Illness name: vibrionen
Description:
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Vibrionen
sind eine Gattung von Bakterien, die weltweit vor allem in Salz-, aber auch in Süßwasser vorkommen. Einige Vertreter können Erkrankungen beim Menschen auslösen. Dazu zählen Cholera und andere Durchfallerkrankungen sowie Wund- und Ohrinfektionen. Lesen Sie hier mehr über Symptome, Behandlung und Vorbeugung von Vibrionen-Infektionen!
Als Vibrionen bezeichnet man eine Gattung
stäbchenförmiger, beweglicher Bakterien
, die weltweit verbreitet sind. Sie mögen
salzhaltige Gewässer
, weil sie mäßig bis stark salzbedürftig (halophil) sind. Meere, Lagunen und Brackwasser (Gemisch aus Salz- und Süßwasser wie etwa in Flussmündungen) zählen daher zu ihren bevorzugten Lebensräumen. Zudem findet man Vibrionen in leicht salzhaltigen Binnengewässern wie dem Neusiedler See in Österreich.
Einige Vibrionen können Erkrankungen beim Menschen auslösen, darunter vor allem
Vibrio cholerae
,
V. vulnificus
und
V. parahaemolyticus
.
Von der Spezies
Vibrio cholerae
gibt es zwei Stämme (Serogruppen), welche die Krankheit Cholera auslösen können. Andere Serogruppen von
V. cholerae
sowie andere krankmachende
Vibrio
-Arten (wie
V. vulnificus
) sind dazu nicht in der Lage. Sie werden deshalb unter dem Begriff "
Nicht-Cholera-Vibrionen
" zusammengefasst.
Vibrionen fühlen sich in warmem Wasser über 20 Grad Celsius besonders wohl - sie können sich dann schneller vermehren. Daher kommt ihnen die globale Erwärmung sehr wahrscheinlich zugute, weil damit auch die Temperatur in den Meeren und anderen Gewässern ansteigt. In der Folge könnten die Fälle von Vibrionen-Erkrankungen weltweit, aber besonders in gemäßigten Zonen zunehmen, befürchten Wissenschaftler.
In Deutschland wird beim Robert Koch-Institut (RKI) im Mittel eine Cholera-Erkrankung pro Jahr gemeldet. Die Ansteckung erfolgt üblicherweise im Ausland: Seit 2001 gab es keine bekannten Cholera-Übertragungen innerhalb Deutschlands.
Hierzulande ebenfalls selten sind Erkrankungen durch Nicht-Cholera-Vibrionen. Allerdings werden viele Infektionen möglicherweise gar nicht diagnostiziert, vermuten Experten. Zwischen 2002 und 2019 registrierte das RKI pro Jahr bis zu 20 Erkrankungsfälle an deutschen Küsten. Die meisten Meldungen stammten von der
Ostsee
. Tatsächlich wird der besonders krankmachende Vertreter
Vibrio vulnificus
in der Ostsee häufiger nachgewiesen als in der Nordsee. Der Grund ist wohl, dass die Ostsee etwas weniger salzhaltig ist als die
Nordsee
.
Bei den wenigen Meldungen von der deutschen Nordseeküste hatten sich die Betroffenen im Bereich von Flussmündungen mit den Erregern infiziert. Dort ist das Wasser durch den Süßwasserzufluss etwas weniger salzhaltig als in der offenen Nordsee.
Die meisten Infektionen traten in wärmeren Sommern (2003, 2006, 2010, 2018 und 2019) auf, meist zwischen dem späten Juni und September. Fast alle Betroffenen waren älter und hatten Vorerkrankungen. Einige der Infizierten verstarben. Ohrinfektionen mit
V. cholerae
durch Baden in belasteten Gewässern beobachtet man hingegen vor allem bei Kindern.
Vibrionen gelten in vielen Ländern als Hauptverursacher bakterieller
Magen-Darm-Erkrankungen
. Das bekannteste Beispiel ist Cholera, ausgelöst durch bestimmte Stämme von
Vibrio cholerae
. Doch auch Nicht-Cholera-Vibrionen können den Verdauungstrakt infizieren und eine Krankheit bedingen.
Darüber hinaus können Vibrionen noch weitere Krankheiten verursachen: Unter Umständen dringen sie in offene Hautstellen ein und rufen
Wundinfektionen
hervor. Hierbei ist oft Vibrio vulnificus der Auslöser, seltener V. parahaemolyticus. Vereinzelt führen Vibrionen auch
Ohrinfektionen
herbei.
Vibrionen, die Magen-Darm-Erkrankungen auslösen, werden oral übertragen. Das heißt, sie gelangen
über den
Mund
in den Körper. Bei Cholera geschieht dies meist
durch verunreinigtes Trinkwasser und Lebensmittel
, die durch die Fäkalien oder das Erbrochene von Erkrankten Erreger enthalten. Diese Gefahr besteht besonders dort, wo die hygienischen Bedingungen schlecht sind, zum Beispiel in armen Regionen Afrikas sowie in Flüchtlingslagern.
Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag "
Cholera
".
Auch Magen-Darm-Infektionen durch Nicht-Cholera-Vibrionen (wie
V. vulnificus
,
V. parahaemolyticus
) kann man sich auf oralem Wege einfangen: Der
Verzehr von rohen oder unzureichend gegarten Meeresfrüchten (z.B. Austern, Muscheln) oder Fischen
, die aus belasteten Gewässern stammen, kann zur Ansteckungsquelle werden.
Wund- und Ohrinfektionen durch Vibrionen kann man sich durch den
Kontakt mit Wasser
zuziehen, in denen sich die Erreger vermehrt haben. Wenn man zum Beispiel mit einer
offenen Wunde im Meerwasser oder in einem See badet
, in dem sich auch
Vibrio vulnificus
tummelt, kann der Erreger über die nicht verheilte Hautstelle eindringen und eine Entzündung auslösen.
Es gab auch Fälle von Wundinfektionen, in denen sich Menschen beim Verarbeiten von Meeresfrüchten oder rohem Seefisch kleine Verletzungen zugezogen und so mit den Erregern infiziert hatten.
Hat man sich mit Krankheitserregern angesteckt, vergeht eine gewisse Zeit, bis die ersten Symptome auftreten. Diese sogenannte Inkubationszeit ist bei Vibrionen-Infektionen recht kurz: Je nach Erregertyp beträgt sie in der Regel
zwischen vier und 96 Stunden
. Bei
Vibrio parahaemolyticus
treten die ersten Symptome für gewöhnlich schon 12 bis 24 Stunden, bei
V. vulnificus
12 bis 72 Stunden nach der Ansteckung auf.
Welche Beschwerden Vibrionen hervorrufen, hängt davon ab, welche Körperregion sie befallen. Gelangen sie über den Mund in den Körper, rufen sie womöglich
Magen-Darm-Beschwerden
hervor: Betroffene haben zum Beispiel
krampfartige Bauchschmerzen, wässrigen Durchfall
und
Erbrechen
sowie
Übelkeit
. Besonders schwere Symptome können bei Cholera auftreten, wohingegen andere Vibrionen-Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts meist milder verlaufen.
Wie sich Cholera genau äußert, lesen Sie
hier
.
Ein erstes Anzeichen für eine
Wundinfektion
mit Vibrionen ist meist, dass die infizierte Wunde ungewöhnlich
stark schmerzt
. Zudem sind Wunde und umgebende
Haut
womöglich
gerötet und geschwollen
. Eine oberflächliche Infektion kann sich schnell ausbreiten und unbehandelt tieferliegendes Gewebe schädigen. Betroffene bekommen dann meist
Fieber und Schüttelfrost
. Wundinfektionen durch Vibrio vulnificus können besonders schwer und gerade für immungeschwächte Menschen lebensbedrohlich verlaufen.
Eine
Ohrentzündung
durch Vibrionen macht sich mit
Ohrenschmerzen, Fieber und
Ausfluss
aus dem Ohr
bemerkbar.
Egal, ob Magen-Darm-, Wund- oder Ohr-Infektionen: In allen Fällen kann sich bei einem schweren Verlauf eine lebensbedrohliche "Blutvergiftung" (Sepsis) entwickeln.
Vibrionen-Infektionen behandeln Ärzte mit
Antibiotika
. Außerdem geben sie Medikamente gegen die jeweiligen Beschwerden, beispielsweise Fiebersenker und Schmerzmittel. Ob noch weitere Maßnahmen notwendig sind, hängt von der jeweiligen Krankheit und deren Verlauf ab.
Eine Cholera muss so schnell wie möglich behandelt werden! Der Flüssigkeits- und Salzverlust durch starke Durchfälle und Erbrechen lässt sich mit speziellen Getränken, Trinklösungen und Infusionen ausgleichen. Außerdem verordnen Ärzte Antibiotika.
Mehr über die Cholera-Therapie erfahren Sie
hier
.
Erkrankungen durch Nicht-Cholera-Vibrionen lassen sich meist ebenfalls gut antibiotisch behandeln. Wichtig ist (wie bei der Cholera), dass die Therapie zeitnah und mit passenden Antibiotika in der richtigen Dosierung erfolgt.
Das gilt besonders bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Dazu gehören Menschen höheren Alters sowie solche mit einem geschwächten Immunsystem, etwa aufgrund von Vorerkrankungen wie einem schweren Herzleiden, Krebs, Diabetes oder Leberzirrhose.
Schwere Wundinfektionen müssen oft chirurgisch versorgt werden. Sitzt die Wunde etwa am Bein oder Arm, müssen Chirurgen im Extremfall die betroffene Gliedmaße abnehmen (Amputation).
Eine Vibrionen-Infektion lässt sich sicher diagnostizieren, indem ein Labor die Erreger in Patientenproben nachweist. Je nach Fall entnehmen Ärzte hierfür
Blut
oder Abstriche
etwa von den verdächtigen Wunden. Bei Durchfällen ist eine
Stuhlprobe
sinnvoll. Das Labor kann dann eine
Bakterienkultur
anlegen: Auf einem geeigneten Nährmedium lassen sich die Bakterien anzüchten und anschließend genau identifizieren. Womöglich sieht man die Erreger unter dem Mikroskop.
Akute
Cholera
-Erkrankungen sowie Verdachtsfälle auf und Todesfälle durch Cholera müssen in Deutschland namentlich den Gesundheitsbehörden gemeldet werden. Das übernimmt der behandelnde Arzt beziehungsweise das Labor, das entsprechende Patientenproben untersucht hat.
Akute
Infektionen durch Nicht-Cholera-Vibrionen
sind ebenfalls meldepflichtig. Ausnahme: Hat jemand ausschließlich eine Ohrinfektion, muss diese nur dann den Gesundheitsbehörden gemeldet werden, wenn
Vibrio cholerae
der Auslöser ist.
Vibrionen lässt sich durch
gute Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene
vorbeugen (v.a. bei
Vibrio cholerae
). Wenn Sie als Reisender in Risikogebieten unterwegs sind, sollten Sie nur abgekochtes Wasser oder Mineralwasser aus verschlossenen Flaschen trinken - kein Leitungswasser. Verwenden Sie dieses auch nicht zum Zähneputzen!
Verzichten Sie in den betreffenden Gebieten zudem auf Eiswürfel in Getränken sowie rohe Speisen. Und desinfizieren Sie sich regelmäßig die Hände - die meisten Menschen greifen sich hin und wieder unbewusst an den Mund. Auf den Händen befindliche Erreger können so leicht in den Körper gelangen. Es gibt mittlerweile auch eine
Cholera-Impfung
.
Wie sie abläuft und für wen sie empfohlen ist, erfahren Sie in unserem Artikel
Cholera
.
Magen-Darm-Infektionen durch Nicht-Cholera-Vibrionen können Sie vorbeugen, indem Sie
Meeresfrüchte und Seefische nur ausreichend gegart verzehren
.
Achten Sie bei der Zubereitung solcher Lebensmittel darauf, sich
keine Hautverletzungen
zuzuziehen. Sonst besteht die Gefahr einer Wundinfektion.
Aus dem gleichen Grund sollte man mit offenen oder schlecht heilenden Wunden während der heißen Sommermonate den
Kontakt zu salzhaltigen Gewässern meiden
(z.B. Ostsee, Neusiedler See, Badegewässer in weiter entfernten Urlaubsregionen). Die Empfehlung gilt unter anderem besonders für Menschen mit geschwächtem Immunsystem (etwa aufgrund von Diabetes) oder chronischen Hauterkrankungen (wie
Neurodermitis
oder Psoriasis).
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Vibrionen
Kurzübersicht
Was sind Vibrionen?
Zunahme an Vibrionen-Infektionen erwartet
Vibrionen-Infektionen in Deutschland
Welche Krankheiten werden durch Vibrionen ausgelöst?
Wie infiziert man sich mit Vibrionen?
Inkubationszeit
Wie äußert sich eine Vibrionen-Infektion?
Wie wird eine Vibrionen-Infektion behandelt?
Therapie einer Infektion mit Cholera-Vibrionen
Therapie von Infektionen mit Nicht-Cholera-Vibrionen
Wie werden Vibrionen-Infektionen diagnostiziert?
Meldepflicht
Wie kann man Vibrionen vorbeugen?
Autoren- & Quelleninformationen