Illness name: narzisstische persoenlichkeitsstoerung
Description:
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Eine
Narzisstische Persönlichkeitsstörung
ist geprägt durch ein extremes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. Hinter dem oft selbstverliebten oder arroganten Auftreten stehen meist Schmerz und Leid – und ein im Grunde schwaches Selbstwertgefühl. Lesen Sie hier alles Wichtige über die Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung!
Wenn Menschen sich sehr selbstverliebt präsentieren und Fehler immer bei anderen anstatt bei sich selbst suchen, fällt schnell der Begriff "Narzissmus". Aber was ist ein Narzisst?
Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeit haben ein extremes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bewunderung. Oft stechen sie durch Arroganz und Selbstidealisierung heraus. Kritik ertragen sie nicht, und Misserfolg kann sie in schwere Krisen stürzen. Narzisstische Personen haben jedoch Schwierigkeiten, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, und verhalten sich anderen gegenüber oft herablassend. Der Umgang mit Narzissten ist daher sehr herausfordernd.
Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, ob unsere Gesellschaft zunehmend narzisstischer wird. Sind die Menschen nur noch auf ihren Erfolg und eine perfekte Selbstdarstellung fokussiert? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht. Der Narzissmus ist allerdings ein Phänomen, das Menschen schon lange beschäftigt. Schon in der griechischen Mythologie findet man Narziss - einen Jüngling, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt und die Liebe aller anderen zurückweist.
Wichtig ist es, zwischen Narzissmus und einer echten narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu unterscheiden. Narzissten sind oft sehr ehrgeizig. Sie sind daher auch in Führungspositionen wiederzufinden und können ein sehr erfolgreiches Leben führen. Wenn der Narzissmus jedoch stark ausgeprägt ist und für den Betroffenen und seine Umwelt zu Leid führt, wird der Narzissmus krankhaft (pathologischer Narzissmus). Der Übergang von der Persönlichkeitseigenschaft zur Störung ist fließend. In der Gesellschaft wird zwar viel über Narzissmus diskutiert, die Narzisstische Persönlichkeitsstörung ist jedoch noch wenig erforscht.
Etwa 0,4 Prozent der Bevölkerung leiden an einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Männer erhalten die Diagnose häufiger als Frauen. Die meisten Betroffenen begeben sich aufgrund anderer psychischer Erkrankungen in Behandlung. Viele leiden nämlich an Depressionen, weiteren Persönlichkeitsstörungen, somatoformen Störungen (körperliche Beschwerden ohne organische Ursache), Ängsten, Essstörungen oder Suchtproblemen.
Nach einer Studie von Russ und Kollegen (2008) kann man die Narzisstische Persönlichkeitsstörung in drei Typen einteilen:
Menschen mit dem grandios-malignen oder bösartigen Typus von Narzisstischer Persönlichkeitsstörung können zu einer Gefahr für die Gesellschaft werden. Der maligne Narzissmus ist nämlich eine Kombination aus Narzissmus, Aggression, Paranoia und antisozialem Verhalten - eine teuflische Mischung, die Betroffene zu extrem grausamen Taten bewegen kann. Maligne Narzissten sind von ihrer Großartigkeit überzeugt. Fühlen sie sich von anderen nicht angemessen wertgeschätzt, rächen sie sich ohne Reue. Die Ablehnung oder mangelnde Wertschätzung durch Andere muss dabei gar nicht real sein. Durch ihre paranoide Tendenz sehen maligne Narzissten in ihren Mitmenschen schnell Feinde.
Stalin und Hitler sind Beispiele für maligne Narzissten.
Der vulnerabel-fragile Narzissmus wirkt zunächst untypisch, da er durch depressive Stimmung, Ängstlichkeit und Scham geprägt ist. Man bezeichnet diese Form daher auch als „verdeckten Narzissmus“. Menschen mit diesem Typus von narzisstischer Persönlichkeitsstörung reagieren sehr sensibel auf Kritik und Misserfolge. Im Vergleich zu anderen Typen suchen sie aufgrund von Depressionen und anderen psychischen Symptomen häufiger therapeutische Hilfe.
Menschen mit dem exhibitionistischen Typus einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung - auch "offener Narzissmus" genannt - stellen ihre Großartigkeit öffentlich heraus. Dadurch ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich, die sie brauchen.
Dieser Typus kann sich in unserer wettbewerbsorientierten Welt gut anpassen und sehr erfolgreich sein. Sein Auftreten wirkt sehr selbstbewusst. Anderen gegenüber verhalten sich diese Personen arrogant und kühl.
Menschen mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung können auch in einem Moment sehr selbstbewusst und grandios wirken und kurz darauf Anzeichen von
Depression
und Ängstlichkeit zeigen. Denkbar ist daher, dass die verschiedenen Typen Facetten ein und derselben Störung sind. Die Forschung befindet sich diesbezüglich noch am Anfang.
Von einer Persönlichkeitsstörung spricht man, wenn Menschen ein bestimmtes Muster im Verhalten, Denken und in den Gefühlen zeigen, das stark von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Diese unflexiblen Persönlichkeitsmerkmale führen zu Leiden und Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen und/oder anderen Bereichen.
Nach dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-IV) müssen mindestens fünf der folgenden Symptome für die Diagnose der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung vorliegen:
Die Betroffenen
Die Narzissmus-Symptome sind allerdings nicht immer so eindeutig. Manche Betroffene zeigen etwa ihre Überheblichkeit nicht offen. Die Anzeichen sind dann nur erkennbar, wenn man sehr genau hinsieht.
Lange sind Experten davon ausgegangen, dass die Narzisstische Persönlichkeitsstörung mit einem hohen Selbstwert einhergeht. Neuere Studien zeigen jedoch, dass der Selbstwert der Betroffenen niedrig ist. Die Betroffenen verschleiern ihre Selbstwertzweifel durch ihre selbstherrliche Selbstdarstellung. Von Selbstliebe kann also keine Rede sein. Menschen mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden vielmehr unter innerer Leere und sind sehr auf die Anerkennung durch andere Menschen angewiesen. Die Aufwertung der eigenen Person oder Abwertung anderer ist ein Versuch, negative Gefühle zu bewältigen. Eine Kränkung wie zum Beispiel durch die Trennung des Partners kann Rachsucht erzeugen, aber auch Depression bis hin zum Suizid nach sich ziehen.
Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung entsteht aus einer Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Nach neuesten Zwillingsstudien haben die Gene bei der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung einen größeren Einfluss als bei anderen Persönlichkeitsstörungen. Es spielen aber auch Umwelteinflüsse eine wichtige Rolle.
Viele Experten sehen die Wurzeln des Narzissmus in der Kindheit. Die Theorien über die Entstehung variieren jedoch stark, und derzeit gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse. Einigkeit besteht nur darüber, dass die narzisstische Störung auf ungünstige Interaktionen mit Bezugspersonen zurückzuführen ist.
Der führende Forscher im Bereich Narzisstische Persönlichkeitsstörung, Otto Kernberg, geht davon aus, dass emotional kalte oder latent aggressive Eltern eine übersteigerte Selbstdarstellung fördern. Kinder, die wenig Anerkennung erhalten, bewältigen diese Verletzung des Selbstwerts durch den Fokus auf Leistungen, für die sie gelobt werden (zum Beispiel Schulleistungen).
Andere Forscher vermuten, dass Kinder, die von den Eltern keine Grenzen erhalten, ein unrealistisches und perfektionistisches Selbstbild entwickeln können.
Beide Erziehungsstile stellen letztendlich eine Vernachlässigung der kindlichen Bedürfnisse dar. Kinder benötigen Geborgenheit und Liebe, aber auch Grenzen. Für eine gesunde Entwicklung müssen sie auch den Umgang mit Enttäuschungen lernen sowie die Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen und sich in die Gefühle anderer hineinzuversetzen.
Zur Diagnose der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung sollte ein Psychiater oder Psychotherapeut aufgesucht werden. Er kann anhand von spezifischen Fragen, die sich an den diagnostischen Kriterien orientieren, eine Diagnose stellen. Dazu zählen etwa:
Wenn die Möglichkeit besteht, wird der Therapeut auch nahe Angehörige fragen, wie sie den Betroffenen erleben.
Wichtig bei der Diagnosefindung ist die Abgrenzung zu anderen Persönlichkeitsstörungen wie der histrionischen Persönlichkeitsstörung (gekennzeichnet durch egozentrisches und theatralisches Verhalten) und einer
Borderlinestörung
.
Die Diagnose "Narzisstische Persönlichkeitsstörung" empfinden viele Betroffene als Angriff auf ihre Person. Eine gute Aufklärung über die Hintergründe des Krankheitsbildes ist daher sehr wichtig. Die Diagnose soll den Betroffenen nicht verurteilen, sondern ihm helfen, sich und seine Umwelt besser zu verstehen. Dieses Verständnis ist sowohl für die Betroffenen als auch die Angehörigen oft sehr entlastend.
Narzisstische Menschen haben keine Einsicht darin, dass ihr eigenes Verhalten Probleme erzeugt. Sie sind – zumindest oberflächlich – überzeugt von der Großartigkeit ihres Selbst und suchen den Fehler bei anderen Menschen. Wenn sich Narzissten also in Behandlung begeben, dann meistens aufgrund einer zusätzlichen psychischen Störung, beispielsweise Depressionen, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit.
Zur Behandlung der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung werden psychotherapeutische Verfahren eingesetzt. Der Therapeut hilft dem Betroffenen, seine Verhaltensweisen und Gefühle besser zu verstehen. Narzisstische Verhaltensweisen sind oft der Versuch, negative Gefühle zu kompensieren. Bei den Mitmenschen kommen Überheblichkeit und Arroganz jedoch nicht gut an - was Betroffene aufgrund ihrer Selbstüberschätzung und mangelnden Empathiefähigkeit nicht begreifen oder erkennen.
Um die Beziehung zu anderen Menschen zu verbessern, muss der Betroffene daher an seiner Empathiefähigkeit arbeiten und gemeinsam mit dem Therapeuten neue Verhaltensstrategien entwickeln, welche die Interaktion mit anderen Menschen verbessert.
Das Therapieziel ist also nicht, den Narzissten zu einem anderen Menschen zu machen. Vielmehr ist die Therapie ein Angebot an den Betroffenen, mit Hilfe des Therapeuten extreme Verhaltens- und Denkweisen zu verändern und so sein eigenes Leben zu verbessern. Die Therapieziele entwickelt der Therapeut zusammen mit dem Betroffenen. Letzten Endes geht es in der Therapie darum, Leiden zu verringern.
Ein wesentlicher Baustein für eine erfolgreiche Narzissmus-Therapie ist eine
vertrauensvolle Beziehung zwischen dem Betroffenen und dem Therapeuten
. Narzisstischen Personen fällt es oft sehr schwer, sich auf den Therapeuten einzulassen. Das Eingeständnis, Hilfe zu benötigen, empfinden Narzissten als Niederlage und Bedrohung ihres Selbstbildes. Häufig werten sie den Therapeuten zunächst ab, um ihre Überlegenheit zu wahren. Es kann daher einige Zeit dauern, bis der Betroffene bereit ist, dem Therapeuten zu vertrauen und mit ihm zu arbeiten.
Die psychische Gesundheit von Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist vor allem dann gefährdet, wenn ihre überhöhten Ansprüche nicht erfüllt werden. Jede Kränkung ist eine Bedrohung für ihr Selbst. Eine wichtige Maßnahme in der Therapie ist es daher, die Ansprüche zu hinterfragen und
Ziele zu setzen, die tatsächlich erreichbar sind
.
Mit jemandem eine Partnerschaft zu führen, der eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat, ist eine große Herausforderung. Für Narzissten dreht sich die Welt praktisch nur um sie selbst. Sich in den Partner (oder andere Menschen) hineinzuversetzen, gehört nicht zu ihren Stärken.
Für eine funktionierende Partnerschaft ist es nicht nur wichtig, dass sich der Narzisst von einem Therapeuten behandeln lässt. Auch der Partner sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um mehr über den richtigen Umgang mit einem Narzissten zu lernen.
Mehr zum Thema lesen Sie im Beitrag
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Partnerschaft
.
Angehörige von Betroffenen hoffen oft, dass eine Therapie den Narzissmus heilen kann. Zwar geht man heutzutage im Unterschied zu früher nicht mehr davon aus, dass die Narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht veränderbar ist. Doch anders als eine Krankheit ist eine Persönlichkeitsstörung in der Persönlichkeit selbst angelegt. Im eigentlichen Sinne kann man daher nicht erwarten, dass Narzissmus heilbar ist. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen reduzieren sich die Symptome aber - dank einer Therapie - innerhalb von zwei Jahren.
Eine günstige Prognose haben dabei Betroffene, die Erfolgserlebnisse haben und gute Beziehungserfahrungen machen. Je besser die Selbstwahrnehmung wird, desto leichter wird es auch, die narzisstischen Züge selbst zu erkennen und zu bearbeiten. Für Betroffene, die sich aufgrund ihrer Überheblichkeit nicht auf den Therapeuten einlassen können, viele Misserfolge im Leben haben und Drogen oder Alkohol missbrauchen, ist die Prognose dagegen schlechter.
Die
Narzisstische Persönlichkeitsstörung
bringt ein erhöhtes Suizidrisiko mit sich. Wenn die eigene Großartigkeit erschüttert wird, setzt eine tiefe Kränkung ein. In der Folge nehmen sich manche Betroffene das Leben - die Suizidrate liegt bei 14 Prozent.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Beschreibung
Unterschied zwischen Narzissmus und narzisstischer Persönlichkeitsstörung
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Wie viele sind betroffen?
Typen von Narzisstischer Persönlichkeitsstörung
Der grandios-maligne Narzissmus
Der vulnerabel-fragile Narzissmus
Der exhibitionistische Narzissmus
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Symptome
Niedriges Selbstwertgefühl
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Ursachen und Risikofaktoren
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Umweltfaktoren
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Untersuchungen und Diagnose
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Therapie
Psychotherapeutische Behandlung
Beziehung zum Therapeuten und realistische Ansprüche
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Partnerschaft
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Verlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen