Illness name: milzriss
Description:
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Als
Milzriss
(Milzruptur) bezeichnet man einen Riss durch das Gewebe oder die Kapsel der Milz. Ursache dafür sind vor allem stumpfe Bauchverletzungen. Ein Milzriss ist ein akuter Notfall, der eine schnelle Behandlung erfordert. Lesen Sie hier alles zu Symptomen, Diagnostik und Therapie des Milzrisses!
Die Milz ist bei einem Bauchtrauma – also bei einer Bauchverletzung durch eine äußere Gewalteinwirkung – das am häufigsten verletzte Organ: Bei jedem zweiten bis dritten Bauchtrauma ist die Milz betroffen.
Man unterscheidet eine einzeitige und zweizeitige Milzruptur: Bei einem einzeitigen Milzriss reißen die Kapsel und das Gewebe der Milz gleichzeitig. Bei einer zweizeitigen Milzruptur hingegen ist zunächst nur das Milzgewebe verletzt, und die Kapsel reißt erst Stunden oder gar Wochen später.
Die Milz ist ein Organ im linken Oberbauch unter den Rippen in der Nähe von
Magen
,
Niere
und
Darm
. Sie ist von einer bindegewebigen Kapsel umgeben. Einige Menschen haben eine kleine zusätzliche Milz (Nebenmilz).
Die Milz hat verschiedene Aufgaben: Einerseits bildet und speichert sie eine bestimmte Art von weißen Blutkörperchen – die sogenannten
Lymphozyten
. Gleichzeitig baut sie verbrauchte rote Blutkörperchen (
Erythrozyten
) und Blutplättchen (
Thrombozyten
) ab. Aufgrund dieser Aufgaben sind die speziellen
Blutgefäße
der Milz immer reichlich mit
Blut
gefüllt.
Eines der häufigsten Milzriss-Symptome ist ein Schmerz oder Druckschmerz im linken Oberbauch. Manchmal strahlt der Schmerz in die linke Flanke und die linke Schulter aus (Kehr-Zeichen). Je nachdem, wie stark die Milz beschädigt ist, ist die Bauchdecke womöglich sehr schmerzempfindlich und hart. In schweren Fällen kommt es bei einer Milzruptur zu Atemnot und Schockzuständen mit niedrigem Blutdruck und einer hohen Herzfrequenz. Auch ein Kollaps bis hin zum
Herzkreislaufstillstand
ist möglich.
Wenn der Milzriss durch ein Trauma bedingt ist, fallen Prellmarken oder gebrochene Rippen im linken Oberbauch auf. Bei einem Verkehrsunfall weist manchmal ein Bluterguss entlang des Sicherheitsgurtes im linken Oberbauch auf ein starkes Trauma der Milz hin.
Handelt es sich um einen sogenannten zweizeitigen Milzriss, so klingt der anfängliche Schmerz womöglich zunächst ab, um nach einer Pause ("stilles Intervall") noch einmal stärker wiederzukehren.
Bei einem Milzriss handelt es sich um einen Notfall. Der Arzt stabilisiert zunächst den Kreislauf durch Flüssigkeit und Medikamente über einen venösen Zugang. Bei starken Blutungen sind gegebenenfalls Bluttransfusionen notwendig.
Nach der Erstuntersuchung trifft der Arzt die Entscheidung, ob eine Notfalloperation notwendig ist oder ob man vorerst abwartet. In dem Fall wird der Verletzte sorgfältig medizinisch überwacht. Je schwerer die Verletzung ist, desto eher entscheiden die Mediziner sich dafür, sofort zu operieren. Das gilt zum Beispiel, wenn sie eine Blutung im Bauchraum vermuten und der Kreislauf instabil ist.
Die richtige und schnelle Therapieentscheidung ist bei einem Milzriss entscheidend. Heute ist es möglich, kreislaufstabile Patienten bis zu einer Milzruptur dritten Grades auch ohne Operation zu behandeln.
Auch ohne sofortige Operation empfiehlt sich nach einem Milzriss auf jeden Fall eine Überwachung im Krankenhaus, gegebenenfalls auf der Intensivstation. Vor allem in den ersten 24 Stunden nach der Aufnahme gilt für den Betroffenen eine strikte Bettruhe. Ärzte und Pflegekräfte beobachten in dieser Zeit die Kreislaufparameter wie Blutdruck und Herzfrequenz. Zusätzlich sind je nach Schweregrad der Verletzung engmaschige Blutentnahmen und Ultraschallkontrollen notwendig. In vielen Fällen sinkt das Risiko für einen schweren Verlauf nach 72 Stunden deutlich ab.
Es gibt viele verschiedene Techniken, um einen Milzriss zu operieren. Während Ärzte früher die Milz oft direkt vollständig entfernt haben (Splenektomie), versuchen sie heute zumeist, das Organ so vollständig wie möglich zu erhalten. Das gilt insbesondere für einen Milzriss bei Kindern, da für sie die Milz noch eine recht wichtige Rolle für das Immunsystem spielt.
Bei oberflächlichen Milzverletzungen stoppt der Arzt die Blutung manchmal mit einem speziellen Infrarot- oder Lasergerät, indem er das Gewebe verödet. Manchmal lässt sich die Wunde in der Milz mithilfe einer Naht (U-Naht) oder eines speziellen Fibrinklebers verschließen. In anderen Fällen packt der Arzt die Milz in ein festsitzendes, resorbierbares Netz ein (Splenorrhaphie).
In besonderen Fällen ist es möglich, mit einem in die Leistengefäße eingeführten Katheter einzelne Gefäße der Milz zu verschließen (Embolisation), um so eine aktive Blutung zu stoppen.
Bei starken Verletzungen entfernt das Operationsteam gegebenenfalls Teile der Milz (partielle Resektion) oder das ganze Organ. Den Zustand ohne Milz nennt man Asplenie. Eine Splenektomie aufgrund eines Milzrisses nehmen Ärzte heute fast nur noch bei instabilem Kreislauf, Hinweisen auf eine Blutung in der Bauchhöhle und anderen Zeichen eines schweren Milzrisses vor.
Nach der Milz-Operation bleibt der Betroffene normalerweise noch ein bis zwei Wochen zur Überwachung im Krankenhaus, abhängig von der Schwere der Verletzung, der Art der Operation und dem Blutungsrisiko.
Entscheidend für den Verlauf nach der Operation sind regelmäßige Nachkontrollen.
Bauchschmerzen
bis mehrere Wochen nach einer Bauchoperation sind möglich.
Ein Leben komplett ohne Milz ist zwar möglich, birgt jedoch einige Risiken. Da sie entscheidend bei der Verteidigung des Körpers gegen Krankheitserreger mithilft, sind Betroffene nach einer Splenektomie einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.
Daneben bringt jede Operation im Bauchraum allgemeine Risiken mit sich. Dazu gehören etwa eine Verletzung anderer Bauchorgane, Blutungen, Infektionen und allergische Reaktionen. Daneben treten nach einer Milz-Operation manchmal eine Bauchspeicheldrüsenentzündung oder eine
Thrombose
der
Pfortader
auf.
Bei den sogenannten interventionellen Eingriffen mit Kathetern durch die Leistengefäße besteht vor allem das Risiko, dass Gefäße verletzt werden und eine Blutung oder eine Gefäßaussackung (
Aneurysma
) entsteht.
Weitere mögliche Komplikationen sind Pseudozysten, Abszesse und sogenannte arteriovenöse Kurzschlüsse (ungewollte Verbindungen zwischen einer
Arterie
und einer Vene).
Wer ohne Milz lebt, hat ein erhöhtes Risiko für Infektionen. Aus diesem Grund empfehlen sich für Menschen ohne Milz – insbesondere Kinder – regelmäßige Impfungen (vor allem gegen Pneumokokken, Meningokokken und Hämophilus influenzae). Bei Fieber ist ein Besuch beim Arzt ratsam. Bei Kindern kommt gegebenenfalls auch eine dauerhafte Prophylaxe gegen bakterielle Infektionen mit Antibiotika zum Einsatz.
Eine schwere Komplikation ist bei Asplenie die sogenannte "OPSI" (overwhelming post splenectomy infection), die zu einer schweren
Blutvergiftung
(Sepsis) führt. Besonders Kleinkinder und Säuglinge ohne Milz haben ein erhöhtes Risiko für eine schwer verlaufende Infektion.
Meist tritt diese Form der Sepsis in den ersten zwei bis drei Jahren nach einer Splenektomie auf. Jedoch ist eine OPSI auch noch Jahrzehnte später möglich. Ursache für diese Infektion sind vor allem Pneumokokken, Hämophilus, Meningokokken, Staphylokokken und E.-coli-Stämme.
Außerdem fällt der Abbau von Blutplättchen (Thrombozyten) durch die Milz weg. Dadurch steigt in den ersten drei Monaten nach der Milzentnahme die Zahl der Thrombozyten an, bis sich der Körper angepasst hat. So besteht vorübergehend ein erhöhtes Thromboserisiko, das sich durch eine Behandlung mit
Acetylsalicylsäure
und gegebenenfalls
Heparin
jedoch senken lässt.
