Illness name: fibromyalgie
Description:
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.
Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.
Die
Fibromyalgie
gehört zu den Schmerz-Syndromen. Sie ist durch tiefe Muskelschmerzen in verschiedenen Körperregionen gekennzeichnet. Hinzu kommen Erschöpfung, Konzentrations- und Schlafprobleme. Die Ursachen der Fibromyalgie sind noch nicht vollständig bekannt, vermutet wird aber eine gestörte Schmerzverarbeitung. Die Behandlung ist komplex, gängige Schmerzmittel sind wirkungslos. Lesen Sie hier alles Wichtige über das Fibromyalgie-Syndrom: Symptome, mögliche Auslöser und Therapie.
Die Fibromyalgie ist ein Schmerz-Syndrom. Es bringt neben Muskelschmerzen weitere Beschwerden wie
Müdigkeit
, Erschöpfung und Schlafstörungen mit sich. Bei einem ausgeprägten Fibromyalgie-Schub kann so die Leistungsfähigkeit eines Betroffenen massiv eingeschränkt sein. Dabei ist es typisch für diese Erkrankung, dass sich bei der Untersuchung der betroffenen Körperteile (z.B. mittels MRT oder
Ultraschall
) keine organischen Ursachen für die Symptome feststellen lassen.
Aufgrund der diffusen chronischen Schmerzen, die überall im Körper auftreten können, wird die Fibromyalgie manchmal auch als "generalisiertes
Weichteilrheuma
" bezeichnet. Sie betrifft in Deutschland rund zwei von 100 Menschen. In 80 Prozent der Fälle handelt es sich dabei um Frauen im mittleren Lebensalter.
Der Begriff „Fibromyalgie“ steht für Faser-Muskel-Schmerzen. Das beschreibt bereits das zentrale Symptom der Fibromyalgie: tiefe Muskelschmerzen. Diese halten länger als drei Monate an und werden von weiteren Beschwerden begleitet, vor allem Schlafstörungen und Erschöpfung. Viele Betroffene leiden auch unter psychischen Symptomen wie Depressionen oder
Angst
.
Aufgrund des komplexen Beschwerdebilds aus verschiedenen Symptomen sprechen Mediziner vom Fibromyalgie-Syndrom.
Das Hauptsymptom der Fibromyalgie ist ein
chronischer, diffuser Schmerz
. Betroffene beschreiben ihn oft als tiefen Muskelschmerz, zu dem sich Steifigkeit, Brennen, Klopfen, Taubheitsgefühl und
Kribbeln
gesellen können. Zudem fühlen sich manchmal Gelenke oder Muskeln geschwollen an.
Der Schmerz tritt
in mehreren Körperregionen
auf. Typischerweise berichten Menschen mit Fibromyalgie über Schmerzen im Nacken oder im mittleren Rücken oder Kreuz und mindestens einem weiteren Ort in beiden Armen und Beinen.
Veränderliche Schmerzintensität
: Schmerzbelastung und -intensität werden bei Fibromyalgie durch Wetter, Temperatur, Tageszeit, Stressbelastung und körperliche Aktivität beeinflusst. Bei manchen Patienten ist der Schmerz morgens besonders intensiv und bessert sich dann im Laufe des Tages. Generell können Wärme und mäßige Aktivität die Fibromyalgie-Symptome meist bessern.
Kopfschmerzen & mehr
: Neben den muskulären Schmerzen plagen Menschen mit Fibromyalgie häufig Kopfschmerzen oder
Migräne
. Auch Reizdarm-Symptome mit häufigen
Bauchschmerzen
,
Durchfall
oder Verstopfung sind verbreitet. Andere wiederum leiden unter Schmerzen, die denen eines Harnwegsinfekts ähneln.
Schmerzen im Gesicht
: Eine spezielle Variante der Fibromyalgie äußert sich als sogenanntes Temporomandibulargelenk-Syndrom, bei dem Gesicht und Kiefer schmerzen. Letzteren können die Betroffenen nur eingeschränkt bewegen, was ihnen Probleme beim Kauen bereitet.
