Illness name: pica syndrom
Description:
Das
Pica-Syndrom
ist eine Essstörung, bei der Betroffene Dinge zu sich nehmen, die eigentlich nicht für den Verzehr geeignet sind – etwa Erde, Sand, Papier oder Textilien. Das Pica-Syndrom zeigt sich meist im Kleinkindalter, tritt aber manchmal auch bei Erwachsenen auf. Lesen Sie hier mehr über das Pica-Syndrom.
Beim Pica-Syndrom handelt es sich um eine psychische Erkrankung aus der Gruppe der
Essstörungen
. Anders als bei der
Magersucht
(Anorexie),
Bulimie
(Ess-Brech-Sucht) und beim Binge-Eating-Syndrom steht beim Pica-Syndrom nicht die Menge, sondern die Art der verzehrten Substanzen im Vordergrund: Die Betroffenen essen vor allem Dinge, die nicht genießbar oder sogar ekelerregend sind wie beispielsweise Sand, Malfarbe,
Haare
, Seife, Eis, Stärke, Mörtel oder Papier.
Ärzte sprechen von einer qualitativen Essstörung, Bulimie, Magersucht und
Binge-Eating
hingegen zählen zu den quantitativen Essstörungen.
Der Begriff
Pikazismus
bezeichnete ursprünglich die ungewöhnlichen Essgewohnheiten bei Schwangeren, wird aber heute synonym zum Pica-Syndrom verwendet. „Pica“ ist der lateinische Name der Elster, die als gieriger und nicht besonders wählerischer Vogel gilt.
Das Pica-Syndrom betrifft vor allem Kleinkinder und ist dabei definiert als Verhalten, das der jeweiligen Entwicklungsstufe nicht angemessen ist. Normalerweise stellen Kinderärzte und -psychologen die Diagnose nicht vor dem zweiten Lebensjahr. Bei Erwachsenen kommt das Pica-Syndrom eher selten vor, dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer.
Vor allem in der Schwangerschaft neigen manche Frauen zu einem Essverhalten, das dem Pica-Syndrom nahekommt. Davon abzugrenzen ist allerdings ein kulturell oder religiös bedingtes Essverhalten, etwa das Essen bestimmter Erdsorten (Geophagie) bei bestimmten Naturvölkern.
Das Pica-Syndrom wird mit verschiedenen Ursachen in Verbindung gebracht. Bei Kleinkindern sind folgende Risikofaktoren bekannt:
Kinder- und Jugendpsychologen erklären das Pica-Syndrom so, dass es sich entweder um ein erlerntes Fehlverhalten handelt oder die betroffenen Kinder aufgrund von belastenden Situationen in ihrer Entwicklung einen Schritt zurück machen.
Gelegentlich haben aber auch ansonsten völlig unauffällige Kinder eine Vorliebe dafür, Malfarben, Staub oder andere Substanzen zu essen. Das Verhalten verstärkt sich, wenn die Kinder in einer reizarmen Umgebung aufwachsen und sich langweilen.
Neben Menschen mit schwerwiegenden
psychiatrischen Grunderkrankungen
– vor allem Schizophrenie und
Demenz
– sind unter den Erwachsenen meist schwangere Frauen vom Pica-Syndrom betroffen. Besonders häufig essen die betroffenen Frauen Lehm und Eis. Laut verschiedenen Studien ist der Anteil bei Frauen, die in sehr ärmlichen Verhältnissen leben, offenbar deutlich höher als bei Schwangeren aus wohlgenährten Bevölkerungsteilen.
Eine Theorie besagt, dass verschiedene
Nährstoffmängel
einen
Heißhunger
auf nicht essbare Stoffe auslösen. Dafür spricht, dass es anscheinend einen Zusammenhang zwischen Pica-Syndrom und
Eisenmangel
in der Schwangerschaft gibt. Gesichert ist diese These allerdings nicht. Auch gibt es bisher keinen Hinweis auf eine erbliche Veranlagung zum Pica-Syndrom.
Das Hauptsymptom beim Pica-Syndrom besteht darin, dass die Betroffenen Stoffe zu sich nehmen, die eigentlich nicht für den Verzehr geeignet sind. Die Spannbreite hierbei ist groß – während einige Betroffene ganz
bestimmte Vorlieben
haben und beispielsweise nur Lehm einer bestimmten Sorte essen, nehmen Kinder mit dem Pica-Syndrom manchmal alles zu sich, was sich in den
Mund
stecken lässt.
In manchen Fällen zeigen die Betroffenen das Verhalten dabei heimlich und schamvoll, in anderen ganz selbstverständlich und regelrecht demonstrativ. Das sonstige Essverhalten und der Appetit auf gewöhnliche Lebensmittel ist bei den meisten unverändert.
Einige Stoffe werden von Menschen mit dem Pica-Syndrom
besonders häufig
verzehrt:
Manchmal lassen sich beim Pica-Syndrom begleitend oder als Folge bestimmte Nährstoffmängel feststellen, zum Beispiel ein
Zinkmangel
oder eine Eisenmangel-Anämie.
Unter Umständen führt das Essverhalten zu schweren Komplikationen wie Vergiftungen, Verletzungen des Verdauungstrakts (bei spitzen oder scharfkantigen Dingen), Darmverschluss oder Mangelernährung. Auch Infektionen mit Parasiten wie etwa Bandwürmern sind eine mögliche Folge.
Die Diagnose Pica-Syndrom stellt ein Psychiater, Psychotherapeut, Kinderarzt, Kinderpsychologe oder Allgemeinmediziner. Das Wichtigste ist dabei eine ausführliche
Anamnese
, also ein Gespräch mit dem Betroffenen oder – bei kleinen Kindern oder Menschen mit geistigen Einschränkungen – mit einem Angehörigen.
Dabei fragt der Arzt zum Beispiel, was genau der Betroffene in welchen Situationen und in welchen Mengen konsumiert und auch wie das sonstige Essverhalten aussieht. Auch bekannte körperliche und psychische Vorerkrankungen, eine mögliche Schwangerschaft und Nährstoffmängel klärt er im Rahmen der Anamnese ab.
Wenn der Arzt oder Psychotherapeut den Verdacht auf eine andere psychische Grunderkrankung hat, stellt er gegebenenfalls weitere gezielte Fragen oder lässt den Patienten bestimmte Fragebögen und Tests ausfüllen (etwa Demenz- oder Schizophrenie-Tests).
Zunächst macht sich der Arzt ein Bild davon, ob der Betroffene unterernährt ist oder bestimmte Mangelerscheinungen aufweist. Er kontrolliert das Körpergewicht des Patienten und achtet auf verschiedene Symptome, die auf Nährstoffmängel hindeuten, zum Beispiel
Blässe
und Haarausfall.
Konsumiert der Betroffene etwa dauerhaft pure Stärke (Amylophagie), ist eine Eisenmangel-Anämie möglich. Kinder und Erwachsene, die Farben oder andere bleihaltige Substanzen zu sich nehmen, riskieren außerdem eine chronische Bleivergiftung. Eine
Blutuntersuchung
schafft Gewissheit über Nährstoffmängel, erhöhte Bleiwerte und andere Verschiebungen durch das Pica-Syndrom.
Bildgebende Verfahren wie zum Beispiel eine
Röntgenuntersuchung
sind dann notwendig, wenn der Betroffene unverdauliche Gegenstände (etwa
Nägel
) verschluckt hat. Auch das Essen von Haaren (Trichophagie) ist potenziell gefährlich, denn sie bilden im
Darm
oft unverdauliche Knäuel – sogenannte Bezoare. Auf dem Röntgenbild sind diese nur mit einem Kontrastmittel sichtbar.
Die Diagnose "Pica-Syndrom" stellt der Behandelnde, wenn die Störung über mehr als einen Monat auftritt, die verzehrten Substanzen keinen Nährwert haben, das Verhalten nicht dem Entwicklungsstand entspricht, keine andere psychische Störung vorliegt und das Essverhalten auch nichts mit der Kultur des Betroffenen zu tun hat.
Da die Hintergründe beim Pica-Syndrom ausgesprochen vielfältig sind, gibt es keine einheitliche Therapie für diese Essstörung. Die Behandlung richtet sich nach dem Alter des Betroffenen und der individuellen Ausprägung und Ursache der Symptomatik. Therapien, die sich als hilfreich erwiesen haben, sind:
Wenn durch die verzehrten Dinge eine Selbstgefährdung besteht, nimmt man den Betroffenen in der Regel stationär auf.
Besteht durch die Gegenstände im Verdauungstrakt – etwa Nägel, Glasscherben oder ähnliches – Lebensgefahr, operiert man den Betroffenen, um die Gegenstände zu entfernen.
Durch den Verzehr ungeeigneter Stoffe sind Verdauungsbeschwerden, Vergiftungen und Infektionen bei den Betroffenen möglich. Ein langanhaltendes und ausgeprägtes Pica-Syndrom mündet außerdem oft in eine Unterernährung mit einem Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen.
Der Verlauf des Pica-Syndroms ist unterschiedlich. Bei einigen Fällen handelt es sich um eine vorübergehende Verhaltensstörung, manche Patienten zeigen dagegen ein Leben lang dieses gestörte Essverhalten. In jedem Fall ist es wichtig, ein
Pica-Syndrom
so früh wie möglich zu behandeln.
Die Störung verschwindet bei manchen Kindern nach einigen Monaten allerdings auch von alleine.
Das Pica-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, gegen die es keine gezielte Vorbeugung gibt. Das Risiko lässt sich im Säuglings- und Kleinkindalter jedoch stark reduzieren, wenn das Kind eine intakte Bindung zu seiner Mutter hat, normal an die Aufnahme geeigneter Lebensmittel gewöhnt wird und ausreichend geistige Anregung erfährt, etwa durch Beschäftigung und geeignetes Spielzeug. Kinder mit geistigen Behinderungen und Entwicklungsverzögerungen brauchen gegebenenfalls eine passende sonderpädagogische Betreuung.
Im Erwachsenenalter ist es wichtig, die eigene Gesundheit auf körperlicher und geistiger Ebene im
Auge
zu behalten und zu fördern. Wenn sich psychische Probleme anbahnen, scheuen Sie sich nicht, den Rat eines Fachmanns (Psychiater oder Psychotherapeut) in Anspruch zu nehmen.
Achten Sie außerdem auf eine reichhaltige und ausgewogene Ernährung. Starken Nährstoffmängeln wirken Sie in Absprache mit Ihrem Arzt gezielt mit Nahrungsergänzungsmitteln entgegen. So lässt sich sowohl körperlichen Mangelerscheinungen als auch dem
Pica-Syndrom
vorbeugen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Pica-Syndrom
Kurzübersicht
Was ist das Pica-Syndrom?
Wer ist betroffen?
Ursachen eines Pica-Syndroms
Das Pica-Syndrom bei Erwachsenen
Pica-Syndrom: Symptome
Pica-Syndrom: Untersuchungen und Diagnose
Körperliche Untersuchungen beim Pica-Syndrom
Pica-Syndrom: Behandlung
Pica-Syndrom: Krankheitsverlauf und Prognose
Pica-Syndrom: Vorbeugen
Autoren- & Quelleninformationen