Illness name: toxisches schocksyndrom
Description:
Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.
Das toxische Schocksyndrom (TSS) ist eine plötzlich auftretende und lebensbedrohliche Komplikation infolge einer bakteriellen Infektion. Unbehandelt führt das TSS zum Multiorganversagen. Betroffen sind oftmals junge Frauen, die Tampons verwenden. Lesen Sie hier, wie es entsteht und welche Symptome dabei auftreten!
Das toxische Schocksyndrom (TSS) ist eine akute und lebensbedrohliche Erkrankung, die durch die Giftstoffe zweier Bakterienarten ausgelöst wird. TSS galt früher als „Tamponkrankheit“. Tampons begünstigen zwar tatsächlich die Entstehung eines TSS, sind aber nicht ausschließlich dafür verantwortlich. Die krankheitsauslösenden Bakterien (Streptokokken und Staphylokokken) können auch über andere Wege in den Körper gelangen und einen toxischen
Schock
auslösen. Der Begriff „Syndrom“ beschreibt, dass beim TSS mehrere typische Symptome gleichzeitig auftreten.
Typisch für das toxische Schocksyndrom ist, dass es schnell fortschreitet und unbehandelt schwere Organschäden bis hin zum Multiorganversagen verursacht. Umso wichtiger ist es, die Symptome zu kennen und bereits bei den ersten Anzeichen ärztliche Hilfe anzufordern.
TSS kann bei Frauen, Männern und Kindern auftreten, vorwiegend sind jedoch jüngere Frauen betroffen. Laut RKI traten rund 92 Prozent aller bisher beschriebenen Fälle bei Frauen (Durchschnittsalter: 23 Jahre) auf, die während ihrer Menstruation Tampons verwendeten. Insgesamt ist das TSS aber sehr selten: Schätzungen zufolge erkranken jährlich drei bis sechs von 100.000 Frauen daran.
Das toxische Schocksyndrom wird durch die Giftstoffe zweier Bakterienarten ausgelöst:
Beide Bakterienarten sind weit verbreitet und kommen bei vielen Menschen in geringer Menge natürlicherweise auf der
Haut
und den Schleimhäuten (wie in der
Nase
und in der Vagina) vor, ohne Krankheitssymptome auszulösen. Die „Besiedelung“ mit diesen Bakterien alleine stellt noch keine Gesundheitsgefahr dar.
Die natürliche Haut- und Schleimhautbarriere sorgt dafür, dass die Bakterien nicht ins Innere des Körpers gelangen und sich dort vermehren. Zudem bildet das Immunsystem Abwehrstoffe (Antikörper) gegen die Erreger und hält sie damit unter Kontrolle. Grundsätzlich gilt: Je höher das Alter, desto geringer die Wahrscheinlichkeit für Streptokokken- und Staphylokokken-Infektionen. Im späteren Erwachsenenalter haben rund 90 Prozent aller Menschen Antikörper dagegen entwickelt.
Ein TSS entwickelt sich nur, wenn das Immunsystem mit besonders vielen Staphylokokken oder Streptokokken konfrontiert ist, zuvor aber noch keinen Kontakt damit hatte und deswegen noch keine Antikörper dagegen entwickelt hat. Das Immunsystem ist dann nicht in der Lage, die Erreger zu neutralisieren.
Staphylokokken und Streptokokken können über verschiedene Wege ins Innere des Körpers gelangen und sich dort vermehren.
Hautwunden oder -infektionen:
Wunden oder Infektionen der Haut stören die natürliche Hautbarriere. Die Erreger gelangen ungehindert in den Körper und vermehren sich dort. Auslöser sind beispielsweise Verletzungen der Haut oder chirurgische Wunden, Infektionen durch Verbrennungen oder
Insektenstiche
.
Schleimhäute:
Gleiches gilt für die Schleimhäute, auch sie bilden eine natürliche Barriere, um Krankheitserreger abzuwehren. So ermöglichen Verletzungen (die z.B. bei Verwendung von Menstruationstassen entstehen) oder Infektionen der Vaginalschleimhaut (nach der
Geburt
, im
Wochenbett
) den Bakterien, leichter in die Haut einzudringen. Tampons stören das Gleichgewicht der Scheidenflora, indem sie der Schleimhaut
Magnesium
entziehen. In einer Magnesium-armen Umgebung können sich Staphylokokken leichter vermehren.
Streptokokken und Staphylokokken sind Bakterien, die Giftstoffe (Toxine) produzieren. Diese Gifte werden auch „Superantigene“ genannt. Sie lösen im Vergleich zu „normalen“ Antigenen (Krankheitserregern) eine überschießende und unkontrollierte Immunantwort aus, indem sie Immunzellen (T-Zellen) dazu bringen, übermäßig viele Botenstoffe (Zytokine) auszuschütten. Diese verursachen letztlich in allen Organsystemen starke Entzündungsreaktionen, die wiederum für den toxischen Schock verantwortlich sind.
Zu den Risikofaktoren für das TSS zählen u.a.:
Ein toxisches Schocksyndrom entwickelt sich innerhalb weniger Stunden. Das TSS beginnt typischerweise sehr plötzlich mit hohem Fieber über 39°C. Hinzu kommen Symptome, die zunächst an eine
Erkältung
oder
Grippe
denken lassen. Dazu zählen beispielsweise Kopf- und
Muskelschmerzen
, Übelkeit, Erbrechen oder
Durchfall
.
Die Erkrankung schreitet in der Regel sehr schnell voran, der Organismus gerät durch die Bakteriengifte in einen Schockzustand: Der Blutdruck fällt stark ab, was sich durch zunehmende Schwäche und Benommenheit bemerkbar macht. Der starke Blutdruckabfall führt binnen weniger Stunden bis Tage dazu, dass die inneren Organe nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden. Es drohen schwerwiegende Funktionsstörungen (eingeschränkte
Nierenfunktion
, akutes Atemnotsyndrom, Koma) bis hin zum Multiorganversagen. Bei etwa zehn Prozent der Betroffenen entwickelt sich vor allem an den Handflächen und Fußsohlen nach ein bis zwei Wochen ein sonnenbrandähnlicher Ausschlag.
Rufen Sie bei den ersten Anzeichen für ein TSS den Notarzt, insbesondere dann, wenn Sie gerade menstruieren und Tampons oder Menstruationstassen verwenden!
Das TSS ist eine Erkrankung, die eine schnelle Diagnose erfordert. Der Arzt stellt sie in der Regel anhand der typischen Symptome und des Erregernachweises.
Die Diagnose ist sicher, wenn feststeht, dass mindestens drei Organsysteme betroffen sind. Das können sein:
Zusätzlich versucht der Arzt, das krankheitsauslösende Bakterium nachzuweisen. Dafür entnimmt er Tupferproben vom verdächtigen Infektionsort (Wunde, Nase, Vagina) und untersucht diese auf das Vorhandensein des Erregers.
Bei etwa 60 Prozent aller TSS-Fälle, die durch Streptokokken ausgelöst werden, findet sich der Erreger auch im Blut, bei Staphylokokken-Infektionen ist das nur bei fünf Prozent der Fall.
Infektionsherde im Inneren des Körpers (beispielsweise ein Abszess) lokalisiert der Arzt durch eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder
Computertomografie
(CT).
Das toxische Schocksyndrom erfordert immer eine sofortige intensivmedizinische Behandlung. Je früher es behandelt wird, desto besser sind die Chancen auf vollständige Heilung.
Entfernung der auslösenden Ursache
: Ist ein Tampon (oder eine Menstruationstasse) Auslöser des TSS, muss es unverzüglich herausgenommen werden. Ähnliches gilt für Wunden: Der Arzt entfernt den Infektionsherd, indem er die Wunde säubert und desinfiziert. Liegt der Herd im Inneren des Körpers – wie etwa bei einem Abszess – ist unter Umständen eine Operation notwendig.
Bekämpfung der bakteriellen Infektion:
Antibiotika wirken gegen Bakterien, indem sie diese abtöten oder ihre weitere Vermehrung blockieren. Beim TSS erhält der Patient üblicherweise eine Kombination aus Beta-Laktam-Antibiotika und dem Wirkstoff
Clindamycin
. Manchmal ist es notwendig, auf andere Antibiotika umzusteigen.
Kreislaufstabilisierung:
Besonders wichtig ist es, den Kreislauf wieder zu stabilisieren. Um den Blutdruck zu steigern, erhält der Patient Flüssigkeit über eine
Infusion
. Falls nötig, werden die
Blutgefäße
zusätzlich mit Medikamenten wie Vasopressin verengt.
Neutralisierung der Bakteriengifte:
Sogenannte Immunglobuline helfen, die von den Bakterien gebildeten Giftstoffe wirkungslos zu machen.
Hemmung des überschießenden Immunsystems:
Kortikoide wirken stark entzündungshemmend und helfen, die überschießende Reaktion des Immunsystems unter Kontrolle zu bringen.
Aufrechterhaltung der Organfunktionen (Leber,
Niere
,
Herz
,
Lunge
, Blut):
Sind bereits innere Organe durch die Bakteriengifte angegriffen, versucht der Arzt, ihre Funktion aufrechtzuerhalten. Die Behandlung ist dabei abhängig vom jeweiligen Organ: Ist etwa die Lunge beteiligt (wie beispielsweise beim akuten Atemnotsyndrom) ist mitunter eine künstliche
Beatmung
notwendig, Funktionsstörungen der Niere erfordern unter Umständen eine
Dialyse
.
Um einem TSS vorzubeugen ist es wichtig, Wunden oder Infektionen, an denen Streptokokken oder Staphylokokken beteiligt sind, rechtzeitig zu behandeln. Dazu zählen beispielsweise Hautwunden, vaginale Infektionen nach einer Geburt oder Infektionen nach Verbrennungen.
Grundsätzlich gilt: Je früher ein TSS diagnostiziert und behandelt wird, desto günstiger ist die Prognose. Sie ist auch davon abhängig, welche Bakterienart die Erkrankung verursacht hat. Ein durch Staphylokokken hervorgerufenes TSS verläuft meist weniger schwerwiegend, 97 Prozent der Patienten werden wieder vollständig gesund.
Beim Streptokokken-TSS ist die Prognose in erster Linie vom Alter des Patienten abhängig: Während Kinder die Erkrankung in den allermeisten Fällen gut überstehen, ist die Überlebensrate bei Erwachsenen deutlich geringer.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.
Toxisches Schocksyndrom
Kurzübersicht:
Was ist das toxische Schocksyndrom?
Häufigkeit
Wie entsteht ein toxisches Schocksyndrom?
Wie gelangen die Erreger in den Körper?
Warum sind Streptokokken und Staphylokokken so gefährlich?
Risikofaktoren
Wie erkenne ich ein TSS?
Diagnose
Beurteilung der Symptome
Erregernachweis
Weiterführende Untersuchungen
Wie wird das TSS behandelt?
Vorbeugung
Allgemeine Vorbeugung
Tipps für Mädchen und Frauen, die Tampons oder Menstruationstassen verwenden
Prognose
Autoren- & Quelleninformationen