Illness name: dysmorphophobie
Description:
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Die
Dysmorphophobie (körperdysmorphe Störung)
ist eine gravierende psychische Störung. Betroffene fühlen sich hässlich oder sogar entstellt, obwohl sie das objektiv nicht sind. Sie sorgen sich etwa übermäßig um ihr Aussehen. Die Störung ist eine erhebliche Belastung für die Betroffenen, die sich oft aus dem sozialen Leben zurückziehen. Lesen Sie hier mehr zur Dysmorphophobie.
Bei Menschen mit einer Dysmorphophobie, auch
körperdysmorphe Störung
genannt, kreisen die Gedanken unentwegt um ihr Aussehen. Betroffene fühlen sich entstellt, obwohl es keinen objektiven Grund dafür gibt. Auch wenn ein Körperteil tatsächlich nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, nehmen die Betroffenen dies deutlich schlimmer wahr, als es wirklich ist.
Grund für die verschobene Realitätssicht ist eine
Körperbildstörung
. Meistens fixieren sie sich auf ein bestimmtes Körperteil, das ihnen unästhetisch erscheint. Frauen bemängeln häufig ihr Gesicht, die
Brust
, die Beine oder die Hüfte, während Männer sich vor allem durch zu wenige Muskeln, unschöne Genitalien oder zu viel Körperbehaarung entstellt fühlen.
Eine Dysmorphophobie hat weitreichende Folgen für das soziale und berufliche Leben. Die Betroffenen ziehen sich von Freunden und Familie zurück, weil sie sich für ihr Aussehen schämen. Sie vernachlässigen ihre Arbeit. Mehr als die Hälfte der Betroffenen haben Suizidgedanken. Somit besteht bei der Dysmorphophobie auch ein erhöhtes Suizidrisiko.
Die körperdysmorphe Störung (englisch: body dysmorphic disorder, kurz: BDD) zählt im "Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen" (DSM-5) der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft zu den
Zwangsspektrumsstörungen
. Denn Menschen mit einer Dysmorphophobie weisen ähnliche Verhaltensweisen auf wie Menschen mit einer
Zwangsstörung
.
In der "Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme" (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation WHO zählt die nicht-wahnhafte Dysmorphophobie zu den "somatoformen Störungen" als
Variante einer
Hypochondrie
. Kommen wahnhaftes Denken und Verhalten hinzu, zählt man sie zu den "wahnhaften Störungen".
Genaue Zahlen zur Häufigkeit gibt es nicht, Schätzungen gehen allgemein von rund 0,5 bis zwei Prozent Betroffenen einer Dysmorphophobie aus. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. In vielen Fällen beginnt die Störung bereits im Jugendalter. Neben der verzerrten Körperwahrnehmung leidet mindestens die Hälfte der Betroffenen zudem an
depressiven Symptomen
. Die soziale Phobie und Zwangsstörungen treten ebenso häufig zeitgleich auf.
Eine spezielle Variante der Dysmorphophobie ist die Muskeldysmorphie oder "muskeldysmorphe Störung", die überwiegend Männer betrifft. Sie empfinden ihren Körper als zu wenig muskulös oder fühlen sich zu klein. Auch wenn ihr Körper bereits dem eines Profisportlers gleicht, missfällt er ihnen. Manche beginnen daher, exzessiv zu trainieren. Die Muskelsucht wird auch als
Adonis-Komplex
oder inverse Anorexie (umgekehrte
Magersucht
) bezeichnet.
Ähnlich wie eine magersüchtige Person nehmen die Männer ihren Körper verzerrt wahr. Anstatt Kalorien zu meiden, konzentrieren sie sich jedoch auf die Einnahme von proteinreicher Nahrung. Einige greifen in ihrer Verzweiflung zu Anabolika, um möglichst schnell viel Muskelmasse aufzubauen.
Wie viele Menschen von Muskeldysmorphie betroffen sind, ist unklar. Unter Bodybuildern sind es geschätzt etwa zehn Prozent. Experten gehen davon aus, dass die Zahl der Betroffenen weiter zunehmen wird. Der Grund ist, dass mittlerweile auch Männer unter dem Druck eines Schönheitsideals stehen.
Die körperdysmorphe Störung wird oft nicht oder nicht sofort erkannt. Erstens überdecken in vielen Fällen depressive Symptome das Dysmorphie-Syndrom. Zweitens ist vielen Betroffenen nicht bewusst, dass sich hinter der Sorge um ihr Aussehen eine psychische Problematik verbirgt.
Im Internet finden sich etliche Selbsttests, die eine erste Einschätzung zur Dysmorphophobie erlauben. Ein solcher selbst durchgeführter
Dysmorphophobie-Test
ersetzt jedoch nicht die Diagnose durch einen Psychiater oder Psychologen. Die Fragen eines solchen Test sind dabei ähnlich denen, die der Behandelnde stellt (siehe unten), und werden mit einem Punktesystem gewichtet.
