Illness name: chronisches erschoepfungssyndrom
Description:
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Chronisches Erschöpfungssyndrom
(Chronic Fatigue Syndrome, CFS) ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die sich in erster Linie durch eine lang anhaltende, enorme Erschöpfung auszeichnet. Dazu können sich viele weitere Beschwerden gesellen wie zum Beispiel Schlafstörungen, Hals- oder Muskelschmerzen, Konzentrationsstörungen und eine erhöhte Infektanfälligkeit. Die genauen Ursachen von CFS sind bislang noch nicht abschließend geklärt. Wie sich ein chronisches Erschöpfungssyndrom entwickelt und wie die Diagnose und Behandlung aussehen, lesen Sie hier.
Als Chronic Fatigue Syndrome (CFS) bezeichnen Mediziner eine schwerwiegende und vielgestaltige neuroimmunologische Erkrankung (neuroimmunologisch = Nerven- und Immunsystem betreffend).
Hauptsymptome sind eine lähmende geistige und körperliche Erschöpfung und
Müdigkeit
, die sich nicht durch eine bekannte körperliche Ursache oder spezifische psychische Störung erklären lassen. Daneben weisen die Betroffenen noch verschiedenste weitere Beschwerden auf.
Typischerweise verstärken sich die CFS-Symptome schon nach geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung. Schonung oder Ruhe bringen keine nachhaltige Besserung. Die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Patienten sind oft jahrelang massiv beeinträchtigt.
Viele Betroffene können nicht mehr arbeiten und sind bettlägerig. Einige sind auf eine umfassende Pflege angewiesen. Der Leidensdruck bei dieser Krankheit ist auch deshalb oft hoch, weil sie manchmal nicht erkannt, beziehungsweise vom Umfeld des Betroffenen nicht ernst genommen wird.
Früher wurde CFS vielfach als psychische Erkrankung betrachtet. Das gilt aber als widerlegt – CFS wird heute als Multisystemerkrankung betrachtet, die unter anderem das Immunsystem und den Energiestoffwechsel betrifft.
Es gibt unterschiedliche Definitionen und Klassifikationskriterien für CFS. Die Benennung des Krankheitsbildes ist (international) ebenfalls nicht einheitlich und teils umstritten:
Beispielsweise wird das Chronic Fatigue Syndrome (CFS) vor allem in Großbritannien und Skandinavien oft als
Myalgische Enzephalomyelitis (ME)
bezeichnet – hierbei wird eine umfassende Entzündung des zentralen Nervensystems (Enzephalitismyelitis = Gehirn- und Rückenmarkentzündung) mit Muskelbeteiligung (myalgisch) als Ursache der Erkrankung angesehen.
Andere Experten verwenden lieber den kombinierten Begriff ME/CFS.
In Deutschland spricht man oftmals vom
Chronischen
Erschöpfungssyndrom
, manchmal auch vom
Chronischen Müdigkeitssyndrom
.
Diese Bezeichnungen werden aber von vielen Experten und Betroffenen als verharmlosend abgelehnt – die schwere anhaltende Schwäche bzw. Erschöpfbarkeit (Fatigue) von CFS-Patienten hat nichts mit einfacher Erschöpfung oder Müdigkeit zu tun. Außerdem leiden Betroffene noch unter vielen anderen Beschwerden, nicht nur unter krankhafter Erschöpfbarkeit.
Darüber hinaus darf CFS nicht verwechselt werden mit der Fatigue, die häufig bei Krebs oder anderen schweren, chronischen Erkrankungen auftritt und als Fatigue-Syndrom bezeichnet wird. Diese ruft zwar ähnliche Beschwerden hervor, hat jedoch eine andere Ursache.
Daneben gibt es auch Ähnlichkeiten mit den Symptomen anderer Erkrankungen wie der
Fibromyalgie
, welche zu den rheumatischen Erkrankungen zählt.
Wie häufig ein chronisches Erschöpfungssyndrom in Deutschland oder anderen Ländern vorkommt, lässt sich nicht genau sagen – die Angaben schwanken beträchtlich, möglicherweise weil es keine einheitlichen Diagnosekriterien gibt und die Erkrankung oft nicht erkannt wird.
Laut dem Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom weisen hierzulande schätzungsweise etwa 300.000 Menschen ein chronisches Erschöpfungssyndrom auf. Dieser Schätzwert ergibt sich, wenn man entsprechende amerikanische Untersuchungen zur CFS-Häufigkeit auf Deutschland überträgt. Weltweit sollen ungefähr 17 Millionen Menschen an CFS erkrankt sein.
Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. CFS kann in jedem Lebensalter auftreten. Sehr oft sind Betroffene bei Krankheitsausbruch zwischen 29 und 35 Jahre alt (mittleres Erkrankungsalter).
Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) ist ein komplexes Krankheitsbild, das sich meist schlagartig entwickelt – oft nach einer Virusinfektion. Es gibt aber auch Betroffene, bei denen sich CFS schleichend über längere Zeit entwickelt hat.
Experten ziehen für die Diagnose "chronisches Erschöpfungssyndrom" unterschiedliche Kriterienkataloge heran. Häufig verwendet werden zum Beispiel die "Kanadischen Konsenskriterien" (Canadian Consensus Criteria, CCC) sowie die Internationalen Konsenskriterien (ICC):
Nach den Kanadischen Konsensuskriterien (CCC) müssen beim Chronischen Erschöpfungssyndrom alle folgenden Symptome gegeben sein:
Zusätzlich müssen
mindestens zwei neurologische bzw. kognitive Manifestationen
vorliegen, zum Beispiel Verwirrtheit, Beeinträchtigung der Konzentration und des Kurzzeitgedächtnisses, Wortfindungsstörungen, Störungen der Bewegungskoordination (Ataxien).
Eine weitere Voraussetzung für die Diagnose ist laut den kanadischen Kriterien, dass
mindestens ein Symptom in mindestens zwei der folgenden Kategorien
auftritt:
Nicht zuletzt müssen die
Beschwerden seit mindestens sechs Monaten
bestehen (bei Kindern seit drei Monaten), damit die Diagnose "Chronisches Erschöpfungssyndrom" gestellt werden kann.
Nach den Internationalen Konsenskriterien (ICC) ist es für die Diagnose "Chronisches Erschöpfungssyndrom" keine Voraussetzung, dass die Symptome mindestens sechs Monate lang bestehen. Der Arzt kann einem Betroffenen CFS auch schon früher attestieren, sofern folgende Kriterien erfüllt sind:
Wodurch ein chronisches Erschöpfungssyndrom genau verursacht wird, ist bislang nicht abschließend geklärt. Neueren Untersuchungen zufolge scheint es sich um eine Autoimmunerkrankung (Fehlregulation des Immunsystems) und eine schwere Störung des Energiestoffwechsels in den Mitochondrien ("Kraftwerke" der Zellen) zu handeln.
Außerdem wurden Veränderungen im Hormonhaushalt und im Nervensystem festgestellt. Bei den Hormonen handelt es sich insbesondere um von der Hirnanhangdrüse abhängige
Hormone
wie das Schilddrüsenhormon und
Cortisol
. Im Nervensystem finden sich unter anderem chronische Entzündungen sowie Änderungen bei den Signalstoffen der Nerven, den sogenannten Neurotransmittern (wie
Serotonin
).
Darüber hinaus werden verschiedenste Faktoren diskutiert, die anfällig für CFS machen (prädisponieren), es auslösen oder aufrechterhalten können.
Einem chronischen Müdigkeitssyndrom geht meist ein Infekt voraus. Dieser Infekt fällt oft in eine Phase, die von Stress oder hoher körperlicher Aktivität geprägt ist.
Außerdem vermuten manche Experten, dass manche Menschen eine genetische Anfälligkeit (genetische Prädisposition) für CFS besitzen. Darauf deuten Zwillingsstudien hin. Bislang ließen sich aber noch keine bestimmten Risikogene für das chronische Erschöpfungssyndrom nachweisen.
Die meisten Patienten nennen eine Infektion als Auslöser des chronischen Erschöpfungssyndroms. So gibt es Fälle, in denen CFS beispielsweise nach einer Infektion mit Epstein-Barr-Viren (
infektiöse Mononukleose
) oder Enteroviren (z.B. grippaler Infekt), nach
Dengue-Fieber
,
Q-Fieber
oder
Lyme-Borreliose
aufgetreten ist.
Neben solchen Infektionen geben manchmal auch schwere Verletzungen, Operationen, Schwangerschaften oder Entbindungen den Anstoß zu einem chronischen Erschöpfungssyndrom. Belastende Ereignisse wie der Tod eines nahestehenden Menschen oder Arbeitslosigkeit können ebenfalls als Auslöser von CFS auftreten.
Körperliche Überlastung sowie psychischer Stress können die Symptome eines chronischen Erschöpfungssyndroms verstärken. Auch wenn Patienten aufgrund von CFS nicht mehr arbeiten können, wenig soziale Unterstützung erhalten und/oder depressiv werden, kann das den Krankheitsverlauf verschlimmern.
Das Gleiche gilt, wenn Betroffene von ihrem Umfeld (Familie, Freunde, Kollegen, Ärzte etc.) nicht ernst genommen werden.
Operationen und Unfälle können ebenfalls zu einer akuten Zunahme der Beschwerden führen. Problematisch ist auch die erhöhte Infektanfälligkeit, die oftmals mit dem CFS einhergeht: Viele Patienten leiden nach einer Infektion über Wochen verstärkt an den Symptomen des chronischen Erschöpfungssyndroms.
Ebenso können sich Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeit negativ auf den Zustand von CFS-Betroffenen auswirken.
Chronisches Erschöpfungssyndrom ist schwer zu diagnostizieren und wird in vielen Fällen nicht erkannt. Es gibt keine speziellen Laboruntersuchungen oder Untersuchungen mit Hilfe von Apparaten, welche die Diagnose CFS sichern.
Neben der genauen Erhebung der Krankengeschichte (
Anamnese
) mit allen auftretenden Symptomen geht es daher in erster Linie darum, andere Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden wie ein chronisches Erschöpfungssyndrom verursachen können, auszuschließen. Dazu gehören beispielsweise:
Um solche Faktoren auszuschließen, können verschiedene Untersuchungen notwendig sein wie etwa eine körperliche Untersuchung, Ultraschall- und Blutuntersuchungen.
Ist das erledigt, kann der Arzt anhand eines Kriterienkatalogs (siehe oben unter "Symptome") prüfen, ob der Patient die erforderlichen Merkmale des chronischen Erschöpfungssyndroms aufweist. Wenn ja, kann die Diagnose CFS gestellt werden.
Unter Experten gibt es bislang keine Einigung darüber, wie sich ein chronisches Erschöpfungssyndrom am besten behandeln lässt. Fest steht nur: Die CFS-Therapie sollte individuell angepasst werden.
Sie richtet sich nach den am meisten belastenden Symptomen (z.B. Schlafstörungen, Schmerzen) und Begleiterkrankungen und sollte sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Maßnahmen beinhalten.
Medikamente
wie Schmerzmittel können zum Beispiel bei Gelenk- und Kopfschmerzen zum Einsatz kommen. Tritt krankheitsbegleitend eine Depression auf, kann auch eine Behandlung mit Antidepressiva erforderlich werden.
Weist der Patient eine (chronische) Infektion auf, sollte diese gezielt behandelt werden, etwa mit Antibiotika bei einer bakteriellen Infektion.
Ist ein Mangel an bestimmten Vitaminen oder Mineralstoffen (wie
Vitamin D
,
Zink
,
Eisen
) nachweisbar, kann es sinnvoll sein, das Defizit mit entsprechenden Präparaten auszugleichen.
Hinweis: Bislang sind noch keine zielgerichteten Medikamente gegen CFS verfügbar. Wissenschaftler erforschen derzeit aber beispielsweise die Wirksamkeit von Medikamenten, die das Immunsystem regulieren.
Im Allgemeinen wird bei CFS ein
geregelter Tagesablauf
empfohlen. Dies beinhaltet auch, ein gewisses Maß an Aktivität aufrechtzuerhalten, um einen Teufelskreis aus Müdigkeit, Inaktivität, daraus folgender verminderter Leistungsfähigkeit und wiederum gesteigerter Müdigkeit zu vermeiden.
Von
Überanstrengung wird jedoch dringend abgeraten
, weil sie die Beschwerden verschlimmern kann. Aus dem gleichen Grund sollten Betroffene nach Möglichkeit auch
emotionale Belastung vermeiden
.Als hilfreich erweisen sich oftmals
Entspannungsverfahren
wie Autogenes Training oder andere Methoden zum Stressabbau. Sie können CFS-Patienten beispielsweise bei Schlafstörungen helfen.
Darüber hinaus scheinen manchmal auch eine
Ernährungsumstellung
(ausreichend Vitamine und Mineralstoffe, proteinreich, ausreichend ungesättigte Fettsäuren) sowie das
Meiden und Eliminieren von Schadstoffen
die Beschwerden von CFS in einigen Fällen zu verringern.
Wie ein chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) im Einzelfall verläuft, lässt sich schwer voraussagen.
In den meisten Fällen beginnt die Erkrankung plötzlich, oft infolge eines Infekts: Die anhaltende Erschöpfung und Leistungsschwäche können so ausgeprägt sein, dass die Betroffenen kaum noch aus dem Haus gehen.
Nach Monaten bis Jahren kann sich ein chronisches Erschöpfungssyndrom wieder bessern – ob spontan oder aufgrund einer bestimmten Behandlung lässt sich meist nicht sagen.
Die wiedergewonnene Leistungsfähigkeit ist aber oft nicht von Dauer: Das chronische Müdigkeitssyndrom weist eine hohe Rückfallquote auf; vor allem nach Infekten, körperlicher Belastung und Stressperioden kann sich die lähmende und anhaltende Erschöpfung wieder einstellen.
Ein Teil der CFS-Betroffenen ist durch die Erkrankung dauerhaft im Alltagsleben eingeschränkt (bis hin zur Invalidität).
In selteneren Fällen stellt sich ein chronisches Erschöpfungssyndrom nicht plötzlich, sondern schleichend ein. Im Laufe der Zeit werden die Beschwerden immer stärker. Nimmt ein
chronisches Erschöpfungssyndrom
diesen Verlauf, sind die Chancen auf Erholung deutlich schlechter.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Chronisches Erschöpfungssyndrom
Was ist CFS?
Kontroverse um die richtige Bezeichnung
Häufigkeit
Symptome eines chronischen Erschöpfungssyndroms
Kanadische CFS-Kriterien
Internationale CFS-Kriterien
CFS: Ursachen und Risikofaktoren
Vorausgehende (prädisponierende) Faktoren
Auslösende Faktoren
Aufrechterhaltende Faktoren
CFS: Untersuchungen und Diagnose
Behandlung eines CFS
CFS: Krankheitsverlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen