Illness name: hirntod
Description:
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Mit dem Begriff
Hirntod
wird der unumkehrbare Ausfall entscheidender Bereiche des Gehirns beschrieben. Seine Feststellung (Hirntod-Diagnostik) ist eine durch die Bundesärztekammer genau geregelte Bedingung für die Organspende. Erst wenn der Hirntod definitiv diagnostiziert wurde, gilt ein Mensch in Deutschland als tot. Lesen Sie hier alles Wichtige zum Thema Hirntod!
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Mediziner zum ersten Mal damit konfrontiert, dass sie tief bewusstlose Patienten, die keinen eigenen Atemantrieb mehr hatten, mit maschineller und medikamentöser Unterstützung am Leben erhalten konnten. Ende der 1950er-Jahre wurde die erste Hirntod-Definition veröffentlicht. Erst später kam die Organspende-Möglichkeit bei Hirntoten dazu.
Das Hirntod-Konzept ist fast weltweit verbreitet. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) tritt pro Jahr bei einem Prozent der rund 400.000 Sterbenden in den deutschen Krankenhäusern ein Hirntod vor dem Kreislaufstillstand auf. In Deutschland steht statistisch gesehen nur jede zweite Hirntod-Diagnostik im Zusammenhang mit einer geplanten Organ- oder Gewebespende.
Das Konzept des Hirntods ist oftmals verwirrend und umstritten, wodurch das Thema bei vielen Menschen mit
Angst
besetzt ist. Eine amerikanische Studie zeigte, dass nur 28 Prozent der aufgeklärten Angehörigen von Hirntoten eine richtige Hirntod-Definition geben konnten. Erste Schwierigkeiten treten daher schon bei der Frage "Was ist Hirntod?" auf.
Die Hirntod-Definition unterscheidet sich international in einigen Details. Sie besagt jedoch immer, dass ein
unumkehrbarer Hirnfunktionsausfall
besteht. Gleichzeitig kann jedoch das
Rückenmark
- ebenfalls ein Teil des zentralen Nervensystems - noch (eingeschränkt) funktionieren. Der hirntote Mensch hat auf der Intensivstation einen messbaren Puls und Blutdruck. Der Körper ist also noch in der Lage, verschiedene Körperfunktionen im Gleichgewicht zu halten. Dies ist jedoch nur mit intensiver maschineller Unterstützung möglich.
Entscheidend ist, dass ein hirntoter Mensch nicht spontan atmen kann - eine Maschine muss die
Atmung
übernehmen (künstliche
Beatmung
), weil sonst auch
Herz
und Kreislauf zum Stillstand kommen.
Der Deutsche Ethikrat einigte sich darauf, dass der Hirntod eine ausreichende Voraussetzung für die Organentnahme ist. Jedoch sieht eine Minderheit des Deutschen Ethikrats den Hirntod als keine "hinreichende Bedingung" für den Tod eines Menschen.
Wenn ein Mensch hirntot ist, kann er
nicht mehr selbstständig atmen
. Hinweise auf den Hirntod sind eine
fehlende Reaktion auf Schmerz
(auch kein Grimassieren), kein Atemantrieb und der
Ausfall von Hirnstammreflexen
. Diese Reflexe werden durch den
Hirnstamm
, einen wichtigen Teil des Gehirns, vermittelt. Dazu zählen unter anderem der Würge- und Hustenreflex. Auch der Ausfall von Augenreflexen kann ein Hinweis auf einen Hirntod sein.
Meist haben die betroffenen Patienten einen niedrigen Blutdruck und benötigen kreislaufstützende Medikamente. Gleichzeitig sind aber Funktionen anderer Organe – abgesehen vom
Gehirn
– erhalten. Hirntote Menschen können zum Beispiel Stuhlgang absetzen, urinieren und auch schwitzen. Der Körper kann also mit Hilfe intensivmedizinischer Unterstützung das innere Gleichgewicht (Homöostase) aufrecht erhalten. Auch motorische Reaktionen, die meist über das Rückenmark vermittelt werden, können auftreten. Dazu zählt das sogenannte Lazarus-Zeichen. Das sind reflektorische Reaktionen, meist von Armen oder Beinen. Auch Zuckungen der
Gesichtsmuskeln
schließen einen Hirntod nicht grundsätzlich aus. Solche Zeichen können als Lebenszeichen fehlinterpretiert werden und zu einer zusätzlichen psychischen Belastung der Angehörigen führen.
Schlussendlich ist immer eine Sauerstoffunterversorgung des Gehirns Ursache für den Hirntod. Bereits eine Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr von wenigen Minuten kann zu einem Ausfall des Hirns, dem übergeordneten Steuerorgan des menschlichen Körpers, führen.
Bei über der Hälfte aller Fälle ist eine Hirnblutung die Hirntod-Ursache. Hirnblutungen sind meist Folge eines lange bestehenden Bluthochdrucks oder eines vorgeschädigten Blutgefäßes. Da der knöcherne Hirnschädel sich nicht ausdehnen kann, steigt der Druck auf das Gehirn durch die Blutung zunehmend an, so dass die Blutzirkulation in den hirnversorgenden Gefäßen zum Erliegen kommt.
Die zweithäufigste Ursache sind sogenannte ischämisch-hypoxische Hirnschäden, die durch eine Sauerstoffunterversorgung des Hirns (z.B. aufgrund von
Herzkreislaufstillstand
) bedingt sind.
Erst auf Platz drei der Hirntod-Ursachen stehen Unfälle mit Schädel-Hirn-Verletzungen. Weitere Ursachen sind Hirninfarkt (ischämischer
Schlaganfall
), Tumore, Hirnentzündungen und das Auftreten eines Wasserkopfs (Hydrocephalus).
In Deutschland wird die Hirntod-Diagnostik gemäß dem Transplantationsgesetz (TPG) im Detail von der Bundesärztekammer geregelt. Zuletzt wurde die in Deutschland dafür maßgebliche Richtlinie im Dezember 2018 überarbeitet. Mit
genauen und strengen Regeln
sollen Unsicherheiten beim medizinischen Personal, aber vor allem auch Ängste und Sorgen von Angehörigen reduziert werden.
Bei der Hirntod-Diagnostik muss ein genau
geregelter Ablauf
befolgt werden. Wird den Vorschriften genau Folge geleistet, gilt die Hirntod-Diagnostik als sicher. Ziel der ausführlichen Untersuchung ist die Feststellung des unumkehrbaren Ausfalls der Funktionen des Großteils des Gehirns, insbesondere des Großhirns, Kleinhirns und des Hirnstamms. In der Richtlinie der Bundesärztekammer wird der Begriff "unumkehrbarer Hirnfunktionsausfall" anstelle von "Hirntod" verwendet.
Zwei qualifizierte Ärzte müssen unabhängig voneinander den Hirntod feststellen
. Die Hirntod-Diagnostik soll nur von erfahrenen und besonders qualifizierten Ärzten (Intensivmedizin, Anästhesie, Neurologie oder Neurochirurgie) durchgeführt werden. Mindestens einer der Ärzte soll Neurologe oder Neurochirurg mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Intensivmedizin und Hirntod-Diagnostik sein.
Die beiden Ärzte dürfen nicht an der sich eventuell anschließenden
Organspende
beteiligt sein und auch keine Weisungen der daran beteiligten Ärzte annehmen.
Der Prozess der Hirntod-Feststellung ist durch ein Protokoll genau geregelt und erfolgt in
drei Schritten
:
Zunächst muss festgestellt werden, ob überhaupt eine ausreichend schwere Hirnschädigung vorliegt. Dabei wird zum einen unterschieden, ob das Gehirn direkt oder in der Folge eines anderen Schadens (z.B. Herzkreislaufstillstand) betroffen ist. Zusätzlich wird untersucht, wo im Gehirn der Schaden lokalisiert ist. Grob unterteilt man sogenannte supra- und infratentorielle Hirnschäden:
Über dem
Kleinhirn
befindet sich eine bindegewebige Membran, das "Kleinhirnzelt" (Tentorium cerebelli). Ein
supratentorieller Schaden
liegt oberhalb dieser Membran, ein
infratentorieller Schaden
darunter. Diese Unterteilung ist für das weitere diagnostische Prozedere von Bedeutung.
Beim Erkennen, wo der Schaden im Hirn vorliegt, hilft eine
Computertomografie
des Gehirns (
Schädel-CT
). Diese bildgebende Untersuchung kann massive Schäden des Gehirns nachweisen. Kurz nach einer Reanimation oder direkt nach akuten Schäden kann das CT-Bild jedoch noch normal erscheinen. Es muss also auch dokumentiert werden, wann dieser Krankheitszustand begann beziehungsweise wann der ursächliche Unfall stattfand.
Noch bevor die detaillierte Hirntod-Diagnostik eingeleitet werden kann, müssen
andere Ursachen für den Zustand des Patienten ausgeschlossen
werden. Mögliche andere Ursachen wären zum Beispiel Vergiftungen (auch durch verabreichte Medikamente oder Drogen), Unterkühlung oder Schockzustände. Dazu muss die Schmerz- oder/und Narkosemedikation gegebenenfalls (ausreichend lange) abgesetzt werden.
Im zweiten Schritt der Hirntod-Diagnostik werden die klinischen Symptome gemäß dem Hirntod-Protokoll geprüft:
Die dritte Stufe der Hirntod-Diagnostik ist die Feststellung,
dass sich dieser Zustand nicht mehr ändern kann
. Alle Verfahren bergen Vor- und Nachteile bezüglich ihrer diagnostischen Wertigkeit. Insbesondere bei den oben beschriebenen infratentoriellen Hirnschäden müssen bestimmte Bedingungen beachtet werden.
Meistens wird entweder eine definierte Beobachtungszeit von 12 beziehungsweise 72 Stunden abgewartet, bevor eine zweite Hirntod-Diagnostik und/oder apparative Untersuchungen durchgeführt werden. Folgende Untersuchungensergebnisse sprechen für einen Hirntod:
Wenn der Patient für hirntot erklärt wird und für eine Organspende in Frage kommt, erfolgt eine Meldung an die Deutsche Stiftung Organspende (DSO) - die bundesweite Koordinationsstelle für eine postmortale Organspende. Wichtig: Einer Organspende muss in Deutschland ausdrücklich zugestimmt werden - durch den Spender vor seinem Tod (etwa mittels
Organspendeausweis
) oder hinterher durch seine Angehörigen. Die Organentnahme ist erst möglich nach Feststellung des Hirntods.
Organspende ist ein schwieriges, aber wichtiges Thema, mit dem Angehörige in dieser akuten Situation oft überfordert sind. Die DSO bietet Ihnen Unterstützung und Begleitung.
Bei Kindern bis zum zweiten Lebensjahr, insbesondere bei Frühgeboren, gelten besondere Vorschriften zur Feststellung des Hirntods. Die Untersucher müssen genaue Kenntnisse der reifungs- und altersbedingten Unterschiede haben. So können zum Beispiel auch gesunde Neugeborene eine verminderte Hirnaktivität haben. Dementsprechend ist das Protokoll für die Hirntod-Diagnostik angepasst.
Nach dem heutigen Stand der medizinischen Forschung ist, abgesehen von dem intensivmedizinischen Erhalt entscheidender Körperfunktionen und des Kreislaufs, keine Behandlung des Hirntods möglich.
Nach heutigen Erkenntnissen ist eine Erholung vom festgestellten Hirntod nicht möglich. Berichte über Menschen, die nach erfolgter Hirntod-Diagnostik wieder erwacht seien, sind bisher auf eine nicht sachgerechte Diagnostik zurückzuführen. Äußerst selten konnte eine hirntote Schwangere unter Aufrechterhaltung der intensivmedizinischen Maßnahmen ein Kind austragen. Selbst bei künstlicher Beatmung beginnt jedoch ein kontinuierlicher Abbau der abgestorbenen Hirnsubstanz. Nach rund einer Woche hat sich das Hirn weitgehend aufgelöst.
Nach der Feststellung des Todes eines potenziellen Organspenders dürfen unter dem Vorbehalt einer Zustimmung nach strengen Regelungen des Transplantationsgesetzes (TPG) Organe entnommen werden. Wenn die Entscheidung für eine Organspende gefallen ist, wird die maschinelle und medikamentöse Unterstützung des Kreislaufs bis zur Organentnahme aufrechterhalten. Ansonsten werden nach der Feststellung des (Hirn-)Tods sämtliche (intensiv-)medizinischen Maßnahmen eingestellt.
Der Zeitpunkt der definitiven
Hirntod
-Bestätigung gilt in Deutschland als Todeszeitpunkt.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Hirntod
Hirntod: Beschreibung
Wie ist der Hirntod definiert?
Hirntod: Symptome
Hirntod: Ursachen und Risikofaktoren
Hirntod: Untersuchungen und Diagnose
1. Liegen die Voraussetzungen für einen unumkehrbaren Hirnfunktionsausfall vor?
2. Feststellung der klinischen Symptome als Hirntodkriterium
3. Feststellung der Unumkehrbarkeit
Nach Abschluss der Hirntod-Diagnostik
Bei Kindern gelten spezielle Regelungen
Hirntod: Behandlung?
Hirntod: Verlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen