Illness name: blutvergiftung
Description:
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Eine
Blutvergiftung
(Sepsis) beschreibt eine Immunreaktion des Körpers auf eine Infektion, die sich über das Blut im ganzen Körper ausbreitet. Die Bezeichnung "Vergiftung" ist hier missverständlich, da es sich um eine gestörte Abwehrreaktion des Immunsystems handelt. Lesen Sie hier mehr zur Entstehung und Behandlung einer Blutvergiftung.
Mediziner sprechen bei einer Blutvergiftung auch von einer Sepsis. Der Begriff leitet sich vom griechischen Wort für "Zerfall" oder "Verwesung" ab und ist heute als eine akute, lebensbedrohliche Störung der Organfunktionen definiert, bei der der Körper fehlerhaft auf eine Infektion reagiert.
Die Blutvergiftung entsteht also nicht, wie häufig angenommen, durch die Anwesenheit von Krankheitserregern im
Blut
, sondern durch die Reaktion des Körpers auf diese Erreger.
Das Immunsystem versucht sich gegen die Erreger zu wehren, allerdings schadet dieser Kampf nicht nur den Eindringlingen, sondern auch dem Körper selbst. Eine Sepsis ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung und bedarf einer möglichst schnellen und konsequenten Behandlung.
Wenn man Bakterien im Blut (Bakteriämie) findet, bedeutet das aber noch lange nicht, dass man eine Blutvergiftung hat. Kleine Mengen an Bakterien dringen zum Beispiel beim Zähneputzen durch Mikroverletzungen im Zahnfleisch in den Blutstrom ein, ohne eine körperweite Immunreaktion auszulösen.
Das gesunde körpereigene Immunsystem kommt mühelos mit solch kleinen Mengen an Erregern klar. Erst wenn dies nicht mehr der Fall ist und man durch diesen Kampf krank wird, sprechen Ärzte von einer Blutvergiftung.
Sind durch die Abwehrreaktion Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt, sprachen Mediziner nach der bis 2016 geltenden Sepsis-Definition von einer "schweren Sepsis". Die Bezeichnung "schwere Sepsis" ist mittlerweile veraltet und wurde durch eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Gesellschaft für Intensivpflege sowie der Europäischen Gesellschaft für Intensivmedizin neu definiert und in
"Infektion"
geändert.
Ist der Blutdruck aufgrund der körpereigenen Entzündungsreaktion nicht mehr auf einem ausreichenden Niveau stabil, sprechen Mediziner von einem
„septischen
Schock
“
. Dieses Endstadium einer Blutvergiftung gefährdet die Blutversorgung lebenswichtiger Organe und führt häufig zu multiplem Organversagen bis hin zum Tod.
Die Diagnose einer Sepsis gestaltet sich gerade in der frühen Phase schwierig, da Symptome sehr vielseitig sind und zudem von der verursachenden Infektion abhängen. Bislang galten die Kriterien für ein sogenanntes
SIRS
(Systemic Inflammatory Response Syndrome) als wegweisend, um eine frühe Sepsis zu identifizieren.
Diese Kriterien sind jedoch nicht spezifisch genug und schließen andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen ein. Das bedeutet, dass es sich nicht immer um eine Sepsis handelt, wenn die SIRS-Kriterien erfüllt sind. Außerdem geben sie kaum Hinweise zur möglichen Sterbewahrscheinlichkeit der Erkrankung, was bei einer Sepsis jedoch ein bedeutendes Kriterium ist.
Ärzte ziehen daher nicht mehr nur die SIRS-Kriterien zur Diagnose einer Sepsis heran. Sie dienen vielmehr zur vertiefenden Analyse und unterstützen die Wahl der passenden Therapieform.
Mehr zu Auslösern und Geschehen bei einer systemischen Entzündungsreaktion des Körpers erfahren Sie im Beitrag
SIRS
.
Im Beitrag
Septischer Schock
erfahren Sie mehr zu den Risiken im Endstadium einer Blutvergiftung.
Ein Sonderfall der Blutvergiftung ist die sogenannte
Neugeborenensepsis
. Sie beschreibt eine Blutvergiftung bei Babys im ersten Lebensmonat. Man unterscheidet hier zwei Typen, je nachdem, wie schnell die Sepsis nach der Geburt auftritt.