Zur Diagnose der Dysmorphophobie führt der Psychiater oder Psychotherapeut ein ausführliches Anamnesegespräch. Anhand von Fragen, die sich an den diagnostischen Kriterien orientieren, versuchen die Experten ein umfassendes Bild der Symptome zu bekommen. Dabei orientieren sich die Therapeuten in der Regel an speziellen psychologischen Fragebögen.
Folgende Fragen stellt der Psychiater oder Psychologe zur Diagnose der Dysmorphophobie eventuell:
Nach dem Gespräch bespricht der Therapeut Behandlungsmöglichkeiten und das weitere Vorgehen mit Ihnen.
Bei der Diagnose schließt der Behandelnde in der Regel auch aus, dass tatsächlich eine entstellende Erkrankung vorliegt.
Menschen mit der körperdysmorphen Störung beschäftigen sich unentwegt mit ihren Makeln. Die Betroffenen haben keine Kontrolle über ihre
selbstabwertenden Gedanken
, die ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Menschen mit Dysmorphophobie neigen zu sogenannten Sicherheitsverhaltensweisen, die auch für Zwänge typisch sind. Manche müssen ihre vermeintlichen Makel immer wieder im Spiegel überprüfen, obwohl sie sich dabei schlecht fühlen.
Andere scheuen den Blick in den Spiegel und trauen sich nicht mehr in die Öffentlichkeit. In der Regel versuchen Menschen mit Dysmorphophobie, ihren eingebildeten Schönheitsmakel zu verstecken. Manche lassen sich regelmäßig vom Schönheitschirurgen behandeln oder versuchen, ihr Äußeres selbst zu verändern. Doch löst nichts davon die Problematik – sie schämen sich weiterhin für ihr Aussehen. Häufig begleiten depressive Symptome wie Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit die Dysmorphophobie.
Nach dem "Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen" (DSM-5) müssen folgende Symptome für die Diagnose der Dysmorphophobie zutreffen:
Eine Dysmorphophobie tritt in einigen Fällen in Kombination mit Wahn auf. Der Betroffene ist dann vollkommen sicher, dass seine Wahrnehmung des eigenen Körpers der Realität entspricht. Anderen Betroffenen hingegen ist klar, dass ihre Selbstwahrnehmung nicht mit der Realität übereinstimmt.
Die Ursache der Dysmorphophobie vermuten Experten im
Zusammenspiel von biologischen und psychosozialen Faktoren
. Einen wichtigen Einfluss haben auch die Werte, die in der Gesellschaft vermittelt werden. Schönheit hat einen hohen Stellenwert. Die Medien verstärken die Bedeutung des Aussehens, indem sie den Eindruck vermitteln, dass Schönheit glücklich macht.
Mediziner sprechen bei der körperdysmorphen Störung von einer "Störung der intrapsychischen Körperrepräsentation", das empfundene Körperbild deckt sich nicht mit dem objektiven Körperbild.
Es gibt Hinweise darauf, dass Erfahrungen in der Kindheit eine entscheidende Rolle spielen. Missbrauchserlebnisse und Vernachlässigung in der Kindheit sind Risikofaktoren für die Entstehung der Dysmorphophobie. Kinder, die überbehütet aufwachsen und deren Eltern Konflikte meiden, sind ebenso gefährdet.
Menschen mit der körperdysmorphen Störung legen meist seit der Kindheit großen Wert auf ihr Äußeres. Von den Eltern erhalten sie oft Zuneigung wegen ihres Aussehens und nicht aufgrund ihrer Persönlichkeit. Das Aussehen wird somit zur Quelle von Bestätigung und Anerkennung.
Hänseleien und Mobbing, die den Selbstwert stark verletzen, tragen in einigen Fällen dazu bei, dass Betroffene ihr Aussehen immer mehr infrage stellen. Besonders anfällig sind Personen, die ein geringes Selbstwertgefühl haben und eher schüchtern und ängstlich sind.
Experten gehen davon aus, dass auch biologische Faktoren die Entstehung beeinflussen. Sie vermuten eine Störung im Haushalt des Neurotransmitters
Serotonin
. Gestärkt wird diese Annahme dadurch, dass die Behandlung mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI, einem Psychopharmakon aus der Gruppe der Antidepressiva) bei Dysmorphophobie oft hilft.
Bestimmte Gedanken und Verhaltensweisen erhalten die Symptome der Dysmorphophobie aufrecht. Betroffene haben häufig einen perfektionistischen und unerreichbaren Anspruch an ihr Aussehen. Sie richten ihre Aufmerksamkeit stark auf das Äußere und nehmen daher Veränderungen oder Abweichungen von ihrem Ideal verstärkt wahr. Ihr Äußeres erscheint ihnen im Vergleich zu ihrem angestrebten Ideal immer unattraktiv.
Der soziale Rückzug und der ständige Blick in den Spiegel verstärken das Gefühl, hässlich zu sein, noch. Dieses Sicherheitsverhalten bestärkt die Person in ihrer Überzeugung, dass es einen guten Grund gibt, sich nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Menschen mit Dysmorphophobie begeben sich eher selten in psychotherapeutische Behandlung. Häufig suchen sie jedoch Schönheitschirurgen oder Dermatologen auf, um die wahrgenommenen Makel beheben zu lassen. Dies trägt aber nur selten zu einer Verbesserung der Symptomatik bei, da das angestrebte Ideal unerreichbar ist.
Für eine erfolgreiche Behandlung empfehlen Experten eine
kognitive Verhaltenstherapie
und Medikamente. Die Therapie erfolgt entweder ambulant oder stationär.
Die kognitive Verhaltenstherapie setzt bei den verzerrten Gedanken und dem Sicherheitsverhalten an. Zu Beginn der Therapie klärt der Therapeut die Patienten zunächst ausführlich über die Ursachen, Symptome und die Behandlung der Dysmorphophobie auf. Je besser sich die Betroffenen mit der Störung auskennen, umso leichter fällt es ihnen, die Symptome bei sich zu entdecken.
Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist zudem, mögliche Ursachen für die Störung zu identifizieren. Wenn die Ursachen an die Oberfläche treten, erkennen viele Patienten, dass die Sorge um das Aussehen nur Ausdruck eines tieferliegenden Problems ist.
In der Therapie lernen die Betroffenen, belastende Gedanken zu erkennen und zu verändern. Den perfektionistischen Ansprüchen werden realistische und erreichbare Ansprüche entgegengesetzt. Neben den Gedanken spielen konkrete Verhaltensweisen eine wichtige Rolle in der Behandlung. Viele trauen sich nicht mehr in die Öffentlichkeit, weil sie
Angst
vor der Beurteilung durch andere haben.
Wenn sich Personen mit einer körperdysmorphen Störung unter Leute begeben, dann mit viel Make-up oder Kleidung, die die verhassten Körperstellen verdeckt. Um Scham und Angst in Bezug auf das Aussehen abzubauen, sollen Betroffene die vermeintlichen Makel jedoch nicht verdecken, sondern offen zeigen.
In der
Konfrontation mit ihren Ängsten
erleben die Betroffenen, dass ihre Befürchtungen nicht zutreffen. Die Erfahrung, dass andere Menschen ihre Makel nicht wahrnehmen, verändert die Gedanken. Mit wiederholten Konfrontationen mit der befürchteten Situation weicht die Unsicherheit und die Ängste nehmen ab.
Bei einer stationären Behandlung bereitet man die Patienten vor der Entlassung auf mögliche Rückfälle vor. Denn im gewohnten Umfeld fallen viele Betroffene wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Letztendlich ist das Ziel der Therapie, dass die Patienten die gelernten Techniken ohne fremde Hilfe anwenden.
Zur Behandlung der Dysmorphophobie haben sich als Medikamente bisher einige Antidepressiva bewährt. In Kombination mit einer psychotherapeutischen Behandlung geben die Behandelnden daher in vielen Fällen zusätzlich selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs).
Sie erhöhen den Spiegel des stimmungsaufhellenden Botenstoffs Serotonin im
Gehirn
und tragen oft zu einer Verbesserung der Symptomatik bei. SSRIs machen nicht abhängig, sie führen jedoch manchmal als unerwünschte Wirkung zu Übelkeit, Unruhe und sexueller Funktionsstörung.
Die körperdysmorphe Störung ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung. Ohne Behandlung verläuft die Dysmorphophobie in vielen Fällen chronisch. Die Intensität der Symptome schwankt. Zu Beginn ist das vorherrschende Gefühl die Angst, hässlich zu sein. Mit der Zeit bildet etwa die Hälfte der Betroffene eine feste Überzeugung von ihrem Makel aus und entwickelt einen
Wahn
.
Mit der Dauer und Stärke der Dysmorphophobie steigt die Gefahr eines Suizidversuchs. Eine frühe Erkennung und Behandlung der
Dysmorphophobie
erhöht daher die Chancen auf eine erfolgreiche Therapie.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Dysmorphophobie
Kurzübersicht
Was ist eine Dysmorphophobie?
Wie viele sind von einer Dysmorphophobie betroffen?
Muskeldysmorphie, muskeldysmorphe Störung
Wie kann man eine Dysmorphophobie testen oder diagnostizieren?
Symptome
Ursachen und Risikofaktoren
Psychosoziale Faktoren
Biologische Faktoren
Aufrechterhaltende Faktoren
Behandlung
Die kognitive Verhaltenstherapie
Medikamentöse Behandlung
Krankheitsverlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen