Illness name: diabetes insipidus
Description:
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Menschen mit
Diabetes insipidus
scheiden übermäßig viel Urin aus und leiden unter gesteigertem Durst - so wie Zuckerkranke, also Patienten mit Diabetes mellitus. Im Unterschied zur Zuckerkrankheit beruht Diabetes insipidus aber auf einer hormonell bedingten Störung des Wasser-Salz-Haushaltes. Lesen Sie hier, was diese Störung verursachen kann, welche Symptome neben gesteigertem Urinieren und Trinken noch auftreten können und wie Diabetes insipidus behandelt wird!
Diabetes insipidus ("Wasserharnruhr") ist eine seltene Erkrankung, der eine Hormonstörung zugrunde liegt. Diese bringt den Wasser-Elektrolyt-Haushalt (Wasser-Salz-Haushalt) aus dem Gleichgewicht: Die Nieren sind nicht in der Lage, den Urin zu konzentrieren und Wasser im Körper zurückzuhalten. In der Folge scheiden die Betroffenen große Mengen an verdünntem Urin aus (bis zu 20 Liter täglich!).
Die Hormonstörung, die hinter dem Diabetes insipidus steckt, betrifft das
Antidiuretische Hormon (ADH)
. Das auch
Vasopressin
genannte Hormon wird im
Hypothalamus
, einem Teil des Zwischenhirns, gebildet. Gespeichert und je nach Bedarf freigesetzt wird es aber von der benachbarten Hirnanhangsdrüse (
Hypophyse
).
ADH ist an der Regulierung des Wasserhaushaltes beteiligt. Wenn Wassermangel im Körper herrscht, schüttet die Hypophyse ADH ins
Blut
aus. Es veranlasst die Nieren, den
Urin stärker zu konzentrieren
- also mehr Wasser zurückzuhalten.
Bei Diabetes insipidus ist dieser Regelmechanismus gestört. Je nachdem, wo genau die Störung liegt, unterscheiden Mediziner folgende Krankheitsformen:
Trotz eines unterschiedlichen Krankheitsmechanismus haben Diabetes insipidus und
Diabetes mellitus
(Zuckerkrankheit) eine Gemeinsamkeit, die sich im gemeinsamen Namensteil "Diabetes" widerspiegelt. Der Begriff bedeutet "Durchfluss" und deutet auf die
krankhaft gesteigerte Urinausscheidung bei beiden Krankheiten
hin.
Wie erwähnt, steckt dahinter beim Diabetes insipidus die Unfähigkeit der Niere, den Urin zu konzentrieren. Dieser ist also verdünnt - daher der Name Diabetes insipidus = "
geschmackloser Durchfluss
".
Dagegen liegt das gehäufte Wasserlassen bei Diabetes mellitus in dem krankhaft erhöhten Blutzuckerspiegel begründet. Der Körper versucht, den Überschuss an Zucker (Glukose) über den Urin los zu werden. Und weil Zucker physikalisch Wasser bindet, geht auch viel Wasser verloren: Der Patient scheidet also große Mengen zuckerhaltigen Urins aus - daher die Bezeichnung "
honigsüßer Durchfluss
".
Die Leitsymptome von Diabetes insipidus sind:
Wenn die Patienten den gesteigerten Wasserverlust nicht durch vermehrtes Trinken ausgleichen können, trocknet der Körper aus. Mediziner bezeichnen dies als
Dehydratation
(oder Dehydration).
Manchmal treten bei Diabetes insipidus zusätzlich
neurologische Symptome
auf: Durch die gesteigerte Urinausscheidung erhöht sich der
Natriumspiegel
im Blut (Hypernatriämie). Dies kann sich zum Beispiel in Verwirrtheit, Muskelschwäche und Lethargie niederschlagen. Unter Lethargie versteht man eine Bewusstseinsstörung mit Schläfrigkeit sowie körperlicher und psychischer Verlangsamung (Trägheit).
Bei einigen Patienten ist der Diabetes insipidus die Folge einer anderen Erkrankung ist (siehe unten: Ursachen). Dann kommen
Symptome der Grunderkrankung
hinzu.
Im Gespräch mit dem Patienten (bzw. bei Kindern mit den Eltern) erhebt der Arzt zuerst die
Krankengeschichte
(
Anamnese
). Dazu erkundigt er sich unter anderem nach den auftretenden Symptomen sowie eventuell bekannten Grunderkrankungen. Eine allgemeine
körperliche Untersuchung
gehört ebenfalls zur Routine, wenn jemand mit ungeklärten Symptomen wie vermehrtem Wasserlassen zum Arzt kommt.
Zur Abklärung eines möglichen Diabetes insipidus ordnet der Arzt Blut- und Urinuntersuchungen an:
Die Verdachtsdiagnose Diabetes insipidus lässt sich mit einem
Durstversuch (Wasserentzugstest)
bestätigen. Der genaue Testablauf kann variieren. Grundsätzlich funktioniert er aber folgendermaßen:
Der Patient darf über mehrere Stunden (z.B. 12 Stunden) nichts trinken. Während dieser Zeit wird er kontinuierlich ärztlich überwacht, falls er gefährlich austrocknet. Regelmäßig werden verschiedene Parameter gemessen wie die Menge an abgegebenem Urin, die Menge an gelösten Teilchen (Osmolalität) im Urin und Blut sowie das Körpergewicht des Patienten.
Trotz fehlender Flüssigkeitszufuhr scheiden Patienten mit Diabetes insipidus weiterhin Urin aus, und dieser Urin ist unverändert verdünnt (unveränderte Urin-Osmolalität), während die Osmolalität im Blutserum ansteigt. Bei Gesunden dagegen würde beim Durstversuch die Urinmenge zurückgehen und die Urin-Osmolalität ansteigen.
Der Test wird entweder nach der geplanten Laufzeit abgebrochen oder aber schon früher, falls der Blutdruck des Patienten abfällt, die Herzfrequenz ansteigt oder das Körpergewicht um mehr als fünf Prozent zurückgeht.
Bestätigen die Messungen beim Durstversuch einen Diabetes insipidus, kann der Arzt vor dem Beenden des Tests über Verabreichung eines Hormonpräparats herausfinden, welche Krankheitsform vorliegt:
Dazu spritzt er dem Patienten ADH, also Vasopressin (oder dessen synthetischen Abkömmling Desmopressin, der alternativ auch als Nasenspray verfügbar ist). Anschließend wird wieder der abgegebene Urin analysiert:
Zwischen beiden Formen ließe sich auch durch direkte Messung des ADH im Blut unterscheiden, und zwar am Ende des Durstversuchs (vor Vasopressin-Injektion). Bei Diabetes insipidus centralis wäre der ADH-Spiegel niedrig, bei Diabetes insipidus renalis angemessen erhöht. Diese Messung ist aber schwierig und gehört nicht zum Routineprogramm. Außerdem liefert der Durstversuch ausreichend genaue Ergebnisse.
Wenn jemand viele Liter Flüssigkeit pro Tag trinkt und wieder ausscheidet, liegt das nicht immer an einer Form von Diabetes. Der Durst und in der Folge das Wasserlassen können auch infolge einer psychischen Erkrankung wie Schizophrenie über das Normalmaß hinaus gesteigert sein.
Bei der Abklärung eines vermuteten Diabetes insipidus muss der Arzt eine solche psychogene Polydipsie ausschließen, was nicht immer leicht ist. Es gibt aber einige Hinweise. Beispielsweise leiden Menschen mit psychogener Polydipsie nicht unter nächtlichem Harndrang (Nykturie), der sie wiederholt aus dem Schlaf reißt - im Unterschied zu Menschen mit Diabetes insipidus.
Die Behandlung von Diabetes insipidus richtet sich nach der Form, Ursache und Schwere der Erkrankung. Sie zielt darauf ab, die Urinausscheidung so weit zu verringern, dass der Patient ein normales Leben führen kann und nachts nicht mehr von übermäßigem Harndrang geweckt wird.
Bei Diabetes insipidus centralis ist in der Regel eine
Hormonsubstitution
notwendig - das fehlende Hormon ADH muss medikamentös ersetzt werden, und zwar durch die regelmäßige Gabe von Desmopressin. Dieser künstliche Abkömmling des antidiuretischen Hormons wirkt gleich wie sein natürliches Vorbild, hat aber eine längere Wirkdauer. Er kann in unterschiedlicher Weise appliziert werden. Viele Patienten verabreichen sich Desmopressin als Nasenspray. Der Wirkstoff ist aber auch als Tablette sowie als Spritze unter die
Haut
oder in eine Vene verfügbar. Die Dosierung wird in allen Fällen individuell angepasst.
Mit Desmopressin werden oftmals auch Kinder (und Erwachsene) behandelt, die nachts einnässen (Bettnässen,
Enuresis
) - es unterdrückt den nächtlichen Harndrang.
Zusätzlich oder alternativ zu Desmopressin können bei Diabetes insipidus centralis noch
andere Medikamente
sinnvoll sein:
Egal, ob der ADH-Mangel vollständig oder partiell ist - nach Möglichkeit wird bei zentralem Diabetes insipidus immer auch die
Ursache beseitigt
. So lässt sich etwa ein Hirntumor, der den ADH-Mangel verursacht, oftmals operativ entfernen.
Die Therapie bei dieser Form von Diabetes insipidus gestaltet sich schwieriger. Sie besteht aus mehreren Komponenten:
Wenn die Diabetes-insipidus-Symptome trotz dieser Maßnahmen weiter bestehen, verordnet der Arzt Medikamente, welche die Urinmenge verringern. In Frage kommen Wirkstoffe, wie sie teils auch bei Diabetes insipidus centralis gegeben werden: entwässernde Medikamente (Thiaziddiuretika oder das kaliumsparende Diuretikum Amilorid) oder NSAR (wie Indometacin).
Ausreichendes Trinken ist bei Diabetes insipidus renalis extrem wichtig: Schon mehrere Stunden ohne Flüssigkeitszufuhr können eine schwere Austrocknung (Dehydration) hervorrufen!
Beide Krankheitsformen - zentraler und renaler Diabetes insipidus - können
erblich bedingt oder erworben
sein (etwa durch verschiedene Erkrankungen). Daneben gibt es Fälle, in denen sich keine Krankheitsursache finden lässt. Sie werden als "
idiopathisch
" bezeichnet.
Als
primären
Diabetes insipidus centralis bezeichnen Mediziner die erblich bedingte Variante. Oftmals steckt eine Veränderung (Mutation) des Vasopressin-Gens auf dem Chromosom 20 dahinter.
Ein
sekundärer
Diabetes insipidus centralis ist erworben. Er kann unter anderem folgende Auslöser haben:
Ein Diabetes insipidus centralis kann sich vorübergehend auch in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft entwickeln: Die
Plazenta
kann ein Enzym produzieren (Vasopressinase), das für einen vermehrten Abbau von ADH sorgt. Der Hormonspiegel kann dann so stark absinken, dass die Nieren nicht mehr ausreichend Wasser im Körper zurückhalten können.
Bei manchen Patienten ist der Diabetes insipidus renalis
erblich bedingt
. Meist ist die Ursache eine Genveränderung (Genmutation) auf dem
X-Chromosom
, also dem weiblichen Geschlechtschromosom. Betroffene Männer erkranken immer an renalem Diabetes insipidus, weil sie nur ein X-Chromosom besitzen. Bei Frauen mit ihren zwei X-Chromosomen dagegen kann sich die Mutation unterschiedlich auswirken: Manche Frauen haben keinerlei Symptome, andere entwickeln Polydipsie und Polyurie in unterschiedlichem Ausmaße, und wieder andere erkranken mit gleicher Schwere an Diabetes insipidus renalis wie Männer mit dieser Mutation.
Seltener liegt einem erblich bedingten Diabetes insipidus renalis eine Genmutation auf einem anderen Chromosom zugrunde (nicht einem Geschlechtschromosom, sondern einem nicht geschlechtsbestimmenden
Autosom
). Diese Mutation kann dann unabhängig vom Geschlecht zum Krankheitsausbruch führen.
Erworbene Formen
von Diabetes insipidus renalis sind die Folge von Erkrankungen oder Medikamenten, welche die Nieren beeinträchtigen. Beispiele dafür sind:
In den meisten Fällen lässt sich ein Diabetes insipidus problemlos behandeln. Erworbene Formen der Erkrankung sind manchmal sogar heilbar - vorausgesetzt, die Ursache (z.B. ein Hirntumor) kann beseitigt werden. Wenn nicht, können die Betroffenen aber mit der passenden Therapie und guter ärztlicher Betreuung in der Regel ein normales Leben führen.
Bei angeborenem (erblich bedingtem) Diabetes insipidus ist keine Heilung möglich. Mit der richtigen Behandlung und Betreuung lässt sich die Erkrankung aber unter Kontrolle halten, sodass im Allgemeinen ein normales Leben möglich ist. Wichtig ist jedoch eine frühzeitige Behandlung! Wenn etwa Babys etwa mit einem vererbten Diabetes insipidus renalis zur Welt kommen, dieser aber nicht gleich erkannt und behandelt wird, droht ein bleibender Hirnschaden mit Intelligenzminderung.
Ein Diabetes insipidus, der sich im Rahmen einer Schwangerschaft entwickelt, normalisiert sich nach der
Geburt
innerhalb von ein bis zwei Wochen von allein wieder.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Diabetes insipidus
Kurzübersicht
Diabetes insipidus: Definition
Krankheitsformen
Diabetes mellitus: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Diabetes insipidus: Symptome
Diabetes insipidus: Diagnostik
Blut- und Urinuntersuchungen
Durstversuch
Unterscheidung zwischen zentralem und renalem Diabetes insipidus
Differenzialdiagnose psychogene Polydipsie
Diabetes insipidus: Behandlung
Therapie von Diabetes insipidus centralis
Therapie von Diabetes insipidus renalis
Diabetes insipidus: Ursachen
Ursachen für Diabetes insipidus centralis
Ursachen für Diabetes insipidus renalis
Diabetes insipidus: Prognose
Autoren- & Quelleninformationen