Illness name: herzklappenfehler
Description:
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Als
Herzklappenfehler
bezeichnet man die Fehlfunktion einer oder mehrerer Herzklappen. Oft sind solche sogenannten Klappenvitien zu Beginn symptomlos, führen jedoch unbehandelt zu einer Herzschwäche. Ärzte erkennen Herzklappenfehler mit einem Ultraschall. Die Behandlung erfolgt mit Medikamenten und chirurgischen Verfahren. Lesen Sie hier alles zu Symptomen, Diagnostik und Therapie des Herzklappenfehlers!
Der Begriff Herzklappenfehler oder auch Klappenvitium ist ein Überbegriff für eine
veränderte, undichte
(insuffiziente) oder
verengte
(stenosierte) Herzklappe. In Abhängigkeit von der betroffenen Herzklappe und der Art des Fehlers kommt es zu unterschiedlichen Symptomen.
Herzklappen
haben eine sehr wichtige
Ventilfunktion
im Blutfluss durch das
Herz
. Sie sorgen dafür, dass das
Blut
nur in eine Richtung fließen kann. Öffnung und Verschluss der Herzklappen erfolgen durch Druck und Strömung des Blutes.
Man unterscheidet
angeborene von erworbenen Herzklappenfehlern
. Die bikuspide
Aortenklappe
mit zwei statt der üblichen drei Taschen ist der häufigste angeborene Herzklappenfehler. Der Großteil der Herzklappenfehler betrifft die linke Herzhälfte, in der sich die Mitral- und die Aortenklappe befinden.
In Europa und Nordamerika ist der häufigste erworbene Herzklappenfehler die Mitralklappeninsuffizienz. Die
Aortenklappenstenose
, das zweithäufigste Klappenvitium, muss aber noch öfter behandelt werden. Sie entsteht meist im höheren Alter, bedingt durch die Verkalkung der Klappe.
Bei der Verengung einer Herzklappe öffnet sich diese nicht mehr ausreichend weit. Das Blut staut sich vor der Klappe zurück. Ist eine aus dem Herzen herausführende Klappe (Pulmonalklappe oder Aortenklappe) betroffen, muss der Herzmuskel mehr Kraft aufbringen, um die Herzkammer gegen den höheren Strömungswiderstand zu entleeren (Druckbelastung). Dadurch vergrößert sich der Herzmuskel. Langfristig – und bei weiterem Fortschreiten des Herzklappendefekts – reicht die Pumpkraft trotzdem nicht mehr aus und die Pumpkraft des Herzens nimmt ab. Es entsteht eine Herzschwäche.
Die zwei häufigsten Herzklappenstenosen sind die Aortenklappenstenose und die Mitralklappenstenose. Je nach Ausprägung unterscheidet man gering-, mittel- oder hochgradige Herzklappenstenosen.
Bei Patienten, deren Herzklappen nicht dicht schließen, spricht man dagegen von einer Klappeninsuffizienz. Das Blut fließt trotz geschlossener Herzklappe in den Abschnitt zurück, wo der geringere Druck herrscht – während der Kontraktionsphase des Herzmuskels (Systole) aus der Herzkammer in den Vorhof oder während der Entspannungsphase (Diastole) aus der Lungen- oder Hauptschlagader zurück in die Herzkammer.
Durch das zurückfließende, zusätzliche Blutvolumen (Volumenbelastung) dehnt sich die Herzkammer aus (Dilatation) und der Herzmuskel wird dicker (Hypertrophie). Bei fortschreitender Klappeninsuffizienz entsteht ebenfalls eine Herzschwäche.
Die Aortenklappeninsuffizienz (auch: Aorteninsuffizienz) und die Mitralklappeninsuffizienz (Mitralinsuffizienz) sind die beiden häufigsten Arten einer Herzklappeninsuffizienz.
Eine weitere Form des Herzklappenfehlers ist der Mitralklappenprolaps (Prolaps = Vorfall). Die geschlossenen Mitralklappensegel wölben sich während der Kontraktion der linken Herzkammer deutlich in den linken Vorhof hinein. Dieser Herzklappenfehler zählt zu den häufigsten Herzklappenveränderungen bei Erwachsenen. Frauen sind etwas häufiger von einem Mitralklappenprolaps betroffen als Männer. Der Mitralklappenprolaps verursacht meist keine Beschwerden. In manchen Fällen führt er aber zu einer Mitralklappeninsuffizienz.
Manche Patienten weisen gleichzeitig mehrere Herzklappenfehler auf. Ist eine einzelne Klappe undicht und zugleich verengt sprechen Ärzte von einem
kombinierten Herzklappenfehler
oder einem kombinierten Vitium.
Die Symptome hängen von der Schwere des Herzklappenfehlers sowie von seiner Lokalisation ab. Viele Herzklappenfehler verursachen lange Zeit keine Beschwerden und werden deshalb nicht bemerkt. Es gibt aber auch akut auftretende Herzklappenfehler wie die Mitralklappenstenose nach rheumatischem Fieber, die früh (deutliche) Beschwerden hervorrufen.
Das Herz kann viele Klappenfehler für eine gewisse Zeit ausgleichen (kompensieren). Langfristig überlasten sie aber das Herz und führen allmählich zu einer Herzschwäche (
Herzinsuffizienz
). Oft wird der Herzklappenfehler erst durch die Symptome der Herzschwäche bemerkt.
Insgesamt ähneln sich die Herzklappenfehler-Symptome bei einer Stenose und einer Insuffizienz der Herzklappen. Die wichtigsten Anzeichen sind Druck und Engegefühl um das Brustbein und eine schnelle Ermüdbarkeit. Auch Ohnmachtsanfälle sind möglich.
Die Symptome von Herzklappenfehlern der linken Herzkammer sind vor allem durch einen Blutrückstau in den linken Vorhof und die Lungengefäße bedingt. Betroffene fühlen sich meist in aufrechter und sitzender Position wohler als im Liegen.
Anzeichen der Mitralklappenstenose treten meist erst auf, wenn die Öffnung der
Mitralklappe
ungefähr halbiert ist. Die Symptome können einer chronischen Bronchitis ähneln. Es stehen
Atemnot bei Belastung
und später auch in Ruhe, (nächtlicher)
Husten
,
Müdigkeit
und schnelle Ermüdbarkeit im Vordergrund. Manchmal tritt
Schwindel
auf. Typische Symptome einer länger bestehenden Mitralklappen-Stenose sind auch
Herzrhythmusstörungen
und auffällig rötlich-bläulich gefärbte Wangen (sog. Mitralbäckchen) als Zeichen der schlechten Sauerstoffversorgung.
Typische Anzeichen für eine Mitralklappeninsuffizienz sind Atemnot (insbesondere nachts und im flachen Liegen) und nächtlicher Husten. Patienten verspüren insbesondere bei fortgeschrittener Erkrankung
Herzstolpern
und/oder
Herzrasen
, Zeichen einer Herzrhythmusstörung. Bedingt durch den Blutrückstau in die
Lunge
entsteht ein
Lungenödem
. Staut sich das Blut bis in die rechte Herzkammer treten Halsvenen hervor. Durch die ungünstigen Strömungsverhältnisse können im linken Vorhof
Blutgerinnsel
entstehen, die in den Kreislauf geraten und schwere Komplikationen (z.B.
Schlaganfall
) auslösen können.
Häufige Symptome der Aortenklappenstenose sind Blutdruckschwankungen und niedriger Blutdruck mit
Schwindelanfällen bis zur Ohnmacht
. Da die Herzkranzarterien aus der
Aorta
mit Blut versorgt werden, bekommt der vermehrt arbeitende Herzmuskel zu wenig Blut. Die Patienten verspüren Schmerzen oder Druck in der
Brust
(
Angina pectoris
), die sich bei Belastung verstärken können. Bei Anstrengung treten Atemnot und bisweilen
Muskelschmerzen
auf.
Bei einer Aorteninsuffizienz klagen Betroffene über Atemnot. Man kann ein starkes
Pulsieren der Halsschlagader
(Corrigan-Zeichen) beobachten, das bis zu einem angedeuteten Kopfnicken mit jedem
Herzschlag
(Musset-Zeichen) führen kann. Auch im Bereich der Nagelbetten fällt eine verstärkte Pulsation der Gefäße (Quincke-Zeichen) auf.
Arbeiten die Herzklappen in der rechten Herzhälfte (Pulmonal- und
Trikuspidalklappe
) infolge von Herzklappenfehlern nicht mehr richtig, droht langfristig eine
rechtsseitige Herzschwäche
. Rechtsseitige Herzklappenfehler führen allerdings erst zu spürbaren Symptomen, wenn sie bereits weit fortgeschritten sind. Die Beschwerden entstehen durch die Belastung der rechten Herzkammer und des rechten Vorhofs, welche durch die Mehrarbeit geschwächt werden.
Dadurch kann das Blut nicht mehr in ausreichender Menge in die Lunge gepumpt werden und staut sich vor dem Herzen. Daraus können folgende Symptome entstehen:
Herzklappenfehler können entweder angeboren oder erworben sein. Die Mehrzahl der Herzfehler ist erworben.
Zu den häufigsten angeborenen Herzklappenfehlern zählen die Aortenklappenstenose und die Pulmonalklappenstenose. Angeborene Herzklappenfehler sind oft schwerwiegender als erworbene Schäden und entstehen häufig bereits vor der achten Schwangerschaftswoche. Neben genetischen Erkrankungen verursachen häufig auch schädliche Einflüsse während der Schwangerschaft wie eine Röteln-Infektion, Drogen- oder Alkoholkonsum der Mutter einen angeborenen Herzklappenfehler.
Ein Herzklappenfehler der Aortenklappe ist bei jüngeren Menschen meist Folge einer fehlerhaften Klappenanlage. Die Aortenklappe besteht dann nur aus zwei statt aus drei Taschenklappen (sogenannte bikuspide Aortenklappe).
Verschleiß und Verkalkungen der Herzklappen können mit zunehmendem Alter zu verschiedenen Herzklappenfehlern führen. Besonders häufig verkalkt die Aortenklappe. Verkalkungen verursachen sowohl Klappenverengungen als auch Undichtigkeit.
Infektionen und Entzündungen am Herzmuskel (Myokarditis) oder der Herzinnenhaut (
Endokarditis
) haben manchmal ebenfalls Herzklappenfehler zur Folge. Meist handelt es sich dabei um eine Herzklappeninsuffizienz. Auch die selteneren Herzklappenfehler der rechten Herzhälfte entstehen vornehmlich durch Infektionen der Herzinnenwand.
Neben meist bakteriellen Erregern können auch autoimmune Erkrankungen wie der Systemische Lupus Erythematodes (LE) zu einer Endokarditis führen (Libman-Sacks-Endokarditis). Die sexuell übertragbare
Syphilis
löst in ihrem Spätstadium manchmal eine Entzündung der Hauptschlagader (Aorta) aus, die auf die Aortenklappe übergreift (syphilitische Aortitis).
Manche Krankheitskeime können auch indirekt einen Herzklappenfehler hervorrufen: Zum Beispiel reagiert beim Rheumatischen Fieber das Immunsystem überschießend auf eine Infektion mit Streptokokken, einem häufigen bakteriellen Erreger der
Mandelentzündung
. Dessen Oberfläche ähnelt körpereigenen Strukturen – diese werden vom Immunsystem gewissermaßen mit dem Bakterium "verwechselt". Man spricht von einer Kreuzreaktion. Diese zieht unter Umständen auch die Herzinnenwand und die Herzklappen in Mitleidenschaft.
Vom Rheumatischen Fieber wird besonders häufig die Mitralklappe befallen. Zur Vorbeugung werden daher Streptokokkeninfektionen – insbesondere im Kindesalter – antibiotisch behandelt. Infolgedessen gehen beispielsweise die Fälle einer Mitralklappenstenose in den Industrienationen bereits zurück.
Auch ein
Herzinfarkt
verursacht manchmal Herzklappenfehler. Dabei schädigt der Sauerstoffmangel etwa die sogenannten Papillarmuskeln in den Herzkammern, die mit Sehnenfäden an den großen Segelklappen (Mitral- und Trikuspidalklappe) ansetzen. Funktionieren sie nicht mehr richtig oder reißen sie sogar, halten sie nicht mehr das an ihnen hängende Klappensegel. Dieses schlägt dann während der Kontraktion der Herzkammer in den Vorhof zurück. Es droht eine akute, hochgradige Undichtigkeit der entsprechenden Herzklappe.
Weitet sich die Herzkammerwand nach einem Myokardinfarkt, verursacht dies möglicherweise ebenfalls einen undichten Herzklappenfehler. Das droht auch bei der dilatativen
Kardiomyopathie
, einer Herzmuskelerkrankung, bei der sich die Herzkammer aufweitet.
Eine akute Aortenklappeninsuffizienz kann auch bei der sogenannten
Aortendissektion
entstehen. Dabei reißt die Innenwand (Intima) der Hauptschlagader (Aorta) ein und Blut dringt zwischen ihre Wandschichten. Meist entstehen solche Aortendissektionen im herznahen Bereich der Aorta. Manchmal reißt die Wand bis zum Faserring, an dem die Aortenklappe befestigt ist. Dadurch verformt sich die Aortenklappe derart, dass diese nicht mehr dicht schließt.
Verschiedene Erkrankungen wie
Bluthochdruck
, Herzmuskelkrankheiten, Störungen der Schilddrüsenfunktion oder eine schwere Blutarmut (Anämie) können zu einer krankhaften Herzvergrößerung (Kardiomegalie) führen. Da die Herzklappen nicht mitwachsen, werden sie undicht.
Auch Autoimmunerkrankungen wie die
Takayasu-Arteriitis
(eine Entzündung der großen
Blutgefäße
) oder genetisch bedingte Störungen des Bindegewebsstoffwechsels (zum Beispiel das
Marfan-Syndrom
) rufen Herzklappenfehler wie eine Aortenklappen- oder Mitralklappeninsuffizienz hervor.
Die Spezialisten für Herzklappenfehler sind
Kardiologen und Herzchirurgen
. Sie stellen Ihnen zunächst Fragen wie:
Danach untersucht Sie der Arzt gründlich. Er achtet auf äußere Anzeichen eines Herzklappenfehlers, wie Veränderungen der
Atmung
, Farbe und Beschaffenheit der Haut und eventuell vorhandene Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe (Ödeme). Anschließend hört er Herz und Lunge ab. Herzklappenfehler verursachen nämlich oft typische Herzgeräusche.
Herzklappenfehler lösen manchmal Herzrhythmusstörungen aus. So ruft die Mitralstenose zum Beispiel oft ein sogenanntes Vorhofflimmern hervor. Das erkennt der Arzt anhand eines
Elektrokardiogramms
(
EKG
). Treten Herzrhythmusstörungen immer wieder, aber nur sporadisch auf, hilft gegebenenfalls ein
Langzeit-EKG
, das vom Patienten über mindestens 24 Stunden getragen wird.
Eine
Blutuntersuchung
liefert unter anderem Hinweise auf einen aktiven Entzündungsprozess. Mit ihr bestimmen Ärzte auch (in)direkte
Herz-Werte
, wie die
Creatinkinase
(CK) und das BNP (Brain Natriuretic Peptid). Besonders bei Verdacht auf eine Endokarditis müssen zusätzlich mehrere Blutkulturen abgenommen werden, in denen Mikrobiologen nach
Bakterien
fahnden. Eine weitere wichtige Blutuntersuchung ist die Blutgasanalyse (aus Kapillarblut oder arteriellem Blut). Denn bei größeren Herzklappenfehlern kann der Sauerstoffgehalt des Blutes wichtige Hinweise liefern.
Ergibt die körperliche Untersuchung den Verdacht auf einen Herzklappenfehler, so führt der Arzt einen
Herzultraschall
((Doppler-)
Echokardiografie
) durch. Mit dessen Hilfe erkennt der Untersucher beispielsweise die Herzkontur und Veränderungen an den Herzklappen. Außerdem sieht er – mittels Dopplertechnik – wie das Blut durch die Herzklappen strömt.
Manche Herzklappenfehler führen zu einem Blutstau mit Wassereinlagerungen in der Lunge. Diese zeigen sich in einer Röntgenuntersuchung des Brustkorbs. Damit können Ärzte zugleich die Herzgröße und -form beurteilen.
Detaillierte Bilder erhält man mittels Schnittbildgebung. Dazu dient die MRT-Technik (Kardio-MRT) oder die
Computertomografie
(CT). Bei einem reinen Herzklappenfehler kommen sie aber nur selten zur Anwendung.
Sowohl Herzultraschall-Untersuchung als auch EKG können auch unter körperlicher Belastung (auf dem Ergometer oder durch herzanregende Medikamente) durchgeführt werden. Diese Untersuchungen verdeutlichen belastungsabhängige Symptome. Herzklappenfehler zeigen sich nämlich in ihren Anfangsstadien oft nur unter Anstrengung.
Belastungstests
helfen also, um die Schwere von Herzklappenfehlern zu beurteilen.
Mit Hilfe einer sogenannten Herzkatheter-Untersuchung messen Ärzte unter anderem die Druckverhältnisse im Herzen und stellen mittels
Kontrastmittel
dar, ob
Herzkranzgefäße
verengt sind.
Spritzt der Untersucher Kontrastmittel in die linke Herzkammer (Ventrikulografie oder Lävokardiografie), stellen sich neben der Form und Funktion der Herzkammer auch eventuelle Vitien dar.
Manche Herzklappenfehler können im Rahmen dieser Untersuchung gleich "repariert" werden. Auch deshalb steht diese invasive Untersuchung meist am Ende der Diagnostik – außer, wenn eine akute Gefäßerkrankung am Herzen (KHK, Herzinfarkt) vermutet wird. Diese Erkrankungen wollen Ärzte auch vor einer Herzklappenfehler-OP mittels Herzkatheter ausschließen.
Die ausführliche Diagnostik erlaubt die Schweregradeinteilung, welche für jede Herzklappe verschieden ist. Diese Einteilung ist eine wichtige Grundlage für die Therapieplanung. Wichtig ist unter anderem die Bestimmung der
Ejektionsfraktion
. Dieser Wert gibt in Prozentzahlen an, wie viel des in die Herzkammer geflossenen Blutes pro Schlag wieder ausgepumpt wird. Der Wert liegt bei gesunden Herzen bei etwa 60 bis 70 Prozent.
Der Behandlungsplan eines Herzklappenfehlers hängt von der Art des Herzklappenfehlers, der betroffenen Klappe, dem Schweregrad und auch dem Allgemeinzustand des Patienten ab. Ärzte verwenden zudem Messungen der Herzfunktion bei der Therapiewahl. Es werden individuell alle Faktoren abgewogen, um die beste Therapie für den einzelnen Betroffenen zu erarbeiten. Mit einer Behandlung wollen Ärzte aber nicht nur Beschwerden lindern. Die Therapie verbessert auch die Prognose und stabilisiert die Herzklappenfunktion.
Vor jeder Behandlung sprechen Ärzte nochmal ausführlich mit dem Betroffenen. Dabei gehen sie vor allem auf folgende Fragen ein:
Grundsätzlich gibt es medikamentöse, interventionelle und chirurgische Therapieansätze. Wenn möglich, sollte eine zugrundeliegende Erkrankung zuerst behandelt werden. Dies gilt insbesondere für die Behandlung von akuten Erkrankungen (z.B. einem Herzinfarkt), Infektionen und Autoimmunkrankheiten.
Medikamente helfen, Herzrhythmusstörungen zu reduzieren, den Blutdruck zu senken, die Pumpkraft des Herzens zu stärken und Blutgerinnseln vorzubeugen. Dazu verordnen Ärzte unter anderem Medikamente, welche die Urinausscheidung erhöhen, um die (Volumen-)Belastung für das Herz zu reduzieren (Diuretika). Andere Medikamente senken die Herzfrequenz und reduzieren somit die Herzarbeit (Beta-Blocker). Nach dem Einsatz von Herzklappen aus "Fremdmaterial" ist häufig eine medikamentöse Gerinnungshemmung notwendig.
Zusätzlich muss bei einem Herzklappenfehler immer bedacht werden, dass vor medizinischen Eingriffen, bei denen das Risiko einer Infektion und einer daraus entstehenden Entzündung am Herzen besteht, eine antibiotische Infektionsprophylaxe durchgeführt werden sollte. Aus diesem Grund sollten Betroffene ihre behandelnden Ärzte auf das Vorliegen eines (behandelten) Herzklappenfehlers hinweisen, so dass diese gegebenenfalls eine Antibiotika-Therapie verordnen können. Dies gilt insbesondere für zahnärztliche Behandlungen sowie Untersuchungen und Behandlungen im Bereich des Magen-Darm-Trakts.
Unter interventionellen oder auch perkutanen Verfahren versteht man in der medizinischen Fachsprache Eingriffe, die sehr gezielt und mit geringem Schaden am umgebenden Gewebe durchgeführt werden. Die Abgrenzung zu einem sogenannten minimal-invasiven Eingriff ist nicht immer einfach. Bei Herzklappenfehler-Behandlungen versteht man unter einem interventionellen Eingriff die Verwendung von Herzkathetern, wie sie auch zur Diagnose von Herzklappenfehlern eingesetzt werden.
Verengte Klappen können so zum Beispiel mit einem aufblasbaren Ballon, der über ein Leistengefäß und die großen Gefäße in das Herz vorgeschoben wird, aufgeweitet werden (Ballonvalvotomie oder Ballon-Valvuloplastie). Zwar ist dann keine große Operation notwendig, es kann jedoch nach einer derartigen "Sprengung" zu einer Klappenschwäche kommen. Auch ein zusammengefalteter Herzklappenersatz kann mit Hilfe eines Katheters in das Herz eingebracht werden. Bei diesem Verfahren ist nur der Einsatz biologischer Herzklappen möglich. Die Behandlung eines Herzklappenfehlers ist jedoch nicht immer mit einem interventionellen Verfahren möglich.
Moderne Operationsverfahren erlauben nicht nur die Durchführung einer größeren, offenen Operation, sondern auch die Durchführung minimal-invasiver Operationen. Bei einer minimal-invasiven Operation werden die Instrumente über kleinere Schnitte eingeführt. Am häufigsten werden die Aorten- und die Mitralklappe operativ behandelt.
Eine Operation kann den Einsatz einer sogenannten Herz-Lungen-Maschine erfordern. Dazu wird die Herzfunktion während der Operation durch eine Maschine übernommen. Das Herz kann dann zeitweise medikamentös stillgelegt und das Blut über die Maschine umgeleitet werden.
Der richtige Zeitpunkt für den Eingriff ist nicht immer einfach zu bestimmen. Einerseits sollte er nicht zu früh durchgeführt werden, um Komplikationen durch die Operation und vor allem die eventuell notwendige, lebenslange Blutverdünnung, zu vermeiden. Andererseits kann ein zu später Eingriff die Prognose durch bereits entstandene Herzschäden deutlich verschlechtern.
Bei einem Herzklappenfehler kommen als Klappenersatz mechanische Klappen oder Bio-Prothesen von Mensch oder Tier (Herzbestandteile vom Rind oder Schweineklappen) infrage.
Metallische Herzklappen halten sehr lange. Allerdings muss hierbei die
Blutgerinnung
lebenslang mit speziellen Medikamenten gehemmt werden, da sich sonst Blutgerinnsel an der Kunstklappe anlagern, diese verstopfen oder sich lösen und zu einem Gefäßverschluss führen können.
Bei einem biologischen Klappenersatz ist keine "Blutverdünnung" notwendig. Dafür müssen biologische Herzklappen nach einer gewissen Zeit ausgetauscht werden, da ihre Haltbarkeit begrenzt ist. Dies kann neben dem normalen Verschleiß unter anderem daran liegen, dass das Immunsystem die Klappen als Fremdkörper erkennt und angreift. Man unterscheidet biologische Ersatzklappen vom Tier (Xenograft), von einem verstorbenen Menschen (Homograft) und aus Stammzellen des Betroffenen gezüchtete Herzklappen (Autograft). Wie lang eine solche Klappe hält, ist schwer vorherzusagen und hängt von vielen Faktoren ab.
Ein neues und noch nicht etabliertes Konzept des Herzklappenersatzes bei einem Herzklappenfehler ist das sogenannte Tissue Engineering. Die Idee dahinter ist, dass synthetische oder biologische Herzklappengerüste nach dem Einbringen in das Herz mit Zellen des Betroffenen bewachsen werden. Dies reduziert Interaktionen mit dem Immunsystem und lässt die Klappen quasi wachstumsfähig und vital werden.
Die Abwägung zwischen langer Lebensdauer der Prothese und lebenslanger "Blutverdünnung" muss individuell entschieden werden. In der Regel werden biologische Herzklappen aufgrund ihrer begrenzten Haltbarkeit erst ab dem 60. Lebensjahr verwendet. Metallische Herzklappen werden eher bei jüngeren Patienten oder bei Betroffenen, die bereits aus anderen Gründen lebenslang "Blutverdünner" nehmen müssen, ausgewählt. Ausnahmen bilden Frauen mit Kinderwunsch, denen man keine gerinnungshemmenden Medikamente verschreiben möchte.
Nach dem Einsatz einer Klappenprothese sollte ein Klappenpass ausgestellt werden, eine mindestens jährliche Kontrolle stattfinden und immer eine Endokarditis-Prophylaxe bedacht werden. Unter Endokarditis-Prophylaxe versteht man die vorbeugende Gabe von Antibiotika bei Behandlungen, die ein Infektionsrisiko mit sich tragen. Dies muss insbesondere auch bei zahnärztlichen Eingriffen berücksichtigt werden.
Hauptziel der Behandlung mit Medikamenten ist die Reduzierung der Herzbelastung. Eine rein medikamentöse Therapie bedarf einer engmaschigen kardiologischen Überwachung. Häufiger wird sie nur überbrückend zur Symptomlinderung bis zur Operation durchgeführt. Ein Aortenklappenfehler sollte bei zunehmenden Symptomen und einer sich verschlechternden Herzfunktion operativ oder interventionell behandelt werden. Der Eingriff sollte bereits vor einer deutlichen Einschränkung der Herzfunktion erfolgen.
Unter bestimmten Bedingungen kann eine Aortenklappeninsuffizienz, wie auch eine Aortenklappenstenose, mit Hilfe der Katheter-Technik behandelt werden ("TAVI": Transaortic Valve Replacement). In einem kleinen Schlauch wird dazu eine gefaltete Ersatzklappe über ein Leistengefäß durch die großen Arterien in das Herz eingeführt, wo die Klappe entfaltet und befestigt werden kann.
Bei einer Ross-Operation wird die Aortenklappe durch die Pulmonalklappe ersetzt. Die weit weniger belastete Pulmonalklappe wird wiederum durch eine menschliche Spenderklappe ersetzt. Diese Methode hat den Vorteil, dass keine lebenslange Blutverdünnung notwendig ist, die Langzeitfunktion sehr gut und die körperliche Belastbarkeit fast uneingeschränkt ist. Nachteil ist vor allem eine mögliche Fehlfunktion der Spenderklappe. Eine Ross-Operation kann nur von erfahrenen Spezialisten durchgeführt werden.
Überbrückend bis zur endgültigen Behandlung, beispielsweise bei akuter Verschlechterung des Patientenzustandes, wenden Ärzte manchmal eine Ballon-Valvuloplastie an. Dabei weiten sie die Klappe mittels eines Ballons, den sie an einem Katheter über die Blutgefäße zum Herzen führen. Auch bei Kindern kommt diese Methode zum Einsatz. Denn bei ihnen ist eine Klappenprothese schwierig, da diese nicht mitwachsen kann.
Besteht neben der Aortenklappeninsuffizienz noch eine Aussackung (
Aneurysma
) der herznahen Hauptschlagader, so wird diese in der Regel gleichzeitig mit der Klappen-Operation behandelt (Bentall-Operation).
Zunächst kann eine Mitralklappenstenose mit Medikamenten behandelt werden. Diese können auch leichtere Symptome lindern. Insbesondere Diuretika sind hilfreich, um die Volumenlast auf die verengte Mitralklappe zu reduzieren. Auch eventuell bestehende Herzrhythmusstörungen sollten medikamentös kontrolliert werden. Wie auch bei einer Aortenklappeninsuffizienz sollte bei einer Mitralklappenstenose bei Fortschreiten der Symptome oder einer Reduktion der gemessenen Herzfunktion aber rechtzeitig eine Operation erwogen werden.
Als interventionelle Behandlung kann die Klappe aufgeweitet werden (Ballon-Mitral-Valvuloplastie). Diese Form einer Klappenreparatur mit dem Ziel, die verschmolzenen Klappenränder zu trennen, kann auch im Rahmen einer offenen OP durchgeführt werden (chirurgische Kommissurotomie). Gibt es Gegenanzeigen, ersetzen Ärzte die Klappe mittels Prothese.
Für die Behandlung einer Mitralklappeninsuffizienz gelten ähnliche Grundsätze wie für eine Mitralklappen-Stenose. Ein Eingriff zur Behandlung eines derartigen Herzklappenfehlers sollte bei symptomatischen und bei (oder besser vor) Anzeichen einer eingeschränkten Herzfunktion erfolgen.
Die medikamentöse Behandlung wird, außer überbrückend, nicht für alle Formen der Mitralklappeninsuffizienz empfohlen. Auch bei einer Mitralklappeninsuffizienz unterscheidet man Reparatur- von Ersatzoperationen.
Eine Mitralklappenreparatur kann heutzutage auch als interventionelles Verfahren erfolgen. Dabei wird eine Klammer (MitraClip) ins Herz eingebracht. Die Klammer wird dann so fixiert, dass sie die sogenannten Segel der Mitralklappe zusammenhält und den Herzklappenfehler ausgleicht.
Auch im Rahmen einer Operation kann eine Herzklappeninsuffizienz beziehungsweise in Mitralklappenprolaps repariert werden. Bei einer Mitralklappeninsuffizienz kann dazu ein Ring in den Klappenbereich eingebracht werden, der den Herzklappenfehler korrigiert. Eine Raffung mit speziellen Fäden kann die Klappenschwäche reduzieren. Wenn eine Reparatur nicht möglich ist, kann die Klappe operativ ersetzt werden. Die Reparatur (Rekonstruktion) wird einer Klappenprothese aber vorgezogen.
Auch bei einem Mitralklappenprolaps kommen spezielle Fäden zum Einsatz: mit ihnen nähen die Herzchirurgen die Papillarmuskelsehnen an den Mitralklappenrand. Manchmal müssen Ärzte das krankhaft große Segel (der Anteil, der sich vorwölbt) zunächst verkleinern oder entfernen und Anteile davon wieder annähen.
Die seltene Pulmonalklappenschwäche wird meist durch Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie) verursacht. Die Behandlung dieses Herzklappenfehlers erfolgt daher durch die Senkung des Hochdrucks in den Blutgefäßen der Lunge. Da die Pulmonalklappeninsuffizienz meist keine Symptome verursacht und die Herzfunktion nicht deutlich einschränkt, sind Eingriffe selten notwendig. Ein Klappenersatz ist jedoch zum Beispiel sinnvoll, wenn sich die Öffnungsfläche der Pulmonalklappe immer weiter vergrößert.
Eine Pulmonalklappenstenose kann medikamentös behandelt werden. Bei einer fortgeschrittenen Pulmonalklappenstenose kann eine Reparatur oder ein Klappenersatz durchgeführt werden. Auch für diese Art des Herzklappenfehlers stehen interventionelle und operative Verfahren zur Auswahl, die etwa bei der Mitralstenose zum Einsatz kommen (Aufweitung mittels Ballon, chirurgische Kommissurotomie).
Diese seltenen Herzklappenfehler werden behandelt, sobald sie die Herz-Kreislauf-Funktion beeinflussen. Ihre Symptomatik ist meist milde. Helfen Medikamente nicht, so kann zunächst eine Reparatur der Klappe versucht werden. Bei einer Trikuspidalklappeninsuffizienz eignet sich zum Beispiel das Raffen des Klappenrandes und Einbringen eines Ringes zur Stabilisierung (Ringanuloplastie). Daneben bleibt die Möglichkeit eines Klappenersatzes.
Ob und in welcher Form Sport für Patienten mit Herzklappenfehlern möglich ist, hängt von der Art der Fehlbildung ab. Auch der individuelle Zustand und das Wohlbefinden des Patienten spielen eine Rolle für die Sportempfehlung.
Bevor Patienten mit einem Herzklappenfehler eine körperliche Aktivität aufnehmen, sollten Sie immer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten.
Patienten mit einem
erworbenen Herzklappenfehler
sollten einmal im Jahr bei der kardiologischen Untersuchung eine Leistungsdiagnostik durchführen lassen. Ein
Belastungs-EKG
kann die maximale Leistungsfähigkeit des Herzens ermitteln. Auf dieser Grundlage kann der Mediziner entscheiden, welche Aktivitäten der Betroffene aufnehmen kann.
Ob Personen mit einem
angeborenen Herzklappenfehler
sportlich aktiv werden können, hängt immer vom individuellen Zustand des Patienten ab. Allgemeingültige Empfehlungen gibt es nicht.
Herzklappenfehler können nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenszeit einschränken, da das gesamte Herz-Kreislauf-System darunter leidet. Die Prognose bei Herzklappenfehlern hängt in erster Linie davon ab, welche Herzklappe betroffen ist und ob der Herzklappenfehler bereits die Herzfunktion beeinträchtigt hat. Wird ein großer Herzklappenfehler nicht behandelt, führt er im Lauf der Zeit zu einer Herzschwäche und zu einer schlechten Prognose.
Leichte Herzklappenfehler müssen zwar häufig zunächst nicht operiert, aber dennoch behandelt werden. Wichtig ist, einen festgestellten
Herzklappenfehler
regelmäßig zu kontrollieren (mindestens jährlich). Dabei prüft der Herzspezialist, wie gut die bisherige Behandlung wirkt und ob er neue Maßnahmen ergreifen muss. Nehmen Sie diese Untersuchungen wahr, denn dadurch lässt sich langfristig die Prognose bei
Herzklappenfehler
verbessern.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Herzklappenfehler
Herzklappenfehler: Beschreibung
Häufigkeit von Herzklappenfehlern
Verengte Herzklappen (Klappenstenose)
Undichte Herzklappen (Klappeninsuffizienz)
Herzklappenprolaps
Herzklappenfehler: Symptome
Herzklappenfehler-Symptome der linken Herzkammer
Herzklappenfehler-Symptome der rechten Herzkammer
Herzklappenfehler: Ursachen und Risikofaktoren
Angeborene Herzklappenfehler
Erworbene Herzklappenfehler
Entzündungen
Rheumatisches Fieber
Herzinfarkt
Aortendissektion
Kardiomegalie
Autoimmune Erkrankungen
Herzklappenfehler: Untersuchungen und Diagnose
Elektrokardiogramm
Laboruntersuchung
Bildgebende Untersuchungen
Belastungsuntersuchungen
Herzkatheter
Abschließende Einschätzung
Herzklappenfehler: Behandlung
Medikamente
Endokarditis-Prophylaxe
Interventionelle Behandlung
Operation
Wann sollte ein Herzklappenfehler nicht nur medikamentös behandelt werden?
Der Herzklappenersatz – verschiedene Typen
Auswahl einer neuen Herzklappe
Aortenklappeninsuffizienz und -stenose
Mitralklappenstenose
Mitralklappeninsuffizienz und Mitralklappenprolaps
Pulmonalklappeninsuffizienz
Pulmonalklappenstenose
Trikuspidalklappeninsuffizienz und Trikuspidalklappenstenose
Sport bei Herzklappenfehler
Krankheitsverlauf und Prognose
Autoren- & Quelleninformationen