Illness name: bilharziose
Description:
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Die
Bilharziose
ist eine Tropenerkrankung, die durch einen Wurm - den Pärchenegel - ausgelöst wird. Sie ist nach Malaria eine der verbreitetsten parasitären Infektionskrankheiten weltweit. Besonders in Entwicklungsländern stellt die Bilharziose ein großes Problem dar, etwa in Afrika, Lateinamerika und Südostasien. Alles Wichtige zu Ursache, Symptome, Behandlung und Prognose der Bilharziose lesen Sie hier!
Der Erreger der Bilharziose (Schistosomiasis) ist der Pärchenegel (Schistosoma). Sein Name rührt daher, dass es immer eines Männchens und eines Weibchens zur Vermehrung bedarf, um den Infektionskreislauf zu schließen.
Die Würmer leben in den Blutgefäßen im Rumpf und scheiden ihre Eier über den Kot oder
Urin
des Infizierten aus. Es gibt verschiedene Arten des Pärchenegels, die ein unterschiedliches Krankheitsbild hervorrufen können (Darmbilharziose oder Blasenbilharziose).
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind ungefähr 250 bis 300 Millionen Menschen weltweit mit Schistosomen infiziert. Jährlich sterben ungefähr 200.000 Menschen an den Folgen der Bilharziose, die meisten davon in Afrika. In Deutschland treten jährlich etwa 200 Fälle von Bilharziose auf (bei Einwanderern oder Urlaubern, die aus Infektionsgebieten einreisen).
Die Eier der Pärchenegel entwickeln sich im Süßwasser. Aus ihnen schlüpfen Larven (
Mirazidien
), die sich in einer bestimmten Art von Süßwasserschnecken einnisten. In den Schnecken entstehen daraus Tausende von
Zerkarien
- ein weiteres Entwicklungsstadium des Erregers. Die Zerkarien gelangen wieder ins Wasser, von wo aus sie den Menschen befallen können. Wenn etwa jemand in dem infizierten Wasser badet oder durch solches Wasser watet, kann er sich infizieren. Dabei durchdringt der Kopf der Zerkarien die menschliche
Haut
unter Abwurf des Schwanzes.
Es dauert ungefähr zwei Tage, bis sich der Eindringling an den menschlichen Organismus angepasst hat und über das Venensystem zur
Lunge
reist. Nach einigen weiteren Entwicklungsstadien erreichen die nun erwachsenen Bilharziose-Erreger die
Blutgefäße
der
Leber
. Dort paaren sich die Männchen und Weibchen. Die meisten Bilharziose-Erreger nutzen den
Darm
für die Eiablage, einige auch die Blase. Dafür wandern sie in das Gefäßgeflecht des betreffenden Organs ein.
Zwischen dem Befall der Haut und dem Auftreten der erwachsenen Pärchenegel vergeht mindestens eine Woche. Die Eierproduktion beginnt ungefähr nach sechs bis acht Wochen. Und diese Produktion ist gewaltig: Schistosomen können mehrere hundert bis tausend Eier pro Tag produzieren.
Damit die Eier in den Darm (Darmbilharziose) bzw. die Blase (Blasenbilharziose) gelangen, eitern sie langsam durch die Darm-/Blasenwand. Dieser Vorgang ist oft von einer starken Immunreaktion begleitet.
Die WHO versucht durch gezielte Behandlung von Risikogruppen die Ausbreitung der Bilharziose zu verhindern. Ist eine bestimmte Anzahl Menschen eines Ortes oder einer Region infiziert, werden vorsorglich alle Menschen in dem Dorf oder der Lebensgemeinschaft behandelt. So erhielten im Jahr 2017 mindestens 220,8 Millionen Menschen eine vorsorgliche Bilharziose-Therapie, und über 102,3 Millionen Infizierte wurden behandelt.
Bei einer Bilharziose treten akute Symptome innerhalb von Stunden bis Tagen auf. Wird die Bilharziose nicht erkannt und behandelt, entwickelt sich eine chronische Bilharziose.
Die ersten Symptome der Bilharziose zeigen sich bereits wenige Stunden nach dem Kontakt mit dem verseuchten Wasser. Nachdem die Larven der Pärchenegel in die Haut eingedrungen sind, kommt es zu einer Hautreaktion an den Eintrittsstellen, die an einen
allergischen
Hautausschlag
erinnert (Zerkariendermatitis).
Die akute Schistosomiasis kann auch von Fieber begleitet werden. Die Temperaturerhöhung tritt einige Tage bis Wochen nach der Infektion auf. Fieber, das durch eine Bilharziose ausgelöst wurde, nennt man
Katayama-Fieber
. Typischerweise geht es mit
Husten
,
Schüttelfrost
und
Kopfschmerzen
einher. Diese Beschwerden werden oft als grippaler Infekt verkannt, sodass die Bilharziose-Infektion in den meisten Fällen unbehandelt bleibt.
Nach mehreren Wochen sind die Würmer geschlechtsreif und legen ihre Eier (meist) in der Darmwand ab (Darmbilharziose) - es kommt zu
dünnflüssigem Stuhl
mit kleinen Blutbeimengungen. Die Wurmart
S. haematobium
verursacht eine
Blutbeimengung im Urin
, da sie ihre Eier in die Blasenwand legt (Blasenbilharziose).
Die Schistosomen können jahrelang in den Gefäßen im Bauch überleben und richten dann vor allem mit ihren Eiern großen Schaden an. Denn auch wenn Zerkarien und Würmer eine gewisse Immunantwort hervorrufen, sind es hauptsächlich die Eier, welche das Immunsystem massiv triggern. Dabei nehmen die beteiligten Organe großen und meist irreparablen Schaden. Generell unterscheidet man zwei verschiedene Typen der Bilharziose: Blasen- und Darmbilharziose.
Pärchenegel vom Typ
Schistosoma haematobium
legen ihre Eier in der Blasenwand ab. Aufgrund der resultierenden Immunreaktion kommt es zu Blutungen und Vernarbungen in der Blasenwand. Patienten berichten dann oft von Schmerzen beim Wasserlassen und Blutbeimengungen im Urin.
Bei 60 Prozent der Menschen mit dieser Form der Bilharziose wird auch der Genitaltrakt in Mitleidenschaft gezogen. Bei Frauen verkleben die
Eileiter
, was oft zu
Unfruchtbarkeit
führt. Außerdem steigt dann das Risiko, dass sich eine befruchtete Eizelle statt in der
Gebärmutter
in der Bauchhöhle einnistet (
Bauchhöhlenschwangerschaft
). Diese Komplikation kann zu lebensgefährlichen Blutungen führen, und ist deswegen ein Notfall!
Aufgrund der Schädigung der Blase und des Harnleiters löst eine Blasenbilharziose häufiger Harnwegsinfektionen aus.
Bakterien
können nämlich die vorgeschädigte Blasenwand leichter besiedeln. Zusätzlich kann der andauernde Kampf zwischen Immunsystem und Schistosomeneiern bösartige Entartungen des Blasengewebes begünstigen (Blasenkrebs).
Für eine Bilharziose des Darms sind andere Arten von Pärchenegeln verantwortlich. Sie legen ihre Eier in die Darmwand ab. Diese durchdringen dann langsam die Wand, gelangen so ins Darminnere und werden schließlich mit dem Stuhl ausgeschieden. Das geht oft mit
Bauchschmerzen
und immer wiederkehrenden Durchfällen mit Blutbeimischungen einher.
Durch den andauernden Blutverlust können die Patienten sogar eine Blutarmut (Anämie) entwickeln. Darauf deuten dann zum Beispiel Hautblässe und übermäßige
Müdigkeit
hin.
Die hindurchwandernden Parasiteneier hinterlassen zahlreiche kleine Verletzungen in der Darmwand. Mögliche Folgen sind Vernarbungen und ein gewisser Verlust der Schleimhautfunktion. Zudem bieten die offenen Stellen anderen Organismen wie Salmonellen eine Eintrittspforte in den Körper, sodass Patienten anfälliger für weitere Infektionen sind.
Bei einem starken Befall mit Schistosomen werden so viele Eier in die Gefäßgeflechte der Blase oder des Darms abgelegt, dass einige Eier auch in Leber,
Milz
,
Gehirn
oder Lunge gelangen. Geschieht dies, versucht das Immunsystem, auch in diesen Organen die Parasiteneier zu beseitigen. Dabei werden die Organe schwer geschädigt. Die Symptome, die durch den starken Befall einer Bilharziose entstehen können, hängen vom betroffenen Organsystem ab.
Wenn etwa Bilharziose-Patienten zunehmend unter Atemnot oder Kurzatmigkeit leiden, kann dies auf eine fortschreitende
Vernarbung von Lungengewebe
(
Lungenfibrose
) infolge des Parasitenbefalls hindeuten. Eine langsame Gelbfärbung der Haut (Gelbsucht) wird oft durch eine
eingeschränkte
Leberfunktion
verursacht. Es kann sogar zum
Leberversagen
kommen.
Da bei der Bilharziose nicht nur Organe selbst geschädigt werden, sondern auch deren Durchblutung gestört wird, kann es zu einer Veränderung der Druckverhältnisse im Gefäßsystem kommen: Leben sehr viele Wurmpaare in den Gefäßen des Bauchraumes, kann das
Blut
nicht mehr wie gewohnt über die Leber zum Herzen zurückfließen. Es staut sich dann vor der Leber zurück, was als
portale Hypertension
bezeichnet wird.
Das gestaute Blut sucht sich einen Umweg über andere Gefäße, die eigentlich nicht für den Transport großer Blutmengen ausgelegt sind, zum Beispiel im Bereich der
Speiseröhre
, des Magens und des
Anus
. Die überbeanspruchten Gefäße erweitern sich (Bildung von
Krampfadern
), können aufplatzen und stark bluten - es kommt etwa zu Bluterbrechen, Teerstuhl (schwarze Blutbeimengungen im Stuhl) und/oder blutenden Hämorrhoiden. Solche Blutungen können, wenn sie stark ausfallen, lebensbedrohlich werden!
Es gibt verschiedene Arten von Pärchenegeln, die als Bilharziose-Erreger in betracht kommen. Die häufigsten sind:
Mit solchen Bilharziose-Erregern kann man sich in stehendem Süßwasser in tropischen Ländern anstecken. Besonders Kinder und junge Erwachsene sind gefährdet, da sie mehr mit Flüssen und Seen in Kontakt kommen.
Vor jeder Reise in die Tropen sollten Sie mit einem Tropenmediziner die landesspezifischen Risiken (wie Gefahr von Bilharziose) besprechen.
Sollten Sie den Verdacht haben, an einer Bilharziose zu leiden, ist ein Tropenmediziner oder Gastroenterologe der richtige Ansprechpartner. Der Arzt wird zuerst im Gespräch mit Ihnen die Krankengeschichte erheben (
Anamnese
). Dabei könnte er folgende Fragen stellen:
Darauf folgt die
körperliche Untersuchung
. Tastet der Arzt den Bauch ab, stößt er bei Bilharziose oft auf eine vergrößerte Leber, vergrößerte Milz und angeschwollene Lymphknoten. Solche Veränderungen können aber auch andere Ursachen haben. Deshalb sind für die Diagnosestellung weitere Untersuchungen nötig.
Dazu zählen
Blutuntersuchungen
: Bereits in den ersten Wochen einer Bilharziose-Infektion lassen sich im Blut erhöhte Werte bestimmter weißer Blutkörperchen (
Eosinophile Granulozyten
) messen. Außerdem wird im Blut nach spezifischen Antikörpern gegen die Parasiten gesucht.
Stuhl- und Urinuntersuchungen
sind ebenfalls aufschlussreich: Wenige Wochen nach der Ansteckung sind Eier der Bilharziose-Erreger direkt im Stuhl oder im Urin von Patienten nachweisbar.
Eine
Ultraschalluntersuchung
und eine
endoskopische Darm- bzw. Blasenuntersuchung
(
Darmspiegelung
bzw.
Blasenspiegelung
) können zeigen, welche Organschäden die Bilharziose bereits angerichtet hat.
Bei einer langjährigen Bilharziose-Infektion kann es aufgrund der Immunreaktion in den verschiedenen Geweben zu
Verkalkungen und Vernarbungen
(Fibrose) kommen. Diese Veränderungen können so ausgeprägt sein, dass man sie sogar auf einem
Röntgenbild
erkennt. Das spricht dann für eine bereits sehr fortgeschrittene Bilharziose.
Die Behandlung der Bilharziose ist relativ einfach und wird von der WHO auch in ganzen Bevölkerungsgruppen eingesetzt, um die Verbreitung des Parasiten einzugrenzen. Die einmalige Gabe des Anti-Wurmmittels
Praziquantel
reicht dabei in den meisten Fällen aus. Für infizierte Reiserückkehrer wiederum empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, das Medikament über drei Tage einzunehmen. In diesen Fällen scheint die etwas längere Behandlung wirksamer zu sein als eine Eintagestherapie. Die Dosierung richtet sich nach dem genauen Erregertyp.
Praziquantel lähmt die Muskulatur des Pärchenegels, sodass er abstirbt. Dadurch wird die weitere Eierproduktion unterbunden, und der Patient scheidet keine weiteren Eier mehr aus - der Infektionskreislauf der Bilharziose ist unterbrochen.
Bei starken Symptomen setzen Ärzte meist "
Kortison" (Glukokortikosteroide)
ein, um die Immunreaktion zu stoppen und den Patienten nicht zu gefährden. Dies ist zuweilen in der Anfangsphase der Infektion der Fall (z.B. bei starkem Katayama-Fieber) oder wenn beispielsweise Nervenstörungen, Lähmungen oder Krampfanfälle auftreten (Neuroschistosomiasis, Neurobilharziose). Vorsicht geboten ist auch, wenn mutmaßlich weitere Parasiten das Nervensystem befallen haben (z.B. Neurozystizerkose durch Schweinebandwurm).
In solchen Fällen (akute und schwere Bilharziose sowie bei Befall des Nervensystems) wenden Ärzte Praziquantel für gewöhnlich nicht (oder zeitlich versetzt) an: Der Wirkstoff verschlechtert nämlich möglicherweise den Zustand der Betroffenen. Zudem wirkt er nur unzureichend auf die noch jungen Würmer.
Bei derartigen Verläufen erfolgt die Behandlung am besten in einem tropenmedizinischen Zentrum. Dort konzentrieren sich Ärzte dann darauf, die Beschwerden zu lindern (symptomatische Therapie). Praziquantel kommt erst etwa drei Monate nach der vermuteten Infektion zum Einsatz, wenn der Erreger ausgewachsen ist.
Je früher eine Bilharziose therapiert wird, desto besser. Allerdings werden viele Bilharziose-Infektionen von den Patienten jahrelang nicht bemerkt und damit auch nicht behandelt. Das kann schließlich zu schweren Organschäden bis hin zu Nieren-, Leber-, Lungen- und Herzversagen führen. Da viele dieser Folgen tödlich sein können, ist eine möglichst zügige und konsequente Diagnostik und Therapie unabdingbar. Besonders Reisende, die sich in Tropenregionen aufgehalten haben, sollten bei irgendwelchen Beschwerden (auch nach der Heimkehr) an die Möglichkeit einer Bilharziose oder anderen Tropenkrankheit denken und sich untersuchen lassen.
Bei der Blasenbilharziose kommt eine weitere Gesundheitsgefahr hinzu: Sie steigert das Risiko für Blasenkrebs. Dieser tritt in der Regel 10 bis 20 Jahre nach der Erstinfektion auf.
Während einer Schwangerschaft kann eine
Bilharziose
ebenfalls zu Komplikationen führen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Bilharziose
Bilharziose: Beschreibung
Bilharziose: Lebenszyklus des Parasiten
Was tut die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen Bilharziose?
Bilharziose: Symptome
Symptome der akuten Bilharziose
Symptome der chronischen Bilharziose
Bilharziose der Blase (Urogenitalbilharziose)
Bilharziose des Darmes
Schwere Bilharziose
Bilharziose: Ursachen und Risikofaktoren
Bilharziose: Untersuchungen und Diagnose
Bilharziose: Behandlung
Bilharziose: Krankheitsverlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen