Illness name: hoersturz
Description:
Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Ein
Hörsturz
ist eine plötzlich auftretende, meist einseitige Hörminderung ohne erkennbaren Auslöser. Die Symptome reichen von leichter Hörminderung bis hin zu völliger Taubheit auf dem betroffenen Ohr. Manchmal bildet sich der Hörsturz wieder vollständig zurück, in anderen Fällen ist er von Dauer. Lesen Sie hier mehr zu Symptomen, Ursachen und Behandlung beim Hörsturz.
Als Hörsturz (Gehörsturz, Ohrinfarkt) bezeichnet man eine
schlagartige Minderung oder den vollständigen Verlust des Hörvermögens
, und zwar
ohne erkennbare Ursache
. Deshalb wird die Erkrankung auch als "idiopathischer Hörsturz" bezeichnet (idiopathisch = ohne erkennbare Ursache). In den meisten Fällen tritt ein Hörsturz nur auf einer Seite auf. Manchmal sind aber auch beide Ohren betroffen.
Der echte Hörsturz ist eine
Form von Innenohrschwerhörigkeit
. In der Gehörschnecke (Cochlea) des Innenohrs werden die über das
Mittelohr
geleiteten und verstärkten Schallwellen in elektrische Nervensignale umgewandelt. Von dort gelangen sie zum
Gehirn
und somit ins Bewusstsein. Bei einem Hörsturz ist die Signalumwandlung in der Cochlea gestört.
Prinzipiell treten Hörsturze
in jedem Lebensalter und bei allen Geschlechtern
auf. Bei Kindern sind sie aber sehr selten. Das Alter der meisten Betroffenen liegt
um das 50. Lebensjahr herum
.
Ein Hörsturz lässt sich zum einen
nach dem Schweregrad
einteilen: Ein leichter Hörsturz bewirkt nur einen milden Hörverlust, wohingegen bei schweren Formen auf der betroffenen Seite Schwerhörigkeit und sogar Taubheit möglich sind.
Zum anderen werden Fälle von Hörsturz
nach dem betroffenen Frequenzbereich
unterteilt: In der Gehörschnecke sind verschiedene Abschnitte für unterschiedliche Frequenzen bei der Signalumwandlung zuständig. Tiefe, mittlere oder hohe Töne werden also jeweils in separaten Bereichen verarbeitet. Ist bei einem Hörsturz nur ein einzelner dieser Bereiche betroffen, führt das also zu folgenden Krankheitsformen:
Allerdings liegt ein Hörsturz nicht immer in solch einer isolierten Form vor: Die
Beteiligung mehrerer Frequenzbereiche
ist möglich. Wenn die Umwandlung in allen Frequenzbereichen gestört ist, spricht man von einem
pantonalen Hörverlust
.
Das typische Hörsturz-Anzeichen ist der beschriebene
plötzliche und schmerzlose Hörverlust
. Je nach Form und Ausprägung der Erkrankung nimmt der Patient bestimmte Tonhöhen mit dem betroffenen Ohr schlechter oder gar nicht mehr wahr.
Oft begleiten weitere Beschwerden den Hörsturz, die einem Hörverlust teilweise als eine Art Warnzeichen vorangehen:
Das Hörvermögen nach einem Hörsturz ist nicht immer einfach nur vermindert. Manchmal kommt es statt einer Hörverminderung oder zusätzlich dazu zu anderen Störungen. Beispielsweise empfinden manche Patienten auf der betroffenen Seite Töne und Geräusche als übermäßig laut. Diese
Überempfindlichkeit gegenüber Schall
nennt man Hyperakusis.
Andere Patienten berichten von einer
veränderten Schallwahrnehmung
(Dysakusis). Manchmal werden zudem Töne
auf der erkrankten Seite tiefer oder höher
als auf der gesunden wahrgenommen (Diplakusis). Schmerzen sind kein typisches Symptom für einen Hörsturz und werden meist eher von anderen Dingen ausgelöst, wie zum Beispiel dem Druckgefühl im Ohr, das manchmal mit dem Hörsturz einhergeht.
Einen leichten Hörsturz bemerken Betroffene manchmal gar nicht. Er fällt dann oft nur im Rahmen bestimmter Hörtests auf. Bei starker Ausprägung beeinträchtigen die Hörsturz-Symptome die Lebensqualität hingegen oft stark.
Bisher sind die Ursachen eines Hörsturzes nicht bekannt. Experten vermuten aber, dass folgende Faktoren zu den Auslösern für die plötzliche Innenohrschwerhörigkeit zählen:
Der endolymphatische Hydrops wird von vielen HNO-Ärzten nicht als echter Hörsturz betrachtet. Er entsteht durch einen Stau der natürlichen Innenohrflüssigkeit und betrifft meist isoliert die tiefen Tonfrequenzen. In der Regel bildet er sich binnen kurzer Zeit spontan zurück, bedarf also keiner besonderen Behandlung.
Neben den genannten Faktoren werden
Übergewicht
,
Zuckerkrankheit
(Diabetes mellitus),
Bluthochdruck
und
Rauchen
als Risikofaktoren diskutiert. Auch psychische Faktoren scheinen beim Hörsturz eine Rolle zu spielen.
Stress
und
seelische Belastungen
sind demnach mögliche psychische Ursachen.
Wenn sich das Hörvermögen akut vermindert, steckt nicht immer ein echter Hörsturz dahinter. Auch die folgenden Gründe lösen manchmal eine spontane Hörverminderung aus:
Ein Hörsturz gilt nicht als Notfall, der sofort ärztlich behandelt werden muss. Wie dringlich ein Arztbesuch ist, hängt von der Schwere der Hörminderung, eventuellen Begleitsymptomen und Vorerkrankungen sowie dem individuellen Leidensdruck des Patienten ab. In den meisten Fällen wird ein Hörsturz ambulant beziehungsweise zu Hause versorgt.
Nur in schweren Fällen oder bei einem Voranschreiten des Hörverlustes werden die Patienten für die Behandlung stationär ins Krankenhaus aufgenommen.
Wenn erste Anzeichen für einen Hörsturz auftreten, ist ein Arztbesuch ratsam. Ein HNO-Arzt bestimmt Ausmaß und Art des Hörverlustes und schließt andere mögliche Ursachen für die akute Hörverminderung aus.
Dazu wird sich der Arzt zuerst ausführlich mit dem Patienten unterhalten, um seine
Krankengeschichte zu erheben
(
Anamnese
). Er fragt beispielsweise, wann die akute Hörminderung aufgetreten ist, ob der Patient einen bestimmten Auslöser vermutet und ob er irgendwelche Medikamente anwendet. Außerdem erkundigt sich der Arzt nach eventuellen Begleitsymptomen (Schwindel, Druckgefühl im Ohr et cetera) und Vorerkrankungen.
Dann folgt eine allgemeine
Hals-Nasen-Ohren-Untersuchung
(HNO-ärztliche Untersuchung). Mittels
Otoskopie
(
Ohrmikroskopie
) untersucht der Arzt den Gehörgang und das Trommelfell auf etwaige Schäden.
Wichtig ist auch eine
Hörprüfung
: Beim
Weber-Versuch
schlägt der Arzt eine Stimmgabel an und setzt sie auf den Scheitel des Patienten. Dieser soll nun angeben, auf welcher Seite er den Ton der schwingenden Stimmgabel lauter hört.
Bei der Hörprüfung mittels
Ton-Audiometrie
spielt der HNO-Arzt dem Patienten Töne in unterschiedlichen Frequenzen vor (über Lautsprecher oder Kopfhörer). Dann wird schrittweise die Lautstärke verringert, bis der Patient den betreffenden Ton gerade noch wahrnimmt ("Hörschwelle"). Mit einer so hergestellten Hörkurve (Audiogramm) lässt sich darstellen, welchen Frequenzbereich die Hörminderung betrifft und wie ausgeprägt sie ist.
Bei der sogenannten
Tympanometrie
wird eine spezielle Sonde in den äußeren Gehörgang eingeführt, um die Funktion des Mittelohrs zu überprüfen. Außerdem gehören zu den Routineuntersuchungen bei einem (vermuteten) Hörsturz eine
Prüfung des Gleichgewichtssinns
und eine
Blutdruckmessung
.
Im Einzelfall sind zur Abklärung eines möglichen Hörsturzes weitere Untersuchungen sinnvoll.
Mittels Messung der
otoakustischen Emissionen (OAE)
lässt sich zum Beispiel die Funktion des Innenohrs prüfen.
Vermutet der Arzt, dass die Hörminderung nicht durch einen Hörsturz, sondern durch bestimmte Infektionen (wie
Borreliose
, Zytomegalie, HIV) verursacht wurde, bringen entsprechende Blutuntersuchungen Klarheit.
Um einen bestimmten Tumor im Gehirn (Kleinhirnbrückenwinkel-Tumor) als Ursache der Hörprobleme auszuschließen, ist teilweise eine
Kernspintomografie
(Magnetresonanztomografie, MRT) notwendig.
Da die eigentlichen Hörsturz-Ursachen nicht bekannt sind, gibt es auch keine ursächliche (kausale) Hörsturz-Therapie. Man kennt aber einige Behandlungsmöglichkeiten mit einer gewissen Wirksamkeit bei Hörsturz (Medikamente wie
Prednisolon
oder andere "Kortisone"). Es gibt zwar weitere Verfahren, deren Wirksamkeit ist allerdings unter Experten umstritten.
Tipp: Jeder Patient sollte sich von seinem behandelnden Arzt über die verschiedenen Möglichkeiten und Risiken der Hörsturz-Behandlung beraten lassen. Gemeinsam wird dann entschieden, welche Therapie im individuellen Fall am aussichtsreichsten erscheint.
Ein leichter Hörsturz, der den Patienten kaum beeinträchtigt, wird nicht unbedingt behandelt. Manchmal wartet man einige Tage ab – ein Hörsturz bildet sich in vielen Fällen nämlich spontan von allein zurück. Allerdings lässt sich im Einzelfall nicht vorhersagen, ob und wann das passiert.
Eine unmittelbare Hörsturz-Behandlung wird empfohlen bei ausgeprägtem Hörverlust, vorgeschädigten Ohren oder zusätzlichem Schwindel.
In erster Linie werden zur akuten Hörsturz-Therapie
hoch dosierte Glukokortikoide ("Kortison")
empfohlen, beispielsweise Prednisolon. Die Wirkstoffe werden in der Regel
als Tablette oder Infusion
über mehrere Tage verabreicht. Die Dosierung richtet sich dabei nach den aktuell gültigen Leitlinien des jeweiligen Landes.
Weil Medikamente bei einer Anwendung als Tablette oder Infusion prinzipiell im ganzen Körper wirksam werden, spricht man von einer systemischen Therapie. Dabei besteht die Möglichkeit, dass Nebenwirkungen in verschiedenen Körperbereichen auftreten, wie beispielsweise erhöhte
Blutzuckerwerte
.
Wenn die systemische Kortison-Therapie nicht ausreichend hilft, besteht die Option, das Kortison
direkt ins Ohr zu spritzen
(intratympanale Applikation). Das Medikament entfaltet hier seine Wirkung praktisch nur lokal, was systemische Nebenwirkungen vermeidet. Allerdings besteht bei dieser Kortison-Applikation direkt im Ohr das Risiko für andere Folgen, wie zum Beispiel Schmerzen, Schwindel, eine Verletzung des Trommelfells (Trommelfell-Perforation) oder eine
Mittelohrentzündung
.
Experten vermuten, dass die Wirksamkeit von Glukokortikoiden bei Hörsturz auf den entzündungshemmenden und abschwellenden Eigenschaften der Medikamente beruht.
Ein Hörsturz während der Schwangerschaft ist selten, weshalb es keine Standard-Therapie für schwangere Personen gibt. Aufgrund der möglichen Beeinträchtigung des ungeborenen Kindes wird die Behandlung im Vorfeld genau mit dem Arzt abgesprochen.
Ein weiteres Therapieverfahren, das manchmal bei Patienten eingesetzt wird, bei denen Kortison nicht anschlägt, ist die hyperbare
Sauerstofftherapie
. Die Patienten müssen sich hierbei mehrmals in eine spezielle Druckkammer begeben, wo sie reinen Sauerstoff einatmen. Das soll in manchen Fällen das Hörvermögen verbessern. Die Wirksamkeit dieser Behandlung ist aber umstritten.
Manchmal werden bei Hörsturz Medikamente empfohlen, welche die Gefäße erweitern (
Vasodilatatoren
) oder die Fließeigenschaften des Blutes verbessern (
Rheologika
). Wegen des fehlenden Wirksamkeitsnachweises und der möglichen Nebenwirkungen werden solche Präparate von den Fachgesellschaften aber nicht mehr für die Hörsturz-Behandlung empfohlen.
Ähnliches gilt für
antivirale Medikamente
wie
Aciclovir
, die ebenfalls manchmal zur Hörsturz-Therapie angeboten werden. In Studien wurde bislang kein Nutzen dieser Behandlung festgestellt. Für andere alternative Behandlungsmethoden wie Akupunktur oder Homöopathie gibt es bisher ebenfalls keinen Nachweis einer Wirksamkeit.
Im Fall eines vollständigen Hörverlusts oder bei hochgradiger Schwerhörigkeit wird ein
Cochlea-Implantat
in Betracht gezogen. Dabei wird im Rahmen einer Operation ein kleines Gerät eingesetzt, das die Geräusche von einem Empfänger außen am Ohr nach innen an den Hörnerv weiterleitet. Der "Empfänger" sieht einem üblichen Hörgerät ähnlich.
Als Hausmittel bieten sich beruhigende Tees an, um Stress zu reduzieren. Aus Studien an Mäusen gibt es Hinweise darauf, dass ein Präparat, das unter anderem Extrakte der Pflanze Ginkgo biloba enthält, bei einem Hörsturz hilfreich sein könnte.
Generell empfehlen Experten viel Ruhe nach einem Hörsturz. Offenbar spielt nämlich Stress eine wichtige Rolle bei der Entstehung. Deshalb werden Hörsturz-Patienten von ihrem Arzt meist für einige Zeit krankgeschrieben.
Sport
ist nach einem Hörsturz prinzipiell möglich. Dabei gilt es jedoch darauf zu achten, dass:
Da Raucher ein erhöhtes Risiko für einen Hörsturz haben, ist neben Erholung der komplette
Verzicht auf Nikotin
, also das Aufhören mit dem Rauchen, sehr ratsam.
Verlauf und Prognose eines Hörsturzes hängen stark davon ab, wie ausgeprägt der Hörverlust zu Beginn ist, ob er sich verschlimmert und in welchem Frequenzbereich die Schwerhörigkeit auftritt:
Wie ein Hörsturz im Einzelfall verlaufen wird, lässt sich nicht vorhersagen. Das gleiche gilt für die
Dauer
der Hörminderung. Prinzipiell gilt: Vor allem ein leichter Hörsturz heilt oft nach wenigen Tagen spontan von allein aus. Auf einen schweren Hörsturz folgen dagegen oft lang anhaltende oder sogar lebenslang bestehende Hörprobleme (Schwerhörigkeit).
Hörsturz-Patienten haben ein etwa 30-prozentiges Risiko, früher oder später einen erneuten Hörsturz zu erleiden (Rezidiv). Gefährdet sind vor allem Menschen mit bestehenden Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder anhaltendem Stress. Außerdem neigen vor allem Patienten mit einem
Hörsturz
im Tief- oder Mittelfrequenzbereich zu Rückfällen.
Mit Sicherheit vorbeugen lässt sich einem Hörsturz nicht. Sie haben aber die Möglichkeit, Ihr persönliches Risiko dafür zu senken. Vermeiden Sie nach Möglichkeit Risikofaktoren wie Rauchen und Stress.
Falls Sie beispielsweise an Diabetes mellitus erkrankt sind, nehmen Sie die regelmäßige ärztliche Kontrolle bei Ihrem behandelnden Arzt wahr.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Hörsturz
Kurzübersicht
Was ist ein Hörsturz?
Formen von Hörsturz
Was sind die Symptome beim Hörsturz?
Was sind die Ursachen für einen Hörsturz?
Andere Ursachen für einen akuten Hörverlust
Ist ein Hörsturz ein Notfall?
Hörsturz: Untersuchungen und Diagnose
Weitere Untersuchungen im Einzelfall
Hörsturz: Behandlung
Behandlung – ja oder nein?
Hörsturz: Kortison
Hörsturz: Andere Therapien
Hörsturz: Ruhe und Rauchstopp
Hörsturz: Krankheitsverlauf und Prognose
Hörsturz: Rückfallrisiko
Vorbeugen
Autoren- & Quelleninformationen