Illness name: essentielle thrombozythaemie
Description:
Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.
Die essentielle Thrombozythämie (ET, PT, primäre oder idiopathische Thrombozythämie) ist eine Form von Blutkrebs, bei der übermäßig viele Blutplättchen produziert werden. Dadurch steigt das Risiko für Blutgerinnsel (Thrombosen). Lesen Sie hier, wie die Erkrankung verläuft und wie sie behandelt wird!
Die essentielle Thrombozythämie (ET, PT, primäre oder idiopathische Thrombozythämie) ist eine chronische Erkrankung des Knochenmarks. Sie zählt neben der Polyzythämia vera (PV), der chronischen myeloischen Leukämie (CML) und der primären
Myelofibrose
(PMF) zu den myeloproliferativen Erkrankungen. Darunter versteht man Blutkrebserkrankungen, die von den blutbildenden Zellen des Knochenmarks (Stammzellen) ausgehen.
Bei der essentiellen Thrombozythämie vermehren sich die Blutplättchen (Thrombozyten) weitgehend unkontrolliert. Sie sind für die
Blutgerinnung
zuständig: Schon bei kleinsten Verletzungen docken die Blutplättchen am geschädigten Gewebe an, verklumpen miteinander und bilden so einen Pfropf, der das verletzte Blutgefäß abdichtet. Bei äußeren Verletzungen ist das sichtbare Resultat dieses Vorgangs die Bildung einer Kruste.
Sind wie bei der ET im
Blut
zu viele Blutplättchen vorhanden, steigt das Risiko für Blutgerinnsel. Die Blutplättchen verklumpen auch ohne Verletzung. Es entstehen Gerinnsel (Thrombosen), die die
Blutgefäße
verstopfen (
Embolie
). Gewebe oder Organe, die hinter dem Blutgerinnsel liegen, werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und sterben ab. Im schlimmsten Fall sind lebensnotwendige Organe wie
Herz
(Herzinfarkt) oder
Gehirn
(Schlaganfall) betroffen.
Paradoxerweise ist es auch möglich, dass Betroffene verstärkt zu Blutungen neigen. Grund dafür ist, dass die Blutplättchen Gerinnungsfaktoren binden. Sind Blutplättchen im Übermaß vorhanden, filtern sie sehr viele Gerinnungsfaktoren heraus. Diese fehlen dann für die Blutgerinnung, die Blutungsneigung steigt. Anzeichen dafür sind häufiges oder starkes Nasen- oder Zahnfleischbluten.
„Essentiell“ oder „idiopathisch“ bedeutet, dass es keine erkennbare Ursache für die hohe Anzahl an Blutplättchen gibt. Im Gegensatz dazu sind die Blutplättchen auch erhöht, wenn Entzündungen,
Eisenmangel
oder innere Blutungen vorliegen. Der Arzt spricht dann von sekundärer Thrombozythämie.
Normalerweise liegt die Thrombozytenzahl bei Gesunden zwischen 150.000 und 450.000 pro μl Blut, bei der Thrombozythämie enthält das Blut der Erkrankten teilweise weit über eine Million Blutplättchen pro μl Blut.
Im Vergleich zu anderen myeloproliferativen Erkrankungen wie der Polyzythämia vera (PV) und der primären Myelofibrose (PMF) verläuft die essentielle Thrombozythämie in der Regel glimpflich, die Lebenserwartung ist nahezu normal. Dennoch variiert der Krankheitsverlauf deutlich von Fall zu Fall. Während die Lebensqualität der meisten Patienten nicht oder kaum beeinträchtigt ist, fühlen sich andere krank und haben Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen.
Ist es ihnen beispielsweise nicht möglich, ihrer Arbeit nachzugehen, haben Betroffene die Möglichkeit, eine Reha-Maßnahme (Kur) zu beantragen. Bei dauerhaft schwerwiegenden Symptomen haben sie außerdem die Möglichkeit, beim zuständigen Versorgungsamt einen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung zu stellen.
Die essentielle Thrombozythämie ist eine seltene Erkrankung: Schätzungen zufolge erkranken daran 2,4 pro 100.000 Menschen pro Jahr, Frauen doppelt so häufig wie Männer. Sie tritt gehäuft zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf, seltener sind jüngere Personen betroffen. In fünf Prozent der Fälle sind es Kinder, die an ET erkranken.
Wie die essentielle Thrombozythämie verläuft, lässt sich nur schwer vorhersagen, da die Erkrankung bei jedem Patienten einen individuellen Verlauf nimmt. In der Regel ist die ET nicht tödlich.
Wenngleich die ET eine Form von Blutkrebs ist, haben Patienten bei entsprechender Behandlung eine fast normale Lebenserwartung. Im Vergleich zu anderen myeloproliferativen Erkrankungen verläuft die essentielle Thrombozythämie vergleichsweise gutartig.
Die meisten Patienten leben über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte ohne Beschwerden. Komplikationen wie Gefäßverschlüsse treten nicht zwingend auf. Das Risiko im Vergleich zu Gesunden ist aber erhöht.
In seltenen Fällen schreitet die Erkrankung voran. Innerhalb von 15 Jahren kommt es bei etwa fünf bis zehn Prozent der Patienten zu einer Osteomyelofibrose. Dabei vernarbt das Knochenmark, es kommt zu einer fortschreitenden Blutarmut. Bei etwa drei Prozent der Patienten entwickelt sich aus der ET eine akute myeloische Leukämie (AML), eine bösartige Form von Blutkrebs.
Die essentielle Thrombozythämie ist eine chronische Erkrankung des Knochenmarks. Da die Ursache der Erkrankung eine Veränderung (Mutation) in den Genen der Stammzellen im Knochenmark ist, ist eine Heilung nicht möglich – mit Medikamenten ist sie aber gut behandelbar.
Die Erkrankung verläuft bei jedem Patienten unterschiedlich. Daher gibt es keine einheitliche Therapieempfehlung. Wie die ET behandelt wird, richtet sich nach dem Alter des Patienten, dem Stadium der Erkrankung, den Symptomen und dem individuellen Thromboserisiko.
Solange keine Beschwerden auftreten, müssen ET-Patienten nicht behandelt werden. Wichtig für Patienten ist jedoch, regelmäßig Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen. Ärzte sprechen von „abwartendem Beobachten“.
ET-Patienten, die Symptome entwickeln, erhalten eine Therapie mit Medikamenten. Da es sich um eine chronische Erkrankung handelt, müssen Patienten die Medikamente lebenslang einnehmen.
Acetylsalicylsäure:
Treten erste Symptome auf, die auf Durchblutungsstörungen hindeuten, wie beispielsweise blaue Finger oder Zehen, erhalten Patienten den Wirkstoff Acetylsalicylsäure. Er wirkt blutverdünnend und beugt so Blutgerinnseln vor.
Chemotherapie:
Zeigt Acetylsalicylsäure keine Wirkung oder ist die Behandlung damit nicht möglich (etwa bei gesteigerter Blutungsneigung), erhalten Patienten eine Chemotherapie mit dem Wirkstoff Hydroxyurea. Er ist bei ET das Mittel der ersten Wahl. Hydroxyurea hemmt die Blutplättchen in ihrem Wachstum. Die Chemotherapie bewirkt, dass die Zahl der Thrombozyten reduziert wird. Gleiches gilt, wenn bereits Komplikationen wie Thrombosen, Herzinfarkt oder Schlaganfall aufgetreten sind.
Alternativ setzt der behandelnde Arzt die folgenden Wirkstoffe ein:
Die meisten Patienten leben jahrelang ohne Symptome. Im Laufe der Zeit erhöht die Zunahme der Blutplättchen jedoch die Neigung zu Durchblutungsstörungen und Blutgerinnseln.
Mögliche Symptome sind:
Bei plötzlicher Atemnot, Beinschwellung oder Brustschmerzen sofort den Notarzt rufen!
Ursache für die essentielle Thrombozythämie ist in den allermeisten Fällen eine Genveränderung (Mutation) in den blutbildenden Zellen (Stammzellen) im Knochenmark. Aus diesen Stammzellen entwickeln sich alle Blutzellen. Wie bei einigen anderen myeloproliferativen Erkrankungen (CML, PV, PMF) liegt bei der ET eine Mutation auf dem Chromosom 9 vor. Sie führt im Falle der ET dazu, dass sich die Blutplättchen weitgehend unkontrolliert vermehren. Bislang sind drei unterschiedliche Genveränderungen identifiziert, die ET auslösen:
JAK2-Mutation
: Rund 50 Prozent aller ET-Patienten tragen die JAK2-Mutation. JAK steht für Janus-Kinase, ein Enzym, das eine wichtige Rolle in der Signalübertragung spielt. In Zellen, die diese Mutation tragen, ist das Enzym dauerhaft aktiviert. Die Zellen teilen sich ununterbrochen. Bei der essentiellen Thrombozythämie sind es vor allem die Blutplättchen, die sich unkontrolliert vermehren.
CALR-Mutation:
Bei einem Teil der Patienten löst die CALR-Mutation (Calreticulin-Mutation) die Erkrankung aus. Betroffen ist hier das Protein Calreticulin.
MPL-Mutation:
Auch eine Genveränderung am sogenannten Thrombopoetinrezeptor (ebenfalls ein Protein) ist ein möglicher Auslöser für eine ET.
Bei einer sehr geringen Zahl von ET-Patienten ist keine der drei Genveränderungen nachweisbar. Ärzte bezeichnen diese als „triple negativ“.
Warum es zu solchen Genveränderungen kommt, ist nicht geklärt. Die essentielle Thrombozythämie ist nicht angeboren, sondern entwickelt sich erst im Laufe des Lebens. Mögliche – aber noch nicht gesicherte – Auslöser sind radioaktive Strahlung, Virusinfektionen und chemische Substanzen sowie das Lebensalter, mit dem die Wahrscheinlichkeit für Genveränderungen steigt.
Auch wenn die Erkrankung nicht direkt auf die Nachkommen vererbt wird, vermuten Ärzte eine gewisse genetische Veranlagung. Auffällig ist, dass ET in betroffenen Familien gehäuft auftritt.
ET verursacht bei den meisten Patienten über Jahre und sogar Jahrzehnte keine Beschwerden. Die Diagnose wird daher oft zufällig im Rahmen von Routineuntersuchungen gestellt. Hier fallen bei der Blutuntersuchung zunächst hohe Thrombozytenwerte auf.
In anderen Fällen suchen Patienten den Arzt auf, weil sie an Kopfschmerzen oder Sehstörungen leiden, blaue Finger oder Zehen haben oder eine
Thrombose
erlitten haben.
Besteht aufgrund der vielen Blutplättchen im Blut der Verdacht auf eine essentielle Thrombozythämie, ist ein Spezialist für Bluterkrankungen (Hämatologe) der richtige Ansprechpartner.
Folgende Untersuchungen führt der Arzt durch:
Blutuntersuchung:
Bei der Analyse des Blutes fallen hohe Thrombozytenwerte (> 450.000 pro μl Blut) auf.
Ultraschalluntersuchung des Bauches:
Die Milz hat die Aufgabe, veränderte und alte Blutplättchen abzubauen. Da bei der ET besonders viele Blutplättchen gebildet werden, vergrößert sich die Milz im Verlauf der Erkrankung. Diese Veränderung ist im
Ultraschall
gut zu sehen.
Molekulargenetische Untersuchung:
Die molekulargenetische Untersuchung zielt darauf ab, Genveränderungen festzustellen. Dafür nimmt der Arzt dem Patienten Blut ab und analysiert die Blutzellen auf Mutationen. Bei den meisten ET-Patienten sind entsprechende Veränderungen (JAK2-, CALR- oder MPL-Mutationen) feststellbar. Bei „triple negativen“ Patienten finden sich hingegen keine Genveränderungen.
Knochenmarkpunktion
:
Bei einer Knochenmarkpunktion entnimmt der Arzt eine kleine Gewebeprobe aus dem Knochenmark. Der Pathologe untersucht die entnommenen Zellen anschließend unter dem Mikroskop. Da die Blutplättchen bei der ET ein typisches Erscheinungsbild haben, ist die Erkrankung durch diese Untersuchung eindeutig festzustellen.
Die Knochenmarkprobe entnimmt der Arzt üblicherweise aus dem Beckenknochen. Dafür liegt der Patient auf der Seite oder auf dem Bauch. Der Arzt betäubt die Stelle, desinfiziert sie und sticht mit einer speziellen Nadel durch die
Haut
und den Beckenknochen ins Knochenmark. Der Einstich ist üblicherweise nicht schmerzhaft, manche Patienten spüren aber einen kurzen Schmerz, wenn der Arzt die Spritze aufzieht, um die Probe zu entnehmen.
Eine Knochenmarkpunktion wird üblicherweise ambulant und unter lokaler Betäubung durchgeführt, manchmal auch unter einer kurzen Vollnarkose.
Die essentielle Thrombozythämie ist eine Erkrankung, die sich erst im Laufe des Lebens entwickelt. Da bislang nicht geklärt ist, warum es dazu kommt, gibt es aktuell keine konkreten Maßnahmen, um der Erkrankung vorzubeugen.
Patienten, bei denen die ET bereits diagnostiziert wurde, senken mit folgenden Maßnahmen ihr persönliches Risiko für Thrombosen:
Für ET-Patienten ist es wichtig, regelmäßige Kontrollen beim Arzt wahrzunehmen.
Diese beinhalten:
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.
Essentielle Thrombozythämie
Kurzübersicht
Was ist die essentielle Thrombozythämie?
Schwerbehinderung
Häufigkeit
Ist die essentielle Thrombozythämie tödlich?
Kann die ET geheilt werden?
Allgemeine Maßnahmen zur Reduktion des Thromboserisikos
Medikamente
Welche Symptome treten bei der essentiellen Thrombozythämie auf?
Ursachen und Risikofaktoren
Wie kommt es zu den Genveränderungen?
Untersuchung und Diagnose
Vorbeugung
Persönliches Thromboserisiko senken
Verlaufskontrolle
Autoren- & Quelleninformationen