Illness name: sportsucht
Description:
Silke Stadler ist Online-Medizinredakteurin und seit 2023 Teil des Teams von NetDoktor und mylife.de. Ihre Leidenschaft für Gesundheits- und Ernährungsthemen entdeckte Silke bereits 2008 während eines Studiums der Ethnologie. Seit ihrem Magisterabschluss stehen daher nicht andere Kulturen, sondern Medizintexte im Zentrum ihres beruflichen Interesses.
Carola Felchner ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und geprüfte Trainings- und Ernährungsberaterin. Sie arbeitete bei verschiedenen Fachmagazinen und Online-Portalen, bevor sie sich 2015 als Journalistin selbstständig machte. Vor ihrem Volontariat studierte sie in Kempten und München Übersetzen und Dolmetschen.
Die
Sportsucht
äußert sich durch exzessives körperliches Training. Betroffene folgen einem inneren Zwang, sich sportlich zu betätigen – und das selbst dann, wenn sie krank oder verletzt sind. Andere Interessen und Aufgaben werden vernachlässigt. Lesen Sie hier, wie man eine Sportsucht erkennt, welche körperlichen und psychischen Auswirkungen sie hat und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Als Sportsucht bezeichnen Experten krankhaftes und exzessives körperliches Training. Betroffene verspüren einen inneren Zwang, Sport zu treiben. Häufig geraten sie dabei in einen "Tunnel der Aktivität". Es gilt: Immer weiter, immer schneller, immer mehr und nichts anderes denken, leben, atmen als Sport.
Die Sportsucht stellt bisher keine eigenständige medizinische Diagnose dar. Im
internationalen Krankheitsklassifikationssystem ICD
wird sie daher zusammen mit anderen nicht näher definierten Verhaltenssüchten unter der ICD F63.9 zusammengefasst: Abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle.
Wie viele Menschen an Sportsucht leiden, lässt sich nur vermuten. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer unentdeckter Abhängiger aus. Sie schätzen, dass im deutschsprachigen Raum ein bis drei Prozent der Bevölkerung sportsüchtig sind.
Sportsüchtige verspüren einen inneren Zwang, Sport zu treiben. Nur so gelingt es ihnen, sich in einen ruhigen und zufriedenen Zustand zu versetzen.
Da sich der Körper aber an das regelmäßige Training gewöhnt, müssen Menschen mit Sportsucht immer länger, öfter und intensiver trainieren, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Das exzessive Sporttreiben führt mitunter zu Ermüdungserscheinungen, die von Betroffenen jedoch ignoriert werden. Sie überlasten Knochen, Sehnen und Bänder, was die Verletzungsgefahr deutlich erhöht. Sportsüchtige trainieren auch dann weiter, wenn sie krank oder verletzt sind.
Typisch für Sportsucht sind körperliche Entzugserscheinungen, wenn Betroffene ihr tägliches Pensum an Sport nicht absolvieren. Zu diesen Entzugserscheinungen zählen zum Beispiel:
Wenn Sie sich Gedanken machen, ob Ihr Trainingspensum noch in Ordnung ist oder das normale Maß übersteigt, ist das ein gutes Zeichen. Sie sind zu ehrlicher Selbstkritik in der Lage und nehmen erste Warnsignale wahr. Sie haben jetzt gute Chancen, gegenzusteuern.
Anders sieht es bei hochgradiger Sportsucht aus. Dann leiden Betroffene oft unter falscher Wahrnehmung: Sie tun ihre Sucht als wichtiges und schönes Hobby ab und verkennen die Alarmsignale. Sportsüchtige umgeben sich oft mit Menschen, die ebenfalls zu viel Sport treiben und bei denen Sportsucht-Tests (siehe unten) auf einen Zwang hindeuten würden.
Erster Ansprechpartner bei Verdacht auf Sportsucht ist der Hausarzt. Er kann Sie bei Bedarf an einen Psychotherapeuten, Sportpsychologen oder Psychiater überweisen. Die Fachleute können feststellen, ob bei Ihnen tatsächlich eine Sportsucht vorliegt und wie ausgeprägt sie ist.
Allerdings lässt sich eine Sportsucht nicht über körperliche Untersuchungen diagnostizieren. Vielmehr gibt das Patientengespräch (
Anamnese
) oft Hinweise darauf, dass das Sporttreiben ein krankhaftes Ausmaß angenommen hat.
Da Sportsucht bisher keine eigenständige Störung darstellt, existieren auch keine explizit darauf ausgerichteten Diagnosekriterien. Die Symptome der Sportsucht ähneln jedoch denen der
Glücksspielsucht
.
Für das pathologische Spielen sind im weltweit anerkannten Diagnostischen Manual Psychischer Störungen (DSM-5) bestimmte Kriterien definiert. Der Großteil lässt sich aus Sicht einiger Experten auch auf die Sportsucht anwenden:
Je mehr dieser Kriterien zutreffen, desto ausgeprägter ist die Sportsucht.
Der Arzt wird auch eine Differentialdiagnostik durchführen, um andere Störungen – etwa
Magersucht
(Anorexia nervosa) – als Krankheitsursache auszuschließen.
Ihr Risiko für eine Sportsucht können Sie mithilfe einer Art Sportsucht-Test zumindest ansatzweise herausfinden. Der Test stützt sich auf Merkmale, die auf eine bestehende oder sich entwickelnde Sportsucht hinweisen. Wenn Sie also die Mehrzahl der folgenden Fragen mit "Ja" beantworten, sind das Warnsignale:
Lange glaubten Forscher, körpereigene Opiate (Endorphine) seien für eine Sportsucht verantwortlich. Denn Ausdauerleistung regt den Körper an, vermehrt solche schmerzreduzierenden Glückshormone zu produzieren.
Neuere Forschungen deuten jedoch darauf hin, dass vielmehr der Botenstoff (Neurotransmitter)
Dopamin
den suchtartigen Zustand verursacht. Wie Tierversuche zeigen, schüttet der Körper bereits vor dem Sport vermehrt das Glücksgefühle auslösende Dopamin aus. So entsteht der Wunsch nach mehr Bewegung – und damit nach mehr von der "Droge" Dopamin und den positiven Gefühlen, die sie hervorruft.
Weitere Faktoren, die vom gesunden Sport in die krankhafte Sucht führen können, sind gesellschaftliche Zwänge und Normen sowie vorgegebene Idealbilder (zum Beispiel ein Sixpack-Bauch).
Auch die eigene Persönlichkeit (etwa mangelndes Selbstbewusstsein) spielt dabei eine Rolle. Die Betroffenen entdecken die Möglichkeit, durch immer mehr Sport dem allgemeingültigen äußeren Idealbild näher zu kommen. Erfolgserlebnisse und die Anerkennung durch andere ("Super, wie diszipliniert du bist!") bestätigen Betroffene zunächst in ihrem Tun.
Sportsüchtigen fällt es oft schwer, ihre Zwangsmuster ohne professionelle Hilfe zu durchbrechen. Liegt eine Sportsucht vor, wird Ihnen der Arzt eine geeignete Therapie vorschlagen, etwa eine Psychotherapie wie die Kognitive
Verhaltenstherapie
. In mehreren Therapiesitzungen (Gruppen- oder Einzeltherapien), lernen Sie, wie Sie mit Ihrem Suchtverhalten umgehen können.
Manchen Betroffenen helfen zudem Entspannungstechniken (etwa
Meditation
,
Autogenes Training
oder
Progressive Muskelentspannung
), aufkommende Unruhe oder Ängste zu lindern.
Hat das übermäßige Sportpensum bereits körperliche Schäden hinterlassen, sollten diese ebenfalls durch entsprechende Fachärzte behandelt werden. Unter Umständen kann dafür ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus notwendig sein.
Hauptproblem bei der Sportsucht: Die Süchtigen empfinden sich selbst oft nicht als krank und suchen deshalb auch keine Hilfe. Haben Sie jemanden in der Familie oder im Bekanntenkreis, der zu viel Sport treibt und bei dem Sie eine Sportsucht vermuten? Dann versuchen Sie am besten, denjenigen offen darauf anzusprechen – auch wenn dieser unter Umständen zunächst wenig Einsicht zeigt.
Vielleicht versucht der Betreffende jedoch, sein Trainingspensum zu reduzieren (mitunter nur, um Ihnen zu beweisen, dass er nicht süchtig ist). In den meisten Fällen gelingt das nicht. Raten Sie ihrem Bekannten oder Verwandten in diesem Fall, sich professionelle Hilfe zu suchen. Bieten Sie ihm Ihre Unterstützung an, beispielsweise indem Sie ihn zum Arzt begleiten.
Wer sich in psychotherapeutische Behandlung begibt, hat gute Chancen, eine Sportsucht zu überwinden. Voraussetzung ist, das Problem zu erkennen und ernst zu nehmen.
Unbehandelt kann die Sportsucht zu schwindenden Sozialkontakten, Vernachlässigung von Familie und Beruf sowie Isolation führen.
Oft tritt Sportsucht als Begleiterscheinung einer Essstörung wie Magersucht (Anorexia nervosa) oder
Bulimie
(Bulimia nervosa) auf. Umgekehrt ist es aber auch möglich, dass sich durch die Sportsucht beziehungsweise das zwanghafte Streben nach dem perfekten Körper oder etwa einem möglichst geringen Wettkampfgewicht eine spezielle Form der Magersucht entwickelt. Betroffene dieser sogenannten Anorexia athletica versuchen, durch die Nahrung aufgenommene Kalorien, die sie als zu viel und belastend empfinden, wieder abzutrainieren.
Die Kombination aus Sportsucht und Essstörung gefährdet die Gesundheit erheblich: Der Körper bekommt nicht mehr genügend Nährstoffe, die Muskelmasse schwindet und die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt ab. Lebenswichtiges Körperfett geht verloren, es kann zu Hormonstörungen kommen. So entsteht bei Frauen häufig ein Östrogenmangel, der dazu führt, dass die Regelblutung ausbleibt. Auf lange Sicht kann dabei auch
Osteoporose
entstehen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Silke Stadler ist Online-Medizinredakteurin und seit 2023 Teil des Teams von NetDoktor und mylife.de. Ihre Leidenschaft für Gesundheits- und Ernährungsthemen entdeckte Silke bereits 2008 während eines Studiums der Ethnologie. Seit ihrem Magisterabschluss stehen daher nicht andere Kulturen, sondern Medizintexte im Zentrum ihres beruflichen Interesses.
Carola Felchner ist freie Autorin in der NetDoktor-Medizinredaktion und geprüfte Trainings- und Ernährungsberaterin. Sie arbeitete bei verschiedenen Fachmagazinen und Online-Portalen, bevor sie sich 2015 als Journalistin selbstständig machte. Vor ihrem Volontariat studierte sie in Kempten und München Übersetzen und Dolmetschen.
Sportsucht
Kurzübersicht
Was ist Sportsucht?
Sportsucht: Häufigkeit
Symptome: So äußert sich Sportsucht
Sportsucht: Untersuchungen und Diagnose
Sportsucht-Test: Sind Sie sportsüchtig?
Welche Ursachen hat Sportsucht?
Therapie: So wird die Sportsucht behandelt
Sportsucht: Das kann das Umfeld tun
Sportsucht: Prognose
Sport- und Magersucht – eine gefährliche Allianz
Autoren- & Quelleninformationen