Illness name: morbus wegener
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Sophie Matzik ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.
Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.
Die
Granulomatose mit Polyangiitis (früher: Morbus Wegener)
ist eine chronisch verlaufende, entzündliche Erkrankung der Blutgefäße, die mit der Bildung kleiner Gewebeknötchen (Granulome) einhergeht. Unbehandelt breitet sie sich im Körper aus und kann tödlich enden. Die Symptome lassen sich lindern, heilbar ist die seltene Krankheit aber nicht. Lesen Sie hier alles Wichtige zur Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener).
Die Granulomatose mit Polyangiitis (früher: Morbus Wegener) ist eine seltene Entzündung der
Blutgefäße
(
Vaskulitis
), begleitet von der Bildung kleiner Gewebeknötchen (Granulomen). Diese entstehen teils in der Nähe von Blutgefäßen, teils auch entfernt davon.
Der Begriff "Granulomatose" bezieht sich auf die gebildeten Gewebeknötchen (= Granulome). "Polyangiitis" bedeutet übersetzt Entzündung vieler Gefäße.
Als systemische Erkrankung kann sich die Granulomatose mit Polyangiitis prinzipiell überall im Körper manifestieren. Meist betrifft sie zunächst die oberen Atemwege, bevor sie in späteren Stadien auch auf innere Organe übergreift. Außerdem kann die Granulomatose mit Angiitis Ohren und Augen in Mitleidenschaft ziehen.
Gefährlich wird es, sobald die Lunge oder die Nieren betroffen sind. Im Extremfall kommt es zu einer akuten Lungenblutung oder zu akutem Nierenversagen. Beide Komplikationen können tödlich verlaufen.
Die Granulomatose mit Polyangiitis wurde bis 2011 unter dem Namen Morbus Wegener (auch Wegenersche Granulomatose oder Wegener Granulomatose) geführt. Die von amerikanischen und europäischen Rheumaverbänden empfohlene Namensänderung beruht auf der umstrittenen Rolle des einstigen Namensgebers Friedrich Wegener während der Zeit des Nationalsozialismus.
Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) zählt zur Gruppe der ANCA-assoziierten
Vaskulitiden
(AAV). Das sind Gefäßentzündungen, bei denen bestimmte Antikörper gegen körpereigene Strukturen (
ANCA
) gebildet werden.
Ebenfalls zu dieser Krankheitsgruppe gehören die Mikroskopische Polyangiitis und die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA, früher
Churg-Strauss Syndrom
genannt).
Die Granulomatose mit Polyangiitis ist selten. Pro Jahr erkranken acht bis zehn von einer Million Menschen neu daran (Inzidenz). Das zeigen Daten aus Europa, den USA und Australien. Die Anzahl der insgesamt Betroffenen (Prävalenz) variiert von Land zu Land. Sie liegt zwischen ungefähr 24 und 160 pro einer Million Einwohnern.
Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten. Am häufigsten betroffen sind aber Erwachsenen: Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Diagnose liegt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.
Die Granulomatose mit Polyangiitis kann verschiedene Organsysteme betreffen. Welche Organe wie stark in Mitleidenschaft gezogen werden, variiert von Patient zu Patient.
Zudem verändern sich bei Morbus Wegener die Symptome mit dem Verlauf der Erkrankung meistens: Im Allgemeinen ist im Anfangsstadium der Hals-Nasen-Ohren-Bereich betroffen, bevor sich die Erkrankung weiter ausbreitet und zum Teil auf lebenswichtige Organe übergreift.
Zu Beginn der Erkrankung ist meist die Hals-Nasen-Ohren-Region betroffen. Gängige
Symptome im Nasenbereich
sind:
Von der Nase ausgehend kann sich die Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener) weiter in die Nasennebenhöhlen ausbreiten und dort eine Entzündung hervorrufen (
Nasennebenhöhlenentzündung
,
Sinusitis
). Schwer zu lokalisierende Schmerzen im Kiefer- oder Stirnbereich können darauf hinweisen.
Bei weiterer Ausbreitung der Erkrankung kann eine
Mittelohrentzündung
(
Otitis media
) entstehen. Diese zeigt sich in erster Linie durch starke
Ohrenschmerzen
, manchmal verbunden mit Schwindelgefühlen. Im Extremfall kann die Granulomatose mit Polyangiitis sogar zu
Hörverlust
(
Taubheit
) führen.
In
Mund
und Nase bilden sich oft
Geschwüre
(Ulcera). Auch
Halsentzündungen
kommen häufiger vor.
Allgemeine Beschwerden wie
Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust
,
allgemeines Krankheits- und Schwächegefühl
sowie verstärkte
Müdigkeit
treten ebenfalls oft schon im Frühstadium der Erkrankung auf.
Im Verlauf der Erkrankung können sich die Entzündungssymptome immer weiter im Körper ausbreiten. Betroffen sind vor allem:
Seltener sind das
Herz
(z.B. mit Herzmuskelentzündung) und/oder der Magen-Darm-Trakt (mit Geschwüren, Blutungen etc.) betroffen.
Es gilt wie bei vielen anderen Krankheiten auch: Je früher die Granulomatose mit Polyangiitis erkannt wird, desto höher ist die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung.
Mit der Akuttherapie will man die Beschwerden beseitigen und ein Ruhen der Erkrankung (Remission) erzielen. Dabei hängt es wesentlich vom Schweregrad der Erkrankung ab, wie bei Morbus Wegener die Therapie im Akutfall aussieht: Entscheidend ist, ob lebenswichtige Organe (wie die Nieren) befallen sind und/oder akute Lebensgefahr besteht oder aber nicht.
In solchen Fällen besteht bei Morbus Wegener die Behandlung in der kombinierten Gabe von Medikamenten, die das Immunsystem unterdrücken (
immunsuppressive Kombinationstherapie
): Die Patienten erhalten Glukokortikoide ("Kortison") und entweder Methotrexat (MTX) oder Mycophenolat-Mofetil.
Sind bereits Organe wie Lunge oder Nieren von der Erkrankung betroffen beziehungsweise besteht Lebensgefahr, ist eine
aggressive immunsuppressive Kombinationstherapie
angezeigt: Mediziner verordnen Glukokortikoide ("Kortison") in Kombination mit Cyclophosphamid oder dem künstlich hergestellten Antikörper Rituximab.
Seit 2022 ist in der EU und der Schweiz ein neuer Wirkstoff zur Behandlung der Granulomatose mit Polyangiitis zugelassen: Avacopan. Er blockiert die Andockstellen (Rezeptoren) eines entzündungsfördernden Komplementfaktors (Eiweiß des Immunsystems). Avacopan kommt in schweren Krankheitsfällen in Betracht, und zwar in Kombination mit Kortison und Rituximab oder Cyclophosphamid.
Bei rasch fortschreitender Nierenkörperchen-Entzündung (Glomerulonephritis) und unter Umständen auch bei schweren Lungenblutungen (alveoläre Hämorrhagie) kommt eine
Plasmapherese
in Betracht:
Bei diesem aufwendigen Verfahren wird
Blut
über einen Infusionsschlauch aus dem Körper des Patienten heraus- und in das Plasmapheresegerät geleitet. Dieses trennt mittels Zentrifuge den flüssigen Bestandteil des Blutes (Blutplasma oder kurz Plasma) mit darin gelösten Stoffen von den festen Bestandteilen (rote Blutkörperchen etc.) ab und ersetzt es durch eine Ersatzflüssigkeit - eine Mischung aus Elektrolyten und Hydrogencarbonat. Anschließend wird das Blut zurück in den Körper des Patienten geleitet.
Der Zweck des Ganzen: Bei der Plasmapherese werden mit dem Plasma auch die darin befindlichen Antikörper entfernt, die an den Entzündungsprozessen bei der Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener) beteiligt sind.
Sind die Nieren dauerhaft in ihrer Funktion beeinträchtigt, müssen Betroffene regelmäßig zur
Dialyse
. Gegebenenfalls kommt auch eine Nierentransplantation in Betracht.
Wurde mit der Akutbehandlung die Erkrankung zum Ruhen gebracht (Remission), schließt sich eine mindestens 24-monatige Erhaltungstherapie an. Damit will man die durch die Akutbehandlung erzielte Symptomfreiheit dauerhaft erhalten.
Zum Einsatz kommen dabei niedrige dosiertes Kortison in Kombination mit Azathioprin, Rituximab, Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil. Besteht eine Unverträglichkeit gegen solche Wirkstoffe, kann alternativ Leflunomid gegeben werden. Es ist wie etwa Azathiprin und Methotrexat ein Immunsuppressivum.
Die Erhaltungstherapie kann mit
Cotrimoxazol
ergänzt werden. Diese Kombination aus zwei Antibiotika (
Trimethoprim
und Sulfamethoxazol) kann das Rückfallrisiko senken und eine Dosiseinsparung bei den Immunsuppressiva ermöglichen.
Bei Nasen-Befall kommt eine Behandlung mit lokal (topisch) anwendbaren Antibiotika in Betracht, wenn die Schleimhaut chronisch mit dem Keim
Staphylococcus aureus
besiedelt ist.
Wichtig ist: Mit allen Behandlungsmaßnahmen lässt sich nur eine Linderung der Symptome erreichen. Heilbar ist Morbus Wegener nicht.
Zudem kommt es oft zu Rückfällen. Dann ist eine erneute Behandlung nötig. Experten empfehlen dabei oftmals einen Wirkstoffwechsel zur vorhergehenden Therapie (z.B. Cyclophosphamid statt Rituximab).
Mit einer rechtzeitigen und passenden Behandlung lässt sich der Ausbreitung der Entzündung bei Granulomatose mit Polyangiitis entgegenwirken. Bei rund zwei Drittel der Betroffenen kommt es dann zur vollständigen Rückbildung der Symptome.
Allerdings bricht die Erkrankung im Lauf der Zeit oft erneut aus. Solche Rückfälle erfordern jedes Mal wieder eine immunsuppressive Kombinationstherapie.
Die Prognose ohne Behandlung sieht dagegen schlecht aus. Je weiter sich die Entzündung im Körper ausbreitet, desto größer sind die möglichen Schäden. Dazu gehören beispielsweise Taubheit und
Lungenfibrose
. Bei einem Befall der Nieren droht unbehandelt ein Nierenversagen.
Durch die Einführung einer immunsuppressiven Therapie hat sich die Prognose bei Granulomatose mit Polyangiitis laufend verbessert. Langzeituntersuchungen zufolge ist die Sterblichkeit der Betroffenen nur wenig höher als in der Normalbevölkerung oder aber sogar gleich hoch.
Allerdings ist die Sterblichkeit im ersten Jahr (Frühmortalität) recht hoch (ca. 11 Prozent). Dabei sterben die Betroffenen häufiger an Infektionen (die durch die intensive immunsuppressive Therapie begünstigt werden) als an der Erkrankung selbst.
Die genaue Ursache für die Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener) ist bisher unbekannt. Wissenschaftler gehen von einer
Autoimmunerkrankung
aus: Das Immunsystem bildet aufgrund einer Fehlsteuerung Antiköper gegen körpereigene Zellen, in diesem Fall bestimmte Blutzellen. Bei diesen Autoantikörpern handelt es sich um ANCA (= anti-neutrophile cytoplasmatische Antikörper).
Dieser Fehlsteuerung liegen wohl genetische Faktoren zugrunde, die in Kombination mit andere Faktoren in Erscheinung tritt. Als auslösenden Faktor diskutieren Experten etwa eine Infektion der Nasenschleimhaut mit
Bakterien
wie
Staphylococcus aureus
. Teile der Bakterien können bestimmte Immunzellen aktivieren, die dann eine überschießende Immunreaktion gegen körpereigene Zellen in Gang setzen.
Besteht der Verdacht auf Morbus Wegener, sollte dieser möglichst schnell und sorgfältig abgeklärt werden. Das ermöglicht eine rasche Behandlung, falls tatsächlich eine Granulomatose mit Polyangiitis vorliegt.
Der erste Ansprechpartner bei vermuteter Granulomatose ist der Hausarzt oder ein Internist. Je nach Bedarf sind zur weiteren Abklärung noch andere Fachärzte nötig, zum Beispiel Augenärzte und Neurologen.
Zunächst wird der Arzt Ihre Krankengeschichte (
Anamnese
) erfassen. Hierbei haben Sie die Möglichkeit, Ihre Symptome genau zu schildern. Sie sollten dabei ruhig auf alles eingehen, was Ihnen aufgefallen ist. Auch Kleinigkeiten, die Ihnen selbst vielleicht unwichtig oder nebensächlich erscheinen, können dem Arzt helfen, die Ursache der Beschwerden zu ergründen. Außerdem kann der Arzt Fragen stellen wie
In der Regel wird zur Klärung der Verdachtsdiagnose zunächst ein Blutbild angefertigt.
Als ein fast sicherer Hinweis auf eine Wegenersche Granulomatose gilt der Nachweis von
c-ANCA
. Das Kürzel steht für zytoplasmatische Anti-Neutrophilen-Zytoplasma-Antikörper. Bei der überwiegenden Mehrheit aller Patienten mit Morbus Wegener lassen sich diese speziellen
Autoantikörper
nachweisen. Allerdings finden sie sich auch bei einigen anderen Erkrankungen (wie
Tuberkulose
) im Blut der Betroffenen. Deshalb reicht ein erhöhter c-ANCA-Wert allein nicht aus, um die Diagnose Granulomatose mit Polyangiitis stellen zu können.
Sehr oft weisen Granulomatose-Patienten
erhöhte Entzündungswerte
im Blut auf: BSG (
Blutsenkung
),
CRP
(C-reaktives Protein) und
Leukozyten
(weiße Blutkörperchen).
Weitere häufige Auffälligkeiten
sind zum Beispiel erniedrigte Werte für
Erythrozyten
(rote Blutkörperchen), erhöhte Werte für
Thrombozyten
(Blutplättchen) und erhöhte Nierenwerte.
Auch Urinuntersuchungen können Hinweise auf eine Beteiligung der Nieren geben, etwa wenn sich
Eiweiß im Urin
nachweisen lässt. Ein erhöhter Kreatinin-Wert im Urin deutet auf eine Nierenschwäche (
Niereninsuffizienz
) hin.
Bei einer Glomerulonephritis findet sich Blut im Urin (Hämaturie): In den ersten Krankheitsstadien handelt es sich um winzige Blutspuren, die nur unter dem Mikroskop erkennbar sind (Mikrohämaturie). In späteren Stadien ist das Blut auch mit bloßem Auge zu sehen (Makrohämaturie).
Die krankhaften Veränderungen bei Lungenbefall lassen sich auf Röntgenbildern (
Röntgen-Thorax
) oder anhand einer
Computertomografie
sichtbar machen. Solche Auffälligkeiten können allerdings auch andere Ursachen als Morbus Wegener haben. Gewissheit bringt dann eine Gewebeprobe (Biopsie).
Der Zustand der Nieren lässt sich mittels
Ultraschall
näher beurteilen.
Sehr aufschlussreich sind Gewebeproben (Biopsien) aus betroffenen Arealen, etwa der Nasenschleimhaut, der Haut, Lunge oder Niere. Finden sich darin die typischen krankhaften Veränderungen (granulomatöse Entzündungen mit Gewebeuntergang in den Wänden von Arterien oder rund um Gefäße), sichert dies die Diagnose Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener).
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Sophie Matzik ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.
Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.
Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener)
Kurzübersicht
Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener): Definition
Neuer Name
ANCA-assoziierte Vaskulitiden
Häufigkeit
Granulomatose mit Polyangiitis: Symptome & Verlauf
Symptome im Anfangsstadium
Symptome im weiteren Verlauf
Granulomatose mit Polyangiitis: Therapie
Akuttherapie
Keine Lebensgefahr oder Beteiligung lebenswichtiger Organe
Lebensgefahr oder Beteiligung lebenswichtiger Organe
Erhaltungstherapie (Remissionserhaltung)
Wiederholte Behandlung
Granulomatose mit Polyangiitis: Prognose
Sterblichkeit
Granulomatose mit Polyangiitis: Ursachen
Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener): Diagnose
Anamnese
Blutuntersuchung
Urinuntersuchung
Bildgebende Verfahren
Gewebeproben
Autoren- & Quelleninformationen