Illness name: fetales alkoholsyndrom
Description:
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Ein Fetales Alkoholsyndrom (FAS) wird durch Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft ausgelöst. Es ist gekennzeichnet durch körperliche und geistige Schäden, Fehlbildungen im Gesicht und eine Mangelentwicklung der Kinder. Das FAS ist nicht heilbar, aber die richtige Förderung und Unterstützung erleichtert den Betroffenen das Leben.
Als Fetales Alkoholsyndrom (FAS) bezeichnen Ärzte die vorgeburtliche Schädigung eines Kindes durch Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Ein weiterer Begriff für FAS ist Alkoholembryopathie.
Experten schätzen, dass in Deutschland jedes Jahr ungefähr 10.000 Babys mit alkoholbedingten Schäden (Fetalen Alkoholspektrumstörungen, FASD) zur Welt kommen. Vermutlich mehr als 2.000 davon weisen den höchsten Schweregrad der Schädigung auf – ein Fetales Alkoholsyndrom. Damit ist das FAS eine der häufigsten angeborenen Behinderungen in Deutschland.
Genaue Zahlen zur Häufigkeit gibt es nicht, weil die Schädigungen oft nicht erkannt, beziehungsweise nicht richtig diagnostiziert werden. Das liegt zum einen am schwierigen Nachweis. Zum anderen haben Mitarbeiter im Gesundheitssystem oft Hemmungen, den Eltern gegenüber einen entsprechenden Verdacht zu äußern. Oder sie wissen selbst nicht genug über Fetale Alkoholspektrumstörungen und das Fetale Alkoholsyndrom.
Kindliche Mangelentwicklungen und Fehlbildungen kennzeichnen ein Fetales Alkoholsyndrom. Die Betroffenen zeigen Anomalien in Gesicht, am Kopf und am Körper. Außerdem sind bei den betroffenen Kindern die geistigen und sozialen Fähigkeiten sowie häufig auch die Sinnesfunktionen eingeschränkt. Babys und Kinder mit FAS gedeihen und wachsen oft schlechter.
Die Symptome des Fetalen Alkoholsyndroms sind an Gesicht und Kopf besonders auffällig. Diese Körperregionen weisen diverse Veränderungen und Anomalien auf. Dazu zählen:
Neben Anomalien im Gesicht wirkt sich das Fetale Alkoholsyndrom auch auf andere Körperteile, Organe und Gewebe aus. Weitere mögliche FAS- oder FASD-Symptome sind:
Vorgeburtlicher Alkoholeinfluss hat außerdem vielfältige Auswirkungen auf die geistigen Fähigkeiten eines Kindes: Bei den Betroffenen ist die Verarbeitung von Informationen und Wahrnehmungen beeinträchtigt. Die möglichen Folgen sind zum Beispiel sozialer Rückzug oder
Angst
vor neuen Situationen. Betroffene sind oft sehr umtriebig und lassen sich leicht beeinflussen oder ausbeuten.
Andere Kinder, die ein Fetales Alkoholsyndrom haben, neigen zu aggressivem Verhalten und weisen ein gestörtes Sozialverhalten auf. Sie sind zum Beispiel mitunter außergewöhnlich aufsässig. Diese sogenannten Impulskontrollstörungen treten auch bei vielen erwachsenen Patienten auf.
Ein Fetales Alkoholsyndrom geht außerdem häufig mit Hör- und
Sehstörungen
sowie mit einem
Leistenbruch
(Hernie) einher.
Der Schweregrad der Alkoholembryopathie ist nicht immer gleich. In leichten Fällen zeigen die Betroffenen beispielsweise „nur“ eine Wachstumsverzögerung,
Untergewicht
und einen zu kleinen Hirnschädel (Mikrozephalus) auf. In schwereren Fällen kommen weitere Schädigungen und Fehlbildungen hinzu wie Gesichtsanomalien, Organfehlbildungen und geistige Beeinträchtigungen. Letztere reichen mitunter bis zu schwerer geistiger Behinderung.
Ein FASD im Erwachsenenalter geht oft mit weiteren Störungen einher. Dazu zählen etwa Depressionen, Angststörungen und Impulskontrollstörungen. Manche der Betroffenen zeigen auch ein erhöhtes Risiko für Suchterkrankungen oder ein auffälliges Sexualverhalten. Nicht selten haben Menschen mit FAS Schwierigkeiten, sich in der Gemeinschaft mit anderen Menschen und in der Gesellschaft einzuordnen. Dies beeinträchtigt die Anpassung an gesellschaftliche Normen in vielen Fällen massiv und bereitet Schwierigkeiten im Alltagsleben (Probleme bei der Wohnungs- und Jobsuche, in sozialen Beziehungen et cetera).
Bei ungeborenen Kindern verhindert die sogenannte Plazentaschranke, dass diverse Schadstoffe und Krankheitserreger aus dem mütterlichen
Blutkreislauf
in das kindliche
Blut
übertreten. Dieser Schutzfilter funktioniert aber nicht zu 100 Prozent.
So gelangt unter anderem Alkohol aus dem mütterlichen Blut fast ungefiltert in das Blut des Ungeborenen. Studien zufolge genügen schon 10 Gramm Alkohol am Tag, um ein Fetales Alkoholsyndrom beim Kind zu verursachen. Diese Menge steckt etwa in einem kleinen Bier oder 100 Milliliter Wein.
Alkohol ist für den menschlichen Körper in jeder Lebensphase ein Gift. Dass ungeborene Kinder besonders empfindlich darauf reagieren, liegt daran, dass ihre unreife
Leber
noch nicht in der Lage ist, den Alkohol gut abzubauen. So schädigt dieser stärker als bei Erwachsenen Zellen und hemmt die Zellteilung – mit vielfältigen Folgen, besonders für das empfindliche
Gehirn
. Die Schädigungen und Veränderungen führen zu Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) beim Baby. Im schlimmsten Fall entwickelt sich ein Fetales Alkoholsyndrom (FAS).
Davon abgesehen erhöht Alkoholkonsum in der Schwangerschaft das Risiko für eine Fehlgeburt.
Nicht alle Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Alkohol konsumieren, entwickeln eine Alkoholembryopathie. Neueren Forschungen zufolge weist bei einem Teil der Ungeborenen der Zellkern einen genetischen Schutz vor Schädigungen durch den Alkohol auf.
Die Gefahr für ein Fetales Alkoholsyndrom bei Kindern besteht vor allem bei hohem und/oder chronischem Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Das Risiko für ein FAS besteht aber auch, wenn die werdende Mutter über die gesamten neun Monate immer wieder mal Alkohol trinkt – selbst wenn es nur moderate Mengen sind. Und sogar der sporadische oder nur einmalige Genuss von Alkohol schädigt in einigen Fällen den Embryo.
Besonders gefährlich ist der Konsum von Bier, Wein und weiteren alkoholhaltigen Getränken im ersten und zweiten Schwangerschaftsdrittel (Trimenon). Das FAS-Risiko verschärft sich zudem, wenn die Mutter Amphetamine oder andere Drogen konsumiert.
Weitere Risikofaktoren für ein Fetales Alkoholsyndrom sind zum Beispiel:
Entsteht ein Fetales Alkoholsyndrom auch durch den Vater?
Die Ursache von FAS ist der Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Allerdings gilt ein hoher Alkoholkonsum des Vaters ebenfalls als Risikofaktor für ein FAS.
Idealerweise sollten Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) beziehungsweise ein Fetales Alkoholsyndrom (FAS) möglichst frühzeitig erkannt werden. Die betroffenen Kinder erhalten dann rasch eine adäquate und individuelle Förderung und Unterstützung.
Fetale Alkoholspektrumstörungen sowie ein Fetales Alkoholsyndrom lassen sich nicht immer leicht diagnostizieren. Das liegt zum Beispiel daran, dass sich der mütterliche Alkoholkonsum in der Schwangerschaft nur schwer erfassen lässt – etwa, weil die Mutter falsche Angaben dazu macht.
Außerdem leben in Deutschland viele Kinder, die Symptome eines Fetalen Alkoholsyndroms aufweisen, in Adoptiv- und Pflegefamilien. Der Alkoholkonsum der biologischen Mutter lässt sich dann nur schwer ermitteln.
Ein weiteres Problem ist, dass viele Auffälligkeiten eines Fetalen Alkoholsyndroms sich mit zunehmendem Lebensalter verändern. So sind zum Beispiel die Gesichtsanomalien und das beeinträchtigte Wachstum in der Kindheit eindeutig erkennbar, aber im Jugend- und Erwachsenenalter weniger auffällig.
Im Unterschied dazu treten etwa Aufmerksamkeits- und Verhaltensstörungen mit dem Heranwachsen häufig deutlicher zutage.
Für die sichere Diagnose einer Alkoholembryopathie werden zunächst andere Ursachen ausgeschlossen (Differentialdiagnose). So wird zum Beispiel ein Minderwuchs oft auch durch familiären Kleinwuchs, vorgeburtliche Mangelzustände, hormonelle Störungen, genetische Syndrome, chronische Erkrankungen oder Vernachlässigung bedingt.
Für ein Fetales Alkoholsyndrom haben Experten Diagnosekriterien erarbeitet. Demnach liegt ein FAS vor, wenn eine Person folgende vier Punkte erfüllt:
Wenn die ersten drei Punkte erfüllt sind, aber der mütterliche Alkoholkonsum in der Schwangerschaft unbestätigt bleibt, wird der behandelnde Arzt dennoch die Diagnose „Fetales Alkoholsyndrom“ stellen.
Neben dem klinischen Vollbild des Fetalen Alkoholsyndroms gibt es weitere Formen, die der Arzt während der FAS-Diagnostik unterscheidet:
Das
partielle Fetale Alkoholsyndrom (pFAS)
unterscheidet sich vom Fetalen Alkoholsyndrom insofern, als beim pFAS keine Wachstumsstörungen vorliegen. Merkmale des partiellen Fetalen Alkoholsyndroms sind:
Eine weitere Form, die
alkoholbedingte entwicklungsneurologische Störung (ARND)
, liegt vor, wenn die betroffenen Kinder ausschließlich die für das fetale Alkoholsyndrom beschriebenen Auffälligkeiten des Zentralen Nervensystems zeigen und dies mit einem nachgewiesenen oder vermuteten Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft in Verbindung steht.
Die Schäden, die Alkohol bei einem Kind im Mutterleib verursacht hat, lassen sich nicht rückgängig machen. Es ist möglich, einige der körperlichen Fehlbildungen, wie zum Beispiel einen Herzfehler oder eine Gaumenspalte, zu operieren. Außerdem lassen sich Seh- und Hörstörungen mit Hilfsmitteln wie einer Brille oder einem Hörgerät korrigieren.
Die meisten Folgen einer Fetalen Alkoholspektrumstörung beziehungsweise eines Fetalen Alkoholsyndroms lassen sich aber nicht beheben. Dazu zählen zum Beispiel die geistigen Beeinträchtigungen, Verhaltensauffälligkeiten, Minderwuchs und Gesichtsanomalien.
Stattdessen geht es bei der Behandlung von FASD und FAS darum, den Betroffenen zu helfen, mit den alkoholbedingten Störungen und Auffälligkeiten möglichst gut umzugehen. So profitieren zum Beispiel Kinder mit Entwicklungsverzögerungen von einer Physiotherapie,
Logopädie
und/oder
Ergotherapie
. Bei günstigen Bedingungen lassen sich manche Entwicklungsrückstände zum Teil ausgleichen.
Bei traumatischen Erfahrungen in der frühen Kindheit (etwa mit einer alkoholkranken Mutter) ist in der Regel zusätzlich eine psychotherapeutische Hilfe sinnvoll. Wenn FAS-Betroffene zudem unter ADHS leiden, sich sehr aggressiv verhalten oder ein schwer gestörtes Sozialverhalten zeigen, empfiehlt sich unter Umständen eine begleitende Behandlung mit Medikamenten.
Welche Förderung und unterstützenden Maßnahmen im Einzelfall angebracht sind, entscheidet der Arzt individuell.
Eine Fetale Alkoholspektrumstörung beziehungsweise ein Fetales Alkoholsyndrom ist nicht heilbar. Die auftretenden geistigen und körperlichen Veränderungen, Entwicklungsstörungen sowie Verhaltensauffälligkeiten bleiben meist dauerhaft bestehen. Die Prognose richtet sich vor allem nach dem Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigungen. Schwer betroffene Kinder sind in der Regel nicht zu einem selbstständigen Leben fähig und lebenslang auf fremde Hilfe angewiesen.
Ein Fetales Alkoholsyndrom erfordert in den ersten beiden Lebensjahren oft eine stationäre Behandlung im Krankenhaus – aufgrund der gehäuft auftretenden Infektionen, Gedeihstörung und eventuell erforderlicher Operationen.
Wegen der sozialen Probleme bleiben viele betroffene Kinder nicht bei den leiblichen Eltern, sondern werden stattdessen in Pflegefamilien oder Heimen untergebracht.
Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ist eine der wenigen vollständig vermeidbaren Ursachen für schwere Entwicklungsstörungen beim Kind. Experten empfehlen schwangeren Frauen, komplett auf Alkohol zu verzichten. Denn schon moderater Alkoholkonsum verursacht mitunter eine Fetale Alkoholspektrumstörung oder sogar ein Fetales Alkoholsyndrom beim Ungeborenen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Fetales Alkoholsyndrom
Kurzübersicht
Was ist das Fetale Alkoholsyndrom (FAS)?
Fetales Alkoholsyndrom: Häufigkeit
Was sind die Symptome des Fetalen Alkoholsyndroms?
Wie äußert sich das Fetale Alkoholsyndrom im Gesicht?
Fetales Alkoholsyndrom: Welche anderen Merkmale gibt es?
Ausmaß der Schädigung variiert
Fetales Alkoholsyndrom bei Erwachsenen
Fetales Alkoholsyndrom: Ursachen und Risikofaktoren
Risikofaktoren für ein Fetales Alkoholsyndrom
Untersuchungen und Diagnose
Probleme bei der Diagnose
Ausschluss anderer Ursachen
FAS-Diagnostik
Weitere FAS-Formen
Fetales Alkoholsyndrom: Behandlung
Krankheitsverlauf und Prognose
Fetales Alkoholsyndrom: Vorbeugung
Autoren- & Quelleninformationen