Illness name: serotonin syndrom

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Serotonin-Syndrom

Von Florian Tiefenböck , Arzt
Florian Tiefenböck

Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.

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Das Serotonin-Syndrom ist keine Erkrankung im herkömmlichen Sinn. Vielmehr handelt es sich um eine Kombination verschiedener Krankheitserscheinungen (Symptome), die durch eine übermäßige Anhäufung des Botenstoffes Serotonin entstehen. Das Serotonin-Syndrom wird durch bestimmte Medikamente ausgelöst und muss schnell behandelt werden, da es unter Umständen tödlich endet. Lesen Sie hier alles Wichtige über das Serotonin-Syndrom.

Kurzübersicht

  • Symptome: Starkes Schwitzen , gerötete Haut , trockene Schleimhäute, hoher Puls und Blutdruck, Übelkeit und Erbrechen , Störungen zwischen Muskeln und Nerven (Zittern, Muskelstarre, übermäßige Reflexe), psychische Störungen (Unruhe, Aufregung, Bewusstseinsstörungen) sowie Herzrhythmusstörungen , epileptische Anfälle und Organversagen
  • Behandlung: Absetzen der ursächlichen Medikamente, großflächige Kühlung bei hohem Fieber, fiebersenkende und muskelentspannende Medikamente, serotoninhemmende Arzneimittel
  • Ursachen und Risikofaktoren: Medikamente gegen Depression, Abbausubstanzen von Medikamenten zur Behandlung von Herzerkrankungen und Epilepsie sowie Drogen, die auf das Serotonin-System wirken
  • Diagnose und Untersuchungen: Ärztliche Befragung ( Anamnese ) und körperliche sowie neurologische Untersuchung (Ärzte testen beispielsweise die Reflexe), psychiatrische Untersuchungen, Blutuntersuchungen, Magnetresonanztomografie (MRT), Computertomografie (CT), Elektrokardiogramm (EKG)
  • Krankheitsverlauf und Prognose: Der Verlauf ist meist mild und die Prognose gut. Sie sind abhängig von der Höhe des Serotoninspiegels und der Zeitspanne, in der der Körper das verursachende Medikament oder die Droge abbaut. Nur in Einzelfällen führt ein Serotonin-Syndrom zum Tod.
  • Vorbeugung: Einem Serotonin-Syndrom lässt sich durch die richtige Wahl an Medikamenten und deren korrekte Dosierung vorbeugen. Auf den Konsum von Drogen oder psychogenen Substanzen sollte grundsätzlich verzichtet werden.
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Was ist das Serotonin-Syndrom?

Das Serotonin-Syndrom entsteht durch ein Übermaß an dem Nervenbotenstoff (Neurotransmitter) Serotonin im zentralen Nervensystem. Andere Bezeichnungen sind serotoninerges oder serotonerges Syndrom sowie zentrales Serotonin-Syndrom.

Die Ursache des Serotoninüberschusses liegt zumeist in Medikamenten gegen Depressionen (Antidepressiva), die das serotonerge System des Körpers beeinflussen. Das Serotonin-Syndrom entsteht also im weitesten Sinne durch Neben- beziehungsweise Wechselwirkungen verschiedener antidepressiver (aber auch anderer) Medikamente. Ärzte sprechen auch von einer unerwünschten Arzneimittelreaktion.

Wie häufig es auftritt, ist nicht genau bekannt. Es sind meist milde Verläufe oder es kommen untypische Symptome vor. Daher lässt sich ein Serotonin-Syndrom oft nicht erkennen.

Was ist Serotonin?

Serotonin (chemisch: 5-Hydroxy-Tryptamin) ist ein wichtiger Botenstoff des Nervensystems (Neurotransmitter). Es kommt sowohl im zentralen ( Gehirn und Rückenmark) als auch im peripheren Nervensystem vor. Im zentralen Nervensystem (ZNS) ist Serotonin an der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Emotionen, der Temperatur oder von Schmerzen beteiligt, aber auch an Lernvorgängen und der Gedächtnisbildung.

Im übrigen Körper fördert Serotonin beispielsweise Magen-Darm-Bewegungen oder erweitert Gefäße in der Haut und in Skelettmuskeln, verengt sie jedoch am Herzen. Auch an der Blutgerinnung ist Serotonin beteiligt: Es fördert die Zusammenballung der Blutplättchen.

Depression und Serotonin-Syndrom

Serotonin steuert zusammen mit einem weiteren Botenstoff namens Noradrenalin verschiedene Prozesse im Gehirn. Dazu zählen vor allem emotionale Vorgänge und die Steuerung von Aufmerksamkeit und Schmerzhemmung.

Experten gehen davon aus, dass ein Mangel dieser Botenstoffe zu depressiven Symptomen wie Traurigkeit , Antriebslosigkeit und Interessenverlust führt. Daher behandeln Ärzte Depressionen mit Medikamenten, die etwa das Serotonin im Körper ansteigen lassen. Infolgedessen und beispielsweise durch eine zu hohe Arzneimitteldosis kommt es unter Umständen zum Serotoninüberschuss und letztlich zum Serotonin-Syndrom.

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Welche Symptome treten auf?

Manchmal zeigt sich der erhöhte Serotonin-Spiegel anfangs als leichter grippaler Infekt. Schwerwiegendere Symptome entwickeln sich dann innerhalb von Minuten.

Experten unterteilen die Serotonin-Syndrom-Symptome aktuell in drei Gruppen:

Vegetative Beschwerden

Die Betroffenen leiden an Fieber und Schüttelfrost , fühlen sich also oft sehr krank (Grippegefühl). Weitere vegetative Symptome, die häufig bei einem Serotonin-Syndrom auftreten, sind:

  • Erhöhter Puls und Blutdruck (Tachykardie und Hypertonie)
  • Schnelle Atmung ( Hyperventilation )
  • Starkes Schwitzen ( Hyperhidrose )
  • Übelkeit, Erbrechen und Durchfall
  • Kopfschmerzen

Gestörtes Zusammenspiel zwischen Muskeln und Nerven

Weitere Serotonin-Syndrom-Symptome ergeben sich dadurch, dass das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln gestört ist (neuromuskuläre Symptome):

Die Erkrankten zittern ( Tremor ), haben leicht auslösbare und übertriebene Reflexe (Hyperreflexie), unwillkürliche Muskelzuckungen (Myoklonie) und sind aufgrund einer erhöhten Muskelspannung nur unter Anstrengung in der Lage, sich zu bewegen (Hyperrigidität, Rigor). Auch Muskelkrämpfe sind möglich.

Psychische Auswirkungen

Des Weiteren leiden Betroffene an Symptomen, die durch ein Serotonin-Syndrom im zentralen Nervensystem ausgelöst werden. Der Serotoninüberschuss führt hier zu einer gesteigerten Erregung. Infolgedessen kommt es beim Serotonin-Syndrom häufig zu folgenden psychischen Auffälligkeiten:

  • Unruhe, Nervosität, Bewegungsdrang
  • Halluzinationen
  • Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsstörungen
  • Gesteigerte Stimmung
  • Probleme bei der Feinabstimmung von Bewegungen (Koordinationsstörungen)
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Wie wird ein Serotonin-Syndrom behandelt?

Das Serotonin-Syndrom gilt als psychiatrischer und neurologischer Notfall, weil es mitunter lebensbedrohlich verläuft. Als erste Maßnahme setzen Ärzte die Medikamente ab, die das Serotonin-Syndrom verursachen. Bei leichten Symptomen reicht dieses Vorgehen meist aus (in etwa 90 Prozent der Fälle). Bei anhaltenden Beschwerden ergreifen Ärzte zusätzliche Maßnahmen. Ein schwerwiegendes Serotonin-Syndrom erfordert eine intensivmedizinische Überwachung und Betreuung.

Intensivmedizin bei Serotonin-Syndrom

Auf der Intensivstation überwachen Ärzte kontinuierlich den Blutdruck und Puls, die Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung sowie Körpertemperatur, außerdem die Urinausscheidung der Erkrankten. Personen, die an einem Serotonin-Syndrom erkrankt sind, bekommen Flüssigkeit über eine Infusion zugeführt, da sie durch das Fieber viel Flüssigkeit verlieren. Unter Umständen werden sie zudem in ein künstliches Koma versetzt und maschinell beatmet. Auf diese Weise ist es möglich, weitreichendere Therapieschritte wie eine großflächige Kühlung (etwa bei sehr hohem Fieber) einzuleiten.

