Illness name: facettensyndrom
Description:
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Das
Facettensyndrom
(Facettengelenksyndrom, Wirbelgelenkarthrose) ist eine Erkrankung der Gelenke zwischen den Wirbelkörpern. Sie ist eine der häufigsten Ursachen für Rückenschmerzen. Auslöser ist meist verringerter Abstand zwischen den Wirbelkörpern durch Abnutzung. Lesen Sie hier mehr zu Symptomen, Diagnose und Therapie des Facettensyndroms.
Unter dem Begriff Facettensyndrom fasst man
Rückenschmerzen
zusammen, die vor allem durch Reizung oder Abnutzung der kleinen sogenannten Facetten-Gelenke zwischen den Wirbelkörpern entstehen (siehe unten "Anatomie"). Dabei ist der Abstand zwischen diesen Gelenken entweder durch Abnutzung oder auch durch vergangene Operationen vermindert.
Grund für die Abnutzung ist etwa Verschleiß durch Alter, schwere körperliche Tätigkeit oder langanhaltendes Übergewicht. In manchen Fällen sind auch die Bandscheiben von dem Symptom-Komplex betroffen.
Bereits 1911 haben Ärzte die Facetten-Gelenke als mögliche Ursache für Rückenschmerzen entdeckt. Manche Experten vermuten, dass das Facettengelenk an rund 80 Prozent der Wirbelschmerzen zumindest beteiligt ist – und damit häufig der Grund für Arztbesuche wegen Rückenschmerzen ist.
Je nach dem Ort der Schädigung unterscheidet man ein lumbales, zervikales und thorakales Facettensyndrom. Am häufigsten kommt das lumbale vor, bei dem der Lendenwirbel-Bereich (LWS,
Lendenwirbelsäule
) betroffen ist. Beim zervikalen ist die
Halswirbelsäule
(HWS) betroffen und beim thorakalen Facettensyndrom die
Brustwirbelsäule
(BWS).
Die Facetten-Gelenke, auch Wirbel-Gelenke oder Wirbelbogen-Gelenke genannt, gehören zu den Verbindungen zwischen den Wirbeln. Ist der Abstand, also die Höhe, zwischen den Wirbeln vermindert, funktioniert das Facetten-Gelenk nicht mehr korrekt und wird fehlbelastet. Das führt unter Umständen zu einer Schädigung des Gelenks (
Arthrose
).
Die Wirbelsäule besteht aus 33 Wirbeln. Die Wirbel bestehen jeweils aus einem Wirbelkörper, an den sich hinten der Wirbelbogen anschließt. Der Wirbelbogen umschließt das
Rückenmark
. Zwischen den Wirbelkörpern sitzen die Bandscheiben wie kleine Kissen. Sie sorgen für den Abstand zwischen den Wirbeln, fangen Stöße auf und erlauben vor allem Bewegungen der Wirbel gegeneinander.
Die Wirbelbögen besitzen Fortsätze nach oben und unten. Die Facetten-Gelenke bestehen jeweils aus zwei der unteren Fortsätze eines Wirbelbogens zusammen mit zwei der oberen Fortsätze des darunterliegenden Wirbelbogens. Die Gelenke sind durch eine dünne Knorpelschicht überzogen und von schmerzempfindlichen Nerven durchzogen.
Als Ursache für das Facettensyndrom gelten abnutzungsbedingte Schäden der Wirbelgelenke. Altersbedingter Gelenkverschleiß ist die häufigste Ursache. Diese Wirbelgelenk-Arthrose wird aber auch durch übermäßige Belastung etwa durch Sport, schwere körperliche Arbeit oder langanhaltendes Übergewicht als Risikofaktoren begünstigt. Möglich sind auch Schäden durch Unfälle oder Rücken-Operationen in der Vergangenheit.
Auch Schäden an den Bandscheiben verursachen oft gleichzeitig Arthrosen der Wirbelgelenke. Denn
Bandscheibe
und Facetten-Gelenke stehen in einer engen Wechselbeziehung. Schäden an einer der beiden Strukturen führen meist zur Schäden an der anderen. Neben der Arthrose ist eventuell auch eine Arthritis, also eine Gelenk-Entzündung, ein möglicher Auslöser des Facettensyndroms.
Als weitere mögliche Ursache gelten
Zysten
oder sogenannte Ganglien in der Nähe des Facettengelenks. Ein
Ganglion
ist eine Wucherung des Bindegewebes. Sie entwickelt sich meistens an stark belasteten Bereichen, also vor allem im Lendenwirbel-Bereich (lumbales Facettensyndrom). Frauen sind etwas häufiger davon betroffen. Es handelt sich um eine besonders schmerzhafte Form der Erkrankung.
Skoliosen, also Fehlstellungen der Wirbelsäule, Verengungen des Rückenmark-Kanals (Spinalkanal-Stenosen) sowie Knochenschwund durch Osteoporose sind weitere mögliche Ursachen, die eine krankhaft falsche Haltung auslösen und so unter Umständen zu einem Facettensyndrom führen.
Weitere mögliche Ursachen des Facettensyndroms sind Blockierungen der Wirbel, Instabilität des Gelenks oder reflektorische Muskel-Verspannungen, die oft aus einer Überlastung oder Instabilität der Wirbelsäule resultieren.
Seltener sind auch Tumore oder seit der
Geburt
bestehende Fehlbildungen der Wirbelsäule Ursache für ein Facettensyndrom.
Unter bestimmten Bedingungen – besonders bei schwerer körperlicher Arbeit – ist eine Anerkennung als Berufskrankheit möglich.
Mit entsprechender Behandlung muss in der Regel kein Grad der Behinderung (GdB) - also eine Schwerbehinderung - anerkannt werden. Das ist nur in Einzelfällen und sehr selten notwendig, wenn das Facettensyndrom chronisch mit anhaltenden Schmerzen bestehen bleibt.
In einigen Fällen wurde dabei ein Grad der Behinderung von bis zu 20 Prozent anerkannt. Das ist aber kein Richtwert, sondern abhängig vom Einzelfall.
Hauptsymptom des Facettensyndroms ist Schmerz im Rücken. Dieser Schmerz ist zumeist dumpf, nicht genau lokalisierbar und ein- oder beidseitig. Er ist eventuell auch stechend oder bohrend. Im Laufe des Tages nehmen die Schmerzen oft zu, da die Wirbelsäule durch den aufrechten Gang tagsüber belastet wird, während sie nachts weitgehend entlastet ist. Gleichzeitig berichten Betroffene oft, dass sich die Wirbelsäule morgens oder nach längerer Ruhe steif anfühlt.
Zusätzlich sind im Rahmen des Facettensyndroms auch Hüftbeschwerden bis hin zu Beinkrämpfen möglich. Der Schmerz strahlt dann eventuell bis in die Beine aus und verstärkt sich durch Überstrecken der Wirbelsäule. Aber auch bei Belastung der Wirbelsäule nimmt der Schmerz zu. Insgesamt führen die Symptome eines Facettensyndroms unbehandelt oft zu schweren Einschränkungen im täglichen Leben.
In fast allen Fällen wenden sich Betroffene aufgrund von Rückenschmerzen an ihren Hausarzt oder Orthopäden. Es ist zunächst wichtig, die Schmerz-Symptomatik genau zu untersuchen. Dazu fragt der Arzt nach Details zu den Schmerzen:
Zusätzlich werden dazu oft auch standardisierte Schmerz-Fragebögen eingesetzt.
Bei der
körperlichen Untersuchung
fällt auf, dass im Bereich des Schmerzes ein Druckschmerz besteht. Die Muskulatur seitlich der Wirbelsäule ist oft hart verspannt. Bei einer Überstreckung der Wirbelsäule nach hinten verstärkt sich der Schmerz zusätzlich.
Gleichzeitig bestehen aber in der Regel keine Auffälligkeiten des Nervensystems (neurologische Auffälligkeiten) wie Reflexausfälle, Gefühls- und Empfindungs-Störungen oder Lähmungen. Das Vorliegen solcher Symptome wäre ein Warnzeichen für andere Wirbelsäulen-Erkrankungen wie einen Bandscheiben-Vorfall oder ein schweres Wirbel-Gleiten (
Spondylolisthesis
), bei dem sich einzelne Wirbel nach vorne oder hinten verschieben.
In einigen Fällen lässt sich ein Schaden oder eine Überlastung des Facetten-Gelenks durch
Bildgebung
nachweisen. In der Regel nimmt der Arzt dann ein
Röntgenbild
aus zwei verschiedenen Richtungen (Ebenen) auf. Auch eine
Computertomografie
(CT) oder
Kernspintomografie
(MRT) ist möglich, um Veränderungen der Wirbelgelenke sichtbar zu machen.
Eine weitere Methode, eine Facettensyndrom nachzuweisen, ist die versuchsweise Injektion von lokalen Betäubungsmitteln in den Gelenkbereich (
diagnostische Facetten-Blockade
). Damit werden bestimmte Nerven (Ramus dorsalis der Spinalnerven) betäubt. Darüber werden normalerweise die Schmerz-Signale transportiert. Die Injektion sollte unter Kontrolle durch ein bildgebendes Verfahren wie CT oder MRT erfolgen.
Wie ein Facettensyndrom im Einzelfall behandelt wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Eine Rolle spielen unter anderem die genaue Ursache und der Schweregrad der Beschwerden.
Zunächst versucht man in der Regel, das Facettensyndrom mit
konservativen (nicht-operativen) Methoden
zu behandeln. Experten gehen davon aus, dass eine Linderung der Schmerzen sich nicht nur durch Schonung erreichen lässt, sondern auch durch bestimmte Formen von Bewegung wie
Krankengymnastik
(Physiotherapie).
Weitere Verfahren sind zum Beispiel
Ergotherapie
,
Manuelle Therapie
,
Massagen
und auch die
Rückenschule
, mit der Betroffene ihren Rücken trainieren und rückenschonende Bewegungstechniken erlernen. Diese Unterstützung ist ein entscheidender Pfeiler der Bekämpfung von Schmerzen und um eine instabile Wirbelsäule durch das Facettensyndrom zu vermeiden.
Die Übungen zielen darauf ab, die Muskeln einerseits zu kräftigen, andererseits aber auch zu dehnen und in ihrer Koordination zu verbessern. Die Patienten lernen, mit den Schmerzen umzugehen und sie zu bekämpfen.
Die Behandlung lässt sich durch
Schmerzmedikamente
unterstützen. Oftmals werden sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie
Ibuprofen
oder
Paracetamol
eingesetzt. Bei schweren Schmerzen verschreiben Ärzte eventuell stärkere Medikamente bis hin zu Opioiden. Manchmal sind auch muskelentspannende Wirkstoffe (Muskel-Relaxanzien) sinnvoll.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit besteht darin, in die Nähe des Facetten-Gelenks oder direkt in das Gelenk ein lokales Betäubungsmittel mit oder ohne Kortison zu spritzen. Diese
Facetten-Infiltration
muss dabei sehr präzise platziert sein. Deshalb kontrolliert der Behandelnde die Lage der Injektionsnadel mittels Bildgebung.
Eine längerfristige Linderung der Schmerzen lässt sich durch eine sogenannte
Facetten-Denervierung
erzielen. Dabei wird der schmerzempfindliche Nerv "verödet" (koaguliert). Methoden dazu sind etwa die Radiofrequenztherapie oder die Thermo-Koagulation durch eine Hitzesonde. Das lindert oft die Schmerzen über Monate oder teilweise sogar länger als ein Jahr. Eine Facetten-Denervierung lässt sich aber auch mit
Kältesonden (Kryosonden)
oder einer
Laser-Behandlung
erreichen. Dies sind in der Regel nur kleine Eingriffe per Endoskop.
Wenn die Beschwerden eines Facettensyndroms trotz konservativer Therapiemethoden anhalten, ist auch eine
Operation
möglich, bei der man etwa einen Wirbelsäulen-Abschnitt versteift oder Abstandhalter zwischen die Wirbelkörper implantiert.
Einige Heilberufler bieten auch alternative Methoden wie Osteopathie, Akupunktur oder alternative Schmerz-Therapien wie die Blutegel-Behandlung als Therapie an. Ihre spezifische Wirksamkeit ist jedoch umstritten und durch wissenschaftliche Studien nicht eindeutig belegt.
Die Prognose des Facettensyndroms und die Chance auf Schmerzfreiheit sind vor allem von den Wirbelsäulen-Veränderungen abhängig, die dem Syndrom zugrunde liegen. Oft lässt sich durch eine konsequente Therapie eine nachhaltige Linderung des Schmerzes erreichen. Dies und eine gute Lebensqualität sind das Hauptziel der Therapie des Facettensyndroms.
Wichtig ist dafür vor allem der Aufbau der stabilisierenden Muskulatur. Physiotherapie bietet dazu eine Anleitung zur Selbsthilfe. Das
Facettensyndrom
tritt häufig zusammen mit anderen Wirbelsäulen-Schäden auf und sollte als mögliche Ursache schwerer Rückenschmerzen immer berücksichtigt und spezifisch behandelt werden.
Wie lange man eventuell mit einem Facettensyndrom arbeitsunfähig ist oder ob man trotz der Schmerzen arbeitsfähig ist, hängt von den individuellen Symptomen und der entsprechenden Behandlung ab. Allgemeine Aussagen lassen sich dazu nicht machen.
Dem altersbedingten Verschleiß lässt sich nur in einem gewissen Rahmen vorbeugen. Übergewicht und einseitige Belastungen zu vermeiden, ist dabei hilfreich.
Auch regelmäßige ausgewogene Bewegung durch Sport, bei dem der Rücken gestärkt wird, ist eine gut Vorbeugung gegen das Facettensyndrom und andere Rückenerkrankungen.
Beim Tragen schwerer Lasten und schwerer körperlicher Arbeit gibt es viele entlastende und gelenkschonende Techniken und Hilfsmittel – was etwa einer berufsbedingten Erkrankung und Arbeitsausfall vorbeugt.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Facettensyndrom
Kurzübersicht
Was ist das Facettensyndrom?
Was ist das lumbale Facettensyndrom?
Anatomie: Was sind Facetten-Gelenke?
Ursachen und Risikofaktoren
Wird das Facettensyndrom als Schwerbehinderung anerkannt?
Wie äußert sich ein Facettensyndrom?
Untersuchungen und Diagnose
Behandlung
Krankheitsverlauf und Prognose
Vorbeugen
Autoren- & Quelleninformationen