Die sogenannte Frühsepsis (early onset sepsis), bei der es höchstwahrscheinlich während des Geburtsvorgangs durch die Mutter zu einer Übertragung des Erregers kommt, ereignet sich innerhalb der ersten vier Lebenstage. Danach handelt es sich um eine Spätsepsis (late onset sepsis). Neue Untersuchungen zeigen jedoch, dass diese Unterteilung keine wesentliche Relevanz für die Behandlung hat.
Die Sepsis-Kriterien einer Neugeborenensepsis sind schwieriger zu erkennen als bei erwachsenen Patienten. Die Neugeborenensepsis ist aufgrund ihres fulminanten Verlaufs gefürchtet. Bei Babys führt eine Blutvergiftung sehr viel schneller zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
In der Regel untersucht ein Arzt die Mutter bereits vor der Geburt auf Bakterien in ihrer Scheide, die das Kind potenziell gefährden. Aufgrund dieser Untersuchung und strikter Hygienevorschriften kam Neugeborenensepsis in den Industrienationen im letzten Jahrzehnt deutlich seltener vor.
Alles Wichtige zu den typischen Anzeichen der Sepsis lesen Sie im Beitrag
Blutvergiftung – Symptome
.
Prinzipiell besteht bei jeder Infektion die Möglichkeit, dass sie zu einer Blutvergiftung führt. Infektionen der Atemwege, des Magen-Darm-Trakts, des Urogenitalsystems sowie der
Haut
und der Weichteile gelten als die häufigsten Ursachen für eine Sepsis. Grundsätzlich ist es ratsam, jede Infektion – auch wenn sie zunächst harmlos erscheint – frühzeitig durch einen Arzt behandeln zu lassen.
Am Beginn einer Sepsis steht meist eine lokal begrenzte Infektion, deren Ursachen oft Bakterien, manchmal auch Viren, Pilze (Candida Sepsis) oder sogenannte Protozoen (einzellige Lebewesen) sind. Das Immunsystem startet Abwehrreaktionen gegen die Eindringlinge in Form einer Entzündung: Die Durchblutung des betroffenen Gewebes verstärkt sich, ebenso die Durchlässigkeit der
Blutgefäße
.
Das führt dazu, dass große Mengen an weißen Blutkörperchen (
Leukozyten
) an den Infektionsort gelangen und ins Gewebe übertreten, wo sie die Krankheitserreger und zerstörte Zellen beseitigen.
Die geballten Abwehrkräfte des Immunsystems reichen aber manchmal nicht aus, um die Infektion an ihrem Entstehungsort zu begrenzen und zu beseitigen. Die Krankheitserreger gewinnen dann die Oberhand: Es kommt zum Eintritt der Erreger und ihrer Gifte in die Blutbahn. Gemäß der Sepsis-Definition sprechen Mediziner in diesem Fall noch nicht von einer Blutvergiftung, sondern von einer Bakteriämie (Bakterien im Blut).
Lösen diese Stoffe eine körperweite Entzündungsreaktion aus, entspricht das einem typischen Sepsis-Verlauf. Die entsprechenden Symptome einer Sepsis hängen mit diesem körperweiten Kampf zwischen Immunsystem und Krankheitserregern zusammen.
Die Gefäße im ganzen Körper weiten sich und führen zu einem Blutdruckabfall. Gleichzeitig steigen Entzündungsanzeichen im Blut drastisch an, während das
Herz
und die
Lunge
versuchen, den fehlenden Rückstrom des Blutes und dessen Anreicherung mit Sauerstoff durch vermehrte Arbeit auszugleichen. Dadurch steigen Atem- und Herzfrequenz an.
Durch den veränderten Blutfluss sowie Schäden an Gefäßen und Gewebe durch die Krankheitserreger und das Immunsystem gerinnt das Blut schneller.
Zu den Ursachen einer Blutvergiftung zählen im Prinzip alle örtlich begrenzten Infektionen wie eine
Lungenentzündung
oder Harnwegsinfektionen. Oft sind Krankenhausinfekte (nosokomiale Infektionen) Auslöser einer Sepsis. Besonders groß ist die Gefahr einer Blutvergiftung bei:
Die SIRS-Kriterien geben Hinweise auf eine mögliche Sepsis, reichen jedoch nicht aus, um eine tatsächliche Sepsis zu bestätigen. Sie sind nicht sensibel genug, um Patienten zu identifizieren, die eine akute Sepsis haben.
Deshalb werden weitere Kriterien genutzt: Die sogenannte Sequentielle Bewertung des Organversagens (
SOFA,
Sequential Organ Failure Assessment) ist ein aus der Intensivmedizin gut bekanntes, sehr komplexes Screening-Instrument.
Ein etwas vereinfachtes Modell nennt sich "
quick SOFA"
(qSOFA) und umfasst drei wichtige klinische Parameter:
Verdacht auf eine Blutvergiftung besteht, wenn bei Betroffenen zwei oder mehr dieser Punkte zutreffen.
Ärzte überprüfen im Folgenden weitere klinische Zeichen gemäß der SIRS-Kriterien wie:
Funktionieren Organe nur noch eingeschränkt, sprechen Mediziner von einer
Infektion
im Sinne einer schweren Sepsis. Dies gilt auch dann, wenn die Sepsis-Ursachen noch nicht aufgeklärt sind. Kommt ein kritischer Blutdruckabfall dazu, spricht man von einem septischen Schock.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie der Sepsis ist die Behandlung der Grunderkrankung – also jener Infektion, die zur Blutvergiftung geführt hat. Sie erfolgt entweder chirurgisch oder durch Medikamente.
Die Behandlung der Blutvergiftung beginnt immer mit der Suche nach der Infektionsquelle wie beispielsweise ein entzündeter Blinddarm, eine infizierte Gelenkprothese oder auch scheinbar banale Dinge wie ein Gefäßzugang am Arm oder ein Urinkatheter.
Am häufigsten sitzt der Herd in der Lunge, im Bauchraum, den Harnwegen, in der Haut, an Knochen und Gelenken, den Zähnen oder im zentralen Nervensystem (zum Beispiel
Meningitis
,
Enzephalitis
).
Auch Fremdmaterial im Körper ist mitunter Sitz des Infektionsherds, zum Beispiel Schrauben und Platten, die in der Knochenchirurgie verwendet werden oder etwa die "Spirale" (IUP) zur Empfängnisverhütung.
Bei der sogenannten Ursachenkontrolle beseitigt der Arzt diesen Ausgangspunkt der Sepsis so schnell wie möglich. Bei einigen Sepsis-Patienten lässt sich der Ausgangsort der Infektion allerdings nicht ausfindig machen.
Ist die Sepsis weniger stark, ist ein Aufenthalt auf der Intensivstation in der Regel nicht nötig. Hier reicht es oft, die Infektionsquelle zu beseitigen und eine Therapie mit
Antibiotika
(zum Beispiel Breitband-Penizillin) zu beginnen, da meistens Bakterien für eine Blutvergiftung verantwortlich sind.
Handelt es sich um eine Pilz- (Candida-Sepsis), Virus-, oder Parasiteninfektion, wird diese entsprechend therapiert. Immungeschwächte Personen erhalten neben einem Breitbandantibiotikum daher meist auch ein
Antimykotikum
gegen mögliche Pilzerreger.
Bei einer schweren Blutvergiftung ist es notwendig, zusätzlich zur Beseitigung der Infektionsquelle und einer Antibiotikatherapie, die beeinträchtigten Organfunktionen zu stabilisieren. Bei diesem gefährlicheren Sepsis-Verlauf findet die Behandlung fast immer auf einer Intensivstation statt.
Für die bestmögliche Therapie ist es notwendig, den Erreger zu identifizieren. Je nach Erreger erfolgt dann eine gezielte Therapie mit einem Antibiotikum oder einem Antimykotikum.
Zusätzliche Maßnahmen der Sepsis-Behandlung auf der Intensivstation sind:
Neuere Therapien mit künstlichen Antikörpern (Immunglobulinen) stehen bei schweren Verläufen noch in der Diskussion. Es fehlt bislang an Wissen, welche Antikörper bei welcher Form der Sepsis am wirkungsvollsten sind. Deshalb wird diese Behandlung bei Blutvergiftung noch nicht als Standard empfohlen.
Der Verlauf einer Blutvergiftung ist in der Regel immer gleich: Bakterien treten von irgendeiner Stelle im Körper in die Blutbahn ein und verteilen sich über den Blutstrom (Bakteriämie). Ist der Körper nicht in der Lage, die Infektion zu begrenzen, kommt es zur Sepsis.
Ohne Behandlung weitet sich der Kampf gegen die Erreger der Blutvergiftung immer mehr aus, bis es schließlich zu Schäden an Gefäßen und Organen kommt (schwere Sepsis).
Wie schnell die Sepsis fortschreitet, hängt vom auslösenden Krankheitserreger, dem Alter des Patienten und der Leistungsfähigkeit seines Immunsystems ab.
Im weiteren Sepsis-Verlauf kommt es mitunter zu Herz-Kreislauf-Versagen. Dann ist die Durchblutung lebenswichtiger Organe gefährdet, und Mediziner sprechen vom septischen Schock. Je früher man eine Behandlung beginnt, desto besser stehen die Chancen, komplett geheilt zu werden.
Bei Organschäden bleiben oft lebenslange Schäden zurück – zum Beispiel eine eingeschränkte oder ausgefallene
Nierenfunktion
, die eine lebenslange Dialyse (Blutwäsche) nötig macht.
Bei manchen Patienten lässt sich die Blutvergiftung nicht erfolgreich therapieren, und die Sepsis führt zum Tod.
Grob lässt sich sagen, dass das Sterberisiko einer Sepsis ohne adäquate Behandlung um etwa ein Prozent pro Stunde steigt. Nach einem Tag ohne Behandlung liegt das Risiko also bereits bei 24 Prozent.
Bei einer schweren Sepsis mit Organschäden überleben in Deutschland im Durchschnitt 20 Prozent der Patienten die Erkrankung nicht. Europaweit liegt die Sterberate bei etwa 26 Prozent.
Bei einem septischen Schock sind es in Deutschland 26,5 Prozent der Betroffenen, die nach 30 Tagen an einem Kreislaufversagen aufgrund einer Blutvergiftung sterben.
Viele Patienten berichten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus von Spätfolgen der Blutvergiftung wie Nervenschäden (Polyneuropathien), Muskelschwäche oder posttraumatischem Stress sowie Depressionen (mikroskopische Nervenschäden).
Am besten lassen sich die Folgen einer Blutvergiftung abwenden, wenn Betroffene bei Symptomen frühzeitig den Arzt informieren.
Besonders gilt dies für Menschen, die im Krankenhaus oder Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, für immungeschwächte sowie frischoperierte Patienten. Diese Patientengruppen sollten bei Fieber,
Schüttelfrost
, Atemnot und/oder
Schwindel
sofort ihren Arzt informieren.
Gerade im Krankenhaus ist die Vorsorge (Prävention) ein wichtiges Thema. Durch Hygienemaßnahmen, gute Wundpflege und konsequenten Schutz immungeschwächter Patienten lässt sich eine
Blutvergiftung
in vielen Fällen vermeiden.
Welche Möglichkeiten es gibt, um einer Sepsis vorzubeugen, hängt von der konkreten Ursache der Blutvergiftung ab.
Häufig liegt die Ursache für eine Sepsis in einer Infektion, die bei einem Krankenhausaufenthalt auftritt (nosokomiale Infektion).
Um solchen Krankenhausinfektionen vorzubeugen, hat die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) für Deutschland eine Empfehlung zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen erstellt.
Im privaten Umfeld lässt sich einer Blutvergiftung mitunter nur schwer vorbeugen. Dennoch gibt es Maßnahmen, um das Risiko für eine Sepsis zu verringern:
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Fabian Dupont ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Der Humanmediziner ist bereits für wissenschaftliche Arbeiten unter anderem Belgien, Spanien, Ruanda, die USA, Großbritannien, Südafrika, Neuseeland und die Schweiz. Schwerpunkt seiner Doktorarbeit war die Tropen-Neurologie, sein besonderes Interesse gilt aber der internationalen Gesundheitswissenschaft (Public Health) und der verständlichen Vermittlung medizinischer Sachverhalte.
Blutvergiftung
Kurzübersicht
Was ist eine Blutvergiftung oder Sepsis?
SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrome)
Septischer Schock
Neugeborenensepsis
Symptome einer Blutvergiftung
Was sind die Ursachen und Risikofaktoren für eine Blutvergiftung?
Risikogruppen für eine Sepsis
Untersuchungen und Diagnose
Behandlung einer Blutvergiftung
Behandlung bei schwerem Verlauf
Krankheitsverlauf und Prognose
Gefahr von Folgeschäden
Wie einer Sepsis vorbeugen
Vorbeugen von Krankenhausinfektionen
Vorbeugen zu Hause
Autoren- & Quelleninformationen