Illness name: generalisierte angststoerung
Description:
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Die
Generalisierte Angststörung
(GAS) ist vergleichsweise häufig. Im Vergleich zu anderen Angststörungen können hier die Betroffenen ihre Angst nicht konkret bestimmen. Vielmehr sind es viele verschiedene Bedrohungen, die (vermeintlich) überall lauern. So leben die Betroffenen in einer endlosen Spirale aus Sorgen und Ängsten. Hilfe suchen sich sie meist wegen der körperlichen Folgeprobleme wie Schlafstörungen. Lesen Sie hier mehr zur Generalisierten Angststörung.
Kennzeichnend für die Generalisierte Angststörung ist, dass die Betroffenen die meiste Zeit des Tages von Sorgen verfolgt werden. Sie haben etwa
Angst
vor Krankheit, Unfällen, Zuspätkommen oder davor, Arbeiten nicht bewältigen zu können. Die negativen Gedanken schaukeln sich auf. Betroffene spielen die befürchteten Szenarien im Kopf immer wieder durch, ohne eine Lösung für das Problem zu finden.
Je länger der Prozess dauert, desto stärker werden die Ängste. Suchen sich Betroffene keine Hilfe, können die Ängste mit der Zeit in immer mehr Lebensbereiche eindringen. Die ständige Anspannung wirkt sich auch auf den Körper aus - körperliche Beschwerden gehören daher zum Erscheinungsbild der Generalisierten Angststörung dazu.
Etwa vier bis sieben Prozent der Bevölkerung leiden einmal in ihrem Leben unter einer Generalisierten Angststörung. Diese gehört damit zu den häufigsten Formen von Angststörung. Bei Frauen tritt die Generalisierte Angststörung etwas häufiger auf als bei Männern. Meist beginnt die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter. Sie tritt jedoch auch vermehrt um das 40. Lebensjahr herum auf. Seltener leiden Kinder und Jugendliche an dieser psychischen Störung. Die Zahl der jüngeren Patienten nimmt allerdings zu.
Neben der Generalisierten Angststörung leiden die meisten Betroffenen an weiteren psychischen Problemen. Dazu zählen vor allem soziale und spezifische
Phobien
sowie Depressionen und körperliche Beschwerden ohne organische Ursache (somatoforme Störungen). Wenn eine solche Kombination auftritt, handelt es sich meist um eine chronische Erkrankung.
Eine generalisierte Angst bezieht sich in der Regel auf alltägliche Dinge. Jeder Mensch kennt Sorgen und die Angst vor negativen Ereignissen, die möglicherweise in der Zukunft eintreten könnten. Menschen mit einer Generalisierten Angststörung können diese Sorgen jedoch nicht kontrollieren. Sie verfolgen die Betroffenen die meiste Zeit des Tages und schränken ihre Lebensqualität stark ein. Die Patienten machen sich deutlich mehr Sorgen als Menschen ohne diese Störung. Manchmal reichen schon Kleinigkeiten aus, um sie in Angst zu versetzen.
Die ständigen Sorgen nehmen bei der Generalisierten Angststörung irgendwann so überhand, dass die Betroffenen Angst vor den Sorgen selbst entwickeln. Sie befürchten, dass diese ihnen schaden könnten, beispielsweise gesundheitlich. Man spricht dann von sogenannten „Meta-Sorgen“. Als Folge versuchen die Betroffenen, die sorgenvollen Gedanken zu unterdrücken. Durch die ständige Beschäftigung mit den Ängsten werden diese jedoch nicht weniger, sondern verankern sich immer mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Ein sehr charakteristisches Merkmal der Generalisierten Angststörung sind die körperlichen Symptome. Diese können sehr unterschiedlich ausfallen. Häufig leiden die Patienten unter Muskelverspannungen,
Schlafstörungen
, Konzentrationsproblemen, Zittern, starkem
Schwitzen
,
Herzrasen
oder
Schwindel
. Auch Magen- und Darmprobleme sind oft der Anlass für einen Arztbesuch. Die Angst wird als Ursache hinter diesen Beschwerden nur selten erkannt.
Menschen mit Generalisierter Angststörung versuchen, ihre Sorgen zu verringern, indem sie zum Beispiel gehäuft Familienmitglieder kontaktieren, um zu hören, dass es ihnen gut geht. Sie suchen bei anderen Personen oft die Rückversicherung, dass alles in Ordnung ist und sie sich keine Sorgen machen müssen. Manche Betroffene vermeiden es auch, Nachrichten zu hören, um sich vor weiteren Ängsten zu schützen.
Dieses Verhalten verstärkt aber die Problematik letzten Endes nur. Denn Rückversicherung und Vermeidungsverhalten bestärken Betroffene darin, dass es tatsächlich Grund zur Sorge gibt. Auch der Versuch, negative Gedanken zu unterdrücken, verschlimmert die Situation. Wer nicht an einen rosa Elefanten denken soll, wird zwangsläufig einen rosa Elefanten vor Augen haben.
Menschen, die an Depressionen leiden, haben ähnlich negative Gedanken wie Patienten mit Generalisierter Angststörung. Im Unterschied zur
Depression
sind Sorgen im Rahmen einer Generalisierten Angststörung allerdings auf die Zukunft gerichtet. Bei einer Depression kreisen die Gedanken eher um vergangene Ereignisse.
Wie bei vielen anderen psychischen Störungen wurden auch bei der Generalisierten Angststörung
Hinweise auf eine genetische Grundlage
gefunden. Die Erbanlagen sind jedoch nicht alleine für die Entstehung der Störung verantwortlich. Erst, wenn weitere Umstände hinzukommen, entwickelt sich eine Generalisierte Angststörung.
Wichtige Einflussfaktoren sind der
Erziehungsstil der Eltern
: Kinder lernen schon früh von den Eltern, wie sie mit Bedrohungen umgehen können. Sehr ängstliche Eltern fördern daher Ängste bei ihren Kindern.
Außerdem hat man beobachtet, dass Personen aus
bildungsfernen Schichten
die Störung häufiger entwickeln.
Einen Einfluss haben auch
Erfahrungen, die eine Person in jungen Jahren gemacht hat
. Viele Menschen mit Generalisierter Angststörung haben in der Kindheit Verlust erlebt, beispielsweise den Tod eines Elternteils. Als starke Risikofaktoren für eine Angststörung gelten Missbrauch und Vernachlässigung.
Oft aber sind
aktuell belastende Ereignisse
der Auslöser für eine Generalisierte Angststörung. Es gibt unter anderem einen Zusammenhang zwischen dem Beginn der Störung und dem Verlust des Partners durch Scheidung, Trennung oder Tod sowie Arbeitslosigkeit.
Auch die
Botenstoffe im
Gehirn
, die für Entspannung sorgen, sind vermutlich an der Entstehung einer Generalisierten Angststörung beteiligt - nämlich dann, wenn sie in verringerter Menge vorhanden sind oder schlechter wirken als normalerweise. Die genauen Abläufe sind jedoch noch unbekannt. Die positive Wirkung von Medikamenten, welche auf den Botenstoff
Serotonin
wirken, sind jedenfalls ein Hinweis auf Fehlfunktionen im Gehirn.
Sehr häufig wenden sich Menschen mit Generalisierter Angststörung an einen Allgemeinmediziner. Dabei machen sie aber meist nicht die Angst zum Thema, sondern suchen Hilfe wegen körperlicher Beschwerden wie zum Beispiel Schlafstörungen, Kopf- oder
Bauchschmerzen
. Da die Patienten selten von ihre Ängsten berichten, übersehen viele Hausärzte die psychischen Ursachen.
Wenn Sie Ihre Gedanken beachten und dabei feststellen, dass diese oft negativ sind und Sie sehr viel grübeln, sollten Sie diese Tatsache mit Ihrem Arzt besprechen. Dieser kann Sie dann an eine psychosomatische Klinik oder einen Psychotherapeuten vermitteln. Der Therapeut kann mit Hilfe von speziellen Fragebögen eine genaue Diagnose feststellen. Folgende Fragen könnte der Therapeut dabei stellen:
Nach der ICD-10 Klassifikation psychischer Störungen müssen folgende
Kriterien für die Diagnose der Generalisierten Angststörung
zutreffen:
Mindestens sechs Monate empfinden die Betroffenen Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse. Zudem müssen mindestens vier der nachfolgenden Symptome zutreffen, davon mindestens eines der Symptome eins bis vier.
Zum Ausschluss organischer Ursachen wird ein Arzt zudem eine
körperliche Untersuchung
durchführen und ein
Blutbild
erstellen. Ähnliche Symptome wie bei einer Generalisierten Angststörung können nämlich zum Beispiel bei einer
Schilddrüsenüberfunktion
auftreten. Auch die Nebenwirkungen mancher Medikamente und der Entzug von Drogen können Ängste hervorrufen.
Viele Betroffene interessiert vor allem eine Frage: Ist die Generalisierte Angststörung heilbar? Tatsache ist - nur selten verschwinden die Symptome von alleine. Bei vielen Patienten verfestigen sich die ständigen Ängste vielmehr und werden zum ständigen Begleiter.
Wenn aber Menschen mit Generalisierter Angststörung eine Therapie machen, lassen sich Angstsymptome erkennen und reduzieren. Dadurch gewinnen die Betroffenen an Lebensqualität und sind oft auch wieder in der Lage, am Berufs- und Sozialleben teilzunehmen.
Meist wird eine Generalisierte Angststörung mit
Psychotherapie
oder Medikamenten behandelt.
Als Therapieform empfehlen Experten vor allem die Kognitive
Verhaltenstherapie
(KVT) oder eine Psychodynamische Therapie.
Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) konzentriert sich vor allem auf das Verhalten und die Gedanken des Patienten. Zunächst wird dem Betroffenen der Mechanismus der Angststörung erklärt: Die Sorgen verstärken sich gegenseitig und werden immer stärker. Menschen mit Generalisierter Angststörung suchen zudem regelrecht nach Gründen für ihre Sorgen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist daher, die Aufmerksamkeit von negativen Reizen wegzulenken. Der Patient lernt, diese zu hinterfragen und durch realistische Gedanken zu ersetzen.
Ein Hauptproblem der Generalisierten Angststörung ist, dass die Gedanken von einer Sorge zur nächsten springen und diese somit nicht wirklich verarbeitet werden. In der KVT soll sich der Betroffene mit Hilfe des Therapeuten intensiv mit einer Angst auseinandersetzen. Die gedankliche Konfrontation mit beunruhigenden Ereignissen dient dazu, den Patienten an die negativen Vorstellungen zu gewöhnen. Die Angstintensität nimmt so mit der Zeit ab.
Die Psychodynamische Richtung geht davon aus, dass ungelöste Konflikte für die Ängste verantwortlich sind. In der Therapie werden deshalb aktuelle und auch zurückliegende Konflikte aus der Kindheit bearbeitet. Die ambulante Therapie erstreckt sich häufig über mehrere Jahre.
Zur medikamentösen Behandlung werden vor allem Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Escitalopram eingesetzt. Auch Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, (SNRI) wie
Venlafaxin
oder
Duloxetin
haben sich bei einer Generalisierten Angststörungen als sehr wirksam erwiesen.
Die Wirkung tritt allerdings erst ein paar Wochen nach Beginn der Medikamententherapie ein. Um Rückfälle zu vermeiden, werden die Arzneien über einen Zeitraum von mindestens einigen Monaten verschrieben.
Viele Menschen mit Generalisierter Angststörung nutzen Entspannungstechniken, um die medizinische Behandlung mit Psychotherapie oder Medikamenten zu unterstützen. Zur Anwendung kommen beispielsweise Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson.
Es kann auch hilfreich sein, sich auf Hobbies und Aktivitäten zu konzentrieren, die ablenken. Überlegen Sie, was Ihnen Spaß macht und gut tut - vielleicht Musik zu hören oder selbst ein Instrument zu spielen, ins Kino zu gehen, im Garten zu arbeiten oder einen Fahrradausflug zu machen.
Bewegung ist übrigens generell ratsam, weil es Stresshormone abbaut - bei Stress (und nichts anderes ist Angst für den Körper) werden nämlich größere Mengen dieser
Hormone
ausgeschüttet. Seien Sie also körperlich aktiv!
Gegen Symptome wie Anspannung, Nervosität und Schlafstörungen vertrauen manche Menschen auch auf die Wirkung der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie). Beispielsweise wirken Heilpflanzen wie Baldrian, Lavendel, Hopfen, Melisse und Passionsblume beruhigend, entspannend beziehungsweise schlaffördernd.
Besprechen Sie die Anwendung von pflanzlichen Präparaten - als Unterstützung zur medizinischen Therapie - mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin. Er oder sie kann Sie bei der Auswahl eines geeigneten Präparats beraten und mögliche Wechselwirkungen mit Medikamenten, die Sie bereits anwenden, abschätzen.
Die Generalisierte Angststörung verläuft oft chronisch. Je früher die Erkrankung behandelt wird, desto besser stehen die Chancen für eine Heilung. Die Prognose fällt allerdings schlechter aus als bei anderen Angststörungen. Außerdem wird die Generalisierte Angststörung oft nicht erkannt und daher auch nicht therapeutisch behandelt. Das liegt mitunter daran, dass sie selten alleine auftritt, sondern in der Regel durch andere Probleme verdeckt wird.
Wenn jemand an einer Generalisierten Angststörung leidet, sind meist Partner, Verwandte und Freunde mit betroffen und in die Sorgen mit einbezogen. Diese versuchen dann oft, den Betroffenen zu beruhigen ("Nein, mir passiert schon nichts!"). Das kann diesem höchstens kurzfristig helfen, ihm aber nicht die Sorgen wirklich nehmen. Auch sollten Angehörige und Freunde keinesfalls auf Dinge, die sie gerne tun, verzichten, weil sich der Betroffene sonst vielleicht ängsten würde. Das bringt auf Dauer ebenfalls nichts.
Besser ist es, wenn Angehörige und Freunde sich bei Bedarf Hilfe und Rat suchen, zum Beispiel bei Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. Infos dazu bietet "psychenet - Netz psychische Gesundheit" unter: www.psychenet.de.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Generalisierte Angststörung
Generalisierte Angststörung: Beschreibung
Wie verbreitet ist die Generalisierte Angststörung?
Die Generalisierte Angststörung tritt selten alleine auf
Generalisierte Angststörung: Symptome
Sorgen über Sorgen
Körperliche Symptome
Vermeidung und Rückversicherung
Generalisierte Angststörung: Unterschied zur Depression
Generalisierte Angststörung: Ursachen und Risikofaktoren
Generalisierte Angststörung: Untersuchungen und Diagnose
Generalisierte Angststörung: Behandlung
Generalisierte Angststörung: Psychotherapie
Kognitive Verhaltenstherapie
Psychodynamische Therapie
Generalisierte Angststörung: Medikamente
Was Sie selbst tun können
Generalisierte Angststörung: Krankheitsverlauf und Prognose
Was können Freunde und Angehörige tun?
Autoren- & Quelleninformationen