Illness name: rheumatisches fieber
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Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Ein rheumatisches Fieber ist eine Autoimmunreaktion, die unter Umständen einige Wochen nach der Infektion mit bestimmten Bakterien auftritt. Akute Symptome zeigen sich bereits Tage bis Wochen nach der Infektion. Spätfolgen bereiten Betroffenen unter Umständen noch Jahre bis Jahrzehnte lang Probleme. Lesen Sie hier alles über das rheumatische Fieber.
Das rheumatische Fieber ist eine Autoimmunreaktion, die durch bestimmte Bakterien, sogenannte beta-hämolysierende Streptokokken, ausgelöst wird. Bei einer Infektion mit diesen Erregern greift das körpereigene Immunsystem sie an und geht gezielt auf bestimmte Oberflächenstrukturen der Bakterien.
Zu diesem Zweck bildet das Immunsystem sogenannte Antikörper, kleine Proteine, die spezifisch an die Oberfläche von Erregern binden und sie für Immunzellen erkennbar machen. Die Immunzellen machen die Eindringlinge schließlich unschädlich.
Nachdem das Immunsystem Antikörper gegen einen bestimmten Erreger gebildet hat, bleiben diese noch längere Zeit im Körper, auch wenn die eigentliche Erkrankung schon auskuriert ist. Erneuten Infektionen mit dem gleichen Erreger begegnet das Immunsystem so schnell und wirksam.
Manchmal passiert es jedoch, dass Antikörper nicht nur Fremdmaterial erkennen, sondern fälschlicherweise an körpereigene Strukturen binden, zum Beispiel an die Oberfläche der
Herzklappen
. Dieses Gewebe ist für das restliche Immunsystem somit als fremdartig markiert, und es kommt zu einer Abwehrreaktion gegen den eigenen Körper. Dies nennt man dann eine autoimmune Reaktion, also eine Reaktion gegen sich selbst.
Allgemein geschieht das nur selten, bestimmte Erreger, wie etwa die beta-hämolysierenden Streptokokken, sind allerdings bekannt dafür, Autoimmunreaktionen auzuslösen. Sie haben eine Oberflächenbeschaffenheit, die bestimmten Körperstrukturen ähnlich ist. Die Antikörper "verwechseln" sozusagen ihr Ziel ("molecular mimicry").
Im Rahmen des rheumatischen Fiebers sind besonders Herz-, Gelenk- und Hautzellen von der fehlgeleiteten Immunreaktion betroffen.
Nur ein sehr kleiner Teil der Menschen, die sich mit beta-hämolysierenden Streptokokken anstecken, erkranken nachfolgend auch an einem rheumatischen Fieber.
In Ländern mit guter medizinischer Versorgung lässt sich diese Komplikation durch die richtige Behandlung oft verhindern. In vielen Entwicklungsländern ist das rheumatische Fieber jedoch wesentlich häufiger und der häufigste Grund für Herzerkrankungen bei Kindern.
Weltweit erkranken eine knappe halbe Million Menschen jährlich am rheumatischen Fieber, darunter insbesondere Kinder und Jugendliche zwischen dem dritten und 16. Lebensjahr.
Beim rheumatischen Fieber gibt es akute Symptome, die bereits Tage bis Wochen nach der Streptokokken-Infektion auftreten. Spätfolgen des rheumatischen Fiebers machen auch noch Jahre bis Jahrzehnte nach der Infektion mit Streptokokken Probleme.
Diese langanhaltenden und später auftretenden Symptome sind meist bedingt durch den strukturellen Schaden an den Organen, der sich nur schwer verhindern lässt.
Das akute rheumatische Fieber tritt in der Regel einige Wochen nach der Streptokokken-Infektion auf. Die Krankheit präsentiert sich sehr unterschiedlich und ist nicht einfach zu erkennen, da nicht alle Symptome immer gleich deutlich erscheinen.
Viele Betroffene kommen mit Fieber,
Kopfschmerzen
, Schwäche und Müdigkeit zum Arzt. Kleine Kinder klagen zum Teil zusätzlich über
Bauchschmerzen
. Auch Schmerzen in den großen Gelenken, wie Knie, Hüfte oder Schulter, sind typische Beschwerden, die beim rheumatischen Fieber auftreten. Die Gelenke schmerzen oft nicht nur, sondern sind zudem gerötet und geschwollen.
Ein schneller Puls, oft mit Brustschmerz bei leichten Belastungen, ist möglicherweise ein Hinweis auf eine Entzündung des Herzens. Ein stammbetonter, nicht juckender Ausschlag und kleine Knötchen unter der
Haut
sind weitere Anzeichen des rheumatischen Fiebers. Diese Hauterscheinungen kommen nicht immer vor, treten aber möglicherweise zusätzlich auf, wenn das
Herz
betroffen ist.
Schließlich greift das Immunsystem bei einem rheumatischen Fieber unter Umständen das Nervensystem an. Es kommt dann mitunter zu Persönlichkeitsveränderungen, Muskelschwäche, Balance-Problemen und Störungen der Feinmotorik.
Bei Befall des Gehirns ist möglicherweise eine spezielle Bewegungsstörung die Folge, die sogenannte Chorea Sydenham. Kinder sind von diesem neurologischen Syndrom sehr viel häufiger betroffen als erwachsene Patienten.
Typisch für die Chorea Sydenham sind unkontrollierte, ziellose Bewegungen. Die Kinder verhalten sich ungeschickt, sie verschütten beispielsweise Suppe oder zerbrechen Teller. Anders als bei der Herzentzündung heilen die neurologischen Symptome in der Regel folgenlos aus. Zum Beispiel besteht die Chorea Sydenham meist nur für einige Monate.
Von den Spätfolgen des rheumatischen Fiebers sind in der Regel eher Erwachsene über 30 betroffen. Diese chronischen Beschwerden sind zu erwarten, wenn Patienten in ihrer Kindheit an einem schweren rheumatischen Fieber erkrankten.
Auch in höherem Alter leiden sie dann möglicherweise immer wieder an Schüben mit zunehmenden körperlichen Einschränkungen. Unwahrscheinlich ist dagegen, dass ein rheumatisches Fieber Erwachsene zum ersten Mal betrifft, ohne zuvor bereits in der Kindheit aufgetreten zu sein.
Schäden am Herzen im Rahmen eines rheumatischen Fiebers sind relativ häufig und bleiben oft ein Leben lang. Bis zu 60 Prozent aller Betroffenen zeigen Langzeitschäden am Herzen.
Dies betrifft insbesondere zu spät diagnostizierte oder unbehandelte Patienten. Das Immunsystem greift dabei vor allem die Herzklappen an. Diese funktionieren wie ein Ventil und garantieren, dass das Herz das
Blut
kontinuierlich in eine Richtung pumpt. Gehen die Herzklappen kaputt, führt dies zu einer chronischen Überlastung und schließlich zum Pumpversagen des Herzens.
Ursache für die Autoimmunreaktion sind beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A. Hinter diesem komplizierten Namen verbirgt sich ein relativ häufiger Erreger, der sich besonders gerne im Rachenraum ansiedelt und dort zu einer Entzündung führt.
Eine hochrote Rachenschleimhaut mit kleinen gelben Belägen ist die Folge (Streptokokkenangina). Auch für die Kinderkrankheit
Scharlach
sind Streptokokken verantwortlich, sowie für verschiedene Hautinfektionen.
Warum bei manchen Menschen nach einer Streptokokken-Infektion ein rheumatisches Fieber auftritt und bei anderen nicht, ist nicht vollständig geklärt. Man vermutet, dass eine gewisse Anfälligkeit für eine solche Fehlreaktion des Immunsystems vererbt wird.
Ein wichtiger Risikofaktor ist zudem das Alter. Rheumatisches
Fieber bei Kindern
ist sehr viel häufiger als bei älteren Menschen. Dieses Risiko ist besonders zwischen dem fünften und 15. Lebensjahr hoch, da sich in diesem Zeitraum Racheninfekte mit Streptokokken häufen.
Weitere Risikofaktoren sind schlechte hygienische und ärmliche Lebensbedingungen, zusammen mit einer unzureichenden medizinischen Versorgung. Bis in die 1950er-Jahre war das rheumatische Fieber die häufigste entzündliche rheumatische Erkrankung bei Schulkindern und Jugendlichen. Dank einer konsequenten und rechtzeitigen Antibiotikatherapie sind die Fallzahlen aber stark gesunken.
An ein rheumatisches Fieber denkt der Arzt immer, wenn ein Kind oder Jugendlicher mit hohem Fieber und Gelenkschmerzen kommt und zudem Halsschmerzen in den letzten Wochen hatte. Es ist jedoch nicht immer leicht, das rheumatische Fieber zu erkennen, da sich die Beschwerden bei vielen Patienten sehr unterschiedlich präsentieren.
Als Diagnosehilfe dienen dem Arzt die sogenannten Jones-Kriterien, die bereits 1944 entwickelt wurden. Sie beschreiben Symptome, die zusammen auf ein rheumatisches Fieber hinweisen. Zu den Hauptkriterien gehören:
Hinzu kommen einige Nebenkriterien, wie erhöhte Entzündungswerte im Blut, Fieber, Elektrokardiografie-Veränderungen oder ein Nachweis von Streptokokken in den letzten Wochen.
Um den Erreger nachzuweisen, führt der Arzt bei akuten Halsschmerzen einen speziellen Schnelltest durch. Dazu macht er einen Rachenabstrich, der innerhalb weniger Minuten klarstellt, ob beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A für die Entzündung verantwortlich sind.
Wenn bereits Symptome des rheumatischen Fiebers vorliegen, der akute Racheninfekt aber schon kuriert ist, gibt es andere Möglichkeiten, den Erreger nachzuweisen. Mit dem sogenannten Antistreptolysin-Titer (ASL-Titer) und dem Anti-DNase-B-Titer (ADB-Titer) lassen sich im Blut Anzeichen einer Immunreaktion gegen die auslösenden Bakterien finden.
Nach einem bestimmten Entscheidungskatalog stellt man mithilfe der Jones-Kriterien die Diagnose rheumatisches Fieber. Allgemein gilt: Je mehr Faktoren erfüllt sind, desto wahrscheinlicher liegt ein rheumatisches Fieber vor, wobei Hauptkriterien stärker ins Gewicht fallen.
Weitere klinische und bildgebende Untersuchungen helfen auf dem Weg der Diagnosefindung. Um einen möglichen Herzschaden abzuschätzen, nutzt der Arzt Ultraschall- und Elektrokardiografie (
EKG
).
Das Hauptelement der Behandlung des rheumatischen Fiebers ist die Antibiotikatherapie. Einerseits lässt sich so das Risiko deutlich verringern, dass nach einer Infektion mit beta-hämolysierenden Streptokokken überhaupt ein rheumatisches Fieber entsteht. Andererseits besteht die Möglichkeit, falls bereits die ersten Anzeichen dafür vorliegen, das weitere Fortschreiten des rheumatischen Fiebers sowie ein Risiko auf Langzeitschäden um bis zu 80 Prozent zu reduzieren.
Das wichtigste Antibiotikum im Kampf gegen das rheumatische Fieber ist
Penicillin
. Je nach Fall kommen auch andere Antibiotika wie Cephalosporine oder Makrolide zum Einsatz. Auch verschreibt der Arzt möglicherweise schmerzstillende Medikamente (Analgetika).
Ist das Herz beteiligt, setzt der Arzt zusätzlich Mittel gegen die Entzündung wie
Ibuprofen
oder
Naproxen
ein, sobald die Diagnose gesichert ist. Bei schwerer Beeinträchtigung des Herzens verordnet der Arzt außerdem Steroide. Ob sie langfristig eine Besserung bringen oder nur akut die Symptome bekämpfen, ist umstritten. Wichtig ist auch, dass die Patienten jegliche körperliche Belastung vermeiden.
Kommt es langfristig zu einem Verschluss der Herzklappen, ist gegebenenfalls eine Operation nötig, um entweder das Ventil wieder zu öffnen oder gänzlich zu ersetzen. Einen solchen Eingriff führen Mediziner allerdings frühestens ein Jahr nach der akuten Entzündungsphase durch.
Je nach Schädigungsgrad des Herzens nehmen die Patienten außerdem ein Langzeitschutz-Antibiotikum ein, bei schweren Herzschäden sogar lebenslänglich. Dies erfolgt zum Beispiel in Tablettenform oder per Spritze alle paar Wochen. Die Langzeittherapie verhindert ein erneutes Aufflammen der Erkrankung und schützt so vor schwereren Langzeitschäden.
Unter Umständen ist es darüber hinaus notwendig, dass Betroffene ein Leben lang bei invasiven, sprich operativen Eingriffen (zum Beispiel im Nasen-Rachen-Raum, an den Zähnen oder an der Haut) Antibiotika einnehmen. Dadurch soll verhindert werden, dass sich Bakterien, die dabei vorübergehend ins Blut gelangen, am Herz festsetzen.
Krankheitsverlauf und Prognose des rheumatischen Fiebers hängen insbesondere davon ab, wie schnell es ein Arzt erkennt und adäquat behandelt.
Wenn sich das rheumatische Fieber noch in einem frühen Stadium befindet, ist die Prognose gut. Es heilt dann meist ohne weitere Probleme aus. Auch die Gelenkbeschwerden klingen über längere Zeit ab.
Ist jedoch bereits ein Herzschaden entstanden, lässt sich dieser meist nicht mehr beheben. Außerdem steigt das Risiko, an einem weiteren Schub des rheumatischen Fiebers zu erkranken, was die Schäden möglicherweise noch verschlimmert.
Es ist daher ratsam, bei schweren Halsschmerzen oder Fieber mit Gelenkschmerzen mit dem erkrankten Kind rechtzeitig zum Arzt zu gehen und einen Streptokokken-Schnelltest durchführen zu lassen.
Erfolgt im Falle einer Streptokokken-Infektion eine antibiotische Behandlung bereits während der
Rachenentzündung
, lässt sich das rheumatische Fieber in der Regel vermeiden.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Rheumatisches Fieber
Kurzübersicht
Was ist rheumatisches Fieber?
Wie häufig ist rheumatisches Fieber?
Welche Symptome treten auf?
Akutes rheumatisches Fieber
Welche Spätfolgen sind möglich?
Rheumatisches Fieber: Ursachen und Risikofaktoren
Untersuchungen und Diagnose
Rheumatisches Fieber: Behandlung
Krankheitsverlauf und Prognose
Vorbeugen
Autoren- & Quelleninformationen