Illness name: myelitis
Description:
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Myelitis
ist eine Entzündung des Rückenmarks. Sie tritt oft im Zusammenhang mit Infektionen oder Autoimmunerkrankungen auf, kann aber auch andere Ursachen haben. Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und Lähmungen sind wichtige Anzeichen der Rückenmarksentzündung. Welche Symptome noch möglich sind, wie Ärzte eine Rückenmarksentzündung diagnostizieren und behandeln und wie lange die Genesung bei einer Myelitis dauert, erfahren Sie hier!
Myelitis ist der medizinische Fachbegriff für eine Entzündung des Rückenmarks. Das
Rückenmark
ist jener Teil des zentralen
Nervensystems
, der im Spinalkanal (Wirbelkanal, Rückenmarkskanal) innerhalb der
Wirbelsäule
verläuft.
Die Rückenmarksentzündung kann einmalig (monophasisch) auftreten, etwa im Zusammenhang mit einer Infektion. Oder sie kann wiederkehren, zum Beispiel im Rahmen der chronischen Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose.
Oft tritt eine Rückenmarksentzündung ganz plötzlich (akut) bis subakut auf, also innerhalb von einigen Stunden oder Tagen bis wenigen Wochen. Gelegentlich entwickelt sie sich langsamer und schleichend (chronisch).
Rückenmarksentzündungen (Myelitiden) lassen sich entweder nach ihrem Verteilungsmuster oder nach ihrer Lokalisation einteilen.
Nach dem Verteilungsmuster der Rückenmarksentzündung unterscheidet man:
Mehr über die Querschnittsmyelitis bzw. transverse Myelitis erfahren Sie
hier
.
Betrachtet man das Rückenmark im Querschnitt, lässt sich ganz innen ein schmetterlingsförmiger Bereich erkennen - die sogenannte graue Substanz. Sie besteht vorwiegend aus Nervenzellkörpern. Umschlossen wird sie von der weißen Substanz. Diese setzt sich vorwiegend aus den langen Fortsätzen der Nervenzellen zusammen, die man Nervenfasern oder Axone nennt.
Je nachdem, in welchem dieser Bereiche die Entzündungsprozesse ablaufen, gliedert man Myelitiden in:
Sind am Rückenmark entspringende Nervenwurzeln in die Entzündungsprozesse einbezogen, sprechen Mediziner von Myeloradikulitis.
Die Myelitis-Symptome hängen stark davon ab, in welchem Bereich das Rückenmark entzündungsbedingt geschädigt ist.
Anfangs treten oft gürtelförmige
Schmerzen
im Bereich des betroffenen Rückenmarkssegments bzw. der betroffenen Rückenmarksegmente auf.
Sensibilitätsstörungen
sind ebenfalls häufig. Manche Patienten berichten etwa, dass sie Berührungsreize im betroffenen Körperareal (z.B. in den Beinen) nur abgeschwächt (Hypästhesie) oder übermäßig stark wahrnehmen (Hyperästhesie). Auch unangenehme Missempfindungen als Reaktion auf normale Reize wie Berührung (Dysästhesie) oder ohne Reizauslöser (Parästhesie) können bei einer Rückenmarksentzündung auftreten, zum Beispiel ein Kribbelgefühl.
Wichtige Symptome sind zudem
Lähmungserscheinungen
. Anfangs sind es oft eher schlaffe Lähmungen, später auch spastische Muskelverkrampfungen. Möglicherweise entwickeln sie sich bis hin zu einer Querschnittslähmung.
Breitet sich eine Rückenmarksentzündung aus und greift auf die
Hirnnerven
und das Atemzentrum über, kann sie schnell gefährlich werden. Ausfälle der Hirnnerven und Atemversagen sind die Folgen (
Landry-Paralyse
).
Darüber hinaus kann eine Entzündung im Rückenmark
autonome Symptome
hervorrufen - also Beschwerden, die vom
autonomen (vegetativen) Nervensystem
ausgehen. Das können etwa Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion sein. Betroffene haben zum Beispiel Probleme beim Wasserlassen und Stuhlgang. Auch sexuelle Funktionsstörungen können eine Myelitis begleiten.
Ist das Rückenmark im Bereich der
Halswirbelsäule
von der Myelitis betroffen, kann die
Regulation von Herzrhythmus oder Blutdruck
gestört sein.
Bei vielen Patienten lässt sich keine Ursache für die Entzündung finden. Mediziner sprechen dann von
idiopathischer Myelitis
. In anderen Fällen dagegen können sie nachvollziehen, warum sich das Rückenmark entzündet hat:
Eine
infektiös bedingte Myelitis
wird direkt durch Infektionserreger ausgelöst. Das können zum Beispiel
Viren
sein, etwa Herpes-, Entero- oder Coxsackie-Viren, das FSME-Virus, der Erreger der Kinderlähmung (Poliovirus), des Pfeifferschen Drüsenfiebers (Epstein-Barr-Virus) sowie der Aids-Erreger HIV.
Auch Bakterien (z.B. die Erreger von
Syphilis
,
Tuberkulose
und
Borreliose
) sowie Parasiten (wie der Auslöser der
Bilharziose
) und Pilze können auf direktem Wege das Rückenmark entzünden.
In anderen Fällen entsteht eine Rückenmarksentzündung nicht durch einen Erreger selbst, sondern durch fehlgeleitete Reaktionen des Immunsystems auf diesen - entweder noch im Rahmen der Infektion (
parainfektiöse Myelitis
) oder erst danach (
postinfektiöse Myelitis
). Das kann zum Beispiel bei Masern,
Mumps
,
Röteln
oder einer Herpesinfektion passieren.
Eine postvakzinale Myelitis ist eine Rückenmarksentzündung, die sich vereinzelt nach einer Schutzimpfung entwickelt - beispielsweise nach einer Impfung gegen Tollwut,
Tetanus
, Masern, Mumps, Röteln,
Windpocken
,
Hepatitis
oder Sars-CoV-2. Wie bei einer para- beziehungsweise postinfektiösen Myelitis spielen auch hier fehlgeleitete Abwehrreaktionen eine Rolle.
Oft entzündet sich das Rückenmark im Rahmen von Autoimmunerkrankungen. Das sind Erkrankungen, bei denen das Immunsystem aufgrund einer Fehlregulation körpereigenes Gewebe angreift.
So kann man zum Beispiel bei
Multipler Sklerose
und Erkrankungen aus dem Spektrum der
Neuromyelitis optica
(
NMOSD
) eine autoimmun bedingte Myelitis beobachten.
Weitere Autoimmunerkrankungen, die mit einer Rückenmarksentzündung einhergehen können, sind zum Beispiel
Sarkoidose
,
Systemischer Lupus erythematodes
, eine autoimmunbedingte Gefäßentzündung (
Vaskulitis
) sowie Kollagenosen (entzündliche Autoimmunerkrankungen des Bindegewebes).
Im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung kann eine paraneoplastische Myelitis auftreten. Vermutlich reagiert dabei das Immunsystem auf gemeinsame Antigene des Tumors und des Nervensystems (Antigene sind Strukturen, an denen Antikörper binden können). Das heißt: Antikörper, die das Immunsystem gegen die Krebszellen bildet, greifen hier versehentlich auch das Rückenmark an und lösen so eine Entzündung aus.
Vergiftungen etwa mit Blei können ebenfalls eine Myelitis verursachen. Außerdem kann eine Rückenmarksentzündung physikalisch bedingt sein, beispielsweise infolge einer
Strahlentherapie
, wie sie zur Krebstherapie durchgeführt wird (radiogene Myelitis oder Strahlenmyelitis).
Der Arzt beginnt in der Regel mit der
Erhebung der Krankengeschichte
(
Anamnese
), wenn er Beschwerden wie Missempfindungen oder Taubheitsgefühlen auf den Grund gehen will. Er lässt sich vom Patienten Art und Verlauf der Beschwerden genau schildern. Außerdem erkundigt er sich nach eventuellen Vor- oder Grunderkrankungen wie Infektionen oder Autoimmunerkrankungen.
Besonders wichtig ist die
klinisch-neurologische Untersuchung
. Der Arzt prüft dabei unter anderem die Reflexe des Patienten. Sie können abgeschwächt oder erloschen sein oder aber deutlich gesteigert. Zudem testet der Arzt die Muskelkraft und die Funktion der Hirnnerven. Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag "
Neurologische Untersuchung
".
Mittels
MRT
(Magnetresonanztomografie oder
Kernspintomografie
) machen Ärzte Bilder des Rückenmarks in hoher Auflösung. Üblicherweise verabreichen sie dabei im Vorfeld ein Kontrastmittel, um Entzündungsherde deutlicher zu erkennen.
Auch eine
Liquordiagnostik
ist bei der Abklärung einer Myelitis notwendig: Der Arzt entnimmt mit einer feinen Hohlnadel eine Probe des Nervenwassers (
Liquor
) aus dem Rückenmarkskanal auf Höhe der
Lendenwirbelsäule
(
Lumbalpunktion
). Diese wird dann im Labor genau analysiert.
Beispielsweise wird die Zellzahl im Liquor gemessen - sie ist bei einer Myelitis meist erhöht (Pleozytose). Außerdem finden sich oft eine erhöhte Eiweißmenge sowie bestimmte Eiweißmuster (oligoklonale Banden).
Die Liquoruntersuchung kann auch klären, ob die Rückenmarksentzündung im Zusammenhang mit einer Infektion steht. Dazu fahndet man im Liquor nach Erregern - entweder anhand ihres Erbguts (wie bei Herpesviren) oder anhand spezifischer Antikörper gegen die Erreger (etwa bei Borrelien).
Eine bakterielle Infektion lässt sich auch mittels Liquorkultur nachweisen: Man bringt die Nervenwasserprobe auf ein geeignetes Nährmedium auf, um eventuell enthaltene Bakterien anzuzüchten.
Bei einer nicht-infektiösen Myelitis gelingt manchmal der Nachweis von bestimmten
Autoantikörpern
. So weisen etwa die meisten Patienten mit einer Erkrankung aus dem Formenspektrum der Neuromyelitis optica Antikörper gegen Wasserkanäle in der Membran bestimmter Nervenzellen auf (Aquaporin-4-Antikörper).
Autoantikörper
lassen sich auch in
Blutproben
finden. Außerdem erheben Ärzte bei der Abklärung einer Rückenmarksentzündung weitere Blutwerte, etwa die Anzahl der verschiedener weißer Blutkörperchen (Differenzialblutbild) und die
Blutsenkung
.
Bei der Abklärung einer Myelitis schließen Ärzte andere Erkrankungen aus, die ähnliche Symptome hervorrufen können. Zu diesen Differenzialdiagnosen zählen unter anderem:
Die Myelitis-Behandlung richtet sich nach der Krankheitsursache. Ärzte verordnen beispielsweise Antibiotika, wenn Bakterien das Rückenmark entzündet haben. Mit
Virostatika
(virenhemmenden Mitteln) wiederum behandeln sie eine Myelitis durch Viren.
Wenn Abwehrreaktionen des Immunsystems gegen einen Erreger hinter der Rückenmarksentzündung stecken (para-, postinfektiöse oder postvakzinale Myelitis), können Glukokortikoide ("Kortison") helfen. Sie wirken entzündungshemmend und unterdrücken Immunreaktionen (immunsuppressive Wirkung).
Glukokortikoide kommen daher auch zur Anwendung, wenn eine Rückenmarksentzündung autoimmun bedingt ist oder unklarer Ursache bleibt (idiopathische Myelitis).
Bei einer schweren Myelitis führen Ärzte womöglich eine Art Blutwäsche durch: Das Blutplasma des Patienten wird ausgetauscht (
Plasmapherese
) beziehungsweise man filtert gezielt lösliche Faktoren des Immunsystems aus dem
Blut
heraus (Immunadsorption).
Bei Grunderkrankungen wie Multipler Sklerose, Neuromyelitis optica oder einer Tumorerkrankung sind weitere Therapiemaßnahmen nötig.
Wie schnell sich Betroffene von einer Myelitis vollständig erholen, sprich die Genesungsdauer, ist sehr variabel. Die Prognose hängt wesentlich von der Ursache und dem Ausmaß der Rückenmarksentzündung ab. Einen großen Einfluss hat auch, ob es eine gezielte Behandlung gibt und wie frühzeitig Ärzte mit einer Behandlung beginnen (können).
Beispielsweise hat eine akute Myelitis bei Multipler Sklerose (MS) eine viel bessere Prognose als eine bei einer Neuromyelitis optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD): Beide verlaufen in der Regel in Schüben. Bei einer MS sind die entzündungsbedingten Rückenmarksschäden aber meist kleiner, die Symptome wie Sensibilitätsstörungen oder Lähmungen bilden sich nach dem Schub oft ganz oder teilweise zurück.
Bei einer NMOSD sind die Schübe dagegen meist aggressiver und mit ausgedehnteren Rückenmarksschäden verbunden. Die Symptome bilden sich hinterher in der Regel nicht vollständig zurück, sodass sich teils recht schnell schwerwiegende Behinderungen aufbauen.
Ebenfalls eher schlechter ist die Prognose einer Myelitis dann, wenn sich die Symptome sehr schnell ausbilden oder die Entzündung das Rückenmark der Halswirbelsäule betrifft. Viele Betroffene müssen auf Dauer mit den Myelitis-Folgen leben. Unter Umständen können Patienten sogar versterben. So endet eine hohe (also weit oben an der Wirbelsäule) auftretende akute Querschnittsmyelitis oft tödlich.
Es gibt aber auch Fälle von Myelitis, in denen sich die Patienten wieder vollständig erholen - auch wenn das mitunter viele Monate in Anspruch nimmt. Für so einen erfolgreichen Verlauf entscheidend sind mitunter gezielte Rehabilitationsmaßnahmen (neurologische Reha).
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Myelitis
Kurzübersicht
Myelitis: Beschreibung
Einteilung nach dem Verteilungsmuster
Einteilung nach der Lokalisation
Myelitis: Symptome
Myelitis: Ursachen
Infektionen
Impfungen
Autoimmunerkrankungen
Weitere Myelitis-Ursachen
Myelitis: Untersuchungen & Diagnose
Differenzialdiagnosen
Myelitis: Behandlung
Myelitis: Prognose
Autoren- & Quelleninformationen