Illness name: borderline syndrom
Description:
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Das
Borderline-Syndrom
ist eine schwere Persönlichkeitsstörung. Das Leben der Betroffenen ist gekennzeichnet von Impulsivität und Instabilität. Gefühle, Gedanken und Einstellungen ändern sich häufig innerhalb kürzester Zeit. Hinter der Borderline-Störung verbergen sich oft traumatische Erlebnisse in früher Kindheit. Mittlerweile bieten spezielle therapeutische Angebote Hoffnung auf eine Besserung. Lesen Sie hier, wie man ein Borderline-Syndrom erkennt und welche Therapie Borderlinern möglicherweise hilft.
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) gehört zu den sogenannten "emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen". Menschen mit dieser schweren psychischen Störung leiden unter ihren intensiven und unkontrollierbaren Emotionen. Zu den Hauptmerkmalen dieser Störung gehören laut der Borderline-Definition starke Schwankungen der Stimmung sowie heftige Wutausbrüche. Auch ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken ist typisch für Borderliner.
Die WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) unterteilt Menschen mit emotional instabilen Persönlichkeiten zusätzlich in zwei verschiedene Typen: den
Impulsiven Typ und den Borderline-Typ.
Um dem
Impulsiven Typ
zugeordnet zu werden, müssen bestimmte Merkmale vorhanden sein. Zum Beispiel die Neigung zu Streitereien oder impulsiven, unerwarteten Handlungen ohne auf mögliche Folgen zu achten. Auch die Neigung zu unkontrollierten Wut- oder Gewaltausbrüchen und starke Stimmungsschwankungen gehören dazu.
Typische Merkmale des
Borderline-Typs
sind, neben der ebenfalls vorliegenden Neigung zu Streitigkeiten, Unsicherheiten im Selbstbild beziehungsweise in der eigenen Identität, Neigung zu intensiven, aber instabilen Beziehungen,
Angst
vorm Verlassenwerden. Zudem kommt häufig die Androhung oder Durchführung von Selbstverletzungen und ein dauerhaftes Gefühl der Leere.
Die meisten Borderliner haben zudem Schwierigkeiten, eine Berufsausbildung abzuschließen. Manche verbringen insgesamt Jahre ihres Lebens in psychiatrischen Kliniken. Erst um das dreißigste Lebensjahr herum nimmt die Intensität des Borderline-Syndroms langsam ab, und die heftigen Gefühlsstürme verebben.
Ein (seröser) Borderline-Tumor ist ein nicht-krebsartiger Tumor an den Eierstöcken und hat nichts mit der psychischen Erkrankung Borderline-Syndrom zu tun.
In der Bevölkerung sind durchschnittlich etwa 1,6 Prozent von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen. In Deutschland entspricht das ungefähr einer Millionen Menschen zwischen dem 18. und 60. Lebensjahr (Statistisches Bundesamt 2017). Unter den jungen Menschen ist die Krankheit mit über 6 Prozent überdurchschnittlich oft vertreten.
Die Borderline-Krankheit entwickelt sich oft in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter. Die ersten Anzeichen für die psychische Störung treten teilweise bereits im Kindesalter auf, es ist jedoch schwierig, Borderline bei Kindern zu diagnostizieren. Auffällige Anzeichen sind bei Kindern und auch Jugendlichen häufig nicht eindeutig dem Borderline-Syndrom zuzuordnen. Bei einem Verdacht auf eine Borderline-Erkrankung im jungen Alter sprechen Experten von einer Borderline-Entwicklungsstörung.
Früher galten junge Frauen als besonders anfällig für die Borderline-Störung. Neuere Untersuchungen weisen aber darauf hin, dass die Geschlechter-Verteilung ausgeglichen ist. Zwar sind bis zu 80 Prozent der Patienten in Therapie weiblich. Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass sich Borderline bei Männern anders äußert als bei Frauen. Männliche Borderliner neigen unter Umständen stärker zu Gewalt gegen andere und landen daher eher in Jugendstraf-Einrichtungen als in einer therapeutischen Anstalt.
Menschen mit Borderline, die ein Kind erwarten, haben oft große Selbstzweifel und Sorge, dem Kind nicht gerecht zu werden. Wenn Mutter oder Vater am Borderline-Syndrom leiden, bedeutet das jedoch nicht automatisch, dass auch die Kinder psychische Schwierigkeiten haben werden. Betroffene Eltern, die bereit sind, sich in therapeutische Behandlung zu begeben und an ihrem typischen Borderline-Verhalten zu arbeiten, bieten möglicherweise ihrem Kind den nötigen Schutz vor der Erkrankung.
Eltern mit Borderline haben – wie andere Eltern auch – die besten Absichten für ihre Kinder. Diese überfordern sie aber häufig. Häufig haben beispielsweise Mütter mit Borderline-Syndrom sehr hohe Ansprüche an sich und wollen dem Kind ein besseres Leben als das ihre ermöglichen. Es besteht die Gefahr, dass sie den Nachwuchs überbehüten und ihm kaum Raum zur Entwicklung geben.
Bei Eltern mit schwer ausgeprägten Borderline-Symptomen leiden die Kinder sehr unter den Auswirkungen der psychischen Störung. Sie sind den Stimmungsschwankungen der Eltern hilflos ausgesetzt. Der Wechsel zwischen liebevoller Nähe und Abweisung verunsichert die Kinder, und sie verlieren das Vertrauen in die Eltern.
Wenn die Kinder merken, dass ihre Eltern nicht in der Lage sind, den Alltag zu meistern, übernehmen sie die Rolle des Erwachsenen. Experten bezeichnen das als Parentifizierung. Die Kinder bemühen sich, die Bedürfnisse der Eltern zu erfüllen und stecken ihre eigenen zurück. Diese Rollenumkehr erzeugt bei den Kindern meist psychische Probleme, die manchmal ein Leben lang anhalten.
Viele Patienten mit Borderline-Syndrom wurden in ihrer eigenen Kindheit vernachlässigt oder misshandelt. Ein eigenes Kind ruft möglicherweise Erinnerungen an solche traumatischen Ereignisse wach. Die Betroffenen fühlen sich dadurch wieder in die Kinderrolle versetzt und sind häufig nicht in der Lage, ihr eigenes Kind angemessen zu versorgen. Die Elternrolle überfordert sie, erzeugt Aggression – und in manchen Fällen auch Gewalt gegen die Kinder.
Viele Gründe also, warum es ratsam ist, sich als Eltern mit Borderline-Syndrom unbedingt Hilfe zu suchen. Es besteht die Möglichkeit, dass ein Therapeut die Familie auf ihrem Weg begleitet. Die Eltern haben mit entsprechender Unterstützung gute Chancen, zu lernen, wie sie die Bedürfnisse ihres Kindes erkennen. Wenn die Kinder über die Krankheit der Mutter oder des Vaters aufgeklärt werden, haben sie ein besseres Verständnis für schwierige Situationen.
Ein typisches Borderline-Verhalten ist es, andere Menschen zunächst zu idealisieren, diese aber bei der geringsten Enttäuschung stark abzuwerten. Das macht Beziehungen zu Angehörigen, Freunden und auch Lebenspartner sehr schwierig.
Weitere Informationen zu den Beziehungen von Borderline-Patienten finden Sie im Beitrag "
Borderline-Syndrom: Beziehung
".
Das Borderline-Syndrom geht oft mit anderen Erkrankungen
Hand
in Hand. So treten bei einem Großteil der Patienten zumindest zeitweilig
Depressionen
auf. Ebenfalls häufig sind
Panikstörungen
,
Posttraumatische Belastungsstörungen
und
Alkoholismus
beziehungsweise Drogenabhängigkeit.
Die Symptome beim Borderline-Syndrom sind sehr vielfältig. Unter anderem gehören dazu starke Stimmungs-Schwankungen, Wutausbrüche, emotionale Unsicherheit, aber auch Zustände der Dissoziation treten manchmal auf.
Alles Wichtige zu den Anzeichen des Borderline-Syndroms lesen Sie unter
Borderline Symptome
. In diesem Artikel finden Sie auch einen Borderline-Selbsttest.
Viele Betroffene interessiert, ob Borderline vererbbar ist. Allerdings sind die Borderline-Ursachen noch nicht abschließend geklärt. Als sicher gilt, dass eine genetische Veranlagung und frühe traumatische Erfahrungen zusammenwirken und die Störung dann möglicherweise auslösen. Die bislang einzige Zwillingsstudie hat gezeigt, dass die genetischen Faktoren einen großen Einfluss auf die Entstehung des Borderline-Syndroms haben. Somit ist Borderline selbst zwar nicht vererbbar, die Veranlagung dafür aber schon.
Traumatisierungen erhöhen das Risiko für das Borderline-Syndrom erheblich. Ein großer Teil der Betroffenen ist in der frühen Kindheit sexuell missbraucht worden – insbesondere innerhalb der Familie. Borderline-Patienten haben auch in vielen Fällen körperliche Gewalt erlebt.
Auch seelische Misshandlungen liegen in einigen Fällen dem Borderline-Syndrom zugrunde. Viele der Patienten wurden in ihrer Jugend schwer vernachlässigt. Mangelnde Wärme in den familiären Beziehungen oder unberechenbare Bezugspersonen erhöhen das Risiko.
Frühe Trennungserfahrungen durch Scheidung oder Tod eines Elternteils begünstigen ebenfalls die psychische Erkrankung.
Auch psychische Auffälligkeiten in der Familie wie Alkohol-Missbrauch, Depressionen oder Schizophrenie erhöhen für Kinder das Risiko, ein Borderline-Syndrom zu entwickeln.
So auffällig die Häufung von Traumatisierungen bei Patienten mit dem Borderline-Syndrom ist – bei einem Teil der Patienten entwickelt sich die Persönlichkeitsstörung offenbar auch ohne erschütternde Erfahrungen. Es ist also nicht immer und automatisch die Familie "schuld" an der seelischen Erkrankung.
Forscher gehen davon aus, dass bei Menschen mit dem Borderline-Syndrom die Kommunikation bestimmter Hirn-Zentren, welche die emotionale Verarbeitung kontrollieren, gestört ist. Daher erleben Borderliner alle Gefühle sehr viel intensiver als Gesunde. Ob diese Tendenz angeboren ist oder erst durch traumatische Erfahrungen entsteht, ist bislang noch nicht klar.
In manchen Studien wurde von einer Beeinträchtigung des Frontalhirns bei Borderlinern berichtet. Diese Gehirnregion ist unter anderem für die Impuls-Steuerung bedeutend. Handlungen werden dort geplant und auch gehemmt. Die eingeschränkte Funktion des Frontal-Lappens hängt eventuell mit den impulsiven Aktionen von Borderline-Patienten zusammen.
Der erste Schritt zur Diagnose der Persönlichkeitsstörung Borderline ist eine gründliche
Anamnese
(Ermittlung der Krankengeschichte). Dazu spricht der Arzt oder Therapeut nicht nur mit dem Betroffenen, sondern möglichst auch mit anderen Bezugspersonen, vor allem den Eltern. Folgende Fragen helfen dem Arzt, das Borderline-Syndrom festzustellen:
Bei Borderline Patienten erfüllt das Verhalten oft nicht die "Norm", also die Erwartungen der Gesellschaft. Sie deuten ihre Umwelt anders und haben viel intensivere Gefühle. Dadurch reagieren sie häufig "unangemessen". Wenn sie etwas wollen, dann muss es sofort sein. Außerdem haben sie oft ein gestörtes Verhältnis zu ihren Mitmenschen.
Darüber hinaus fragt der Arzt oder Therapeut nach typischen Symptomen des Borderline-Syndroms, zum Beispiel problematischen Beziehungen, häufigen Lebenskrisen, Aggressionen und Selbstverletzungen.
Bei der Suche nach der Diagnose muss der Arzt oder Therapeut andere seelische Störungen ausschließen, die mit teils ähnlichen Symptomen einhergehen. Dazu gehören zum Beispiel schizophrene Störungen und Störungen des Sozialverhaltens.
Das Borderline-Syndrom ist nicht mit einem speziell dafür bestimmten Medikament heilbar. Die wichtigste Therapieform ist hier die Psychotherapie. Zusätzlich helfen in einigen Fällen Medikamente gegen die Begleiterkrankungen wie beispielsweise Depressionen oder Angststörungen.
Alle wichtigen Informationen zur Behandlung des Borderline-Symptoms finden Sie unter
Borderline Therapie
.
Lange Zeit galten Borderline-Patienten als hoffnungslose Fälle. Dieses Bild hat sich mit der Entwicklung speziell auf Borderline zugeschnittener Therapien erheblich gewandelt. Problematisch sehen viele Experten aber, dass nur ein kleiner Teil der Patienten tatsächlich eine leitliniengerechte Therapie erhält – trotz der Entwicklung von Behandlungsleitlinien für das Borderline-Syndrom in Ländern wie Deutschland und Großbritannien.
Auf eine Therapie spricht etwa die Hälfte der Patienten beim ersten Behandlungsversuch an. Noch ist allerdings unklar, auf welche Therapieform der Behandlungserfolg zurückzuführen ist und mit welcher Behandlung man einem wiederholten Therapiebedarf begegnet.
Wenn am Ende der Therapie ein Patient die Borderline-Kriterien nicht mehr vollständig erfüllt, heißt das allerdings nicht, dass er geheilt ist. Viele Borderliner haben auch langfristig Probleme, ihre Gefühle zu kontrollieren oder sich sozial zu integrieren.
Schlechtere Chancen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen, haben vor allem Patienten mit Drogen- oder Alkohol-Missbrauch. Darauf folgen Patienten, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden und/oder als Kind sexuell missbraucht wurden.
Ein kleiner Teil der Borderline-Patienten verstirbt durch Suizid oder risikoreiches Verhalten wie zum Beispiel riskantes Autofahren oder Drogen-Konsum. Mit dem Alter nimmt aber das impulsive Verhalten ab, das für das
Borderline-Syndrom
typisch ist. An dessen Stelle treten jedoch oft depressive Stimmungen.
Es ist wichtig, die Frühwarnzeichen einer Borderline-Erkrankung zu erkennen, um dann möglichst schnell eine Therapie einzuleiten. Damit ist es möglich, die Prognose positiv zu beeinflussen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Borderline-Syndrom
Kurzübersicht
Was ist das Borderline-Syndrom und welche Arten gibt es?
Wer ist vom Borderline-Syndrom betroffen?
Mütter und Väter mit Borderline
Auswirkungen auf Kinder
Beziehungen
Begleiterkrankungen
Welche Symptome treten auf?
Welche Ursachen liegen dem Borderline-Syndrom zugrunde?
Traumatische Erlebnisse
Störungen im Gehirn
Untersuchung und Diagnose
Behandlung
Krankheitsverlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen