Illness name: dissoziale persoenlichkeitsstoerung
Description:
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Eine
dissoziale Persönlichkeitsstörung
wirkt sich negativ auf das zwischenmenschliche Verhalten aus. Menschen mit dieser Störung verhalten sich aggressiv und impulsiv, sind verantwortungslos und missachten die sozialen Normen. Die Gefühle anderer Menschen berühren sie nicht, Schuldgefühle sind ihnen fremd. Lesen Sie hier, woran man eine dissoziale Persönlichkeitsstörung erkennt, wie man ihr begegnet und wie sie sich behandeln lässt.
Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, von Fachleuten auch antisoziale Persönlichkeitsstörung genannt, ist eine schwere und potenziell gefährliche Störung. Manche Betroffene sind derart reizbar, dass sie bereits eine kleine Meinungsverschiedenheit zu einer Gewalttat animieren kann.
Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung macht sich schon im Kindes- und Jugendalter bemerkbar. Die betroffenen Kinder quälen Tiere oder mobben ihre Mitschüler. Auch als Erwachsene wirken sie herzlos gegenüber ihren Mitmenschen. Konsequenzen für ihr oft verantwortungsloses Verhalten fürchten sie nicht. Selbst eine Bestrafung ändert nichts an ihrer Überzeugung, im Recht zu sein – im Gegenteil: Häufig sind die Opfer der Attacken ihrer Ansicht nach selbst schuld. Ein äußerst geringes bis komplett fehlendes Einfühlungsvermögen ist kennzeichnend für eine antisoziale Persönlichkeitsstörung.
Partnerschaft ist daher ein weiterer schwieriger Lebensbereich für die Betroffenen: In der Regel halten die Beziehungen von Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung nicht lange.
Menschen mit dieser Störung übernehmen jedoch nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst keine Verantwortung. Ihnen fehlt der Zugang zu ihren Gefühlen. Sie erleben die Welt als eintönig und langweilig. Häufig neigen sie daher dazu, sich selbst zu gefährden (z.B. durch Raserei im Straßenverkehr oder Drogenmissbrauch), um zumindest einen gewissen Kick zu verspüren.
In der Allgemeinbevölkerung haben etwa drei bis sieben Prozent der Männer und ein bis zwei Prozent der Frauen eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. In Gefängnissen ist dieser Anteil deutlich höher. Unter Missbrauchstätern in Haft wurden beispielsweise mehr als die Hälfte mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Allerdings wird nicht jeder, der eine dissoziale Persönlichkeitsstörung hat, straffällig.
Die
Psychopathie
ist eine extreme Form der dissozialen Persönlichkeitsstörung. Die Betroffenen können ihre asoziale Haltung meist sehr gut verbergen: Sie wirken etwa auf den ersten Blick oft charmant und zugewandt. Tatsächlich aber manipulieren sie ihre Umwelt und haben keinerlei Schuldgefühle, wenn sie anderen schaden oder sich gesetzeswidrig verhalten.
Eine Psychopathie ist oft schwer zu erkennen, selbst für Experten. Bislang lässt sie sich auch nicht ausreichend behandeln. Dazu kommt, dass sich die Betroffenen auch nicht als behandlungsbedürftig empfinden: Sie nehmen ihr Sozialverhalten nicht als gestört wahr.
Mehr zur dieser besonders manipulativen Form der dissozialen Persönlichkeitsstörung lesen Sie im Beitrag
Psychopathie
.
Es gibt bestimmte Symptome, die eine spätere dissoziale Persönlichkeitsstörung wahrscheinlich machen. Kinder, die stehlen, aggressiv sind, lügen und aufsässig gegenüber Eltern und Lehrern sind, sind besonders gefährdet.
Die Diagnose "dissoziale Persönlichkeitsstörung" wird nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) aufgrund folgender Symptome gestellt:
Zum einen müssen die
allgemeinen Kriterien einer Persönlichkeitsstörung
erfüllt sein. Doch was ist eine Persönlichkeitsstörung? Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung zeigen Charakterzüge und Verhaltensweisen, die wesentlich von den gesellschaftlichen Normen abweichen. Die Betroffenen sind nicht in der Lage, ihr Verhalten anzupassen und geraten in Konflikte mit ihrem sozialen Umfeld.
Persönlichkeitsstörungen entwickeln sich bereits in der Kindheit. Die volle Symptomatik zeigt sich meist im frühen Erwachsenenalter. Wichtig ist zu unterscheiden, ob das antisoziale Verhalten nicht Folge einer anderen psychischen Störung oder einer Schädigung des Gehirns ist.
Zum anderen müssen für die Diagnose "dissoziale Persönlichkeitsstörung"
mindestens drei der folgenden Eigenschaften und Verhaltensweisen
zutreffen:
Die dissoziale Persönlichkeitsstörung entwickelt sich aus einem Zusammenspiel von biologischen Faktoren und Umwelteinflüssen. Da sie schon früh im Leben ihren Anfang nimmt, haben die Eltern als Vorbild und deren Erziehungsmethoden einen erheblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung.
Bei eineiigen Zwillingspaaren tritt eine dissoziale Persönlichkeitsstörung häufiger bei beiden Geschwistern auf als bei zweieiigen Zwillingen. Daraus lässt sich ableiten, dass das Risiko für eine dissoziale Persönlichkeitsstörung teilweise vererbt wird.
Auch die Botenstoffe im
Gehirn
haben einen bedeutenden Einfluss auf das Verhalten. Zum Beispiel geht ein niedriger Spiegel des Glückshormons
Serotonin
oft mit höherer Aggressivität einher.
Wissenschaftler haben zudem entdeckt, dass das Gehirn von Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung auf Bilder von Gewalt anders reagiert als das der Normalbevölkerung. Ein kleiner Bereich der äußeren Schicht des Gehirns, die sogenannte Inselrinde, wird bei Schmerzwahrnehmung und Mitgefühl mit anderen aktiviert. Zeigt man Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung Bilder, in denen anderen Menschen Schmerz zugefügt wird, ist ihre Inselrinde kaum oder gar nicht aktiv.
Menschen mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung berichten oft von traumatischen Erlebnissen in ihrer Kindheit (z.B. körperlicher oder psychischer Missbrauch). Aufgrund dieser Erfahrungen wurden die Betroffenen mit der Zeit unsensibel gegenüber Gewalt.
Auch bestimmte familiäre Merkmale stehen in Zusammenhang mit einem späteren antisozialen Verhalten. Kinder, die nur wenig Zuwendung erfahren haben oder deren Eltern bereits ein antisoziales Verhalten an den Tag legen, entwickeln häufiger eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Auch wenn die Eltern positives Verhalten ihrer Kinder kaum beachten, aber kleine Zuwiderhandlungen übermäßig bestrafen, verstärken sie dissoziales Verhalten. Die Kinder lernen, dass sie nur dann Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie sich schlecht benehmen. Sind sie brav, werden sie hingegen vernachlässigt.
Vielen Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung wurden in der Kindheit zudem keine moralischen Werte vermittelt. Sie haben nicht von ihren Eltern gelernt, was richtig und was falsch ist. Infolgedessen haben sie auch keine sozialen Normen verinnerlicht. Bereits im Kindesalter verhalten sie sich unsozial und aggressiv gegenüber Menschen und Tieren. Mit der Pubertät steigen einige in eine kriminelle Karriere ein. Sie stehlen, begehen Brandstiftung oder andere Gesetzesverstöße.
Kinder, die sich hemmungslos und risikobereit verhalten, anderen gegenüber gleichgültig sind und wenig Mitgefühl haben, entwickeln mit höherer Wahrscheinlichkeit eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Auch eine reduzierte Intelligenz gilt als Risikofaktor.
Auch wenn sich die Störung oft schon im Kindes- und Jugendalter ausbildet, wird die Diagnose "dissoziale Persönlichkeitsstörung" im Regelfall erst ab einem Alter von 16 Jahren gestellt. Denn Kinder und Jugendliche durchlaufen in ihrer Entwicklung noch starke Veränderungen.
Um andere Ursachen des abweichenden Verhaltens auszuschließen, wird der Arzt einige medizinische Untersuchungen durchführen.
Blut
und
Urin
werden analysiert, um festzustellen, ob das Verhalten etwa auf Drogenkonsum zurückzuführen ist. Mögliche Schäden im Gehirn kann eine
Computertomografie
(CT) ausschließen.
Zur Diagnose der dissozialen Persönlichkeitsstörung verwenden Therapeuten und Psychiater Fragebögen wie das Strukturierte Klinische Interview (SKID). Problematisch bei der Diagnose von Persönlichkeitsstörungen ist, dass die Betroffenen oft wissen, was der Therapeut von ihnen hören will und dementsprechend antworten. Um dennoch ein realistisches Bild der Person zu erhalten, bitten Therapeuten oft auch die Angehörigen um Auskunft.
Folgende Fragen könnte der Therapeut oder Psychiater stellen:
Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung ist nur schwer zu behandeln. Es gibt bisher keine Medikamente, die sich bei der dissozialen Persönlichkeitsstörung als speziell wirksam erwiesen haben. Dennoch verschreiben Ärzte Antidepressiva und Stimmungsstabilisierer, die in manchen Fällen zu einer Verbesserung der Symptome beitragen.
Im Rahmen einer kognitiven
Verhaltenstherapie
versucht der Therapeut, dem Betroffenen nahezubringen, sich in andere Menschen einzufühlen. Wenn er allerdings die Grundvoraussetzungen dafür nicht mitbringt, gelingt ihm dieser Perspektivwechsel nicht. In diesen Fällen kann man daran arbeiten, dass Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung ihr Verhalten besser zu kontrollieren lernen. Dazu gehört auch, dass sie sich im Laufe der Therapie Strategien aneignen, mit denen sie impulsive und aggressive Reaktionen besser in den Griff bekommen.
Das R&R-Programm (Reasoning Rehabilitation Program) hat das Ziel, die Selbstkontrolle, soziale Fertigkeiten und Problemlösefähigkeiten zu verbessern, Werte zu entwickeln und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Eine erfolgreiche Therapie setzt einen gewissen Leidensdruck der Patienten voraus. Menschen mit dissozialer Persönlichkeit fühlen sich aber oft sehr wohl in ihrer
Haut
. Sie sehen nicht ein, dass ihre Einstellung und ihr Verhalten Mitmenschen gegenüber problematisch sind, und glauben nicht, dass es ihr Leben erleichtert, wenn sie sich an Normen halten, Mitgefühl zeigen und weniger impulsiv sind. Oft wird eine Therapie daher erst begonnen, wenn Auflagen des Gerichts, des Jugendamtes oder Forderungen des Partners dies unumgänglich machen.
Experten nehmen an, dass die besten Erfolgschancen bestehen, wenn dissoziales Verhalten bereits in der Kindheit entdeckt und behandelt wird. Die dissoziale Persönlichkeitsstörung in voller Ausprägung im Erwachsenenalter günstig zu beeinflussen, ist deutlich schwieriger. Erste Fortschritte, die dissoziale Persönlichkeitsstörung zu behandeln, zeigt eine Methode, bei der der Therapeut dem Patienten vermittelt, dass er durch eine Verhaltensänderung sein Potenzial besser ausschöpfen kann.
Insgesamt verläuft das Leben von Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung oft ungut: Viele von ihnen landen wiederholt im Gefängnis. Erst im mittleren Lebensalter nimmt der Hang zu antisozialem Verhalten und zur Kriminalität ab. Außerdem werden Menschen mit
dissozialer Persönlichkeitsstörung
öfter Opfer von Gewalttaten. Und sie begehen häufiger Suizid.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Beschreibung
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Häufigkeit
Sonderform Psychopathie
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Symptome
Diagnosekriterien
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Ursachen und Risikofaktoren
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Biologische Ursachen
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Psychosoziale Ursachen
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Untersuchungen und Diagnose
Medizinische Untersuchungen
Antisoziale Persönlichkeitsstörung: Test
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Behandlung
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Krankheitsverlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen