Illness name: fraktur
Description:
Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.
Andreas Fromm ist Fachautor für Notfallmedizin und lehrt seit 2018 als Dozent an der Berufsfachschule für Notfallsanitäter und -sanitäterinnen der Feuerwehr Hamburg.
Bei einer
Fraktur
(Knochenbruch) ist die Kontinuität des Knochens komplett oder teilweise unterbrochen. Das ist meist mit Symptomen wie Schmerzen und Funktionsverlust verbunden. Die Ursache des Bruchs kann direkte oder indirekte Gewalt, eine Vorerkrankung oder Ermüdung (zu starke Belastung) sein. Das Kompartmentsyndrom stellt als Komplikation eines Knochenbruchs einen operativen Notfall dar. Erfahren Sie hier mehr zum Thema Fraktur.
Unter einer Fraktur verstehen Mediziner einen Knochenbruch: Der Knochen ist in zwei oder mehrere Bruchstücke gespalten, die auch verschoben (disloziert) sein können. Das passiert, wenn von außen direkte oder indirekte Gewalt auf den Knochen einwirkt wie etwa durch einen Unfall.
Der Mensch besitzt insgesamt 206 verschiedene Knochen. An manchen Stellen weisen Knochen "Soll-Bruchstellen" auf wie zum Beispiel am Oberarm, der besonders anfällig für einen Bruch ist. Jeder Knochen besteht aus mineralischen, elastischen und bindegewebigen Komponenten. Auch
Blutgefäße
ziehen durch den Knochen. In der Knochenhaut (Periost) verlaufen außerdem Nervenfasern. Je nach Alter des Menschen variiert die Zusammensetzung seiner Knochen:
Knochen von
Kindern
haben vorwiegend elastische Anteile. Sie brechen daher meist als sogenannter Grünholzbruch, bei dem die Knochenhaut noch intakt ist.
Knochen von
Erwachsenen
haben ein ausgewogenes Verhältnis an mineralischen, elastischen und bindegewebigen Anteilen.
Bei
älteren Menschen
verlieren die Knochen an elastischen und bindegewebigen Anteilen und brechen daher leichter. Außerdem entkalken die Knochen im Alter durch den veränderten Hormonhaushalt zunehmend, was sie spröde und brüchig macht. Ein 70-Jähriger hat deshalb ein dreimal höheres Risiko für einen Knochenbruch als ein 20-Jähriger.
Knochengewebe heilt ohne
Narben
ab. Das Ziel einer Knochenbruch-Behandlung ist, dass der Betroffene den Knochen so früh wie möglich wieder belasten kann. Eine schnelle Heilung wird erreicht, wenn die anatomischen Achsenverhältnisse des Knochens stimmen. Zudem sollte der Bruch ruhig gestellt und eine adäquate Blutversorgung geschaffen werden.
Die Knochenbruch-Heilungsdauer ist je nach Skelettabschnitt verschieden. Beispielsweise braucht ein
Schlüsselbeinbruch
bei konservativer Behandlung nur etwa drei bis vier Wochen, während ein Oberschenkelbruch erst nach etwa zehn bis vierzehn Wochen ausheilt.
Bei Kindern verheilt ein Knochenbruch schneller, da sie noch wachsen und Achsenfehlstellungen und Verkürzungen noch korrigiert werden können. Ein Knochenbruch kann bei Kindern daher meist konservativ behandelt werden.
Ein Knochenbruch kann auf zwei unterschiedliche Weisen ausheilen und wird je nach Art unterschiedlich behandelt. Mediziner unterscheiden die direkte und indirekte Frakturheilung.
Am häufigsten heilt der Knochen über die indirekte Frakturheilung. Das bedeutet, dass der Knochen an den Bruchenden einen sogenannten Kallus bildet, ein Narbengewebe des Knochens, das den Spalt zwischen den Knochenenden überbrückt. Eine Knochenbruchheilung läuft in fünf Phasen ab:
Verletzungsphase
: Hier passiert die Fraktur.
Entzündungsphase
: In der Bruchzone entsteht zunächst ein Bluterguss (Hämatom), der mit der Zeit durch bindegewebige Zellen wie Granulozyten, Mastzellen und
Monozyten
ersetzt wird.
Granulationsphase
: In der nächsten Phase (vier bis sechs Wochen) bildet sich ein weicher Kallus aus Granulationsgewebe. Der Kallus verläuft dabei von den Bruchenden ausgehend in Richtung Mitte. Da die Bruchenden schlecht durchblutet werden, entsteht eine Knochennekrose (abgestorbenes Knochengewebe) von wenigen Millimetern. Der Knochen wird deshalb als erstes geringfügig abgebaut, um einen Fragmentkontakt wieder herzustellen. Das abgestorbene Knochengewebe wird durch sogenannte Osteoklasten (knochenabbauende Zellen) abgebaut, weshalb man in der Granulationsphase im Röntgenbild innerhalb der ersten zwei Wochen einen verbreiterten Bruchspalt sieht. Dies ist nötig, damit der Knochen heilen kann. Osteoblasten (knochenaufbauende Zellen) ersetzen dann wiederum das verlorengegangene Knochengewebe durch neues.
Phase der Kallushärtung
: Die Bindegewebszellen, die in den Bereich des Bruchs einwandern, differenzieren sich bei ruhenden Bedingungen zu knorpelähnlichen Zellen. Diese mineralisieren langsam, was etwa drei bis vier Monate dauert. Das neue Gewebe wird dabei zunehmend fester. Spezielle Wachstumsfaktoren bilden eine neue Substanz im und an der Außenseite des Bruches (Geflechtknochen). Der Betroffene merkt dies daran, dass die Schmerzen mit der Zeit geringer werden, wenn der entsprechende Körperteil bewegt wird.
Remodelingphase
: Die Remodelingphase startet ab dem sechsten Monat und kann bis zu einem Jahr andauern. Das noch geflechtartige neue Knochengewebe wandelt sich dabei in lamellären Knochen um. Im Röntgenbild zeigt sich dies durch eine beginnende Knochenneubildung um die Fraktur. Der anfangs unstrukturierte geflechtartige Knochen verdichtet sich immer mehr, was durch Muskelanspannung unterstützt wird. Der zunächst kugelförmige Kallus wird flacher, sodass nach Monaten oder Jahren die Knochenrinde nur noch unwesentlich verdichtet ist.
Bei der direkten Frakturheilung heilt der Knochenbruch ohne sichtbaren Kallus ab. Dies gelingt nur bei direkt aufeinander passendem Knochenbruch. Eine Heilung ohne Kallus ist deshalb nur durch operative Maßnahmen möglich. Bei der sogenannten Kompressionsosteosynthese wird der Bruch mechanisch absolut ruhig gestellt. Das ermöglicht, dass die Knochenbruchenden ausreichend durchblutet werden. So können an der Bruchoberfläche neue Zellen entstehen, die neues Knochengewebe nachbilden und die Fraktur vernetzen. Im Röntgenbild ist daher kein Kallus sichtbar. Der vorher sichtbare Bruchspalt verschwimmt und verschwindet am Ende ganz.
Eine eindeutig verlängerte Knochenbruchheilung spricht für eine gestörte Frakturheilung. Im Röntgenbild sieht man einen verbreiterten Bruchspalt.
Hat sich an den beiden Knochenbruchenden nach vier bis sechs Monaten noch keine knöcherne Verbindung ausgebildet, sprechen Mediziner von einem "falschen Gelenk" (Pseudarthrose).
Typischerweise bestehen beim Knochenbruch Symptome wie Schmerzen und Schwellung. Sie zählen allerdings zu den sogenannten unsicheren Frakturzeichen, im Gegensatz etwa zu Fehlstellungen einer Gliedmaße als sichtbares Frakturzeichen.
Unsichere Frakturzeichen
:
Sichere Frakturzeichen
:
Ist die
Haut
über der Fraktur geöffnet, liegt eine
offene Fraktur
vor. Sie sollte zunächst steril am Unfallort abgedeckt und erst bei der Operation wieder unter sterilen Bedingungen aufgedeckt werden. Dies verhindert, dass Keime in die Wunde gelangen.
Ist die Hautbarriere über der Fraktur intakt geblieben, handelt es sich um eine
geschlossene Fraktur
. Manchmal ist von außen gar nichts vom Bruch zu erkennen. In anderen Fällen sind Abschürfungen bis hin zu ausgedehnten Hautdefekten wie eine Hautquetschung sichtbar.
Der zuständige Facharzt bei Verdacht auf einen Knochenbruch ist ein Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie.
Er wird Sie zuerst genau zum Unfallhergang und zu Ihrer Krankengeschichte befragen (
Anamnese
). Mögliche Fragen sind:
Nach dem Anamnesegespräch untersucht der Arzt den Patienten. Er inspiziert die betroffene Stelle auf der Suche nach Fehlstellungen und Schwellungen. Außerdem tastet er, ob sie druckschmerzhaft ist oder die Muskeln besonders angespannt sind. Des Weiteren kontrolliert er, ob die Bewegung richtig ausgeführt werden kann und ob dabei ein knarzendes oder knirschendes Geräusch entsteht.
Wichtig bei einem (vermuteten) Knochenbruch ist auch, die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität in der verletzten Körperregion zu überprüfen, um möglicherweise verletzte Nerven, Blutgefäße oder Sehnen nicht zu übersehen! Die fernen Pulse (z.B. am
Fuß
bei gebrochenem Bein) geben Hinweise auf die Durchblutung. Um die Motorik zu prüfen, bittet er Sie, die Finger und Zehen aktiv zu bewegen. Des Weiteren wird die Sensibilität geprüft, etwa idem der Arzt mit einer Nadel oder einem Finger verschiedene Hautstellen berührt.
Eine anschließende Röntgenuntersuchung in zwei Ebenen kann den Verdacht auf einen Knochenbruch bestätigen. Ist das Becken oder die
Wirbelsäule
betroffen, wird in der Regel eine
Computertomografie
(CT) für eine genauere Abklärung durchgeführt. Damit lässt sich auch eine sogenannte okkulte Fraktur nachweisen - ein Knochenbruch, der im
Röntgen
nicht sichtbar ist.
Die Bildgebung zeigt, wo genau der Bruchspalt verläuft und inwieweit Knochenfragmente verschoben (disloziert) sind. Der Bruch kann sich seitlich verschoben haben, verkürzt, verlängert, verdreht oder in seiner Achse abgeknickt sein.
Beim Begriff Fraktur denken die meisten Menschen an eine traumatische Knochenfraktur: Eine ausreichend hohe Gewalteinwirkung hat dabei den eigentlich festen und elastischen Knochen gebrochen. Eine Fraktur kann jedoch auch durch eine Krankheit entstehen. Grundsätzlich gibt es drei Entstehungsmechanismen für einen Knochenbruch:
Je nach eintreffender Gewalt und der Form des Knochens ergeben sich unterschiedliche Formen von Knochenbruch:
Die verschiedenen Knochenbrüche werden von der AO, der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen, eingeteilt. Die AO-Klassifikation dient dazu, Frakturen exakt mit einem vierstelligen Code zu beschreiben und so eine weltweit standardisierte Behandlung zu ermöglichen. Relevante Faktoren für die Einteilung sind:
Die AO-Klassifikation wird am häufigsten bei Knochenbrüchen an den langen Röhrenknochen angewendet wie Oberarm-, Unterarm-, Oberschenkel- und Unterschenkelknochen. Aber auch Hand- und Fußverletzungen, Kieferfrakturen sowie Frakturen des Beckens und der Wirbelsäule können nach ihr klassifiziert werden.
Wie eine Fraktur behandelt wird, richtet sich in erster Linie nach Lage, Art und Ausmaß des Bruchs sowie eventuellen Begleitverletzungen. Prinzipiell kann die Behandlung konservativ (etwa mit einem Gips) oder operativ erfolgen.
Wie Sie bei einem Knochenbruch richtig Erste Hilfe leisten und welche Therapiemöglichkeiten dem Arzt zur Verfügung stehen, erfahren Sie im Beitrag
Fraktur: Behandlung
.
Die Prognose bei einer Fraktur hängt sowohl von der Art der Verletzung als auch von der entsprechenden Behandlung ab. Auch das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten haben einen Einfluss.
In den meisten Fällen heilt eine Fraktur nach adäquater konservativer Behandlung oder Operation gut und folgenlos aus - bei älteren Menschen dauert dies aber oft länger als bei jüngeren. Bei offenen Trümmerfrakturen und Knochenbrüchen, bei denen Gefäße in Mitleidenschaft gezogen wurden, lässt sich eine genaue Prognose schwer abschätzen. Eine infizierte Fraktur kann dazu führen, dass die Extremität amputiert werden muss, wenn sich eine Sepsis ("Blutvergiftung") entwickelt hat. Insbesondere bei einer Gelenkfraktur und gelenknaher
Fraktur
treten oft länger andauernde Störungen auf.
Manchmal wachsen die Bruchenden nicht wieder knöchern zusammen, sondern bleiben beweglich verbunden. Dann hat sich ein "falsches Gelenk" entwickelt - eine
Pseudarthrose
. Sie äußert sich durch Schwellung, Überwärmung und Schmerzen bei Bewegung und Belastung. Es gibt folgende Ursachen für eine Pseudarthrose:
Andere lang anhaltende Komplikationen, die bei einer Fraktur auftreten können, sind zum Beispiel
Instabilitäten
im betroffenen Gelenkbereich,
Gelenkverschleiß
(Osteoarthritis,
Arthrose
) und
Fehlstellungen
.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Dr. med. Mira Seidel ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.
Andreas Fromm ist Fachautor für Notfallmedizin und lehrt seit 2018 als Dozent an der Berufsfachschule für Notfallsanitäter und -sanitäterinnen der Feuerwehr Hamburg.
Fraktur
Kurzübersicht
Fraktur: Beschreibung
Aufbau von Knochen
Frakturheilung
Indirekte Frakturheilung
Direkte Frakturheilung
Gestörte Frakturheilung
Fraktur: Symptome
Offener und geschlossener Bruch
Fraktur: Untersuchungen und Diagnose
Anamnese
Körperliche Untersuchungen
Bildgebung
Fraktur: Ursachen und Risikofaktoren
Fraktur-Formen
Fraktur: AO-Klassifikation
Fraktur: Behandlung
Fraktur: Krankheitsverlauf und Prognose
Lang anhaltende Komplikationen
Autoren- & Quelleninformationen