Medikamente

Fiebersenkende Medikamente verringern die hohe Körpertemperatur zusätzlich.

Gegebenenfalls verabreichen Ärzte Medikamente zur Muskelentspannung (Muskelrelaxantien). Dadurch senken sie beispielweise das Fieber, das bei einem Serotonin-Syndrom hauptsächlich aufgrund der erhöhten Muskelspannung entsteht. Die Muskelrelaxantien sollen auch schwere Muskelschäden verhindern, zum Beispiel die Auflösung der Muskelfasern (Rhabdomyolyse). Das schützt gleichzeitig die Nieren. Denn eine Rhabdomyolyse setzt in größeren Mengen das sauerstoffbindende Muskelprotein Myoglobin frei. Dieses lagert sich mitunter im Nierengewebe ab und führt zu einem Nierenversagen.

Benzodiazepine wie Lorazepam und Diazepam werden ebenfalls bei einem Serotonin-Syndrom verabreicht. Sie unterdrücken Krampfanfälle.

Bei anhaltenden Beschwerden verabreichen Ärzte außerdem Cyproheptadin oder Methysergid. Beide Arzneistoffe binden an und hemmen unter anderem Serotonin-Empfängerstrukturen und verringern so den schädlichen Einfluss des Hormonüberschusses eines Serotonin-Syndroms. Wache Personen schlucken Tabletten, sedierte bekommen die Wirkstoffe über eine Magensonde .

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Welche Ursachen und Risikofaktoren gibt es?

Das Serotonin-Syndrom entsteht durch die Einnahme von bestimmten Medikamenten. Es handelt sich um Arzneien, die serotonerge Vorgänge im Körper beeinflussen. Ärzte verschreiben sie meist zur Behandlung von Depressionen. Denn Forscher nehmen an, dass ein Mangel an Serotonin (und Noradrenalin) für die Entstehung von Depressionen verantwortlich ist. Besagte Medikamente steigern die Menge des Botenstoffes durch unterschiedliche Mechanismen, etwa indem sie die Freisetzung von Serotonin erhöhen oder seinen Abbau hemmen.

In manchen Fällen kommt es schon nach der ersten Einnahme eines Antidepressivums zu ersten Anzeichen eines Serotonin-Syndroms. Bei anderen Erkrankten entwickelt es sich erst nach einer Dosissteigerung. In den meisten Fällen entsteht das Serotonin-Syndrom jedoch, wenn zwei oder mehr der betreffenden Medikamente miteinander kombiniert werden. Durch Wechselwirkungen zwischen den Arzneien kommt es nämlich zu einem deutlichen Serotoninüberschuss.

Neben Antidepressiva lösen auch einige andere Arzneistoffe sowie manche illegale Drogen durch Eingreifen in das serotonerge System ein Serotonin-Syndrom aus.

Zu diesen Drogen sowie den Medikamenten, die vor allem in Kombination ein Serotonin-Syndrom verursachen, zählen unterteilt nach ihrer Wirkung:

Wirkung im serotoninergen System

Wirkstoffe

vermehrte Bildung von Serotonin

Tryptophan

vermehrte Freisetzung von Serotonin

Amphetamine, Kokain, Mirtazapin , Methadon , Ecstasy, das Parkinsonmedikament L-Dopa

Hemmung der Wiederaufnahme aus dem synaptischen Spalt zwischen zwei Nervenzellen

Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), wie Citalopram , Sertralin , Fluoxetin , Paroxetin

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI), wie Venlafaxin , Duloxetin

Trizyklische Antidepressiva, wie Amitriptylin , Doxepin , Desipramin, Nortriptylin, Clomipramin , Imipramin

Tramadol , Pethidin (beides Schmerzmittel), Trazodon , Johanniskraut, Kokain, Amphethamin, Ecstasy, 5-HT3-Rezeptor-Gegenspieler gegen Übelkeit und Erbrechen wie Ondansetron , Granisetron

Hemmung des Serotonin-Abbaus

Monoaminooxidas (MAO)-Hemmer wie Moclobemid, Tranylcypromid oder das Antibiotikum Linezolid

stimulierende Wirkung an Serotonin-Empfängerstrukturen (5-HT-Rezeptoren)

5-HT1-Agonisten wie Buspiron oder Triptane (z.B. Sumatriptan , Almotriptan), die gegen Migräne verschrieben werden

verstärkter Serotonin-Effekt

Lithium

Einfluss anderer Medikamente

Auch Arzneimittel werden im Körper abgebaut. Allerdings gibt es bestimmte Arzneistoffe, die den Abbau der oben genannten Medikamente stören, meist weil sie auf demselben Weg verstoffwechselt werden. Dazu zählen beispielsweise die Herzmedikamente Amiodaron oder Betablocker, Mittel gegen Epilepsie wie Carbamazepin , aber auch HIV-Therapeutika wie Ritonavir oder Efavirenz.

Auch das Magenschutzmittel Cimetidin hemmt die abbauenden Eiweißkomplexe. Infolgedessen reichern sich die serotonerg wirksamen Substanzen im Körper an. Dadurch beeinflussen sie das Serotonin-System noch stärker. Auf diese Weise führt mitunter auch schon eine kleinere Medikamenten-Dosis zu einem Serotonin-Syndrom.

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Wie wird ein Serotonin-Syndrom diagnostiziert und untersucht?

Die Diagnose des Serotonin-Syndroms ist schwierig. Zum einen zeigen Betroffene unterschiedlich ausgeprägte Anzeichen eines serotonergen Syndroms. Zum anderen gibt es Krankheitsbilder, die dem des Serotonin-Syndroms ähneln, allen voran das maligne neuroleptische Syndrom (MNS). Das neuroleptische Syndrom ist ein Krankheitsbild, das bei der Therapie mit sogenannten Neuroleptika entsteht — Arzneistoffe, die Personen mit psychischen Störungen einnehmen.

Außerdem entwickelt sich ein Serotoninüberschuss verhältnismäßig schnell. Dadurch bleibt bei schweren Verläufen oft nur wenig Zeit für ausgiebige Untersuchungen. Die Diagnose wird zusätzlich dadurch erschwert, dass es keine nennenswerten Labortests gibt, um das Serotonin-Syndrom als Ursache der Symptomatik festzustellen.

Wer vermutet, an einem Serotonin-Syndrom zu leiden, sollte umgehend zum Arzt gehen, beispielsweise zum behandelnden Psychiater.

Krankengeschichte (Anamnese)

Der Grundpfeiler in der Serotonin-Syndrom-Diagnose ist die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Der Arzt stellt beispielsweise folgende Fragen:

  • Unter welchen Beschwerden leiden Sie?
  • Haben Sie Fieber, Übelkeit mit Erbrechen und Durchfall? Schwitzen Sie auffällig stark?
  • Fallen Ihnen Bewegungen schwer? Haben Sie Muskelkrämpfe oder -zuckungen?
  • Haben Sie Probleme, still sitzen zu bleiben?
  • Seit wann bestehen die Beschwerden? Haben diese in den letzten Stunden zugenommen?
  • Welche Vorerkrankungen sind bei Ihnen bekannt?
  • Leiden Sie unter Depressionen, gegen die sie Tabletten einnehmen?
  • Welche Medikamente nehmen Sie ein? Nennen Sie bitte alle Arzneimittel, auch Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Wirkstoffe!
  • Wurde Ihre Medikation in letzter Zeit umgestellt oder erweitert?
  • Konsumieren Sie in regelmäßigen Abständen Drogen?

Da Betroffene mit Serotonin-Syndrom in manchen Fällen verwirrt sind oder unter einem getrübten Bewusstsein leiden, sind sie möglicherweise nicht in der Lage, Fragen eindeutig und klar zu beantworten. Deshalb ist die Fremdanamnese von entscheidender Bedeutung. Hierbei befragt der Arzt nicht den Betroffenen selbst, sondern Angehörige, Freunde oder andere Begleitpersonen.

Körperliche Untersuchung

Nach der ausführlichen Befragung untersucht der Arzt den Körper des Erkrankten genau. Dabei achtet er auf typische Serotonin-Syndrom-Symptome. Diese sind zusammen mit der Anamnese ausschlaggebend für die Diagnose „serotonerges Syndrom“. Der Arzt prüft beispielsweise, ob die Pupillen erweitert sind. Muskelzuckungen oder ein Zittern des Betroffenen sind oft schon mit dem bloßen Auge erkennbar, ebenso wie eine beschleunigte Atmung. Außerdem misst der Arzt den Blutdruck, den Puls und die Körpertemperatur.

Des Weiteren kontrolliert der Arzt den neurologischen Zustand des Erkrankten. Besonderes Augenmerk legt er auf die Reflexüberprüfung. Dazu schlägt er mit einem sogenannten Reflexhammer beispielsweise auf die Oberschenkelsehnen unterhalb der Kniescheibe (Patellarsehnenreflex). Leidet der Patient an einem Serotonin-Syndrom, erfolgt der Reflex, also das „Vorschnellen“ des Unterschenkels, übermäßig stark und oft schon bei nur leichtem Beklopfen der Sehne.

Weitere Untersuchungen bei Serotonin-Syndrom

Es gibt keine spezifischen Labortests, die das Serotonin-Syndrom eindeutig belegen. Dennoch verändern sich unter Umständen einige Laborwerte durch den Serotoninüberschuss, beispielsweise steigt der Entzündungsparameter C-reaktives Protein ( CRP ). Auch auf das Blutbild wirkt sich das Serotonin-Syndrom möglicherweise aus, erkennbar etwa an einem erniedrigten Spiegel an Blutplättchen ( Thrombozyten ). Bei starken Krämpfen steigen auch die Muskeleiweiße Kreatinkinase und Myoglobin im Blut an.

Bei schneller Atmung bringt häufig eine sogenannte Blutgasanalyse Aufschluss über den Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid in der Lunge .

Außerdem führt der Arzt toxikologische Tests durch. Mittels einer Urinprobe zeigt sich oft schon in Schnelltests (sogenannte toxikologische Bedside-Tests) ein möglicher Drogenkonsum oder -missbrauch. Über zum Teil aufwändige Screeningverfahren weisen Laboranten zudem erhöhte Blutkonzentrationen eines bestimmten Medikamenten-Wirkstoffs nach (Bestimmung des Medikamenten-Spiegels).

Darüber hinaus veranlasst der Arzt je nach Symptomatik weitere Untersuchungen. Mittels Elektrokardiogramm (EKG) deckt er zum Beispiel Herzrhythmusstörungen auf. Nach epileptischen Anfällen hilft ein bildgebendes Verfahren wie Computertomografie (CT), andere Ursachen der Symptome auszuschließen.

Differentialdiagnosen

Das Serotonin-Syndrom lässt sich manchmal nur schwer von anderen Erkrankungen abgrenzen. Eine andere denkbare Diagnose (Differentialdiagnose) ist das maligne neuroleptische Syndrom, kurz MNS. Die Symptome des MNS entstehen etwa nach der Einnahme vor allem stark wirksamer (hochpotenter) Medikamente gegen Psychosen (Antipsychotika, Neuroleptika). Wie bei einem Serotonin-Syndrom leiden Betroffene etwa unter Störungen des Bewusstseins, Fieber, Herzrasen , Blutdruckschwankungen und/oder erhöhter Muskelspannung.

Allerdings entwickeln sich die Beschwerden beim MNS – anders als beim serotonergen Syndrom – deutlich langsamer über mehrere Tage hinweg und treten in der Regel erst ungefähr zwei Wochen nach Therapiebeginn auf. Zudem sind MNS-Erkrankte eher bewegungsarm (bradykinetisch bis akinetisch) und haben verringerte Reflexe (Hyporeflexie). Außerdem ist das Muskeleiweiß Kreatinkinase stark erhöht. Gleiches gilt für weiße Blutkörperchen ( Leukozyten ) und oft auch für Leberwerte (Transaminase hoch).

Andere Erkrankungen, die zum Teil ähnliche Symptome wie ein Serotonin-Syndrom aufweisen, sind zum Beispiel:

  • Maligne Hyperthermie
  • Anticholinerges Syndrom/Delir
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Krankheitsverlauf und Prognose beim Serotonin-Syndrom

Bei schneller und richtiger Behandlung hat das Serotonin-Syndrom insgesamt eine gute Prognose. In einzelnen Fällen führt es allerdings beispielsweise über ein Multiorganversagen zum Tod.

Serotonin-Syndrom: Dauer

Die Serotonin-Syndrom-Dauer ist in erster Linie von den auslösenden Medikamenten abhängig. Je nach Wirkstoff benötigt der Körper unterschiedlich lange, um das Medikament abzubauen. Experten sprechen dabei von der sogenannten Halbwertszeit (HWZ). Sie gibt an, nach welcher Zeit die Hälfte des eingenommenen Medikaments den Körper wieder verlassen hat.

So hat zum Beispiel Fluoxetin eine verhältnismäßig lange HWZ. Im Körper entsteht daraus der aktive Stoff Norfluoxetin mit einer HWZ von etwa vier bis 16 Tagen. Das bedeutet, dass der Körper den Wirkstoff nur langsam verstoffwechselt und abbaut. Serotonin-Syndrom-Symptome halten folglich nach Fluoxetin-Einnahme länger an als beispielsweise bei anderen Antidepressiva.

Vorsicht bei neuen Medikamenten

Da es bei bestimmten Medikamenten zu Wechselwirkungen kommt, die den Serotoninspiegel beeinflussen, ist auf die Wahl der Medikamente besonders zu achten. Das betrifft vor allem Erkrankte, die beispielsweise einen neuen antidepressiven Wirkstoff oder neue und starke Mittel gegen Schmerzen oder Migräne bekommen. Dies führt mitunter auch nach zwei Wochen noch zu Wechselwirkungen und letztlich zu einem Serotonin-Syndrom.

Lebensbedrohliches Serotonin-Syndrom

Ein Serotonin-Syndrom wird mitunter lebensbedrohlich. Schwerwiegende Folgen beziehungsweise Komplikationen treten beispielsweise durch anhaltende Herzrhythmusstörungen auf. Betroffene verspüren dabei meist ein drückendes Gefühl in der Brust , einen schnellen und unregelmäßigen Herzschlag und Herzstolpern .

Auch epileptische Anfälle bis hin zum Koma sind mögliche Folgen eines Serotonin-Syndroms.

Da Serotonin auch auf die Blutgerinnung wirkt, führt ein serotonerges Syndrom in manchen Fällen zur sogenannten Verbrauchskoagulopathie. Dabei wird das Gerinnungssystem (auch die Thrombozyten) in den Blutgefäßen aktiviert. Infolgedessen bilden sich Blutgerinnsel in verschiedenen Organen, die daraufhin in ihrer Funktion gestört sind. Außerdem kommt es im späteren Verlauf zu einem Mangel an Gerinnungsfaktoren (durch gesteigerten Verbrauch) und dadurch zu spontanen Blutungen.

Eine Folge dieser Blutungen und Gerinnsel ist ein Multiorganversagen, das in schweren Fällen eines Serotonin-Syndroms zum Tod führt.

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Wie kann man einem Serotonin-Syndrom vorbeugen?

Ärzte achten in aller Regel auf die verschiedenen Neben- und Wechselwirkungen der verordneten Medikamente. Wichtige Hinweise lassen sich in den jeweiligen Fachinformationen des Herstellers finden. Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) dürfen wegen der Gefahr eines Serotonin-Syndroms beispielsweise nicht mit MAO-Hemmern kombiniert werden, da diese den Serotonin-Abbau verhindern.

Auch pflanzliche Arzneistoffe wie Johanniskraut bergen die Gefahr eines serotonergen Syndroms, wenn sie mit Antidepressiva (wie Trizyklische Antidepressiva und SSRI) eingenommen werden. Achten Sie daher auf die Anordnungen Ihres Arztes und ziehen Sie ihn bei Beschwerden unbedingt zu Rate, um einem Serotonin-Syndrom vorzubeugen.

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Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

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Florian Tiefenböck

Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.

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Quellen:
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  • Leucht S, Förstl H. Kurzlehrbuch Psychiatrie und Psychotherapie, Georg Thieme Verlag, 2. Auflage 2018
  • Prange, H. et al.: Neurologische Intensivmedizin, Georg Thieme Verlag, 2004
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