Illness name: reizblase
Description:
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Menschen mit
Reizblase
leiden unter ständigem, oft überfallsartigem Harndrang, obwohl dann nur geringe Harnmengen abgegeben werden. In manchen Fällen führt die "überaktive Blase" zu unkontrolliertem Harnverlust. Ihre Ursachen sind nicht wirklich geklärt, und die Therapie mit Blasentraining und Medikamenten gestaltet sich mitunter schwierig. Lesen Sie hier alles Wichtige zu Symptomen, Therapie und Diagnose der Reizblase!
Bei einer Reizblase (überaktive Blase, Urethralsyndrom) ist die Funktion der
Harnblase
gestört.
Die Blase fungiert als Sammelbecken für den von den Nieren gefilterten Urin. Da sie dehnbar ist, fasst sie bis zu 500 Milliliter Urin. Allerdings meldet die Blase schon bei circa 300 Milliliter dem
Gehirn
, dass sie bald entleert werden möchte. Wenn jemand uriniert, zieht sich die muskulöse Wand der Blase zusammen und befördert so den Harn aus dem Körper.
Patienten mit Reizblase verspüren wesentlich öfter Harndrang, als körperlich nötig wäre. Nach neuester Leitlinie zur Harninkontinenz der Frau wird der Begriff nur auf die Fälle von Dranginkontinenz angewendet, bei denen keine Harnwegsinfektion oder keine andere Erkrankung eine Auswirkung auf den unteren Harntrakt hat. Die frühere Unterscheidung in eine primäre Reizblase (ohne organische Gründe) und eine sekundäre Form (aufgrund von Erkrankungen wie Tumore, Blasensteine oder Blasenentzündung) wird in der genannten Leitlinie demnach nicht verwendet.
Die Reizblase gilt manchen Ärzten als Ausschlussdiagnose. Wenn sie keine anderen Ursachen für die Beschwerden finden, attestieren sie eine Reizblase. Früher galt sie vor allem als psychosomatische Erkrankung.
Die Reizblase schränkt die Lebensqualität der Betroffenen mitunter erheblich ein. Dennoch meiden viele Betroffene aus verschiedenen Gründen die ärztliche Hilfe. Viele sicherlich aus Scham, andere haben geringe Erwartung an die Therapie oder sind der Auffassung, eine Reizblase sei eine normale Alterserscheinung. Dabei tritt eine Reizblase altersunabhängig auf, auch wenn sie mit zunehmendem Alter häufiger wird.
Besonders betroffen sind Frauen, vor allem im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Insgesamt ist das Krankheitsbild weit verbreitet: Eine Studie, die übergreifend in fünf Ländern durchgeführt wurde, ergab, dass rund 13 Prozent der Frauen und zehn Prozent der Männer an einer Reizblase leiden.
Bei Kindern unterscheidet man zwischen einer Inkontinenz am Tag, zu der die Dranginkontinenz gehört, und dem Einnässen im Schlaf (
Enuresis
nocturna) nach dem fünften Lebensjahr.
Grundsätzlich sind die Reizblase-Symptome denen eines Harnweginfektes ähnlich. Menschen mit Reizblase leiden demnach unter
häufigem Harndrang
(Pollakisurie). Das bedeutet, dass jemand innerhalb von 24 Stunden mindestens acht Mal urinieren muss. Als sehr belastend empfinden viele Betroffene den damit verbundenen
sehr plötzlichen Harndrang
, der oft ohne Vorwarnung einsetzt. Er hat manchmal zur Folge, dass unfreiwillig Urin abgeht – angefangen von wenigen Tropfen bis hin zu größeren Mengen. Der große Druck, auf die Toilette zu müssen, gepaart mit dem unwillkürlichen Harnverlust, wird auch als
Dranginkontinenz
bezeichnet.
Ein weiteres mögliches Reizblase-Symptom ist die sogenannte
terminale Dysurie
– Betroffene haben Schmerzen gegen Ende des Wasserlassens, weil sich die Blase beim Entleeren schmerzhaft verkrampft. Ein Brennen, das bei einer Harnwegsinfektion häufig auftritt, kommt bei einer klassischen Reizblase ohne bekannte Ursache typischerweise nicht vor.
Eventuell tropft Urin noch kurz nach dem Wasserlassen nach. Ärzte sprechen dann vom sogenannten
Nachträufeln
. Auch nachts sind die Symptome mitunter präsent und stören den Schlaf entscheidend (
nächtlicher Harndrang
=
Nykturie
).
Die Reizblase-Symptome führen zu einem hohen Leidensdruck und beeinträchtigen die Lebensqualität. Betroffene sind stets darauf bedacht, sich in der Nähe einer Toilette aufzuhalten. Der Verlust der Kontrolle über die Blasenkontinenz bedeutet mitunter einen schweren Einschnitt in der Lebensführung.
Angst
verstärkt möglicherweise die Symptomatik zusätzlich.
Es gibt keine einheitliche Reizblase-Therapie. Der Arzt wird sie vielmehr in Abstimmung mit dem Patienten und seinen individuellen Zielen gestalten. Grundsätzliche Therapiemöglichkeiten bei Reizblase sind beispielsweise Blasentraining, Beckenbodentraining, Biofeedback, Methoden der Nervenstimulation, Medikamente und chirurgische Eingriffe. Hinzu kommen die richtige Aufklärung und allgemeine Tipps durch den Arzt.
Wichtig bei einer Reizblase ist ein offenes und ehrliches Gespräch zwischen Arzt und Patient über die Möglichkeiten und Ziele der Behandlung. Dies verhindert Enttäuschungen und Missverständnisse.
Der Arzt sollte den Patienten zudem über einfache, aber wichtige Maßnahmen zur Verbesserung seiner Lebensqualität aufklären. Dazu zählen Informationen zur richtigen Intimpflege und zur Vorbeugung von Harnwegsinfekten. Letztere verstärken gelegentlich die Reizblase-Symptome.
Oft helfen schon kleine Veränderungen der Gewohnheiten, um die Beschwerden zu verbessern. Zum Beispiel sollten Reizblase-Patienten kurz vor dem Schlafen auf harntreibende Getränke verzichten. Über den Tag verteilt ist aber eine ausreichende Trinkmenge sehr wichtig – diese sollte nicht aus Angst vor noch stärkeren Symptomen reduziert werden.
Blasentraining, Beckenbodentraining und Biofeedback sind effektive Behandlungsmethoden bei Reizblase, die allein oder in Kombination mit Medikamenten durchgeführt werden. Sie zielen auf eine bessere, aktive Kontrolle des Harndrangs ab.
Beim
Blasentraining
geht es darum, bei auftretendem Harndrang den Toilettengang bewusst einige Minuten hinauszuzögern. Dieses Zeitintervall soll dann kontinuierlich gesteigert werden, bis letztlich etwa drei bis vier Stunden zwischen aufeinanderfolgenden Toilettengängen liegen.
Zusätzlich lässt sich anhand eines Miktionsprotokolls die
individuelle Blasenkapazität ermitteln
. Angepasst daran legt man feste Toilettenzeiten fest, sodass es nicht zur Dranginkontinenz kommt. So werden zunächst Zeitintervalle nach der Uhr für Toilettengänge bestimmt, die im Laufe der Zeit vergrößert werden.
Regelmäßiges
Beckenbodentraining
eignet sich ebenfalls zur Reizblase-Behandlung. Es stärkt die Beckenbodenmuskulatur, die den Harnröhrenschließmuskel in seiner Funktion unterstützt. Als besonders effektiv bei Reizblase gilt eine Kombination aus Beckenbodentraining und Elektrostimulation (
Elektrotherapie
, Reizstromtherapie).
Auch
Biofeedback
hilft möglicherweise bei einer Reizblase. Mehr über diese Therapiemethode erfahren Sie
hier
.
Für die medikamentöse Behandlung der überaktiven Blase setzt man in der Regel auf sogenannte Anticholinergika. Manchmal ist auch eine lokale Behandlung mit dem weiblichen Sexualhormon Östrogen sinnvoll. In bestimmten Fällen kommen weitere Wirkstoffe in Betracht, beispielsweise das Nervengift
Botox
.
Mehr darüber, wie sich die Reizblase medikamentös behandeln lässt, lesen Sie im Beitrag
Reizblase – Medikamente
.
Eine andere Therapievariante oder Erweiterung der medikamentösen Therapie ist die
Reizstromtherapie
: Über drei bis sechs Monate wird die Beckenbodenmuskulatur gezielt mit schwachem Reizstrom aktiviert. Dies ist etwa sinnvoll, wenn die medikamentöse Therapie nicht erfolgreich war oder die Nebenwirkungen, vor allem
Mundtrockenheit
oder
Sehstörungen
, überwiegen.
Wenn sich trotz der Reizstromtherapie die Reizblase-Symptome nicht deutlich verbessern, wird der Arzt es mit einer
sakralen Neuromodulation
versuchen. Dabei wird der Kreuzbein-Nervenknoten (sakraler Nervenplexus) durch die
Haut
hindurch elektrisch stimuliert, um die Blasenfunktion wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Zunächst wird mit einem externen Impulsgeber getestet, ob diese Therapievariante funktioniert. Ist dies der Fall, wird als langfristige Lösung ein
Blasenschrittmacher
implantiert, der diese Impulsgebung übernimmt.
Wenn die genannten Therapieverfahren keine Abhilfe bieten und die Symptomatik sehr schwer ist, kommen als letzte Therapiemöglichkeit operative Verfahren in Betracht. Beispielsweise ist es möglich, die Harnblase operativ zu vergrößern (
Blasenaugmentation
), etwa mit einem Stück des Dünndarms. Eine andere Möglichkeit ist die
Entfernung der Blase
(
Zystektomie
) unter Schaffung einer Ersatzblase (Neoblase) aus Darmabschnitten.
Manche Betroffene setzen zusätzlich zur Schulmedizin auf alternative Therapien gegen die Reizblase – Homöopathie beispielsweise (wie homöopathische Präparate mit Nux vomica). Auch der Gelbe Jasmin, Gelsemium, soll bei einer überaktiven Blase helfen. Es gibt Hinweise, dass diese Pflanze krampflösende und entzündungshemmende Wirkungen hat.
Einige Reizblase-Patienten berichten von positiven Erfahrungen mit Akupunktur.
Als Hausmittel bei überaktiver Blase (und bei Beschwerden des Wasserlassens aufgrund von Prostataproblemen) sind zudem die Samen des Gartenkürbis (Cucurbita pepo) bekannt. Es werden beispielweise Präparate mit ganzen oder grob zerkleinerten Samen verwendet.
Einen wissenschaftlichen Beleg für die Wirksamkeit dieser alternativen Methoden und Hausmittel gibt es bislang nicht. Wenn die Beschwerden über einen längeren Zeitraum bestehen, nicht besser oder sogar schlimmer werden, ist ein Arztbesuch ratsam.
Mehr darüber, welche weiteren pflanzlichen Medikamenten bei einer Reizblase in Frage kommen, lesen Sie im Beitrag
Reizblase – Medikamente
.
Eine Reizblase tritt oftmals als Folge von Schwangerschaft und Geburt und vor allem im Alter auf. Die Ursachen einer Reizblase sind wissenschaftlich noch nicht ganz ergründet.
In der Regel lässt sich kein konkreter Grund für die Beschwerden finden. Experten vermuten, dass es bei den Betroffenen zur fehlerhaften Weiterleitung von Nervenimpulsen kommt, die dem Gehirn melden, dass die Blase geleert werden muss, obwohl diese ihre Füllgrenze noch lange nicht erreicht hat. Das bedeutet eine erhöhte Sensitivität der Blasenmuskulatur. Andererseits ist die Wahrnehmung des erhöhten Blasendrucks durch Füllung und Anspannung bei der Reizblase reduziert, sodass es zu einem plötzlichen Harndrang kommt.
Selten sind sexuelle oder psychische Traumata Auslöser einer Reizblase.
Ein Mangel an Östrogen, dem weiblichen Geschlechtshormon, der typischerweise nach den Wechseljahren auftritt, löst manchmal eine Dranginkontinenz aus.
Eine Pilzinfektion wird nicht als Ursache einer Reizblase gesehen. Umgekehrt ist es mitunter möglich, dass bei häufigem Abgang von Urin die Haut aufgeweicht wird (sogenannte Mazeration). Die Mazeration begünstigt eine Infektion, da potenzielle Keime in dem für sie günstigen feuchten Mikroklima einfacher in die aufgeweichte Haut eindringen.
Eine Senkung der Blase, der Scheidenregion oder eine
Gebärmuttersenkung
rufen möglicherweise eine Inkontinenz, insbesondere bei Belastung (wie
Husten
), hervor. Neben dem schmerzhaften Wasserlassen treten hier mitunter Schmerzen im Unterleib oder an der
Wirbelsäule
sowie ein Druckgefühl in der Scheide auf. Experten zählen dies nicht zu einer überaktiven Blase, da durch andere Erkrankungen ausgelöste Inkontinenz nicht darunterfällt.
Eine Reizblase wird von Betroffenen oft als "peinliches" Problem erachtet. Trotzdem sollte das niemanden davon abhalten, sein Leiden offen bei einem Arzt anzusprechen. Bei Verdacht auf eine überaktive Blase ist es ratsam, sich zunächst an den Hausarzt zu wenden. Dieser stellt bei Bestätigung der Diagnose eine Überweisung an einen Urologen oder bei Frauen eventuell an einen Gynäkologen aus.
Der Arzt führt erst einmal ein Gespräch, um die Probleme näher zu erfassen (Anamnese). Dabei stellt er eventuell solche Fragen:
Es ist besonders wichtig, dass Sie Ihre Medikamenteneinnahme genau beschreiben. Es gibt nämlich eine Vielzahl von Präparaten, die mitunter zu Symptomen einer Reizblase führen. Ein Beispiel dafür sind Wirkstoffe, die gegen
Bluthochdruck
verordnet werden. Sie lösen mitunter erhöhten Harndrang und häufiges Wasserlassen aus.
Es ist oftmals hilfreich, schon vor dem Gang zum Arzt ein Miktions-Protokoll zu führen. Darin werden jeden Tag Trinkmenge und Toilettengänge verzeichnet. Diese Aufzeichnungen helfen dem Arzt, die Ursachen der "nervösen" Blase zu finden.
Im Anschluss an das Gespräch folgt die körperliche Untersuchung, die organische Gründe als Ursache für die Symptome der Reizblase ausschließt. Grundlage dafür bildet die
Inspektion des Urogenitaltrakts
. Bei Männern wird bei dieser Gelegenheit die
Prostata
und bei Frauen die
Gebärmutter
untersucht. Diese beiden Organe verursachen manchmal ähnliche Beschwerden.
Die wichtige alternative Diagnose zur Reizblase ist ein Harnwegsinfekt. Um ihn auszuschließen, wird eine
Urinprobe
genommen und auf pathogene Keime untersucht. Bei einer Reizblase bleibt der Erregernachweis negativ.
Ein Symptom der Reizblase ist, dass manche Betroffene nicht in der Lage sind, die Blase richtig zu entleeren. Dies stellt der Arzt fest, indem er direkt nach einem Toilettengang via
Ultraschalluntersuchung
kontrolliert, ob sich noch Restharn in der Blase befindet. Wenn ja, erfordert das weitere Untersuchungen zur Abklärung.
Alternativ führen Urologen eine sogenannte
urodynamische Untersuchung
durch. Mithilfe von Drucksonden und Elektroden wird hierbei die Funktion der Blase und der abführenden Harnwege überprüft. So lassen sich das Fassungsvermögen der Blase bestimmen und die Verschlussmechanismen (vor allem die Blasenschließmuskeln) testen.
Ein
Abstrich aus den unteren Harnwegen
zeigt möglicherweise, ob ein lokaler Östrogenmangel die Symptome der Reizblase auslöst. Ein solcher Hormonmangel führt nämlich zu Veränderungen der oberflächlichen Zellen, was sich mit dem sogenannten karyopyknotischen Index erfassen lässt.
Es ist möglich, bereits bei einem Verdacht auf eine Reizblase den
Therapieversuch
mit einem Medikament aus der Gruppe der sogenannten Anticholinergika zu starten. Sollte dies wirksam sein, ist die Diagnose erhärtet.
Der Arzt wird bei einer Reizblase versuchen, unbedingt
andere Erkrankungen auszuschließen
– also beispielsweise Ursachen wie Blasensteine. Dabei hilft etwa eine Ultraschalluntersuchung.
Vermutet der Arzt seelische oder sexuelle Traumata als Auslöser der Reizblasen-Symptome, wird er möglichst sensibel das Thema ansprechen und gegebenenfalls die Psychosomatik der Erkrankung mit in die Behandlung einbeziehen.
Manchmal lässt sich eine hyperaktive Blase durch einfache Mittel gut behandeln, eine sofortige Abhilfe, um die Reizblase zu beruhigen, gibt es aber bisher nicht. Die Therapie gestaltet sich gelegentlich schwierig und langwierig. In den meisten Fällen allerdings lindert die Behandlung die Reizblase-Symptome zumindest deutlich, wenn sie sie auch nicht immer vollständig beseitigt.
Die ärztliche Begleitung bei einer Reizblase ist sehr wichtig. Der behandelnde Arzt sollte immer wieder Wirkung und Nebenwirkungen der Therapie gegeneinander abwägen. Zudem empfiehlt es sich, die Funktion des Urogenitaltrakts regelmäßig zu prüfen, um Schäden durch die Reizblase frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Reizblase
Kurzübersicht
Was ist eine Reizblase?
Welche Symptome treten auf?
Wie wird eine Reizblase behandelt?
Aufklärung und allgemeine Tipps
Blasentraining, Beckenbodentraining, Biofeedback
Medikamente gegen Reizblase
Stimulation der Nerven
Operative Eingriffe
Alternative Reizblase-Therapie
Was sind die Ursachen einer Reizblase?
Welche Untersuchungen und Diagnosen gibt es?
Weiterführende Untersuchungen
Wie sind Krankheitsverlauf und Prognose?
Autoren- & Quelleninformationen