Die häufigste Ursache für einen Milzriss sind stumpfe Bauchverletzungen. Ein derartiger Milzriss tritt meist bei Verkehrsunfällen auf. Auch schwere Stürze – etwa beim Ski-, Snowboard- und Mountainbike-Fahren – gehen manchmal mit einem Milzriss einher. Ein typisches Beispiel ist ein Sturz über den Fahrradlenker.
Bei Kindern sind die Rippen noch weicher und die Bauchmuskeln schwächer als bei Erwachsenen, wodurch sie anfälliger für eine Milzruptur sind. Insbesondere der Anschnallgurt im Auto löst durch den festen Zug bei einem Verkehrsunfall manchmal einen Milzriss aus.
In selteneren Fällen ist eine offene Gewalteinwirkung Ursache für einen Milzriss, zum Beispiel eine Schuss- oder Stichverletzung.
Ein wichtiger Risikofaktor für eine verstärkte Blutung bei einem Milzriss ist eine blutverdünnende Behandlung mit Gerinnungshemmern, wie sie bei bestimmten
Herzrhythmusstörungen
, Thrombosen oder mechanischem Herzklappenersatz zum Einsatz kommt.
Selten gibt es Milzrisse, die nicht auf eine Verletzung zurückgehen. Meist führt dann eine zugrundeliegende Krankheit zunächst zu einer Vergrößerung der Milz (Splenomegalie), was die Spannung der Milzkapsel erhöht. Dadurch besteht wiederum ein erhöhtes Risiko für einen spontanen Milzriss.
Das Pfeiffersche Drüsenfieber (auch infektiöse Mononukleose genannt) ist eine viral bedingte, grippeartige Erkrankung, die in seltenen Fällen durch eine Milzvergrößerung zu einem spontanen Milzriss führt. Um dies zu verhindern, empfiehlt sich für Patienten eine Sportpause von vier bis sechs Wochen.
Andere Infektionen mit einem erhöhten Risiko für einen Milzriss sind unter anderem
Malaria
und
Typhus
.
Auch schwere oder langwierige Entzündungen führen manchmal dazu, dass das Immunsystems hochreguliert ist und die Milz sich infolgedessen vergrößert. Dazu gehören chronische Bauchspeichel- und Leberentzündungen, autoimmune Erkrankungen und Amyloidosen. Dies sind meist den ganzen Körper betreffende Ablagerungen von krankhaft veränderten Eiweißen.
Auch Krebserkrankungen der Milz sind möglich. In den meisten Fällen handelt es sich um Tumoren des blutbildenden Systems wie Lymphome (zum Beispiel das
Non-Hodgkin-Lymphom
) oder Leukämien (zum Beispiel akute oder chronische myeloische
Leukämie
). Seltener sind Gefäßtumoren (Angiosarkome) oder Tochtergeschwülste von Tumoren (Metastasen).
Die Milz ist verantwortlich für den Abbau verschiedener Blutzellen. Daher ist sie bei den meisten Erkrankungen des Bluts mitbetroffen. Werden zum Beispiel Blutplättchen im Rahmen des Morbus Werlhof (ITP) durch das eigene Immunsystem verstärkt markiert und angegriffen, baut die Milz diese ab. Durch die dadurch erhöhte Belastung vergrößert sich die Milz. Ähnlich ist dies bei den sogenannten hämolytischen Anämien – Formen von Blutarmut, die bei denen vermehrt rote Blutkörperchen zerstört werden.
Auch Störungen im Aufbau der Milz, die zum Beispiel zu einem Blutrückstau führen, erhöhen das Risiko für Milzvergrößerung und einen Milzriss. Dazu zählen oft angeborene Tumoren der Blutgefäße (Hämangiome) oder
Zysten
der Milz. Derartige Tumoren verursachen manchmal massive Blutungen und damit einen Milzriss.
Ist die Milz zu locker im umliegenden Gewebe verankert, kommt es leichter zu einem Milzriss. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko, dass Blutgefäße sich verdrehen und der Blutfluss gestört wird. Auch bestimmte Lebererkrankungen (zum Beispiel eine portale Hypertension) führen zu einem Blutrückstau, der manchmal auch die Milz belastet.
Bei Bauchoperationen besteht ein Verletzungsrisiko für die Milz oder deren Gefäße. Wie hoch die Gefahr für einen Milzriss während einer Operation ist, hängt von vielen Faktoren ab. Dazu zählen vor allem die individuelle Anatomie, wie nah das Operationsgebiet an der Milz liegt und wie erfahren der Operateur ist.
Ein Milzriss ist eine Notfallsituation. Daher ist es ratsam, bei Verdacht auf einen Milzriss – vor allem bei Verletzungen im Bereich des linken Oberbauchs – den Rettungsdienst zu alarmieren. Mithilfe einer Monitorüberwachung beobachten Ärzte und Sanitäter in der akuten Phase kontinuierlich Herzfrequenz und Blutdruck, um die Kreislaufstabilität einzuschätzen. Der Arzt wird unter anderem folgende Fragen stellen:
Danach wird der Arzt den Patienten sorgfältig untersuchen, vor allem
Herz
,
Lunge
und Bauch. Nach einem Unfall achtet er auf Prell- und Gurtmarken und andere äußere Zeichen einer Verletzung. Als typisch für einen Milzriss gilt neben dem Bauchschmerz ein Schmerz in der linken Schulter. Zusätzlich spüren manche Betroffene einen Schmerz bei Druck auf den linken seitlichen Hals (Sägesser-Zeichen).
Die Ultraschalluntersuchung ist im Notfall die schnellste und einfachste Methode, um eine akute Blutung in der Bauchhöhle auszuschließen (FAST-Sono). Im Zweifelsfall wird er regelmäßig wiederholt. Ein Kontrastmittel während der Ultraschalluntersuchung verbessert die Genauigkeit der Diagnose.
Als sicherste Methode zur Diagnose eines Milzrisses gilt die Computertomografie (CT) mit Kontrastmittel. Ein besonders helles Areal außerhalb von Gefäßen deutet dann auf eine Blutung und Störungen im Milzgewebe hin. Mit einem Röntgenbild oder CT des Brustkorbs lassen sich je nach (Unfall-)Geschichte knöcherne Verletzungen der Rippen ausschließen.
Bei Verdacht auf einen Milzriss nimmt der Arzt Blut für eine Blutuntersuchung ab. Im Labor lassen sich unter anderem Parameter zur Einschätzung des Blutverlusts (Hämoglobin,
Hämatokrit
, Blutbild) bestimmen. Werden die Blutentnahmen im Verlauf wiederholt, dienen die Werte auch als Verlaufsparameter.
Mit diesen diagnostischen Methoden lässt sich der Schweregrad des Milzrisses einschätzen. Das hilft dem Arzt dabei, die Therapie zu planen und eine Prognose abzuschätzen. In der Klassifikation nach Buntain und Gold unterscheidet man vier Milzriss-Schweregrade:
Es gibt eine Reihe weiterer Systeme zur Einschätzung einer Milzverletzung, die zum Teil auch die genaue Beurteilung des CT-Bildes miteinbeziehen.
Entscheidend für die Prognose bei einem Milzriss sind eine frühzeitige Diagnosestellung und die richtige Therapie. Heutzutage lässt sich die große Mehrzahl der Milzrisse ohne einen operativen Eingriff behandeln. Zudem steigt die Rate an milzerhaltenden Eingriffen oder Interventionen. Vor allem bei Kindern kommen heute mehr als 90 Prozent der Milzverletzungen ohne eine Operation aus.
Wird nur ein Teil der Milz entnommen, besteht sogar die Möglichkeit, dass die Restmilz "nachwächst" und das Organ wieder voll funktionstüchtig wird.
Bei bis zu vier Prozent der Patienten, deren Milz entfernt wurde, kommt es zu einer sogenannten Blutvergiftung (Sepsis) mit einer hohen Sterblichkeit.
Lebensgefährliche Folgen einer Verletzung zeigen sich meist innerhalb der ersten 24 bis 72 Stunden nach der Verletzung. Rund acht von zehn Menschen mit Milzriss gelten innerhalb von sieben bis elf Wochen als geheilt. Bis dahin empfiehlt es sich, körperliche Anstrengung zu reduzieren, um die Milz nicht zu belasten.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Milzriss
Kurzübersicht
Was ist ein Milzriss?
Milz: Anatomie und Funktion
Milzriss: Welche Symptome treten auf?
Milzriss: Wie wird er behandelt?
Konservative Behandlung
Operation
Komplikationen der Operation
Asplenie
Ursachen und Risikofaktoren
Infektionen
Entzündungen
Tumor
Erkrankungen des Bluts
Angeborene und strukturelle Ursachen
Operationen am Bauch
Untersuchungen und Diagnose
Ultraschall
Computertomografie
Laboruntersuchungen
Milzriss: Schweregrade
Milzriss: Krankheitsverlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen