Illness name: ventrikelseptumdefekt
Description:
Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.
Als Ventrikelseptumdefekt (VSD) bezeichnen Ärzte ein oder mehrere „Löcher“ in der Scheidewand zwischen rechter und linker Herzkammer. Der VSD ist der häufigste angeborene Herzfehler. Lesen Sie hier, wie die Erkrankung entsteht, welche Symptome auftreten und wann ein Ventrikelseptumdefekt operiert werden muss!
Als Ventrikelseptumdefekt (VSD) bezeichnen Ärzte ein „Loch“ in der Scheidewand (Septum) zwischen der rechten und der linken Herzkammer. Es besteht eine Verbindung zwischen den sonst voneinander getrennten Herzkammern. In nahezu allen Fällen ist der Herzfehler angeboren, nur in seltenen Fällen entsteht der VSD erst im Laufe des Lebens, etwa durch eine Verletzung oder einen Herzinfarkt.
Liegt nur ein einziges Loch vor, sprechen Ärzte von einem
„singulären VSD“
, etwas seltener gibt es in der Herzscheidewand mehrere Defekte. Mediziner bezeichnen diese als
„multiple Ventrikelseptumdefekte“.
Ein
„isolierter VSD“
liegt vor, wenn das Loch die einzige Fehlbildung des Neugeborenen darstellt. In anderen Fällen tritt das Loch im Herzen in Verbindung mit anderen Erkrankungen auf. Dazu zählen Herzfehlbildungen wie beispielsweise die Fallot-Tetralogie (Fehlbildung des Herzens), die Transposition der großen Arterien (Hauptschlagader und Lungenschlagader sind vertauscht) oder ein univentrikuläres
Herz
(Herz besteht aus nur einer Herzkammer).
Nicht selten kommt ein VSD auch in Verbindung mit Syndromen wie
Trisomie 13
,
Trisomie 18
oder Trisomie 21 (umgangssprachlich auch
Down-Syndrom
genannt) vor.
Des Weiteren teilen Ärzte die Septumdefekte nach dem Ort ihres Vorkommens ein: Das Septum besteht im oberen Teil hauptsächlich aus Bindegewebe (Membran), im unteren Teil aus Muskulatur, die Übergänge sind fließend.
Mit 40 Prozent ist der Ventrikelseptumdefekt der häufigste angeborene Herzfehler. Er tritt bei etwa fünf von 1.000 Neugeborenen auf, wobei Mädchen etwas häufiger betroffen sind. Das Verhältnis zwischen betroffenen Jungen und Mädchen liegt bei etwa 1:1,3.
Das Herz besteht aus je zwei Vorhöfen (rechtes und linkes Atrium) und zwei Kammern (rechter und linker Ventrikel). Je eine Wand trennt die beiden Vorhöfe und die Kammern voneinander. Zwischen Vorhof und Kammer beider Seiten liegt jeweils eine große Herzklappe.
Das sauerstoffarme
Blut
gelangt über die obere und untere
Hohlvene
(Vena cava) aus dem Körperkreislauf in den rechten Vorhof und wird von dort über die rechte Kammer in die Lungenarterien gepumpt. In der
Lunge
wird das Blut mit Sauerstoff angereichert und fließt über die Lungenvenen zurück zum linken Vorhof. Die linke Kammer pumpt das sauerstoffreiche Blut über die Hauptschlagader (
Aorta
) in den Körperkreislauf.
Bei einem Ventrikelseptumdefekt befindet sich ein kleines Loch, manchmal auch mehrere kleine Löcher in der Wand (Septum) zwischen rechter und linker Herzkammer. Weil der Druck in der linken Herzkammer normalerweise höher ist als in der rechten, fließt ein Teil des sauerstoffreichen Blutes von der linken Herzkammer durch das Loch zurück in die rechte. Ärzte sprechen von einem „Links-Rechts-Shunt“. Die Folge: Es fließt mehr Blut als üblich in den
Lungenkreislauf
, der Blutdruck in den Lungengefäßen steigt (pulmonaler Hochdruck), wodurch diese auf Dauer geschädigt werden. Zudem sind beide Herzkammern durch den vermehrten Blutfluss überlastet, woraus sich langfristig eine Herzschwäche entwickelt.
Ob und wie ein Ventrikelseptumdefekt behandelt wird, hängt davon ab, wie groß das Loch ist, welche Form es hat und wo genau es sich befindet.
Ein kleines Loch verursacht üblicherweise keine Beschwerden und bedarf keiner Behandlung. Zudem ist es möglich, dass sich das Loch im Laufe der Zeit verkleinert beziehungsweise von selbst verschließt. Das ist bei etwa der Hälfte der Patienten der Fall: Bei ihnen verschließt sich der VSD innerhalb des ersten Lebensjahres.
Mittelgroße, große und sehr große Löcher werden in jedem Fall operiert. Abhängig vom individuellen Fall gibt es unterschiedliche Operationsmethoden, um das Loch zu verschließen.
Die Operation am offenen Herzen erfolgt unter Einsatz einer „Herz-Lungen-Maschine“. Dabei handelt es sich um ein medizinisches Gerät, das vorübergehend die Funktionen des Herzens und der Lunge übernimmt: Das sauerstoffarme Blut gelangt über eine Nadel (Kanüle) im rechten Vorhof des Herzens in das Gerät, wird dort mit Sauerstoff angereichert und dem Körper über die Hauptschlagader wieder zugeführt. Der
Blutkreislauf
wird also für kurze Zeit stillgelegt, damit es möglich ist, am offenen Herzen zu operieren.
Der Arzt öffnet zunächst den Brustkorb und dann den rechten Vorhof. Über die Vorhofklappe (
Trikuspidalklappe
) ist der Defekt an der Scheidewand des Herzens sichtbar. Anschließend verschließt der Arzt das Loch mit körpereigenem Gewebe aus dem Herzbeutel oder mit einem Kunststoffplättchen (Patch). Das Herz überzieht das Material in kurzer Zeit mit eigenem Gewebe. Bei dieser Methode sind keine Abstoßungsreaktionen zu befürchten. Die Operation zählt mittlerweile zu den Routineoperationen und birgt nur geringe Risiken. Patienten, bei denen das Loch im Herzen verschlossen wurde, gelten danach als geheilt.
Eine weitere Möglichkeit, den Ventrikelseptumdefekt zu verschließen, ist der sogenannte „interventionelle Verschluss“. Der Zugang zum Herzen erfolgt hierbei nicht über eine Operation, sondern über einen Katheter, der über die Leistenvene in das Herz vorgeschoben wird. Der Arzt positioniert über dem Katheter ein „Schirmchen“ im Bereich des Defekts und verschließt damit das Loch.
Die Therapie eines Ventrikelseptumdefekts mit Medikamenten ist nicht möglich. In einigen Fällen erhalten VSD-Patienten aber Medikamente, um sie bis zum operativen Eingriff zu stabilisieren. Das ist etwa der Fall, wenn Säuglinge oder Kinder bereits Symptome zeigen oder zu schwach für eine sofortige Operation sind.
Folgende Medikamente kommen zur Anwendung:
Manche Patienten erhalten nach einem operativen Verschluss des Loches noch über einige Wochen Medikamente, um das Herz und die Lunge zu entlasten.
Die Symptome eines VSD sind abhängig davon, wie groß das Loch in der Scheidewand des Herzens (Septum) ist.
Kleine Defekte im Septum verursachen in der Regel keine Beschwerden. In etwa der Hälfte der Fälle wird das Loch im Laufe der Zeit noch kleiner und verschließt sich von selbst. Babys, die mit einem kleinen Septumdefekt zu Welt kommen, sind in der Regel unauffällig und haben keine Symptome. Eine Behandlung ist nicht notwendig.
Mittelgroße und große Löcher im Septum schädigen mit der Zeit sowohl das Herz als auch die Lungenarterien. Da das Herz mehr Blut durch das Herz pumpen muss, ist es zunehmend überlastet. Die Folge: Die Herzkammern vergrößern sich, und es entsteht eine Herzschwäche (
Herzinsuffizienz
).
Typische Symptome sind:
Nicht immer ist es aufgrund ihrer Schwäche möglich, betroffene Babys sofort zu operieren. Bis dahin ist unter Umständen eine vorübergehende Behandlung mit Medikamenten notwendig.
Bei sehr großen Löchern im Septum fließt entsprechend viel Blut von einer Herzkammer in die andere. Dadurch gleichen sich die Druckverhältnisse in den Herzkammern und in den Lungengefäßen an. Die Gefäßwände sind auf eine solche Druckbelastung aber nicht eingestellt und „verhärten“ aufgrund des dauerhaft hohen Drucks (pulmonale Hypertonie). Diese Veränderungen sind nicht rückgängig zu machen.
Schließlich ist es möglich, dass sich die Flussrichtung des Blutes umdreht: Sauerstoffarmes Blut gelangt in den Blutkreislauf, der Organismus wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Sichtbar ist dieser Sauerstoffmangel als Blaufärbung der
Haut
(
Zyanose
). Ärzte sprechen im Zusammenhang mit einem VSD von der sogenannten „Eisenmenger-Reaktion“. Patienten, bei denen dieser Zustand bereits eingetreten ist, haben eine erheblich reduzierte Lebenserwartung.
Es ist besonders wichtig, Patienten mit sehr großen Defekten bereits im Säuglings- oder Kindesalter zu operieren, bevor Veränderungen der Lungengefäße auftreten!
Primärer VSD:
Ventrikelseptumdefekte sind fast immer angeboren. Ärzte sprechen von einem „primären VSD“. Ursachen für einen primären VSD sind entweder ein mangelndes Wachstum des Septums in der Embryonalentwicklung oder Fehler in der Verbindung seiner einzelnen Abschnitte während der vierten bis achten Schwangerschaftswoche.
Sekundärer VSD:
Beim sekundären Ventrikelseptumdefekt kommen Neugeborene mit einem vollständig verschlossenen Septum zur Welt. Das Loch in der Scheidewand entsteht erst nachträglich, etwa durch eine Verletzung, einen Unfall oder eine Herzerkrankung (Herzinfarkt). Sekundäre (erworbene) VSD kommen äußerst selten vor.
Veränderungen des Erbguts:
Manchmal treten Ventrikelseptumdefekte in Kombination mit anderen genetisch bedingten Erkrankungen auf. Dazu zählen zum Beispiel bestimmte Chromosomendefekte wie Trisomie 13, Trisomie 18 und Trisomie 21. Zudem ist eine familiäre Häufung von VSD bekannt: Er tritt gehäuft auf, wenn Eltern oder Geschwister einen angeborenen Herzfehler haben. So ist das Risiko dreifach erhöht, falls ein Geschwisterkind einen VSD aufweist.
Erkrankung der Mutter während der Schwangerschaft:
Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft an
Diabetes mellitus
erkranken, haben ein erhöhtes Risiko für einen VSD.
Größere Defekte im Septum lassen sich unter Umständen bereits vor der
Geburt
feststellen.
Bei günstiger Lage des Kindes ist das bei gezielten Untersuchungen (wie etwa dem „Fehlbildungsschall“ zwischen der 19. und der 22. Schwangerschaftswoche) möglich. Wird ein solcher Defekt festgestellt, folgen weitere Untersuchungen, um zu sehen, wie sich der Defekt entwickelt.
Wichtig zu wissen: Es ist möglich, dass sich das Loch im Herzen noch im Mutterleib wieder verschließt. Das ist neuesten Erkenntnissen zufolge bei bis zu 15 Prozent aller betroffenen Kinder der Fall.
Jedes Neugeborene wird nach der Geburt auf verschiedene Erkrankungen untersucht. Dazu gehört das Abhören des Herzens. Ventrikelseptumdefekte verursachen in der Regel ein typisches Herzgeräusch. Bei Säuglingen (bis zur vierten Lebenswoche) ist es jedoch möglich, dass das typische Herzgeräusch für den Arzt nicht wahrnehmbar ist. Grund dafür ist, dass es bis zu vier Wochen dauert, bis sich der Lungenkreislauf nach der Geburt endgültig umgestellt hat. Ist nach der vierten Lebenswoche ein charakteristisches Herzgeräusch feststellbar oder zeigt das Neugeborene bereits Symptome eines VSD, überweist der Kinderarzt das Baby an einen Kardiologen.
Besteht der Verdacht auf einen VSD, führt der Kardiologe eine Ultraschalluntersuchung des Herzens durch. Damit lässt sich ein Loch im Herzen in der Regel gut nachweisen. Der Arzt beurteilt die Lage, die Größe und die Struktur des Defekts. Die Untersuchung dauert nur kurz und ist für das Baby schmerzlos.
In manchen Fällen führt der Arzt weitere Untersuchungen durch, um genauere Informationen über den Defekt im Septum zu erhalten. Dazu zählen das Elektrokardiogramm (EKG) und die Röntgenuntersuchung, seltener auch die
Computertomografie
(CT) oder eine Magnetresonanztomografie (MRT).
Kleinere VSD bleiben oft unbemerkt und erfordern in der Regel keine Behandlung, denn sie wirken sich weder auf die Belastbarkeit noch auf die Lebenserwartung aus. Zudem verschließen sie sich bei etwa der Hälfte der Betroffenen innerhalb des ersten Lebensjahres von selbst. Nach dem ersten Lebensjahr nimmt die Wahrscheinlichkeit eines Spontanverschlusses jedoch deutlich ab.
Auch Patienten mit größeren Defekten haben, wenn sie rechtzeitig behandelt werden und das Loch erfolgreich verschlossen wurde, eine normale Lebenserwartung. Sowohl Herz als auch Lunge sind anschließend normal belastbar.
Bei sehr großen Defekten hängt die Prognose davon ab, ob das Loch im Herzen frühzeitig entdeckt und behandelt wird. Unbehandelt entwickeln sich eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und ein Hochdruck in den Lungenarterien (pulmonale Hypertonie). Diese Erkrankungen verkürzen in der Regel die Lebenserwartung: Ohne Behandlung versterben Betroffene oft bereits im jungen Erwachsenenalter. Werden sie aber behandelt, bevor sich entsprechende Krankheiten entwickeln, haben sie eine normale Lebenserwartung.
Alle Patienten, bei denen ein VSD diagnostiziert wurde, sollten regelmäßig Kontrolluntersuchungen wahrnehmen. In manchen Fällen treten erst im Erwachsenenalter Probleme auf: Kommt es etwa zu
Herzrhythmusstörungen
oder einer Entzündung der Herzinnenhaut (
Endokarditis
), ist eine Behandlung notwendig.
In den meisten Fällen ist ein Ventrikelseptumdefekt angeboren. Es gibt daher keine Maßnahmen, um dem Loch im Herzen vorzubeugen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Astrid Leitner studierte in Wien Tiermedizin. Nach zehn Jahren in der veterinärmedizinischen Praxis und der Geburt ihrer Tochter wechselte sie – mehr zufällig – zum Medizinjournalismus. Schnell war klar: Das Interesse an medizinischen Themen und die Liebe zum Schreiben ergeben für sie die perfekte Kombination. Astrid Leitner lebt mit Tochter, Hund und Katze in Wien und Oberösterreich.
Ventrikelseptumdefekt
Kurzübersicht
Was ist ein Ventrikelseptumdefekt?
Einteilung der Ventrikelseptumdefekte
Häufigkeit
Normaler Blutkreislauf
Veränderung beim Ventrikelseptumdefekt
Wann muss ein VSD operiert werden?
Operation am offenen Herzen
Herzkatheter
Medikamente
Symptome
Symptome bei kleinen VSD
Symptome bei mittelgroßen und großen VSD
Symptome bei sehr großen Ventrikelseptumdefekten
Ursachen und Risikofaktoren
Ursachen für ein „Loch im Herzen“
Risikofaktoren für ein „Loch im Herzen“
Untersuchung und Diagnose
Vor der Geburt
Nach der Geburt
Neugeborenenuntersuchung
Herzultraschall
Weitere Untersuchungen
Krankheitsverlauf und Prognose
Nachsorge
Vorbeugen
Autoren- & Quelleninformationen