Illness name: akute belastungsreaktion

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Akute Belastungsreaktion

Von Mareike Müller , Ärztin
und Eva Rudolf-Müller , Ärztin
Mareike Müller

Mareike Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und Assistenzärztin für Neurochirurgie in Düsseldorf. Sie studierte Humanmedizin in Magdeburg und sammelte viel praktische medizinische Erfahrung während ihrer Auslandsaufenthalte auf vier verschiedenen Kontinenten.

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Eva Rudolf-Müller

Eva Rudolf-Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Humanmedizin und Zeitungswissenschaften studiert und immer wieder in beiden Bereich gearbeitet - als Ärztin in der Klinik, als Gutachterin, ebenso wie als Medizinjournalistin für verschiedene Fachzeitschriften. Aktuell arbeitet sie im Online-Journalismus, wo ein breites Spektrum der Medizin für alle angeboten wird.

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Eine akute Belastungsreaktion , umgangssprachlich auch Nervenzusammenbruch genannt, wird durch ein traumatisches Ereignis ausgelöst. Die Patienten leiden zum Beispiel unter Erinnerungslücken, Alpträumen oder Herzrasen. Halten die Symptome länger als zwei Tage an, spricht man von einer akuten Belastungsstörung. Hilfe finden Betroffene durch psychotherapeutische Unterstützung oder eine Behandlung mit Medikamenten. Lesen Sie hier alles über die akute Belastungsreaktion.

ICD-Codes für diese Krankheit: ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen. F43

Kurzübersicht

  • Krankheitsverlauf und Prognose: Ablauf abhängig vom Ausmaß, folgenlose Ausheilung ist möglich, manchmal Übergang in länger andauernde Störungen, Arbeitsunfähigkeit für die Dauer der akuten Phase möglich
  • Symptome: Veränderte Wahrnehmung, Alpträume, Flashbacks, Erinnerungslücken, Schlafstörungen , Gefühlsstörungen, körperliche Anzeichen wie Herzrasen , Schweißausbrüche, Zittern
  • Therapie: Psychotherapeutische Maßnahmen, Medikamente
  • Ursachen und Risikofaktoren: Bedrohliches traumatisches Ereignis, z. B. Unfall, Gewalt, Naturkatastrophe
  • Untersuchung und Diagnose: Ausführliches Gespräch mit einer psychotherapeutischen Fachperson, mitunter körperliche Untersuchung
  • Vorbeugen: Es ist keine generelle Vorbeugung möglich. Eine frühzeitige Therapie beugt oftmals dem Übergang in anhaltende seelische Störungen vor.
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Was ist eine akute Belastungsreaktion (Nervenzusammenbruch)?

Umgangssprachlich wird die akute Belastungsreaktion als Nervenzusammenbruch bezeichnet. Es handelt sich um eine vorübergehende, extreme Reaktion auf ein belastendes Ereignis. Sie gehört zu den möglichen psychischen Reaktionen auf ein traumatisches Erlebnis. Abhängig von der Zeitspanne, für die die Symptome andauern, unterscheidet man folgende Formen:

  • Akute Belastungsreaktion (bis zu 48 Stunden nach dem Ereignis)
  • Akute Belastungsstörung (bis zu vier Wochen nach dem Ereignis)
  • Akute posttraumatische Belastungsstörung (bis zu drei Monate nach dem Ereignis)

Außerdem gibt es weitere Reaktionen, die mit den genannten verwandt sind:

  • Chronische posttraumatische Belastungsstörung: Es bestehen noch drei Monaten nach dem belastenden Ereignis Symptome.
  • Anpassungsstörung : Aufgrund einschneidender Erlebnisse, wie zum Beispiel der Verlust des Partners, gelingt es nicht mehr, den Alltag zu bewältigen.

Wie viele Personen durch eine akute Belastungsreaktion eingeschränkt sind, ist schwer zu sagen. Vermutlich gibt es eine hohe Dunkelziffer. Denn zum einen scheuen viele Menschen davor zurück, bei psychischen Problemen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zum anderen verschwinden bei der akuten Belastungsreaktion die Beschwerden vergleichsweise schnell.

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Ist man bei einer akuten Belastungsreaktion arbeitsunfähig?

Ob und wie lange man bei einer akuten Belastungsreaktion arbeitsunfähig ist, hängt vom individuellen Fall ab. Es ist ratsam, mit einem Arzt über die nötige Erholungszeit nach einem Nervenzusammenbruch zu sprechen. Er schätzt die Belastbarkeit des Betroffenen ein und stellt in der Regel bei einer akuten Belastungsreaktion für den erforderlichen Zeitraum eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit aus.

Die akute Belastungsreaktion hält laut Definition bis zu 48 Stunden nach einem belastenden Ereignis an. Bei manchen Menschen verschwinden die Beschwerden dann folgenlos. Es ist auch möglich, dass sie in die länger anhaltende akute Belastungsstörung übergeht, welche wiederum mitunter zu einer akuten posttraumatischen Belastungsreaktion wird.

Klingt die akute posttraumatische Belastungsstörung nicht nach drei Monaten ab, entwickelt sich eine chronische posttraumatische Belastungsstörung.

Bei einer akuten Belastungsreaktion ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie entlastet Betroffene, und das Risiko sinkt, dass die Symptome länger anhalten. Außerdem ist es hilfreich, das Umfeld des Patienten miteinzubeziehen, um weitere, zusätzliche Belastungen zu vermeiden.

Für Betroffene ist es wichtig, dass Angehörigen verständnisvoll sind. Dazu zählt etwa, Vorwürfe zu vermeiden, zum Beispiel wenn der Betroffene an der Situation mitbeteiligt war, etwa bei einem Unfall. Denn unbedachte und belastende Reaktionen verschlimmern meist den Ablauf und die Symptome eines Nervenzusammenbruchs der akuten Belastungsreaktion.

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Welche Symptome treten bei einer akuten Belastungsreaktion auf?

Eine akute Belastungsreaktion äußert sich durch vielfältige Symptome. Folgende Anzeichen und Symptome sind typisch für einen Nervenzusammenbruch:

  • Veränderte Wahrnehmung (Derealisation, Depersonalisation ): Der Patient nimmt die Umwelt oder sich selbst als fremd und unbekannt war.
  • Bewusstseinseinengung: Die Gedanken des Patienten kreisen ausschließlich um wenige Themen – in dem Fall um die belastende Situation.
  • Wiedererleben der Ausnahmesituation in Alpträumen oder Flash-Backs
  • Erinnerungslücken
  • Übererregung im Sinne von Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche , Schreckhaftigkeit, erhöhter Reizbarkeit
  • Vermeidungsverhalten wie sozialer Rückzug
  • Gefühlsstörungen (Affektstörung) wie Stimmungsschwankungen zwischen Aggression (z. B. geht ein Nervenzusammenbruch in einigen Fällen mit einem Wutausbruch einher), Angst und Trauer oder unangemessenes Weinen und Lachen
  • Körperliche Symptome (z. B. Erröten, Schweißausbrüche, Herzrasen, Blässe , Übelkeit)
  • Sprachloses Entsetzen: Der Patient kann Erlebtes nicht in Worte fassen und dadurch schlechter verarbeiten.

Mitunter bestehen wenige offensichtliche Symptome, bevor es zu einem Nervenzusammenbruch kommt. Manchmal ist von einem "stillen Nervenzusammenbruch" die Rede. "Stiller Nervenzusammenbruch" ist jedoch kein Begriff, der von Medizinern verwendet wird.

Manche Symptome eines Nervenzusammenbruchs beziehungsweise einer akuten Belastungsstörung ähneln denen einer Depression , sind aber davon abzugrenzen.

Der Ablauf eines sogenannten Nervenzusammenbruchs unterscheidet sich von Fall zu Fall.

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Was tun bei einer akuten Belastungsstörung?

Viele Betroffene versuchen, allein fertig zu werden mit einem Nervenzusammenbruch. Hilfe nehmen nur einige in Anspruch. Dabei gibt es viele Antworten auf die Frage "Nervenzusammenbruch – was tun?"

In der akuten Ausnahmesituation gibt es verschiedene Personengruppen, die ausgebildet sind, jemandem mit akuter Belastungsreaktion zu helfen. Dazu zählen vor allem Menschen, die als erste an den Ort eines traumatischen Ereignisses kommen: Notarzt, Polizisten, Feuerwehrmänner, Sanitäter oder Soldaten.

Sie helfen allein schon durch die Tatsache, dass sie in der Lage sind, den Patienten in eine sichere Umgebung zu bringen. Im weiteren Verlauf wird der Patient zu einem Seelsorger, Psychotherapeuten oder Arzt geleitet.

Nervenzusammenbruch-Behandlung: Erste Hilfe

Im ersten Schritt der Therapie steht die Kontaktaufnahme zu dem Patienten im Vordergrund. In einer sicheren Umgebung erhält der Betroffene Unterstützung. Erkennt die betreuende Person in ersten Gesprächen mit dem Patienten eine mögliche Gefahr der Selbsttötung ( Suizidalität ), veranlasst sie, dass der Patient stationär aufgenommen wird.

Besteht keine akute Gefahr, erfolgt die Behandlung meistens ambulant. Sie besteht aus verschiedenen psychologischen Therapien wie:

  • Verhaltenstherapie (Patienten sollen ein gestörtes Verhalten verlernen und ein neues lernen)
  • Psychoedukation (Patienten sollen die akute Belastungsreaktion als Krankheit verstehen lernen und so besser bewältigen)
  • EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing; durch bestimmte Augenbewegungen soll das Trauma neu erlebt und besser verarbeitet werden)
  • Hypnose

Wenn der Patient zum Beispiel durch Schlafstörungen extrem belastet ist, verschreibt der Arzt gegebenenfalls kurzzeitig schlafanstoßende und dämpfende Medikamente wie Benzodiazepine, Z-Substanzen oder sedierende Antidepressiva.

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Was passiert bei einer akuten Belastungsreaktion?

Urache für eine akute Belastungsreaktion ist ein traumatisches Erlebnis. Dabei spielt es keine Rolle, ob der eigenen Person etwas Schreckliches passiert oder ob man Beobachter, Angehöriger oder Helfer in der Situation ist. Das Ereignis stellt sich häufig als lebensbedrohlich dar und dreht mitunter die Welt für den Betroffenen auf den Kopf.

Alles, was vertraut und sicher schien, wird in solchen Momenten als gefährlich und durcheinander wahrgenommen. Dazu zählen vor allem:

  • Körperverletzungen
  • Krieg
  • Flucht
  • Sexuelle Gewalt
  • Raubüberfälle
  • Naturkatastrophen
  • Schwere Unfälle
  • Terroranschläge

Akute Belastungsreaktion: Wer ist betroffen?

Grundsätzlich besteht bei jedem Menschen die Möglichkeit, eine akute Belastungsreaktion zu entwickeln. Es gibt verschiedene Faktoren, die das Risiko, einen Nervenzusammenbruch zu erleiden, erhöhen. Dazu zählen unter anderem:

  • Vorherige Erkrankungen (körperliche und seelische)
  • Erschöpfung
  • Psychische Verletzlichkeit (Vulnerabilität)
  • Fehlende Strategien, um mit dem Erlebten umzugehen (fehlendes "Coping")
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Untersuchungen und Diagnose

Sollte bei Ihnen der Verdacht auf eine akute Belastungsreaktion bestehen, ist ein Psychiater oder Psychologe der richtige Ansprechpartner. Um mehr über Ihre Krankheitsgeschichte ( Anamnese ) zu erfahren, befragt er Sie zunächst ausführlich. Dabei stellt er Ihnen unter anderem folgende Fragen:

  • Welche körperlichen Symptome nehmen Sie an sich wahr?
  • Wie hat sich Ihr Zustand in der Zeit seit dem Ereignis verändert?
  • Haben Sie Ähnliches bereits in der Vergangenheit erlebt?
  • Wie sind Sie aufgewachsen?
  • Sind Vorerkrankungen bei Ihnen bekannt?

Der Therapeut achtet darauf, dass Sie sich während des Gesprächs sicher fühlen.

Besteht der Verdacht auf einen Nervenzusammenbruch, gehören zum Ablauf der Diagnostik auch körperliche Untersuchungen, wie die Messung von Herzfrequenz, Blutdruck und Atemfrequenz. So lassen sich körperliche Reaktionen auf das Geschehene erkennen.

Des Weiteren stellt er fest, ob bei Ihnen Risikofaktoren vorliegen, die eine akute Belastungsreaktion begünstigen und den Verlauf unter Umständen verschlimmern.

Nervenzusammenbruch: Test

Im Internet kursieren verschiedene Tests, um sich selbst auf eine akute Belastungsreaktion zu testen. Suchen Sie in einer Ausnahmesituation besser Rat bei einem Spezialisten, der über das Fachwissen für die richtige Diagnose verfügt und zugleich Therapiemöglichkeiten aufzeigt und anbietet.

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Wie lässt sich einer akuten Belastungsreaktion vorbeugen?

Es gibt keine Maßnahme, durch die sich einem Nervenzusammenbruch oder einer akuten Belastungsreaktion zuverlässig vorbeugen lässt. Traumatische Ereignisse ereilen Menschen schicksalshaft, und es lässt sich nicht vorhersagen, wie betroffene Personen darauf reagieren.

Unbehandelt besteht allerdings die Möglichkeit, dass die Symptome der akuten Belastungsreaktion bestehen bleiben und in andere, möglicherweise länger andauernde seelische Störungen übergehen. Um dem vorzubeugen, ist es sinnvoll, sich nach einem traumatischen Erlebnis frühzeitig Hilfe bei einer fachkompetenten Person zu holen.

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Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Mareike Müller

Mareike Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und Assistenzärztin für Neurochirurgie in Düsseldorf. Sie studierte Humanmedizin in Magdeburg und sammelte viel praktische medizinische Erfahrung während ihrer Auslandsaufenthalte auf vier verschiedenen Kontinenten.

Eva Rudolf-Müller

Eva Rudolf-Müller ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Humanmedizin und Zeitungswissenschaften studiert und immer wieder in beiden Bereich gearbeitet - als Ärztin in der Klinik, als Gutachterin, ebenso wie als Medizinjournalistin für verschiedene Fachzeitschriften. Aktuell arbeitet sie im Online-Journalismus, wo ein breites Spektrum der Medizin für alle angeboten wird.

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ICD-Codes:
F43
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie, Akute Belastungsrektion, unter: www.degpt.de (Abrufdatum: 30.08.2022)
  • Leitlinie der Deutschsprachigen Gesellschaft f. Psychotraumatologie: Diagnostik und Behandlung von akuten Folgen psychischer Traumatisierung, Stand: Juli 2019, unter: www.register.awmf.org (Abrufdatum: 30.08.2022)
  • Remschmidt, H. et al.: Kinder- und Jugendpsychiatrie, Georg Thieme Verlag, 7. Auflage, 2019