Illness name: amoebenruhr
Description:
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Die Amöbenruhr ist eine tropische Darmerkrankung, die zum Beispiel durch verunreinigtes Trinkwasser oder Speisen übertragen wird. Die Symptome richten sich danach, an welcher Form der Amöbenruhr man erkrankt ist. Bleibt eine Behandlung aus, breiten sich die Amöben auf Organe im ganzen Körper aus und führen mitunter zum Tod. Hier lesen Sie alles Wichtige zur Amöbenruhr.
Die Amöbenruhr wird durch den Einzeller „Entamoeba histolytica“ ausgelöst. Sie ist nicht die einzige Amöbe, die den Menschen befällt, aber nur sie macht ihn krank. Die Amöben, die dies nicht tun (E. dispar, E. moshkovskii), kommen sehr viel häufiger vor.
Die Wahrscheinlichkeit eine nicht krank machende Amöbenart in sich zu haben, ist zehnmal höher als die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion mit E. histolytica.
Entamoeba histolytica und E. dispar bilden gemeinsam den sogenannten "E. histolytica/E. dispar-Komplex". Schätzungen zufolge tragen weltweit etwa eine halbe Milliarde Menschen zugleich beide Arten in sich. Von diesen Personen ist die Mehrzahl jedoch von der nicht krank machenden E. dispar befallen.
An einer Amöbenruhr erkranken jährlich etwa 50 Millionen Menschen, von denen maximal 100.000 Personen an den Folgen der Infektion sterben.
Nicht jeder Infizierte erkrankt auch an der Amöbenruhr.
Mehr als 90 Prozent der Parasiten-Träger entwickeln nie Beschwerden. Da sie aber dennoch Verbreitungsstadien (Zysten) in ihrem Stuhl ausscheiden, stecken sie unentwegt andere Menschen an. Nur wenn die Amöben es schaffen, den
Darm
zu verlassen, und in den
Blutkreislauf
eindringen, richten sie lebensgefährlichen Schaden in anderen Organen an.
Eine Amöbe ist ein Parasit, der zu der Gruppe der Einzeller (Protozoen) gehört und sich im menschlichen Körper vorwiegend von roten Blutzellen ernährt. Eine wesentlich bekanntere Protozoen-Erkrankung ist die
Malaria
. Übertragen wird die Amöbenruhr (Amöbiasis) durch die Zysten der Amöben.
Diese kugeligen Überdauerungsstadien sind sehr viel robuster als die bewegliche Form der Amöben und erhöhen dadurch die Übertragungswahrscheinlichkeit. Sie trocknen außerhalb des Darms langsam aus und brauchen keine Nahrung.
Verzehrt der Mensch Zysten, entwickeln sie sich im
Dünndarm
zu Amöben und vermehren sich. Im
Dickdarm
angekommen, haben die Amöben zwei Möglichkeiten:
Entweder entwickeln sie sich zu Zysten und werden erneut über den Stuhl ausgeschieden, oder sie greifen die Darmwand an. Werden sie ausgeschieden und von einem anderen Menschen aufgenommen, schließt sich der Kreislauf.
Wird die Darmwand bei der Amöbenruhr angegriffen, kommt es zu
Bauchschmerzen
mit blutigen Durchfällen. In seltenen Fällen gelangen die Amöben in den Blutstrom und werden in unterschiedliche Organe verschleppt.
Aufgrund des Kampfes zwischen Immunsystem und Amöbe kommt es dann zu einer starken Eiterbildung innerhalb des Organs. Ärzte sprechen dann von einem Abszess.
Infizierte Menschen scheiden unentwegt Zysten aus. Gelangen diese Zysten ins Trinkwasser oder auf Nahrungsmittel, die roh verzehrt werden, infizieren sich andere möglicherweise durch den Verzehr der verseuchten Lebensmittel oder des Wassers.
Besonders wahrscheinlich ist die Übertragung über:
Generell ist ein feucht-dunkles Milieu für die Zysten ideal. In einem solchen Lebensraum überleben sie mehrere Wochen im Trinkwasser oder auf Lebensmitteln. Bereits kurze Reisen in Risikoländer reichen aus, um sich mit der Amöbenruhr zu infizieren. In Hochrisikogebieten ist ungefähr die Hälfte der ortsansässigen Bevölkerung infiziert.
Die Amöbenruhr wird fäkal-oral übertragen. Das bedeutet, dass über den Stuhl ausgeschiedene Zysten mit der Nahrung aufgenommen werden müssen, damit man sich ansteckt.
Überall, wo keine hohen Hygienestandards herrschen, besteht die Gefahr für eine Übertragung der Amöbiasis. Dies gilt insbesondere für Entwicklungsländer. Häufig steckt man sich in Zentral- und Südamerika, Afrika und Südasien an, aber auch in westlichen Ländern kommt es zu Infektionen.
Die meisten Menschen, die mit der Amöbe E. histolytica infiziert sind, zeigen keinerlei Symptome der Amöbenruhr. Man spricht bei einer reinen Infektion ohne Beschwerden von einer
Infestation
.
Ungefähr zehn Prozent der Fälle entwickeln eine sogenannte „
intestinale Amöbiasis
“, bei der die Amöben in die Darmwand eindringen, und diese besiedeln.
In nur einem Prozent der Fälle gelangen die Amöben in die Blutbahn und besiedeln Organe wie die Leber. In diesen Organen bilden sich Abszesse, die die Organfunktion einschränken, und so im schlimmsten Fall zum Tod führen.
Gelangen die Parasiten aus dem Darm in andere Bereiche des Körpers, sprechen die Ärzte von einer „
extraintestinalen Amöbiasis
“.
Bei der intestinalen Amöbiasis handelt es sich um die Amöbenruhr im engeren Sinne. Der Beginn der Amöbenruhr ist eher schleichend. Eine bis mehrere Wochen nach der Infektion kommt es sechs- bis achtmal pro Tag zu schleimigen, teils blutigen Durchfällen und Bauchkrämpfen.
Der Stuhl ist schaumig oder glasig und wird oft als himbeergeleeartig beschrieben. Manchmal treten möglicherweise Verstopfungen und starker Druckschmerz im Unterbauch auf. Neben Gewichtsverlust sind in schweren Fällen der Amöbenruhr auch Fieber und
Schüttelfrost
möglich.
Da in westlichen Ländern andere Diagnosen wie bakterieller Durchfall oder Blinddarmentzündungen häufiger sind als die Amöbenruhr, ist es wichtig, den Arzt zu informieren, wenn Betroffene kürzlich auf einer Tropenreise waren.
Wenn die intestinale Amöbiasis nicht erkannt wird, halten die Beschwerden an. Sie sind leicht mit entzündlichen Darmkrankheiten wie
Morbus Crohn
oder Colitis ulcerosa zu verwechseln. Bei beiden Erkrankungen handelt es sich um eine Fehlreaktion des Immunsystems gegen den Darm, bei denen es auch zu wiederholten Durchfällen und Bauchschmerzen kommt.
Bei einer Fehldiagnose drohen weitere Komplikationen durch die Amöbenruhr. Die Entzündung ruft gegebenenfalls Knoten in der Darmwand hervor, die die Stuhlpassage stören. Ist dies der Fall, sprechen die Ärzte von einem Darmverschluss (Ileus).
In seltenen Fällen platzt der Darm unter Umständen auf, was schwere Folgen für den Patienten und sein Leben hat. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Amöben in die Blutbahn gelangen und eine extraintestinale Amöbiasis hervorrufen.
Gelangen die Amöben in den Blutstrom, erreichen sie so gut wie alle Organe. Am häufigsten wandern sie aus dem Darm in die Leber. Dies geschieht Monate bis Jahre nach der Infektion und kommt auch ohne vorherige Durchfallsymptome oder regelmäßige Bauchschmerzen vor.
In der Leber bilden die Amöben einen
Abszess
. Ein Leberabszess aufgrund einer Amöbenruhr geht mit hohem Fieber und starken Schmerzen unter dem rechten Rippenbogen einher. Da die Schmerzen ausstrahlen, sind auch Schmerzen der rechten Schulter oder des Rippenbogens möglich.
Die Infektion bricht manchmal von der Leber in den Brustkorb und zum
Herz
durch. Obwohl die Amöben über den Darm zur Leber gelangen, kommt es nur bei 30 Prozent der Abszess-Patienten zu Durchfall. Das bedeutet: Selbst ohne Bauchschmerzen und Durchfall ist eine Amöbeninfektion möglich.
Bei der Behandlung der Amöbenruhr spielt es eine wichtige Rolle, ob die Amöben bereits die Darmwand geschädigt haben oder ob es sich um einen symptomlosen Befall handelt. Beide bedürfen einer ärztlichen Behandlung, um spätere Komplikationen zu vermeiden und um die Verbreitung der Amöbenruhr möglichst effizient einzuschränken.
Wurde E. histolytica im Stuhl nachgewiesen ohne Symptome der Amöbenruhr und ohne Hinweise auf eine Organschädigung, reicht die Therapie mit dem Antibiotikum
Paromomycin
für etwa zehn Tage aus. Die Substanz wird nicht in den Körper aufgenommen und tötet somit nur die Amöben im Darm.
Haben die Amöben die Darmwand befallen, kommt es meist zu blutig-schleimigen Durchfällen. Ist dies der Fall, wird die Amöbenruhr zusätzlich zu Paromomycin mit
Metronidazol
behandelt. Der Arzt überprüft mittels einer Stuhlprobenuntersuchung, ob die Behandlung erfolgreich war.
Die Behandlung einer extraintestinalen Amöbiasis erfolgt wie bei der intestinalen Form. Zur
Operation oder Punktion
eines Amöbenabszesses kommt es nur, wenn das Platzen der mit Eiter gefüllten Blase droht. Wird der Abszess rechtzeitig erkannt und konsequent behandelt, bildet er sich über mehrere Wochen zurück.
Bei schweren Verläufen der Amöbeninfektion ist der Patient möglicherweise erst zu stabilisieren, bevor eine endgültige Therapie möglich ist. Ist der Betroffene schwer erkrankt, muss der Arzt je nach Organ und Patient entscheiden, wie genau zu verfahren ist, um das Leben des Patienten zu retten.
Wenn man sich alle Übertragungswege der Amöbenruhr ansieht, wird klar, dass der Hauptrisikofaktor in den hygienischen Bedingungen der jeweiligen Region liegt.
Bei Reisen in betroffene Regionen ist besonders auf die
Hygiene beim Trinkwasser und bei Lebensmitteln
zu achten. Das eigene Verhalten in tropischen und subtropischen Ländern macht einen Großteil des Erkrankungsrisikos aus.
Ein weiterer Ansteckungsweg ist
anal-oraler Geschlechtsverkehr
. Hierbei gelangen die Zysten direkt aus dem Enddarm in den
Mund
des Sexualpartners.
Daneben erkranken vermehrt auch:
Für diese Menschen gestalten sich Komplikationen wie ein Leberabszess oft schwerwiegender als für andere Patienten. Durch eine frühzeitige Diagnose und konsequente Therapie lässt sich eine Ausbreitung der Amöben möglicherweise verhindern.
Besteht der Verdacht auf eine Infektion, ist der Haus- oder der Kinderarzt erste Ansprechperson, um die entsprechenden Untersuchungen machen zu lassen. Um die Amöbenruhr zu diagnostizieren, stehen dem Arzt einige Tests zur Verfügung.
Am Anfang steht das direkte Gespräch mit dem Patienten (
Anamnese
). Vergangene Reisen in Risikogebiete sind dabei genauso wie die akuten Beschwerden zu erwähnen. Dabei stellt der Arzt folgende Fragen:
Auch wenn der Auslandsaufenthalt vielleicht schon Jahre zurückliegt, ist es wichtig, den Arzt auf die Reise hinzuweisen, damit er die Verdachtsdiagnose Amöbenruhr stellt.
Der Nachweis einer Amöbenruhr erfolgt mittels einer Stuhl- oder Gewebeprobe aus dem Darm (Darmbiopsie), die der Arzt oder der Laborant unter dem Mikroskop betrachtet. Allerdings ist es meist nicht möglich, auf diese Weise zwischen der bösartigen E. histolytica und anderen Amöbenarten zu unterscheiden.
Es gibt jedoch spezielle Verfahren, die entweder bestimmte Bestandteile der Amöben, sogenannte Amöben-Antigene oder die Erbinformation (DNA) von E. histolytica im Stuhl nachweisen.
Außerdem stehen Bluttests zur Verfügung, mittels derer Antikörper im
Blut
nachgewiesen werden, die das Immunsystem des Patienten im Falle einer Infektion gegen E. histolytica gebildet hat.
Ein Bluttest wird auch dann wichtig, wenn eine extraintestinale Amöbiasis vermutet wird. In Falle einer extraintestinalen Amöbiasis findet man nicht unbedingt Zysten im Stuhl, sondern lediglich die Amöben in den betroffenen Organen.
Ist die Schleimhaut im Darm geschädigt, sind die Verletzungen bei einer
Dickdarmspiegelung
(Kolonoskopie) zu sehen. Bei dieser Untersuchung schaut sich der Arzt mithilfe einer Kamera an einem biegsamen Stab die Darmschleimhaut an.
Sind andere Organe als der Darm betroffen, lässt sich mit
Ultraschall
und notfalls mit einer
Computertomografie
(CT) oder einer
Magnetresonanztomografie
(MRT) der Abszess in einem Bild einsehen.
Der Arzt muss die Amöbenruhr nicht dem Gesundheitsamt melden. Häufen sich allerdings Fälle unter seinen Patienten, ist das sehr wohl meldepflichtig. So versucht der Gesetzgeber, mögliche Ausbrüche von Amöbenruhr in Deutschland effizient einzugrenzen.
Die Verlaufsformen der Amöbenruhr sind sehr vielfältig. Die Infektion mit E. histolytica macht nicht jeden Menschen krank. Selbst wenn man erkrankt, reichen die Beschwerden von einfachem Durchfall bis zu einem lebensgefährlichen Leberabszess.
In jedem Fall ist eine bekannte Infektion immer
konsequent zu behandeln
, um sich selbst und andere zu schützen. Ist dies der Fall, gilt die Amöbenruhr heutzutage als
vollständig heilbare Krankheit
. Noch vor etwa 100 Jahren war die Amöbenruhr in Deutschland ein großes gesundheitliches Problem.
Wird die Amöbenruhr allerdings nicht behandelt, trägt man zu der Verbreitung der Krankheit bei, und es kommt vielleicht irgendwann zu dem gefährlichen Organbefall, der potenziell lebensbedrohlich verläuft.
Die beiden Medikamente gegen die Amöbenruhr sind gut verträglich und versprechen eine vollständige Heilung, wenn die Krankheit früh genug erkannt und behandelt wurde.
Um einer Amöbenruhr vorzubeugen, gilt es bei Reisen in Risikogebiete folgende Regeln zu beachten:
Mit diesen Vorsichtsmaßnahmen verringern Sie die Wahrscheinlichkeit für eine Amöbenruhr. Haben Sie trotz aller Vorsichtsmaßnahmen den Verdacht, dass Sie sich eine Amöbenruhr eingefangen haben, gehen Sie unverzüglich zum Arzt.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Amöbenruhr
Kurzübersicht
Was ist die Amöbenruhr?
Was ist eine Amöbe?
Wie steckt man sich mit der Amöbenruhr an?
Wo kommt die Amöbenruhr vor?
Welche Symptome treten auf?
Intestinale Amöbiasis
Extraintestinale Amöbiasis
Wie wird Amöbenruhr behandelt?
Infestation ohne Symptome:
Infektion der Darmwand (Intestinale Amöbiasis):
Amöbenabszess:
Amöbenruhr: Ursachen und Risikofaktoren
Untersuchungen und Diagnose
Amöbenruhr: Krankheitsverlauf und Prognose
Vorbeugen
Autoren- & Quelleninformationen