Illness name: haemochromatose
Description:
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Sabrina Kempe ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Biologie studiert und sich dabei besonders in die Molekularbiologie, Humangenetik und Pharmakologie vertieft. Nach ihrer Ausbildung zur Medizinredakteurin in einem renommierten Fachverlag hat sie Fachzeitschriften und eine Patientenzeitschrift betreut. Jetzt verfasst sie Beiträge zu Medizin- und Wissenschaftsthemen für Experten und Laien und redigiert wissenschaftliche Fachbeiträge von Ärzten.
Die
Hämochromatose
ist eine Eisenspeicherkrankheit. Es wird dabei zu viel Eisen im Körper eingelagert, vor allem in Leber und Herz. Mögliche Folgen sind zum Beispiel Leberzirrhose und Herzmuskelerkrankung. Die Hämochromatose kann angeboren oder erworben sein. Sie wird mit Aderlässen oder Medikamenten (Eisenchelatoren) behandelt. Lesen Sie hier mehr über Symptome, Ursachen, Diagnostik und Therapie der Hämochromatose!
Die Hämochromatose ist eine Eisenspeicherkrankheit: Der Körper der Betroffenen nimmt übermäßig viel Eisen aus der Nahrung auf. Dadurch kommt es zu einer Eisenüberladung (Siderose) des Gewebes. Besonders gefährlich sind Ablagerungen des überschüssigen Eisens in
Leber
und Herzmuskel, aber auch in Gelenken,
Bauchspeicheldrüse
, Haut oder Hirnanhangdrüse (
Hypophyse
).
Je nach Entstehung unterscheiden Mediziner:
Als Hämosiderose bezeichnet man eine vermehrte Eisenablagerung im Körper infolge einer erhöhten Eisenkonzentration im
Blut
. Der Begriff wird zum Teil als Synonym für Hämochromatose verwendet oder als eine Art Vorstufe davon angesehen. Er leitet sich von Hämosiderin ab – einem eisenhaltigen Eiweißkomplex: Eisen kann im Körper in Form von Hämosiderin gespeichert werden, vor allem in speziellen Immunzellen, den Makrophagen.
Eine Hämosiderose muss nicht immer den ganzen Körper betreffen – sie kann auch nur lokal auftreten, zum Beispiel an den Unterschenkeln.
Die primäre oder angeborene (hereditäre) Hämochromatose ist die häufigste genetisch bedingte Stoffwechselstörung im nordeuropäischen Raum. Sie trifft Männer zehnmal häufiger als Frauen, weil diese durch den Menstruationszyklus regelmäßig Blut und damit auch Eisen verlieren.
Insgesamt findet sich die Hämochromatose bei einem bis fünf von 1.000 Menschen. Erste Anzeichen für die Hämochromatose sind bei Männern zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und bei Frauen meist erst nach den Wechseljahren feststellbar.
Die Erkrankung ist für bis zu zwei Prozent neu aufgetretener Fälle von Diabetes mellitus und für bis zu 15 Prozent aller Leberzirrhosen (Schrumpfleber) verantwortlich.
Wird die Hämochromatose nicht frühzeitig behandelt, treten die ersten offensichtlichen Eisenüberschuss-Symptome meist erst zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf, und zwar bei Männern oft früher als bei Frauen:
Diabetes mellitus
,
Leberschäden
und
Braunfärbung der Haut
(Hyperpigmentierung, Bronzediabetes). Aber auch
Herzprobleme
,
Gelenkschäden
und
Hormonstörungen
gehören zu den wichtigen Hämochromatose-Symptomen. Dabei handelt es sich aber um
Spätschäden
. Sie sind mittlerweile seltener geworden, weil die Hämochromatose inzwischen meistens frühzeitiger entdeckt wird.
Es gibt jedoch auch Formen der Hämochromatose, bei der sich bereits vor der
Geburt
Leberschäden ausbilden (
neonatale Hämochromatose
). Zudem gibt es auch eine jugendliche Hämochroamtose, die sich schon vor dem 30. Lebensjahr zeigt. Sie ist vor allem durch Herzschwäche und eine Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen gekennzeichnet.
In der Frühphase der Eisenspeicherkrankheit zeigen sich Symptome, die vor allem unspezifisch sind. Dazu gehören:
Bis zu 80 Prozent der Patienten klagen über schwere Gelenkbeschwerden (Arthropathie), die oft schon Jahre vor der Diagnose beginnen. Typischerweise sind die Gelenke der Mittel- und Zeigefinger an beiden Händen betroffen, aber auch Knie- und Hüftgelenke. Die Gelenkbeschwerden verschlimmern sich im Verlauf der Erkrankung und können entweder entzündlicher oder nicht entzündlicher Natur sein. Sie hängen offenbar nicht mit dem Ausmaß der Eisenüberladung zusammen.
Wie die Gelenkschmerzen bei der Eisenspeicherkrankheit entstehen, ist noch unklar.
Die Leber ist einer der Hauptspeicherorte für Eisen und das erste Organ, das vom Blut nach Durchfließen des Darms (wo das Eisen aufgenommen wird) erreicht wird. Eine Eisenüberladung über einen längeren Zeitraum führt zu einem bindegewebigen Umbau der Leber (Leberfibrose) und dann zum Untergang von Lebergewebe (Leberzirrhose). Die typischen Symptome dafür sind:
In rund 30 Prozent der Hämochromatose-Fälle mit Leberzirrhose entwickelt sich ein bösartiger Lebertumor (Leberkarzinom, Hepatozelluläres Karzinom). Damit ist das Risiko für
Leberkrebs
bei Hämochromatose um das 100-Fache erhöht. Andere Lebererkrankungen wie Leberentzündung (
Hepatitis
) können das Voranschreiten der Leberschädigung verstärken.
Die Haut kann sich besonders in der Achselhöhle dunkel (bronzefarben) verfärben. Dies liegt daran, dass sich vermehrt Melanin (der dunkle Pigmentfarbstoff) in der Haut einlagert. Dies bezeichnet man als Bronzediabetes. Die Hauthaare dünnen aus, insbesondere in der Achselhöhle.
Auch die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) wird bei einer Hämochromatose durch den Eisenüberschuss belastet. Zunächst reagieren die Köperzellen nicht mehr auf das blutzuckersenkende Pankreas-Hormon
Insulin
(Insulinresistenz). Später sind die Insulin-produziernden Zellen der Bauchspeicheldrüse durch das Eisen so geschädigt, dass sie nicht mehr genügend Insulin herstellen können. Dadurch entwickelt sich eine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).
Herzschäden sind eine häufige Todesursache bei jungen Hämochromatose-Patienten. Eisenablagerungen im
Herz
führen zu Muskelschäden (
Kardiomyopathie
) und
Herzrhythmusstörungen
. Daraus können Herzschwäche und -versagen mit Lebensgefahr resultieren. Wenn im Rahmen der Hämochromatose Herzmuskelschäden auftreten, kann eine
Transplantation
erforderlich sein.
Die verschiedenen Hormonsysteme des Körpers können in unterschiedlichem Ausmaß von der Hämochromatose betroffen sein. Typisch ist eine Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen (Eierstöcke,
Hoden
), der
Schilddrüse
und der
Nebennierenrinde
. Männer können impotent werden. Bei Frauen kann die Regelblutung ausbleiben (Amenorrhö).
Der Körper braucht Eisen für die Herstellung roter Blutkörperchen (
Erythrozyten
) sowie das Überleben und Wachstum von Zellen. In größeren mengen ist das Schwermetall aber giftig. Deshalb muss der Körper den Eisenhaushalt bedarfsabhängig steuern und Aufnahme und Ausscheidung im Gleichgewicht halten – damit weder ein
Eisenmangel
noch eine Eisenüberladung entsteht.
Pro Tag benötigt der Körper 25 Milligramm Eisen. Das meiste davon holt er sich aus dem
Abbau alter roter Blutzellen
. Der restliche Bedarf wird über
eisenhaltige Nahrung
gedeckt. Gesunde Menschen nehmen etwa zehn Prozent des in der Nahrung enthaltenen Eisens im
Darm
auf (ungefähr 1 bis 2 Milligramm pro Tag). Bei einer genetisch bedingten Hämochromatose werden dagegen bis zu 20 Prozent des Nahrungseisens aufgenommen.
Der entscheidende Schritt der Eisenaufnahme ist der Übergang des Eisens aus der Darmzelle und aus den Zellen des retikuloendothelialen Systems (u.a. Immunzellen) in das Blut, der unter anderem durch das Eiweiß Hepcidin kontrolliert wird. Hepcidin wird in der Leber hergestellt und hemmt das Transportprotein Ferroportin, über das Darm- und Immunzellen ihr gespeichertes Eisen freisetzen können. Im Blut wird Eisen gebunden an das Protein
Transferrin
transportiert.
Der Hauptteil des Körpereisens wird in den roten Blutzellen (
Hämoglobin
), in Leber und Immunzellen (retikuloendotheliales System) gespeichert – zum Beispiel in Form von
Ferritin
(ein Eisen-Protein-Komplex), das im Blut nachgewiesen werden kann. Normalerweise speichert der Körper ein bis vier Gramm Eisen – bei einer Hämochromatose dagegen mehr als die doppelte Menge.
Meistens ist der Eisenüberschuss ist angeboren (primäre Hämochromatose). Seltener ist die erworbene (sekundäre) Form der Eisenspeicherkrankheit.
Die häufigste Ursache für Hämochromatose sind in Deutschland Veränderungen (Mutationen) an Genen, die den Bauplan für Eiweiße enthalten, welche den Eisenhaushalt regulieren. Je nach betroffenem Gen unterscheidet man verschiedene Typen dieser genetisch bedingten Hämochromatose. In Deutschland tritt fast nur der Typ 1 auf – eine Genmutation auf Chromosom 6, die das
Gen HFE
("High Iron Fe") betrifft. Das durch dieses Gen kodierte HFE-Protein aktiviert das Regulatorprotein Hepcidin:
Das HFE-Protein bindet vermutlich an den Andockstellen (Rezeptoren) von Transferrin auf der Oberfläche der Zellen und blockiert diese. Das Transportprotein für Eisen kann dann nicht mehr an seinen Rezeptor binden. Das fördert die Ausschüttung von Hepcidin. Dieses Eiweiß wiederum hemmt die Eisenaufnahme aus dem Darm.
Durch die Genmutation beim Typ 1 der primären Hämochromatose fällt das HFE-Protein aus bzw. ist in zu geringer Menge vorhanden. In der Folge fehlt Hepcidin als Bremse der Eisenaufnahme. Dadurch wird im Darm zu viel Eisen aufgenommen.
Das Transportprotein Transferrin im Blut kann die erhöhte Eisenmenge nicht mehr transportieren, und die Zellen können das überschüssige Eisen nicht mehr in stabiler Form speichern. Instabiles Eisen entsteht im Blut und schädigt die Körperzellen. Das belastet die betroffenen Organe sehr stark und kann schwere Komplikationen zur Folge haben. Es dauert jedoch meist Jahrzehnte, bis solche Organschäden resultieren.
Bei den sogenannten sekundären Formen der Hämochromatose kommt es meist zunächst zu einer Eisenüberladung der Zellen des retikuloendothelialen Systems, also unter anderem Zellen des Immunsystems, aber auch weiterer Organe. Die häufigste Ursache ist eine angeborene oder erworbene
Fehlfunktion der Blutbildung
, die meist mit einer Blutarmut (Anämie) einhergeht. Einerseits steigert der Körper dadurch die Eisenaufnahme über den Darm. Andererseits müssen bei starker Blutarmut wiederholt Bluttransfusionen gegeben werden. Dadurch wird dem Körper
künstlich viel Eisen zugeführt
. Seltener kann zum Beispiel auch eine jahrelange Eisenzufuhr in Form von Tabletten für eine Hämochromatose verantwortlich sein.
Weitere mögliche Ursachen für eine sekundäre Hämochromatose sind eine
Fehlbildung des roten Blutfarbstoffes
(
Thalassämie
) und eine
abnorme Verformbarkeit der roten Blutzellen
(
Sichelzellanämie
). Beides sind genetisch bedingte Erkrankungen.
Zu den erworbenen Erkrankungen, die eine Hämochromatose verursachen können, gehören das
Myelodysplastische Syndrom
(
MDS
; eine Störung der Blutbildung im Knochenmark) und die
Myelofibrose
(bindegewebige Umbildung des Knochenmarks). Beide Krankheiten haben gemeinsam, dass der Umsatz der (roten) Blutzellen und damit auch des Eisens deutlich erhöht ist.
Betroffene merken im Frühstadium meist nichts von der Hämochromatose. Frühzeichen wie Gelenkbeschwerden oder Müdigkeit sind unspezifisch. In den meisten Fällen wird eine Hämochromatose daher entweder zufällig bei Blutuntersuchungen entdeckt, die Hinweise auf eine Störung des Eisenhaushalts geben. Oder die Diagnose der Hämochromatose wird durch ein systematisches Screening (von Familienmitgliedern) aufgrund von Auffälligkeiten gestellt.
Zur Abklärung einer möglichen Hämochromatose wird Ihr Arzt zunächst Ihre Krankengeschichte erheben (
Anamnese
). Im Gespräch wird er Ihnen unter anderem folgende Fragen stellen:
Bei der körperlichen Untersuchung achtet Ihr Arzt insbesondere auf Zeichen einer Herz- und Leberschädigung sowie eine verstärkte Pigmentierung der Haut (Bronzediabetes). Gelenkbeschwerden an Zeige- und Mittelfinger sind ebenfalls typisch für eine Hämochromatose.
Sehr wichtig für die Diagnose einer Eisenspeicherkrankheit sind Blutwerte, die eine Aussage über den Eisenhaushalt erlauben (
Eisenwerte
). Zudem können verschiedene
Hormonwerte
aufschlussreich sein.
Die wichtigsten Parameter zur Beurteilung des Eisenhaushaltes sind der Eisenspiegel im Blutserum, das Ferritin (Speichereiweiß für Eisen) und die
Transferrinsättigung
:
Zur Bestimmung dieser Parameter sollten eine Blutprobe nüchtern am Morgen abgenommen werden. Anschließend erfolgt die Auswertung für die Hämochromatose-Diagnose im Labor.
Hat ein Patient sowohl eine erhöhte Ferritin-Konzentration als auch eine hohe Transferrinsättigung, liegt der Verdacht auf eine Eisenspeicherkrankheit nahe. Der Patient hat quasi zu viel Eisen im Blut. Um den Verdacht zu bestätigen, sollte ein Hämochromatose-Gentest durchgeführt werden (siehe unten).
Bei der Erstdiagnose oder Hinweisen auf Störungen des Hormonsystems sollten entsprechende Untersuchungen gemacht werden. Vermutet der Arzt zum Beispiel eine gestörte Schilddrüsenfunktion, wird er die Schilddrüsenhormone im Blut bestimmen. Analog werden bei Verdacht auf eine Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen oder der Nebennierenrinde ebenfalls die entsprechenden
Hormone
gemessen werden.
Erhärten auffällige Eisen-Blutwerte den Verdacht auf eine Hämochromatose, ist ein Gentest der nächste Schritt. Zunächst wird getestet, ob eine Mutation des HFE-Gens (C2828Y) vorliegt – was der häufigsten Form von Hämochromatose (Typ 1) entspricht. Jeder Mensch hat zwei Kopien dieses Gens – jeweils eine von Mutter und Vater. Die Genmutation kann auf beiden oder nur auf einer zu finden sein:
Bei genetisch bedingten Formen der Hämochromatose sollten auch Familienmitglieder auf eine Hämochromatose untersucht werden.
Durch die
Entnahme einer Gewebeprobe aus der Leber
(Biopsie) können stichprobenartig der Zustand der Leber und ihr Eisengehalt (Berliner-Blau-Reaktion) überprüft werden. Allerdings ist die Probenentnahme mit Risiken verbunden. Zudem sind die Eiseneinlagerungen in der Leber unregelmäßig verteilt. Deshalb wird eine Leberbiopsie heutzutage nicht mehr durchgeführt, wenn ausschließlich das Lebereisen bestimmt werden soll. Stattdessen kommt sie in der Regel nur bei stark erhöhten Ferritinwerten (mehr als 1.000 Nanogramm pro Milliliter) zum Einsatz, um die Schwere der Leberschädigung festzustellen.
Der Eisengehalt der Leber kann als Lebereisenkonzentration oder als Lebereisenindex angegeben werden. Letzterer ergibt sich, wenn man die Lebereisenkonzentration durch das Alter des Patienten teilt.
Heute kann die Biopsie durch moderne technische Verfahren ersetzt werden, die keine Gewebeentnahme erfordern. Dazu zählen:
Zur Prüfung von Funktion und Zustand der Leber müssen
regelmäßig Blutwerte gemessen
und
Ultraschalluntersuchungen
gemacht werden. Wenn die Leber bereits Zeichen einer Zirrhose aufweist, sollte auch die Konzentration des
α-Fetoproteins
im Blut als Marker für bösartige Entartungen des Lebergewebes bestimmt werden.
Schäden am Herzmuskel und Herzrhythmusstörungen, die zu einem Herzversagen führen können, sind eine mögliche Todesursache bei Hämochromatose. Die Herzfunktion sollte daher mittels
Herzultraschall
(
Echokardiografie
) und
Messung der elektrischen Herzaktivität
(
EKG
) überprüft werden. Mit einer
Kernspintomografie
kann der Arzt den Eisengehalt (Herzeisen) und den Zustand des Herzens beurteilen.
Der Eisenüberschuss im Körper wird gefährlich, wenn er nicht behandelt wird. Ziel der Hämochromatose-Therapie ist es deshalb, die Eisenbelastung des Körpers zu verringern und somit das Fortschreiten der Hämochromatose zu verhindern. Dazu stehen folgende Therapien zur Verfügung:
Unterstützend kann eine
angepasste Ernährung
bei Eisenüberuss helfen.
Im fortgeschrittenen Zustand einer Hämochromatose können schwere Organschäden zudem eine
Organtransplantation
notwendig machen.
Die
Aderlass-Therapie
(Phlebotomie) wird vor allem bei genetisch bedingter Hämochromatose durchgeführt. Dazu werden dem Patienten in gewissen Zeitabständen rund 500 Milliliter Blut aus einer Vene abgenommen. Pro Aderlass können so rund 250 Milligramm Eisen aus dem Körper entfernt werden.
Bei einer symptomatischen Hämochromatose befinden sich zirka 10 bis 30 Gramm Eisen im Körper. Um die Eisenspeicher wieder auf Normalniveau (bis zu vier Gramm Eisen) zu bringen, sind daher
40 bis 120 Aderlässe über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren
notwendig:
Wenn Familienmitglieder eines Patienten mit genetischer Hämochromatose erhöhte Ferritinwerte aufweisen, kann bei ihnen eine vorbeugende Aderlass-Behandlung durchgeführt werden.
Auf dem gleichen Prinzip wie der Aderlass beruht die Erythrozytapherese. Im Gegensatz zum Aderlass wird hier aber das entnommene
Blut maschinell aufgetrennt
: Nur die roten Blutzellen werden entfernt, die restlichen Blutbestandteile werden dem Körper wieder zugeführt.
Dieses Verfahren wird unter anderem bei Patienten mit Blutarmut aufgrund von Defekten der roten Blutzellen eingesetzt. Im Vergleich zum Aderlass können bei der Erythrozytapherese mehr rote Blutzellen pro Behandlungstermin entnommen werden, sodass die Betroffenen weniger häufig zur Behandlung erscheinen müssen.
Die medikamentöse Therapie der Hämochromatose soll die
Eisen-Ausscheidung über den
Urin
und Stuhl steigern
. Erreicht wird dies mit sogenannten Chelatbildnern oder Chelatoren. sind Substanzen, die Eisen binden und dann mit ihm ausgeschieden werden. Früher wurde der Wirkstoff Deferoxamin als Dauerinfusion verabreicht. Heute wird täglich der Wirkstoff Deferasirox als Tablette eingenommen.
Eisenchelatoren werden vor allem bei Hämochromatose-Formen gegeben, die mit einer Blutarmut verbunden sind. Denn Aderlässe sind dann nicht möglich. Meist wird die Gabe von Eisenchelatoren bei besonders hohen Serumferritin-Werten oder einer Lebereisenkonzentration über dem Grenzwert begonnen. Sie muss
in der Regel lebenslang
fortgesetzt werden. Nur selten normalisieren sich die Blutwerte des Eisenhaushalts wie Ferritin.
Wenn die Therapie mit Eisenchelatoren nicht ausreichend anschlägt, schwere Herzschäden bestehen oder aus anderen Gründen eine rasche Eisen-Eliminierung notwendig ist, kann die medikamentöse Therapie intensiviert werden. Eine solche Intensiv-Behandlung sollte
in spezialisierten Zentren
durchgeführt werden. Die Chelatbildner werden dann über 24 Stunden kontinuierlich unter die Haut oder in die Vene zugeführt. Auch eine längere Intensiv-Gabe über diesen Weg ist möglich.
Bei einer Behandlung mit Chelatbildnern sollten Nutzen und Risiken immer wieder von Neuem sorgfältig abgewogen werden. Die Wirkstoffe stehen nämlich im Verdacht, das Wachstum von Kindern zu hemmen.
Bei Erwachsenen sind Magen-Darm-Beschwerden, Hautausschläge und eine Erhöhung der Leberenzymkonzentration im Blut typische Nebenwirkungen der Eisenchelatoren. Auch Innenohr- und
Sehstörungen
, Fieber,
Kopfschmerzen
und Gelenkbeschwerden können auftreten.
Schwangere dürfen nicht mit Chelatbildnern behandelt werden. Ab dem vierten Schwangerschaftsmonat kann aber eventuell unter strenger Abwägung die Therapie (wieder)aufgenommen werden. In diesem Fall sind engmaschige Untersuchungen der Schwangeren unbedingt erforderlich.
Schwangere Frauen mit Hämochromatose sollten sich in spezialisierten Zentren beraten lassen.
Eine streng eisenarme Diät ist nur sehr schwer einzuhalten und auch nur wenig wirksam. Aus diesem Grund wird auch
keine spezielle Hämochromatose-Ernährung
empfohlen.
Angeraten ist jedoch der
Verzicht auf eisenreiche Lebensmittel
wie Innereien. Zu beachten ist auch, dass
Kaffee und Tee
die Eisenaufnahme reduzieren können, während durch den Konsum von
Alkohol
mehr Eisen im Darm aufgenommen wird. Rotweine können zudem reich an Eisen sein. Deshalb sollten Betroffene Alkohol möglichst meiden.
Die Einnahme von
Vitaminpräparaten
wird nicht empfohlen.
Am besten eignet sich als Getränk zu den Mahlzeiten schwarzer Tee, um die Eisenaufnahme aus der Nahrung zu reduzieren.
In späten Stadien von Hämochromatose mit schweren Leber- oder Herzschäden kann eine entsprechende Organtransplantation lebensnotwendig werden. Eine seit Geburt bestehende Hämochromatose (neonatale Hämochromatose) ist etwa der häufigste Grund für eine
Lebertransplantation
in den ersten drei Lebensmonaten.
Wird die Hämochromatose früh erkannt und behandelt – bevor Spätschäden wie Leberzirrhose, Kardiomyopathie oder Diabetes mellitus auftreten –, haben Betroffene eine normale Lebenserwartung.
Deutlich schlechter ist die Prognose, wenn die Hämochromatose erst spät erkannt oder nicht behandelt wird. Auch wenn durch Blutarmut häufige Bluttransfusionen nötig werden, kann die Eisenüberladung schneller voranschreiten. Am meisten gefürchtet sind schwere Herzschäden, die zu einem (plötzlichen) Herzversagen mit Todesfolge führen können. Die regelmäßige Überwachung der Organfunktionen, insbesondere von Herz und Leber, sind daher unbedingt erforderlich.
Lebervergrößerungen und Erhöhungen der Leberenzyme sind bei einer erfolgreichen Therapie der Hämochromatose meist rückläufig. Spätfolgen wie Diabetes mellitus oder Herzschäden lassen sich durch die Behandlung aber kaum verbessern. Auch Gelenkbeschwerden und eine Hodenunterfunktion bleiben trotz Therapie bestehen. Allerdings kann die Behandlung Symptome wie Schmerzen und Müdigkeit lindern und damit die Lebensqualität von Hämochromatose-Betroffenen deutlich steigern.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Sabrina Kempe ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Biologie studiert und sich dabei besonders in die Molekularbiologie, Humangenetik und Pharmakologie vertieft. Nach ihrer Ausbildung zur Medizinredakteurin in einem renommierten Fachverlag hat sie Fachzeitschriften und eine Patientenzeitschrift betreut. Jetzt verfasst sie Beiträge zu Medizin- und Wissenschaftsthemen für Experten und Laien und redigiert wissenschaftliche Fachbeiträge von Ärzten.
Hämochromatose
Kurzübersicht
Hämochromatose: Definition
Hämosiderose
Häufigkeit
Hämochromatose: Symptome
Hämochromatose-Symptome im Überblick
Symptome und Spätschäden im Detail
Gelenke
Leber
Haut
Bauchspeicheldrüse
Herz
Hormonsystem (Endokrinum)
Der Eisenstoffwechsel
Aufnahme und Speicherung von Eisen
Hämochromatose: Ursachen und Risikofaktoren
Angeborene (primäre) Hämochromatose
Erworbene (sekundäre) Hämochromatose
Hämochromatose: Untersuchungen und Diagnose
Erhebung der Krankengeschichte
Körperliche Untersuchung
Blutuntersuchungen
Eisenwerte
Hormonwerte
Gentest
Leberuntersuchungen
Herzfunktion und -eisen
Hämochromatose: Behandlung
Aderlasstherapie
Erythrozytapherese
Eisenchelatoren
Intensivierte Behandlung
Risiken und Nebenwirkungen
Hämochromatose: Ernährung
Organtransplantation
Hämochromatose: Krankheitsverlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen