Illness name: schweinegrippe
Description:
Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.
Die
Schweinegrippe
(Neue Influenza-A/H1N1, Neue Grippe) wird von einer Variante des Influenza-A-Virus H1N1 ausgelöst. Ausgehend von Mexiko löste der neue Influenzaerreger 2009 und 2010 eine Pandemie aus. Sie verlief glücklicherweise mild. Im Vergleich zur saisonalen Grippe zeigen sich bei der Schweinegrippe zusätzliche Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Außerdem betrifft die Erkrankung vorwiegend junge, gesunde Erwachsene. Lesen Sie hier mehr über die Schweinegrippe!
Die Schweinegrippe wurde erstmals im April 2009 nachgewiesen. Mediziner sprechen auch von Neuer Influenza-A/H1N1 oder Neuer
Grippe
. Noch vor wenigen Jahren löste der Begriff "Schweinegrippe" besorgte Reaktionen in der Bevölkerung aus, während mittlerweile kaum noch darüber gesprochen wird. Dabei ist vielen Menschen gar nicht bewusst, dass etwa ein Drittel der heute zirkulierenden Influenzaviren Schweinegrippe-Viren sind.
Der Erreger der Schweinegrippe ist ein Grippevirus vom Typ A/H1N1, das bis 2009 unbekannt war. Wie die Erreger der gewöhnlichen saisonalen Grippe kann das neue Virus von Mensch zu Mensch überspringen.
Die Schweinegrippe trat zunächst massiv in Mexiko auf. Am 11. Juni 2008 rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die höchste Pandemiestufe 6 aus. Am 10. August 2010 wurde die Pandemie für beendet erklärt, da sie keine gesundheitliche Notlage mehr darstellte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das H1N1-Virus verschwunden ist. Auch Jahre nach der Pandemie kann das Virus weiterhin zirkulieren und Infektionen hervorrufen. So wie sich keine Pandemie vorhersehen lässt, kann man auch nicht vorhersagen, wie sich ein Virus nach einer Pandemie verhält. Die WHO schreibt deshalb eine Impfung gegen das Schweinegrippe-Virus auch nach der Pandemie vor.
Wie die saisonale Grippe wird die Schweinegrippe durch
Tröpfcheninfektion
übertragen, also beim
Husten
oder Niesen. Die Symptome sind ähnlich, allerdings leiden Schweinegrippe-Patienten darüber hinaus verstärkt unter Magen-Darm-Problemen.
Im Unterschied zur saisonalen Grippe tritt die Schweinegrippe nicht im Winter-, sondern im Sommerhalbjahr verstärkt auf. Sie betrifft außerdem ungewöhnlich häufig junge, gesunde Menschen. Zudem kann sich als Komplikation eine schwere virale
Lungenentzündung
entwickeln. Genau deshalb ist jede Schweinegrippe-Erkrankung ernst zu nehmen und zu behandeln.
Von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Schweinegrippe (Inkubationszeit) vergehen im Allgemeinen ein bis drei, manchmal auch vier Tage. Infizierte können bereits während der Inkubationszeit Schweinegrippe-Viren weitergegeben, also auch dann, wenn sich noch keine Krankheitssymptome zeigen. Nach Auftreten der ersten Symptome scheiden Erkrankte Schweinegrippe-Viren noch drei bis fünf Tage, eventuell auch bis sieben Tage lang aus. Bei kleinen Kindern gehen Experten davon aus, dass sie mehr
Viren
als Erwachsene ausscheiden und zudem noch für eine längere Zeit.
Ein erhöhtes Risiko für eine Schweinegrippe-Ansteckung haben chronisch Kranke und Menschen, die beruflich viel Kontakt zu anderen Menschen haben. Dazu zählen beispielsweise medizinisches Personal, Lehrer und Kindergarten-Mitarbeiter.
Alles Wichtige zu den typischen Anzeichen der Schweinegrippe lesen Sie im Beitrag
Schweinegrippe – Symptome
.
Der Auslöser der Schweinegrippe ist ein Grippevirus vom Typ A/H1N1. Im Jahr 1930 wurde das Virus H1N1 zum ersten Mal bei Schweinen nachgewiesen. Für Tiere war dieser Erreger jedoch nicht gefährlich, und eine Infektion verlief nicht tödlich. Es kam vor, dass Menschen, die Kontakt mit betroffenen Schweinen hatten, sich mit diesem Virus infizierten. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch war allerdings nicht möglich.
Der Erreger hat sich jedoch im Laufe der Jahre weiterentwickelt und verändert (er mutierte). Er besitzt nun Gene von Influenzaviren aus Schwein, Vogel und Mensch. Solche Mischviren können entstehen, wenn ein Wirt mit mehreren Grippeviren gleichzeitig infiziert ist. Vor allem Schweine gelten als klassische "Mischgefäße", weil sie sich sowohl mit Schweine-Influenzaviren als auch mit solchen von Vögeln und Menschen anstecken können. Das veränderte Schweinegrippe-Virus kann daher nun von Mensch zu Mensch übertragen werden. Die Mehrheit der Schweinegrippe-Infizierten und Grippetoten während der Pandemie waren unter 60 Jahre alt.
Schon seit der sogenannten "Spanischen Grippe" im Jahr 1918 zirkulieren H1N1-Virus-Varianten. Manche ältere Patienten haben sich bereits mit diesen, dem Schweinegrippe-ähnlichen Virusvarianten infiziert und einen gewissen Immunschutz entwickelt. Dies erklärt, warum vor allem viele junge Menschen an der Schweinegrippe erkrankt sind - ein deutlicher Unterschied zur saisonalen Grippe, die hauptsächlich alte Menschen betrifft.
Ein Virus kann sich nur mithilfe lebender Zellen, etwa von Mensch oder Tier (Wirt), vermehren. Das Schweinegrippe-Virus befällt bevorzugt die Atemwege und nistet sich dort in eine Zelle ein. Es zwingt die Zelle, unzählige neue Viren zu produzieren, die sich entweder neue benachbarte Wirtszellen suchen oder einen neuen Wirt wie Mensch oder Tier.
Übrigens: Es ist nicht das Ziel des Virus, sondern ein Nebeneffekt der Infektion, dass das Immunsystem des Wirts durch die Viren geschwächt wird.
Wie bei einer gewöhnlichen Grippe springt auch A/H1N1 per Tröpfcheninfektion über, beispielsweise durch direktes Anhusten und -niesen. Sehr wahrscheinlich kann man sich aber auch mit der Schweinegrippe infizieren, wenn man Oberflächen (wie Türklinken, Besteck etc.) berührt, an denen virenhaltiges Sekret klebt (
Schmierinfektion
). Fasst man sich dann ins Gesicht, gelangen die Viren über die
Hand
in
Mund
,
Nase
oder Augen und von dort aus weiter in den Körper.
Bei Verdacht auf Schweinegrippe sollten Sie zunächst einen Hausarzt anrufen und ihm schon bereits am Telefon Ihre Vermutung mitteilen. So können in der Praxis bereits vor Ihrem Besuch Vorsichtsmaßnahmen gegen das ansteckende Schweinegrippe-Virus getroffen werden, um andere Patienten und das Personal zu schützen. Die Schweinegrippe ist keine Notfallsituation, daher ist eine Fahrt in die Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses nicht notwendig.
Ob eine Schweinegrippe vorliegt, lässt sich anhand der klinischen Symptome allein schwer erkennen. Gewissheit bietet der
direkte Nachweis des Schweinegrippe-Virus
(Influenza A/H1N1) in Probenmaterial aus dem Atemtrakt des Patienten.
Der Arzt muss dazu möglichst rasch nach Beginn der Erkrankung einen
Abstrich von der Rachen- oder Nasenschleimhaut
machen und die Probe zur genauen Untersuchung in ein Labor schicken. Die Viren werden in Laborgefäßen (Kultur) angezüchtet. Dies darf in der Regel nur in spezialisierten Laboratorien erfolgen. Das gilt auch für die weiteren Tests, die notwendig sind, um die Untergruppe (Subtyp) der Influenzaviren zu ermitteln.
Die Schweinegrippe verläuft häufig mild. In den meisten Fällen reicht es aus, die Symptome zu behandeln. Der Arzt wird Sie in der Regel nach Hause entlassen, außer es liegt eine chronische Erkrankung oder Schwangerschaft vor. Bei bestätigter Schweinegrippe müssen Sie in
Quarantäne
verbleiben, egal ob Sie sich im Krankenhaus befinden oder zuhause, weil die Erkrankung extrem ansteckend ist. Es ist also wichtig, jeglichen Kontakt mit Ihrem Partner, der Familie und Mitmenschen zu vermeiden.
Erst nach sieben Tagen, wenn die Schweinegrippe behandelt ist, gilt man als nicht mehr ansteckend. Um sicher zu gehen, sollten auch nach überstandener Schweinegrippe noch Schutzmaßnahmen eingehalten werden.
Besonders wichtig ist es bei der Schweinegrippe, dem Körper viel Ruhe und Schlaf zu gönnen. Jede zusätzliche Aktivität oder Sport schwächt den Körper unnötig. Außerdem sollten Sie möglichst viel Flüssigkeit in Form von Wasser oder Tee zu sich nehmen - durch die Krankheitssymptome
Schwitzen
,
Durchfall
und Erbrechen gehen viel Flüssigkeit und
Elektrolyte
verloren. Hausmittel können gegen die Symptome helfen (z.B.
Wadenwickel
gegen Fieber).
Da es sich bei der Schweinegrippe um eine virale und nicht bakterielle Infektion handelt, helfen hier keine
Antibiotika
. Kommt es infolge der Viruserkrankung jedoch zusätzlich zu einer bakteriellen Infektion (z.B. bakterielle Bronchitis), ist eine Behandlung mit Antibiotika sinnvoll.
Eine Therapie mit
speziellen Grippemitteln
empfiehlt das Robert Koch-Institut (RKI) vor allem dann, wenn Patienten beispielsweise chronisch krank sind. Für diesen Fall stehen zwei Medikamente zur Verfügung, eines mit dem Wirkstoff Oseltamivir und eines mit dem Wirkstoff Zanamivir.
Beide Wirkstoffe zählen zur Gruppe der sogenannten Neuraminidase-Hemmer. Sie blockieren ein bestimmtes Enzym auf der Oberfläche der Viren, das es ihnen unter anderem ermöglicht, in die menschlichen Schleimhautzellen einzudringen. Die Vermehrung wird so gestoppt. Die Virenhemmer (
Virostatika
oder Virustatika) müssen allerdings
innerhalb von 48 Stunden (maximal 72 Stunden)
nach dem Auftreten der ersten Symptome eingenommen werden. Sonst haben sich die Viren bereits zu stark im Körper vermehrt - die Neuraminidase-Hemmer wirken dann nicht mehr.
Die beiden Medikamente, die bei der Schweinegrippe eingesetzt werden, sind umstritten. Forscher der Cochrane Collaboration und des British Medical Journals haben gezeigt, dass diese Virenhemmer eigentlich ungeeignet sind, die Schweinegrippe zu bekämpfen. Die Dauer der Symptome einer Grippe kann zwar um etwa einen halben Tag verringert werden, die schweren Komplikationen einer Grippeerkrankung ließen sich jedoch damit nicht verhindern.
Stattdessen würden die Medikamente Erbrechen, Übelkeit und
Bauchschmerzen
auslösen. Weitere Nebenwirkungen können psychiatrische Störungen sein. Diese können laut Beipackzettel von
Halluzinationen
, Verwirrtheit und abnormalem Verhalten bis hin zu mysteriösen Suiziden reichen.
Die Pandemie im Jahr 2009 verlief weniger schlimm, als zunächst befürchtet. In einigen Fällen war der Schweinegrippe-Verlauf aber auch sehr schwerwiegend oder sogar tödlich. Mindestens 18.449 Menschen sind weltweit durch die Schweinegrippe-Pandemie 2009/2010 gestorben, in Deutschland waren es 253. Dabei waren bis zu 85 Prozent der Betroffenen jünger als 65 Jahre.
Besonders anfällig für einen schweren oder sogar tödlichen Schweinegrippe-Verlauf sind Kinder unter vier Jahren, schwangere Frauen und Menschen mit chronischen Vorerkrankungen wie Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes,
Immunschwäche
sowie Nieren- und Lebererkrankungen.
Bislang ist das Virus nicht zu einer noch tödlicheren Form mutiert und hat bisher auch noch keine Resistenzen gegen Medikamente entwickelt. Der Impfstoff gegen die Schweinegrippe hat sich bislang als wirksam gegen die sich im Umlauf befindlichen Viren erwiesen.
Kürzlich veröffentlichte Studien haben gezeigt, dass 20 bis 40 Prozent der Bevölkerung bereits in der Vergangenheit mit dem H1N1-Virus infiziert waren und folglich jetzt einen gewissen Grad der Immunität besitzen.
Um sich gegen die Schweinegrippe oder auch gegen die saisonale Grippe zu schützen, gibt es ein paar einfache Maßnahmen. Dabei geht es vor allem darum, zu verhindern, dass virenbelastetes Sekret in die eigenen Atemwege und Augen gelangt:
Darüber hinaus gibt es einige Tipps für Patienten, um einer Weitergabe der Viren vorzubeugen:
Den größten Schutz vor der Ansteckung mit Influenza jeglichen Typs bietet eine Grippeschutzimpfung. Eine Schweinegrippe-Impfung ist seit Oktober 2009 erhältlich - vorrangig für besonders gefährdete Personengruppen. Dazu zählen zum Beispiel Menschen mit Vorerkrankungen, medizinisches Personal, Feuerwehr, Polizei, Justizvollzugsbeamte, Schwangere, Menschen mit erhöhter Ansteckungsgefahr wie Schüler, Kindergartenkinder und deren Familienangehörige sowie Lehrer und Kindergartenpersonal.
Da die ersten Fälle der Schweinegrippe erst im Frühjahr 2009 aufgetreten sind, empfahl das Robert Koch-Institut zusätzlich zur normalen
Grippeimpfung
der Saison 2009/2010 auch eine eigene Schweinegrippe-Impfung. Im August 2010 hat die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut die Impfempfehlung zur separaten Schweinegrippe-Impfung zurückgezogen. Inzwischen bietet auch der jährliche "normale" Grippeimpfstoff einen Schutz gegen die Schweinegrippe.
Einige europäische Studien gehen davon aus, dass die Schweinegrippe-Impfung in einigen Fällen die
Schlafkrankheit
(
Narkolepsie
) ausgelöst haben könnte. In Finnland wurde bei 60 Kindern im Alter zwischen vier und 19 Jahren während der Schweinegrippe-Pandemie die Schlafkrankheit diagnostiziert. 52 von ihnen hatten den damals verwendeten, speziellen Schweinegrippe-Impfstoff erhalten. Im gleichen Jahr (2010) wurden auch in Deutschland 29 Fälle mit Narkolepsie diagnostiziert. Der ursächliche Zusammenhang ist noch nicht ganz klar. Untersuchungen zeigten aber, dass ein kleiner Teil des Impfstoffes einem Teil des Nervenbotenstoffes (Neurotransmitter) Hypocretin ähnelt, welches im
Gehirn
den Schlafrhythmus reguliert. Nach Meinung von Forschern kann ein Mangel an Hypocretin Narkolepsie auslösen. Bei Menschen mit entsprechender genetischer Veranlagung scheint nun das Immunsystem Hypocretin mit den
Schweinegrippe
-Viren im Impfstoff zu verwechseln und den Botenstoff ebenfalls zu attackieren.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.
Schweinegrippe
Schweinegrippe: Beschreibung
Schweinegrippe: Parallelen zur saisonalen Grippe
Schweinegrippe: Inkubationszeit und Ansteckungsgefahr
Schweinegrippe: Symptome
Schweinegrippe: Ursachen und Risikofaktoren
Schweinegrippe: Vermehrung des Virus
Schweinegrippe: Risikofaktoren
Schweinegrippe: Untersuchungen und Diagnose
Schweinegrippe: Behandlung
Schweinegrippe: Ruhe, Schlaf und Flüssigkeit
Schweinegrippe: Medikamente
Schweinegrippe: Grippemedikamente wirkungslos?
Schweinegrippe: Krankheitsverlauf und Prognose
Schweinegrippe: Allgemeine Schutzmaßnahmen
Schweinegrippe: Impfung
Schweinegrippe-Impfstoff: Ursache für die Schlafkrankheit?
Autoren- & Quelleninformationen