Illness name: reye syndrom
Description:
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Das
Reye-Syndrom
ist eine schwere zelluläre Funktionsstörung bei Kindern und Jugendlichen. Sie betrifft besonders das Gehirn und die Leber. Die genauen Ursachen sind noch nicht geklärt. Das Reye-Syndrom wird aber besonders mit Grippe-, Herpes- und Windpocken-Viren in Verbindung gebracht. Arzneistoffe wie Acetylsalicylsäure tragen möglicherweise dazu bei, das Reye-Syndrom nach einem Virus-Infekt auszulösen.
Das Reye-Syndrom ist eine seltene, schwere und potenziell lebensbedrohliche Erkrankung von
Gehirn
und
Leber
("hepatische Enzephalopathie"). Sie betrifft meistens Kinder ab fünf Jahren und Jugendliche etwa bis zum 15. Lebensjahr. Es tritt besonders häufig nach einem Virus-Infekt und der Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) auf. Der genaue Zusammenhang ist bislang unklar.
Beobachtet wurde das Reye-Syndrom beispielsweise nach einer Infektion mit Erkältungs- und Grippe-Viren oder Windpockenviren. Auch
Viren
, die Magen-Darm-Infekte mit
Durchfall
oder Erbrechen auslösen, stehen möglicherweise in einem Zusammenhang mit dem Reye-Syndrom. Die Liste der potenziell beteiligten Viren ist eventuell noch wesentlich länger. Auch einige krankheitserregende
Bakterien
stehen im Verdacht, das Reye-Syndrom auszulösen.
Entdeckt wurde das Reye-Syndrom in den 70er Jahren in Australien. Kurz darauf brachten Mediziner in Amerika viele Fälle von schweren Leber- und Hirnerkrankungen mit dem Reye-Syndrom in Verbindung. Es dauerte aber noch einige Jahre, bis erste Vermutungen über einen Zusammenhang mit Virus- Erkrankungen und dem Schmerz- und Fiebermittel Acetylsalicylsäure aufkamen.
Die Folge war eine breite Aufklärung durch die Medien, dass Acetylsalicylsäure Kindern nicht verabreicht werden darf. Obwohl das Reye-Syndrom seitdem tatsächlich weitaus seltener vorkommt, hat sich der Zusammenhang zwischen Virus, ASS und dem Reye-Syndrom nie eindeutig aufklären lassen.
Das Reye-Syndrom tritt bei Kindern oft auf, wenn Eltern eigentlich schon denken, der virale Infekt sei überwunden. Zum Teil vergehen nach der Genesung bis zu drei Wochen, bevor sich die Symptome des Reye-Syndroms zeigen. Es kommt zunächst zu vermehrtem Erbrechen ohne Übelkeit. Betroffene Kinder wirken lethargisch und sind schlapp und schläfrig.
Im weiteren Verlauf reagieren die Kinder oft kaum noch auf Ansprache und andere Umweltreize (
Stupor
). Sie sind desorientiert und wirken unter Umständen gereizt, ruhelos und verwirrt. Puls und Atemfrequenz sind häufig erhöht. Manche Kinder mit Reye-Syndrom erleiden einen Krampfanfall oder fallen ins Koma, bei einigen setzt die
Atmung
aus.
Der Grund für diese Symptome ist, dass sich beim Reye-Syndrom der Hirndruck erhöht, weil sich Flüssigkeit im Gehirn ansammelt (Ödem-Bildung). Der erhöhte Druck beeinträchtigt wichtige Nervenzentren und Nervenbahnen im Gehirn.
Außerdem kommt es beim Reye-Syndrom zu einer Schädigung und Verfettung der Leber. Ihre Funktion ist stark eingeschränkt, was zu einer Vielzahl an Stoffwechselstörungen mit unterschiedlichen Symptomen führt. So gelangt neben dem Nervengift Ammoniak vermehrt
Bilirubin
ins
Blut
, was unter Umständen zu einer gelben Hautfarbe führt.
Generell wirkt das Kind schwer krank und muss dringend intensivmedizinisch betreut werden.
Die genauen Ursachen für das Reye-Syndrom sind nicht bekannt. Experten wissen allerdings, dass es beim Reye-Syndrom zu einer Schädigung der Mitochondrien kommt. Mitochondrien werden häufig als die Kraftwerke der Zellen bezeichnet, weil sie für die Energiegewinnung unverzichtbar sind. Die Fehlfunktion der Mitochondrien beim Reye-Syndrom zeigt sich besonders in den Zellen von Leber und Gehirn, aber auch zum Beispiel in den Muskeln.
Durch die Fehlfunktion der Mitochondrien in der Leber gelangen mehr Abfallstoffe ins Blut, die die Leber normalerweise abbaut, darunter vor allem Ammoniak. Experten vermuten, dass der erhöhte Ammoniakspiegel mit der Entstehung des Hirnödems in Verbindung steht.
Salicylate wie ASS greifen in den Stoffwechsel der Mitochondrien ein und machen sie dadurch anfälliger für weitere Schäden. Manche Fachleute erklären so den Zusammenhang zwischen ASS und dem Reye-Syndrom. Dieser von der Fachwelt so hingenommene Zusammenhang ließ sich wissenschaftlich aber nie eindeutig nachweisen. Das Gleiche gilt für die Annahme, dass bestimmte Viren der Auslöser für das Reye-Syndrom sind.
Neben den Virusinfektionen, den Salizylaten und dem Alter gibt es möglicherweise ein genetisches Risiko für die Erkrankung. Manche Menschen sind offenbar anfälliger für das Reye-Syndrom als andere. Die genauen genetischen Ursachen sind hier allerdings noch unklar.
Der Arzt erhebt zunächst die Krankengeschichte (
Anamnese
). Dazu fragt er die Eltern des Kindes beispielsweise, ob dieses vor kurzem einen Virus-Infekt hatte und/oder Salicylate eingenommen hat. Wichtig ist auch die Beschreibung der Beschwerden wie Erbrechen, eventuelle Krampfanfälle sowie zunehmende Verwirrtheit und Ruhelosigkeit. Sie sind mögliche Anzeichen für eine Gehirn-Beteiligung.
Je nach Ausmaß der Erkrankung ist die Leber beim Reye-Syndrom vergrößert, was der Arzt beim Abtasten des Bauches feststellt. Außerdem liefert eine
Blutuntersuchung
Hinweise auf eine Beteiligung der Leber.
Bei einer Leberschädigung gelangen vermehrt Leberenzyme (Transaminasen) sowie Abfallprodukte wie Ammoniak ins Blut, welche die Leber eigentlich aus dem Blut filtert und abbaut. Es kommt dadurch beim Reye-Syndrom zu einem Anstieg der
Leberwerte
und des Ammoniakspiegels.
Da die Leber auch für den Blutzuckerspiegel verantwortlich ist, gibt ein einfacher Blutzuckertest eine schnelle Auskunft über die Leberfunktion – beim Reye-Syndrom liegt unter Umständen eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) vor.
Die Leber ist außerdem an der
Blutgerinnung
beteiligt. Beim Reye-Syndrom ist daher unter Umständen die Blutgerinnungszeit verlängert. Feststellen lässt sich dies anhand des Quick-Werts oder der INR (international normalized ratio), die der Arzt mithilfe einer Blutprobe ermittelt.
Zur Absicherung der Diagnose entnimmt der Arzt beim Verdacht auf das Reye-Syndrom eventuell eine Gewebeprobe (
Biopsie
) der Leber und untersucht sie auf eine entsprechende Zellschädigung. Hier fällt besonders der Mitochondrienschaden auf. Zusätzlich finden sich beim Reye-Syndrom vermehrte Fettansammlungen in den Zellen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Leber nicht mehr in der Lage ist, das Fett angemessen zu verarbeiten.
Auskunft über den Zustand der Leber gibt auch eine Ultraschall-Untersuchung. Vermutet der Arzt einen erhöhten Hirndruck, überprüft er dies durch eine
Computertomografie
(CT).
Das Reye-Syndrom lässt sich nicht leicht gegen andere Krankheitsbilder abgrenzen, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen. Darunter sind auch Krankheiten, die viel häufiger vorkommen als das seltene Reye-Syndrom. Aus diesem Grund macht der Arzt häufig einige weitere diagnostische Tests, um zum Beispiel eine Hirnhautentzündung, eine Blutvergiftung oder eine schwere Darmerkrankung auszuschließen.
Das Reye-Syndrom lässt sich nicht ursächlich behandeln. Ziel der Behandlung ist es deshalb, die Symptome zu lindern und das Überleben des betroffenen Kindes zu sichern. Dazu ist eine intensivmedizinische Behandlung notwendig.
Im Fokus stehen besonders die Hirnschwellung (Hirnödem) und das
Leberversagen
. Mithilfe von Medikamenten und weiteren Maßnahmen (wie Hochlagerung des Oberkörpers) versucht er, den Druck im Gehirn zu senken. Bei starker Leberschädigung ist es notwendig, das Organ bei seinen Aufgaben zu unterstützen. So lässt sich ein zu hoher Ammoniakspiegel im Blut (Hyperammonämie) medikamentös oder mittels
Dialyse
behandeln. In schweren Fällen von Leberschädigung ist möglicherweise eine
Lebertransplantation
erforderlich.
Die Arbeit aller Körperorgane hängt zusammen. Besonders die
Niere
und die Leber bilden ein gut eingespieltes Team. Bei einer plötzlichen Leberschädigung droht daher ein Nierenversagen (hepatorenales Syndrom). Mithilfe von Medikamenten erhält das Ärzteteam die Urinausscheidung über die Niere aufrecht.
Auch die Herz- und Lungenfunktion werden genau überwacht, denn aufgrund der Hirnschädigung sind manchmal Maßnahmen wie eine künstliche
Beatmung
notwendig.
Das Reye-Syndrom kommt sehr selten vor, nimmt aber meist einen schnellen und schweren Verlauf. Ungefähr 50 Prozent der betroffenen Kinder versterben. Viele Überlebende tragen bleibende Schäden davon. So bleibt nach einem überstandenen Reye-Syndrom häufig eine Hirnschädigung zurück, die sich zum Beispiel durch Lähmungen oder Sprachstörungen äußert.
Da die Ursachen nicht abschließend geklärt sind, lässt sich dem Reye-Syndrom nicht vorbeugen. Allerdings ist es wichtig, bei Kindern unter 15 Jahren nach Möglichkeit auf Acetylsalicylsäure zu verzichten oder diese nur mit besonderer Vorsicht anzuwenden.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Reye-Syndrom
Kurzübersicht
Was ist das Reye-Syndrom?
Symptome
Ursachen und Risikofaktoren
Untersuchungen und Diagnose
Blutuntersuchung
Gewebeprobe
Sonstige Untersuchungen
Behandlung
Krankheitsverlauf und Prognose
Vorbeugen
Autoren- & Quelleninformationen