verlauf und Ausheilung einer Parodontitis zu beurteilen.
Die vorderen und hinteren Backenzähne haben im Unterschied zu den übrigen Zähnen meist mehr als eine Wurzel. Diese Aufteilung einer Zahnwurzel nennt man
Furkation
(beispielsweise spricht man bei zwei Zahnwurzeln von Bifurkation). Bei einer fortgeschrittenen Parodontitis kann sich der Kieferknochen auch zwischen beziehungsweise unterhalb der aufgeteilten Wurzeln eines Zahnes auflösen -
Furkationsbeteiligung
genannt.
Um ihren Schweregrad zu ermitteln, testet der Zahnarzt, wie weit er mit einer gebogenen Sonde zwischen die Wurzelgabelungen eines Zahnes fahren kann. Möglich sind
drei Schweregrade
: Kann er bis zu drei Millimeter mit der Sonde eindringen, handelt es sich um eine Furkationsbeteiligung I. Grades. Kann er tiefer vordringen, liegt Grad II vor. Lässt sich zwischen den Wurzeln vollständig hindurch sondieren, notiert der Zahnarzt Grad III.
Bei einer Parodontitis lockern sich die Zähne durch den Abbau des Parodonts - die Zähne werden also beweglicher, als sie normalerweise sind. Das kann der Zahnarzt durch Messung der statischen und dynamischen Zahnbeweglichkeit feststellen:
Auf Röntgenbildern kann der Zahnarzt erkennen, ob, wie viel und an welchen Stellen Kieferknochengewebe infolge der Parodontitis bereits abgebaut wurde. Das ist nicht nur für die genaue Diagnose wichtig, sondern auch für die Therapieplanung.
Herkömmliches Röntgen birgt eine gewisse Strahlenbelastung für den Patienten. Deshalb kommt in manchen Zahnarztpraxen eine moderneres und strahlungsarmes Röntgenverfahren zum Einsatz - die
Digitale Volumentomografie (DVT)
. Damit lassen sich bei geringer Strahlendosis sehr präzise 3D-Röntgenaufnahmen des Kiefers erstellen. einschließelich aller wichtigen Strukturen wie Nerven.
Vor allem, wenn eine Parodontitis sehr schwer verläuft oder auf die Therapie nur unzureichend anspricht, können weitere Untersuchungen notwendig sein. Beispielsweise kann in Labortests ermittelt werden, welche Bakterientypen an der Erkrankung beteiligt sind.
Andere Tests überprüfen die Flüssigkeit in der Zahnfleischfurche. Dort finden sich im Falle einer Parodontitis typische körpereigene Eiweiße -
Enzyme
, die von Abwehrzellen freigesetzt werden oder aus abgestorbenen Gewebezellen stammen: In einem Schnelltest kann der Arzt Aspartataminotransferasen (freigesetzt bei Zelltod), Matrixmetalloproteinasen (aus Entzündungszellen) oder alkalische Phosphatasen (aus Knochenzellen) nachweisen und die Diagnose einer Parodontitis sichern.
Ein Nachweis des Gendefekts, der zu einer Überproduktion des entzündungsfördernden Botenstoffs Interleukin 1 führt, kann in Gentests erfolgen. Diese Untersuchung wird der Arzt aber nur in sehr seltenen Fällen einer besonders aggressiven Parodontitis veranlassen.
Die Parodontitis-Behandlung erfordert mehrere Sitzungen beim Zahnarzt. Der Zahnarzt erklärt und demonstriert dem Patienten zunächst, wie gute Mundhygiene aussieht - also unter anderem wie man mit der Zahnbürste richtig die Zähne putzt und die Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder Interdentalbürstchen reinigt. Außerdem kümmert sich der Zahnarzt um die Reinigung der Zahnfleischtaschen und die Entfernung von Zahnstein.
Bei manchen Parodontitis-Patienten ist auch eine Behandlung mit Antibiotika notwendig. Außerdem können chirurgische Eingriffe sinnvoll sein.
Mehr über die verschiedenen Therapiemaßnahmen bei Zahnbettentzündung erfahren Sie im Beitrag
Parodontitis: Behandlung
.
Die bakterielle Infektion des Zahnhalteapparates, die einer Parodontitis zurgrunde liegt, kann diverse Komplikationen nach sich ziehen - etwa einen
Parodontalabszess
. Das ist eine abgekapselte Eiteransammlung im Zahnbereich mit ausgeprägtem Gewebszusammenbruch, was den Halt des Zahnes beeinträchtigt. Solche Abszesse können sich etwa bei einer unbehandelten Parodontitis bilden und unbehandelt auf umliegendes Gewebe übergreifen. Außerdem können sich die am
Abszess
beteiligten Bakterien über die Blutbahn im Körper ausbreiten.
Vor allem eine apikale Parodontitis (Parodontitis apicalis) kann darüber hinaus auch zu folgenden Problemen führen:
Parodontitis gilt als chronische Erkrankung, die unbedingt behandelt und in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden sollte. Wenn man nichts macht, können nämlich die Parodontitis-Bakterien und Entzündungsstoffe über das Blutgefäßsystem weiteren Schaden im Körper anrichten.
Beispielsweise besteht ein Zusammenhang zwischen Parodontitis und
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
: Parodontitis-Bakterien und Entzündungsstoffe können zur Arterienverkalkung (
Arteriosklerose
) beitragen und so das Risiko fur Herzinfarkt und
Schlaganfall
erhöhen. Auch an einer Entzündung der Herzinnenhaut (
Endokarditis
), die meist auch die
Herzklappen
betrifft, sind oft Bakterien aus der Mundhöhle beteiligt. Besonders Patienten mit künstlichen Herzklappen neigen zu
Infektionen mit Parodontitis-Bakterien
. Auch Patienten mit künstlichen Knie- oder Hüftgelenken sind anfällig für solche Infektionen, weil sich die Bakterien an den Implantaten leicht festsetzen können.
Schon länger bekannt ist, dass
Diabetes
und Parodontitis eng zusammenhängen: Einerseits begünstigt die Zuckerkrankheit die Entstehung der Parodontitis, besonders bei schlecht eingestellten Blutzuckerwerten. Andererseits kann eine bestehende Zahnbettentzündung die Wirkung des Blutzucker-senkenden Hormons Insulin beeinträchtigen und so die Einstellung des Blutzuckerspiegels bei Diabetikern erschweren.
Auch in der
Schwangerschaft
drohen negative Auswirkungen: Wenn eine werdende Mutter an Parodontitis leidet, kann dies eine Frühgeburt und ein niedriges Geburtsgewicht beim Kind begünstigen.
Verschiedene Maßnahmen können der Entstehung einer Parodontitis vorbeugen. Sie sind auch wichtig bei einer schon bestehenden Zahnbettentzündung, um deren Ausbreitung zu stoppen.
Eine sorgfältige Mundhygiene kann das Risiko einer Parodontitis deutlich senken. Dazu gehört in erster Linie richtiges Zähneputzen: Putzen Sie mindestens zweimal am Tag Ihre Zähne, am besten morgens und abends. Um den Zahnschmelz nicht anzugreifen, sollten Sie nach dem Essen immer eine halbe Stunde damit warten. Achten Sie auch darauf, Ihre Zahnbürste regelmäßig zu wechseln (alle sechs bis acht Wochen), insbesondere nach einem Infekt.
Zahnärzte und Zahnarzthelfer können Ihnen zeigen, wie man die Zähne richtig putzt, und Sie bei der Auswahl von Zahnbürste, Zahnpasta, Mundspüllösung etc. beraten!
Zahnzwischenräume sind besonders anfällig für Karies und Parodontitis, weil sie für die Zahnbürste nur schwer zugänglich sind. Verwenden Sie daher zu ihrer Reinigung Zahnzwischenraumbürstchen (Interdentalbürstchen), Zahnseide oder Zahnseide-Sticks. Ihr regelmäßiger Gebrauch kann gefährliche Zahnbeläge in den engen Zwischenräumen verhindern. Wenn Sie sich unsicher sind, wie Sie die kleinen Reinigungshelfer richtig verwenden, fragen Sie Ihren Zahnarzt!
Auch wenn Sie an keinen Beschwerden leiden, sollten Sie die halbjährlich empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen bei Ihrem Zahnarzt wahrnehmen. Denn oft zeigen sich Parodontitis-Symptome erst, wenn die Erkrankung schon fortgeschritten ist. Bei der Vorsorgeuntersuchung werden die Zähne und das Zahnfleisch sorgfältig kontrolliert. Je früher eine Parodontitis erkannt wird, desto leichter lässt sie sich aufhalten.
Hatten Sie bereits eine Parodontitis oder weisen Sie ein erhöhtes Risiko dafür auf, sollten Sie in regelmäßigen Abständen eine professionelle Zahnreinigung (PZR) durchführen lassen. Dabei entfernt der Zahnarzt (oder Dentalhygieniker) sorgfältig die bakteriellen Zahnbeläge - auch in den Zahnzwischenräumen - und glättet die Zahnoberflächen durch Polieren. Sinnvoll ist auch das Fluoridieren der Zähne, besondern an gefährdeten Zahnflächen (beispielweise freiliegenden Zahnhälsen), um den Zahnschmelz härter und so widerstandsfähiger zu machen.
Die Anzahl jährlicher professioneller Zahnreinigungen können SIe mit dem Zahnarzt absprechen. Bedenken Sie, dass die Kosten für die PZR nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
Rauchen verschlechtert die Durchblutung des Zahnfleisches und ist daher ein entscheidender Risikofaktor für die Entstehung einer Parodontitis. Hören Sie also besser damit auf oder schränken Sie zumindest Ihren Tabakkonsum ein, um einer Parodontitis vorzubeugen. Auch bei bereits bestehender Zahnbettentzündung ist Rauchverzicht ratsam - er erleichtert die Behandlung und senkt das Risiko weiterer Zahn- und sonstiger Erkrankungen.
Eine gesunde, ausgewogene Ernährung kann einer Parodontitis vorbeugen. Achten Sie darauf, nicht über den ganzen Tag verteilt Bonbons, Schokolade oder andere zuckerhaltige Speisen und Getränke zu sich zu nehmen. Zu viel Zucker greift die Zähne an, fördert Karies und steigert letztlich auch das Parodontitis-Risiko. Idealerweise naschen Sie zu den Hauptmahlzeiten und achten am Abend auf eine gründliche Mundpflege.
Leiden Sie an deutlichem
Übergewicht
, sollten Sie einen Ernährungsmediziner oder eine entsprechende Beratungsstelle aufsuchen.
Entstehung und Verlauf der Parodontitis hängen auch vom allgemeinen Gesundheitszustand ab: Ein geschwächtes Immunsystem steigert das Parodontitis-Risiko. Der Zusammenhang zwischen manchen Erkrankungen wie Diabetes und einer Parodontitis ist wissenschaftlich nachgewiesen. Falls Sie an eine Erkrankung haben, sollten Sie Ihren Zahnarzt fragen, ob diese Ihr Risiko für Parodontitis steigern kann und Sie deshalb besonders sorgfältige auf vorbeugende Maßnahmen achten sollten.
Beispielsweise sollten Sie als Diabetiker unbedingt auf gut eingestellte Blutzuckerwerte achten. Bei Frauen mit Osteoporose empfiehlt sich die Einnahme von Calcium und
Vitamin D
. Bei Fragen hierzu können Sie sich an Ihren Hausarzt oder einen Facharzt für Innere Medizin wenden.
Es gibt verschiedene Faktoren, die das Risiko einer erneuten Parodontitis (Rezidiv) beeinflussen. Die Forscher Lang und Tonetti haben ein Modell vorgestellt, das Patienten in drei Risikogruppen einteilt. Dazu bestimmt ein Zahnarzt verschiedene Werte und erhält als Ergebnis ein geringes, mäßiges oder hohes Rückfall-Risiko für den jeweiligen Patienten:
Mithilfe dieses Schemas kann für jeden Patienten ein individuelles Gesamtrisiko berechnet werden. Nach dem Ergebnis richtet sich vor allem die Anzahl jährlich empfohlener Termine zur
unterstützenden Parodontitis-Therapie (UPT)
.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Parodontitis
Parodontitis: Beschreibung
Was ist Parodontose?
Formen der Parodontitis
Parodontitis
Staging und Grading
Nekrotisierende Parodontitis
Parodontitis als Manifestation systemischer Erkrankungen
Parodontitis: Symptome
Parodontitis: Ursachen und Risikofaktoren
Von der Zahnfleischentzündung zur Parodontitis
Viele Faktoren sind beteiligt
Marginale und apikale Parodontitis
Parodontitis: Ansteckend?
Parodontitis: Diagnose und Untersuchung
Anamnese
Allgemeine Befunderhebung
Parodontaler Screening Index (PSI)
Sondierungstiefe, BOP- und PB-Index
Furkationsbeteiligung
Zahnbeweglichkeit
Röntgen
Weitere Tests
Parodontitis: Behandlung
Parodontitis: Krankheitsverlauf und Prognose
Folgeerkrankungen
Parodontitis: Vorbeugung
Putzen Sie Ihre Zähne sorgfältig!
Vergessen Sie nicht die Zahnzwischenräume!
Nehmen Sie die Vorsorgeuntersuchungen wahr!
Hören Sie mit dem Rauchen auf!
Ernähren Sie sich ausgewogen!
Lassen Sie bekannte Erkrankungen behandeln!
Rückfall-Risiko
Autoren- & Quelleninformationen