Illness name: bornavirus infektion
Description:
Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.
Das
Bornavirus BoDV-1
ist der Erreger der Borna’schen Krankheit - einer selten bei Menschen auftretenden Tierseuche. Die Viren befallen Feldspitzmäuse, können aber auch auf andere Säugetiere wie Pferde, Katzen und eben Menschen übergehen. Eine lebensgefährliche Gehirnentzündung kann resultieren. Wo ist das Bornavirus verbreitet? Welche Symptome verursacht es? Wie kann man sich vor der Infektion schützen? Die Antworten darauf lesen Sie hier!
Das Bornavirus (BoDV-1) ist ein sogenanntes RNA-Virus. Es löst die
Borna’sche Krankheit
aus, die mit einer meist tödlich verlaufenden Gehirnentzündung (
Enzephalitis
) einhergeht.
Die Borna-Krankheit ist eine
Zoonose
, also eine Infektionskrankheit, die von Tieren auf Menschen übertragen werden kann. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist sehr unwahrscheinlich. Der Erreger BoDV-1 befällt Feldspitzmäuse und kann dann auf andere Säugetiere - einschließlich des Menschen - übergehen. Vor allem bei Pferden und Schafen ist dieses Virus schon seit langem als Ursache der Borna-Krankheit bekannt. 2018 wurde BoDV-1 erstmals bei Menschen als Ursache einer Enzephalitis nachgewiesen.
Allerdings sind Bornavirus-Infektionen bei Menschen
seltene Einzelfälle
. Im Durchschnitt infizieren sich deutschlandweit zwei Personen pro Jahr mit BoDV-1. Die Dunkelziffer ist allerdings wahrscheinlich deutlich höher (liegt aber im niedrigen zweistelligen Bereich). Eine Untersuchung von Gewebeproben des Gehirns bereits verstorbener Enzephalitis-Patienten hat ergeben, dass zwischen 1999 und 2019 mindestens 14 Menschen an der Bornavirus-Infektion gestorben sind. In welchem Ausmaß das Virus insgesamt hinter Hirnentzündungen mit unbekannter Ursache stecken könnte, ist noch unklar.
Seit März 2020 besteht eine
Meldepflicht für Bornavirus-Infektionen
. Wurde das Virus beim Menschen nachgewiesen, muss das betreffende Labor den Fall an das zuständige Gesundheitsamt melden.
Das Virus ist nach der Kreisstadt Borna in Sachsen benannt. Dort starben 1885 hunderte Pferde an zunächst unbekannter Ursache. Erst knapp 100 Jahre später konnten Wissenschaftler das Virus als Todesursache ausmachen.
Einige Jahre länger bekannt als das Bornavirus BoDV-1 ist das Bunthörnchen-Bornavirus, engl. variegated squirrel bornavirus 1 (
VSBV-1
). Es wurde bei Bunt- und Schönhörnchen sowie vereinzelt einigen anderen exotischen Hörnchen nachgewiesen, und zwar in Deutschland, den Niederlanden und Kroatien. In den letzten Jahren gab es einzelne Fälle von VSBV-1-Infektionen bei Züchtern und Tierpflegern, die sich bei infizierten Hörnchen angesteckt und dann eine meist tödlich endende Gehirnentzündung entwickelt hatten.
Wie das Bunthörnchen-Bornavirus in die europäischen Hörnchenhaltungen Eingang gefunden hat und ob auch wildlebende Hörnchen (z.B. Mittelamerika, Asien) infiziert sind, weiß man bislang nicht.
Ebenfalls noch unbekannt sind die Übertragungswege zwischen den Hörnchen sowie auf den Menschen. Wahrscheinlich kann VSBV-1 auf direktem Wege über Biss- oder Kratzverletzungen sowie über Ausscheidungen infizierter Tiere übertragen werden. Als ausgeschlossen gilt, dass ein infizierter Mensch den Erreger an andere Menschen weitergeben kann.
In wildlebenden heimischen Eichhörnchen hat man VSBV-1 bislang nicht gefunden.
Das natürliche Vorkommen des klassischen Bornavirus (BoDV-1) beschränkt sich auf Regionen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz, wo die Feldspitzmaus - der natürliche Wirt des Erregers - verbreitet ist. In Deutschland finden sich diese BoDV-1-Risikogebiete in:
Die Feldspitzmaus ist standorttreu und verlässt ihr Territorium nur selten. Deshalb kommt es nur selten zu einer Ansteckung zwischen Tieren aus zwei verschiedenen Populationen. Dadurch kann sich das Bornavirus nur langsam ausbreiten - die Ausbreitung beschränkt sich auf die genannten Gebiete.
Die Feldspitzmaus kommt außer in den genannten Ländern beispielsweise auch in Italien, Frankreich und Tschechien vor. Dort gab es bislang allerdings keine Nachweise des klassischen Bornavirus (BoDV-1).
Die
Feldspitzmaus
ist der natürliche Wirt von BoDV-1. Sind die Mäuse mit dem Bornavirus infiziert, scheiden sie vermutlich über Speichel, Urin und Kot ansteckende Viruspartikel aus. Über diese Ausscheidungen können sich andere Säugetiere vermutlich via
Schmierinfektion
anstecken. Der genaue Übertragungsweg ist allerdings noch nicht bekannt.
Auch wie das Bornavirus auf den Menschen übertragen wird, ist noch unklar. Denkbar sind aber verschiedene Übertragungswege wie zum Beispiel:
Darüber hinaus wurden Fälle beschrieben, in denen das Virus im Rahmen einer Organtransplantation übertragen wurde (siehe unten).
BoDV-1 ist optimal an die Feldspitzmaus angepasst. In diesem Wirt kann sich der Erreger vermehren und ausbreiten. Dabei kann die Maus lebenslang von dem Virus befallen sein, ohne selbst zu erkranken.
Neben Feldspitzmäusen kann das Bornavirus auch andere Spezies als sogenannte "
Fehlwirte
" befallen. Nach derzeitigem Wissensstand sind das:
Anders als bei der Feldspitzmaus kann sich das Bornavirus nicht im ganzen Körper dieser Fehlwirte ausbreiten. Denn es ist nicht optimal an diese Lebewesen angepasst und provoziert dadurch eine Immunreaktion.
Das Bornavirus kann sich in diesen Fehlwirten nicht vermehren und wird vermutlich auch nicht wieder ausgeschieden. Dadurch sind infizierte Pferde, Schafe oder Menschen wahrscheinlich nicht ansteckend für andere.
Die ersten beim Menschen nachgewiesenen BoDV-1-Infektionen im Jahr 2018 betrafen Transplantatempfänger: Von einem toten Organspender, der unentdeckt mit dem Bornavirus infiziert war, waren damals Organe entnommen und mehreren Menschen eingepflanzt worden. Drei der Transplantatempfänger erkrankten daraufhin an der Borna-Krankheit, zwei davon starben.
Insgesamt kommt das Bornavirus beim Menschen selten vor. Nach aktuellem Wissen besteht die größte Infektionswahrscheinlichkeit beim Kontakt mit infizierten Spitzmäusen oder deren Ausscheidungen in den oben genannten Risikogebieten. Allerdings kommen diese Kontakte selten vor. Ein mögliches Infektionsrisiko besteht zum Beispiel bei Aktivitäten im Freien wie zum Beispiel Gartenarbeit oder Campingausflügen.
Auch bei der Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Bauwesen können Menschen potenziell mit infizierten Tieren oder deren Ausscheidungen in Kontakt kommen. Dasselbe gilt für den Aufenthalt in und vor allem die Reinigung von Gebäuden, in denen Spitzmäuse leben oder lebten.
Die meisten der bekannten BoDV-1-Patienten entwickelten zunächst
unspezifische Symptome
:
Nach einigen Tagen können bei einer Bornavirus-Infektion
neurologische Beschwerden
hinzukommen, zum Beispiel:
Diese Beschwerden entstehen dadurch, dass sich die Bornaviren in die Zellen des zentralen Nervensystems zurückziehen. Im weiteren Verlauf kann sich eine
schwere Gehirnentzündung
(Enzephalitis) entwickeln. Die betroffenen Patienten fallen innerhalb einiger Tage bis Wochen häufig ins Koma. Die Borna’sche Krankheit verläuft unbehandelt tödlich.
Alle genannten Symptome können auch andere Ursachen haben. Tatsächlich steckt nur ganz selten eine Bornavirus-Infektion dahinter. Ernst nehmen sollte man sie trotzdem, besonders neurologische Symptome. So wird etwa eine akute Aphasie meist durch einen
Schlaganfall
verursacht - sicherheitshalber also sofort den Notarzt rufen!
Wenn Sie die oben beschriebenen Symptome bei sich oder einer Person aus Ihrem Umfeld feststellen, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Der Hausarzt ist dabei der erste Ansprechpartner. Er kann die Beschwerden einordnen und Sie gegebenenfalls an einen Spezialisten überweisen.
Die
Anamnese
beinhaltet ein ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch zur
Erhebung der Krankengeschichte
. Der Mediziner kann Ihnen dabei unter anderem folgende Fragen stellen:
Besteht der Verdacht auf eine Enzephalitis, werden Sie umgehend in ein Krankenhaus eingewiesen. Jede Gehirnentzündung ist unbedingt ernst zu nehmen, weil sie lebensbedrohlich werden kann.
Die Laboruntersuchungen zur Diagnose einer Bornavirus-Infektion bei Mensch und Tier können am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin sowie an verschiedenen Universitätskliniken durchgeführt werden. Um den Erreger bei einem Patienten nachzuweisen, gibt es zwei Möglichkeiten:
Mittels
PCR-Test
kann Nervenwasser (
Liquor
) oder Hirngewebe von Verstorbenen auf Erbgut der Bornaviren hin untersucht werden. Selbst kleinste RNA-Schnipsel können dadurch aufgespürt und - nach ausreichender Vervielfältigung - identifiziert werden.
Hierbei wird das
Blut
oder Nervenwasser von potenziell infizierten Menschen oder Tieren auf spezifische Antikörper gegen Bornaviren untersucht: Sobald der Erreger in den Organismus eingedrungen ist, reagiert das Immunsystem des Fehlwirts auf die Fremdlinge und bildet spezifische Antikörper dagegen.
Bei lebenden Patienten ist der Antikörpernachweis meist die einzige Möglichkeit, eine BoDV-Infektion zu bestätigen.
Es gibt noch keine zugelassene Therapie gegen Bornavirus-Infektionen beim Menschen. Experimente mit dem antiviralen Wirkstoff (
Virostatikum
) Ribavirin, der eigentlich zur Behandlung von anderen Viruserkrankungen zugelassen ist, haben gezeigt, dass es auch gegen BoDV-1 wirkt - zumindest auf Zellebene und im Tierversuch.
Die meisten Menschen, die sich mit dem Bornavirus infiziert haben, sterben innerhalb von zwei bis sechs Monaten nach dem Auftreten der ersten Symptome.
Auch für infizierte Tiere gibt es bisher keine wirksame Therapie. Hat das Bornavirus Pferde, Schafe oder Katzen befallen und bricht die Borna’sche Krankheit tatsächlich aus, sterben die meisten Tiere innerhalb weniger Wochen oder Monate nach Symptombeginn.
Weil Bornavirus-Infektionen so selten sind, ist die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, eher gering. Folgende Maßnahmen können aber helfen, das Risiko einer BoDV-1-Infektion weiter zu senken:
Auch Katzen können sich mit dem Bornavirus anstecken. Bislang sind allerdings nur wenige solcher Fälle bekannt. Da es sich auch bei Katzen um einen Fehlwirt handelt, scheiden sie das Virus nach den bisherigen Erkenntnissen nicht aus und können es dadurch auch nicht auf den Menschen übertragen.
Allerdings sollten Sie vorsichtig sein, wenn Sie in einem BoDV-1-Risikogebiet leben und Ihre Katze tote Mäuse mit nach Hause bringt. Dann gelten folgende Ratschläge:
Katzen sind ebenso wie Menschen ein Fehlwirt für das Bornavirus. Eine Ansteckung bei einer infizierten Katze gilt daher als unwahrscheinlich.
Da sich bislang kaum Menschen mit Bornaviren angesteckt haben, ist die Untersuchung infizierter Tiere ein wichtiger Bestandteil der Erforschung des Virus. Tierärzte und Diagnostikeinrichtungen sollten deshalb Bornavirus-Erkrankungen bei Haus-, Zoo- und Wildtieren dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) melden und auch Untersuchungsmaterial der betroffenen Tiere dorthin schicken - für eine Bestätigung der Diagnose und genauere Analysen. Auch für interessante Fälle von Bornavirus-Infektionen bei Vögeln, Reptilien und Säugern interessiert sich das FLI - vor allem bei Verdacht auf neue oder selten vorkommende Varianten von Bornaviren.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.
Bornavirus-Infektion
Kurzübersicht
Was ist das Bornavirus?
Bunthörnchen-Bornavirus
Verbreitung des Bornavirus
Übertragungswege des Bornavirus
Übertragung über Spenderorgane
Wie hoch ist das Infektionsrisiko?
Bornavirus: Symptome
Bornavirus: Diagnose
Anamnese
Laboruntersuchungen
PCR-Nachweis
Antikörpernachweis
Bornavirus: Behandlung und Prognose
Bornavirus: Vorbeugung
Katzen & Bornavirus: Richtiger Umgang
Untersuchung infizierter Tiere
Autoren- & Quelleninformationen