Fibromyalgie-Schmerzpunkte
: Lange galten schmerzhafte Druckpunkte (Tender-Points, Fibromyalgie-Schmerzpunkte) an bestimmten Körperstellen als typisch für eine Fibromyalgie. Kam es bei mechanischer Reizung zu Schmerzen an mindestens 11 dieser insgesamt 18 Druckpunkte, galt die Diagnose "Fibromyalgie" als gesichert. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft sind die Tender-Points aber keine hinreichenden Kriterien mehr für die Fibromyalgie-Diagnose. Stattdessen muss ein bestimmter Symptomkomplex vorliegen, um die Krankheit diagnostizieren zu können.
Ebenfalls zum Fibromyalgie-Syndrom gehören in vielen Fällen Müdigkeit und Erschöpfung. Oft kommen noch Schlafstörungen hinzu - die Betroffenen haben einen leichten Schlaf und wachen nachts oft auf.
Außerdem leiden Fibromyalgie-Patienten häufiger unter
Schlafapnoe
. Dabei treten wiederholte kurze Atemaussetzer in der Nacht auf. Das hat zur Folge, dass der Schlaf wenig erholsam ist und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt.
Fatigue bei Fibromyalgie
: Die Schlafstörungen können in ein chronisches Müdigkeitssyndrom (chronisches Fatigue-Syndrom, CFS) münden. Fatigue ist der Fachbegriff für chronische Müdigkeit. Tatsächlich erfüllen die meisten Fatigue-Betroffenen die Kriterien einer Fibromyalgie. Umgekehrt leidet die Mehrzahl der Fibromyalgie-Erkrankten unter CFS.
Restless-Legs-Syndrom
: Eine Erkrankung, die ebenfalls oft bei Fibromyalgie-Patienten auftritt, ist das sogenannte
Restless-Legs-Syndrom
. Betroffene leiden in Ruhe unter quälendem Ziehen oder Kribbeln in den Beinen. Die Symptome lassen sich nur durch Bewegung lindern. Auch das kann erhebliche Schlafstörungen und nachfolgende Müdigkeit verursachen. Bei Patienten mit Fibromyalgie-Symptomen sollte daher untersucht werden, ob zusätzlich ein Restless Legs-Syndrom vorliegt.
Manchmal berichten Menschen mit Fibromyalgie auch über
Symptome an den Augen
: Möglich sind Schwellungen oder Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) im Augenbereich. Außerdem können bei Fibromyalgie
Sehstörungen
wie Flimmern vor den Augen auftreten.
Nicht selten ist die Erkrankung zudem mit
seelischen Beschwerden
verbunden. Besonders häufig sind zum Beispiel Nervosität, innere Unruhe, Niedergeschlagenheit und Antriebsverlust. Zwischen 62 und 86 Prozent der Patienten erkranken im Laufe ihres Lebens sogar an einer
Depression
. Auch Angststörungen können im Zusammenhang mit der Fibromyalgie auftreten.
Überempfindlichkeit
ist ein weiteres häufiges Merkmal: Menschen mit Fibromyalgie reagieren oft besonders empfindlich auf Reize wie Gerüche, Lärm oder Licht.
Weitere Fibromyalgie-Symptome treten infolge der
gestörten Körperregulation
auf. Zu solchen vegetativen Symptomen zählen vermehrtes Zittern (
Tremor
), übermäßiges
Schwitzen
(Hyperhidrosis), reduzierter Speichelfluss und kalte Finger.
Wie stark und vielfältig sich die Fibromyalgie-Symptome zeigen, ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Ärzte unterteilen die Erkrankung in unterschiedliche Schweregrade:
Betroffene mit leichteren Formen haben neben den Schmerzen in verschiedenen Körperregionen kaum oder gar keine anderen körperlichen Beschwerden und auch keine seelischen Symptome. Sie erleben häufig längere beschwerdefreie Intervalle und sind in ihrer Lebensqualität kaum beeinträchtigt.
In anderen Fällen gehen die chronischen Schmerzen mit weiteren körperliche sowie seelische Symptomen unterschiedlichen Schweregrades einher. Das Alltagsleben der Betroffenen kann dadurch mäßig bis deutlich beeinträchtigt sein.
Bei der Fibromyalgie ist Heilung zwar nicht möglich. Mit der richtigen Behandlung lassen sich aber die Fibromyalgie-Symptome beherrschen. Eine Checkliste der allgemein wirksamen Therapiemaßnahmen gibt es aber nicht. Vielmehr erhält jeder Patient eine individuell angepasste Behandlung:
Zugeschnitten auf Art und Ausmaß der Beschwerden und den Verlauf der Fibromyalgie werden geeignete Therapiemaßnahmen ausgewählt, und zwar von Arzt und Patient gemeinsam. Denn es ist entscheidend für den Therapieerfolg, dass der Patient alle Maßnahmen aktiv unterstützt.
Viele Maßnahmen zur Fibromyalgie-Therapie werden von den Krankenkassen bezahlt.
Im Vordergrund der Fibromyalgie-Behandlung steht meist, die Muskelschmerzen dauerhaft zu lindern. Bewegung. Mediziner empfehlen den Patienten ein
Ausdauertraining
zwei- bis dreimal pro Woche in geringer bis mittlerer Intensität. Ziel ist, beim Trainieren im sogenannten aeroben Bereich zu bleiben, bei dem der Körper nicht mehr Sauerstoff verbraucht, als er gerade aufnimmt. Ein guter Anhaltspunkt dafür ist, wenn man während des Trainings noch genügend Luft hat, um sich mühelos unterhalten zu können.
Zu den als Ausdauertraining geeigneten Sportarten bei Fibromyalgie zählen zum Beispiel:
Solche Sportarten trainieren die Herz-Kreislauf-Fitness. Zusätzlich empfiehlt sich bei Fibromyalgie ein
gezieltes Training der Gelenk- und Muskelfunktion sowie der Flexibilität, Kraft und Koordination
, und zwar durch:
Eine
Wärmebehandlung
kann die Beschwerden beim Fibromyalgiesyndrom bessern.
Kälte
dagegen verschlimmert die Symptome - zumindest in den meisten Fällen. Einige Patienten jedoch berichten über eine positive Wirkung einer Ganzkörperkältetherapie. Dabei hält man sich für wenige Minuten in einer Kältekammer mit extrem niedrigen Temperaturen auf.
Ebenfalls lindernd wirkt bei vielen Patienten eine sogenannte Balneotherapie mit
medizinischen Bädern
.
Dagegen werden
Massagen ausdrücklich nicht empfohlen
zur Fibromyalgie-Behandlung.
Wie stark Schmerzen wahrgenommen werden, ist abhängig von der inneren Haltung gegenüber den Beschwerden. Im Rahmen einer kognitiven
Verhaltenstherapie
lernen die Patienten den Schmerz neu zu bewerten. Er ist dann zwar noch vorhanden, steht aber nicht länger im Mittelpunkt des Bewusstseins.
Dazu deckt der Therapeut in Zusammenarbeit mit dem Patienten auch Denk- und Wahrnehmungsmuster auf, die den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen. Werden sie durchbrochen, kann das die Schmerzwahrnehmung erheblich verändern.
Stress verstärkt die Beschwerden von Menschen mit Fibromyalgie. Daher sind Entspannungstechniken wichtige Elemente der Fibromyalgie-Therapie. Es zählen dazu Autogenes Training und progressive Muskelentspannung nach Jacobsen. Auch fernöstliche Entspannungsverfahren wie Tai Chi, Qigong und Yoga können helfen.
Es gibt in Deutschland keine Medikamente, die explizit zur Behandlung von Fibromyalgie zugelassen sind. Bei einem schwerem Krankheitsverlauf kann die Therapie aber durch Medikamente ergänzt werden, die für andere Erkrankungen entwickelt wurden: Antidepressiva und Antikonvulsiva.
Viele Patienten mit Fibromyalgie entwickeln psychische Begleiterkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen. Zusätzlich zu einer kognitiven Verhaltenstherapie können dann Antidepressiva verschrieben werden. Sie beeinflussen den Botenstoffwechsel im
Gehirn
und wirken so stimmungsaufhellend, angstlösend und - je nach Wirkstoff - dämpfend (sedierend) oder aktivierend.
Dabei können Antidepressiva zudem auch Schmerzen und Müdigkeit verringern und so das allgemeine Wohlbefinden steigern. Deshalb werden sie oftmals auch Patienten verschrieben, die keine depressiven Symptome haben.
Empfohlen werden einige Antidepressiva aus der Gruppe der
selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
wie
Duloxetin
oder
trizyklische Antidepressiva
wie
Amitriptylin
.
Die Anwendung der Antidepressiva sollte nur bei guter Wirksamkeit längerfristig erfolgen.
Eine weitere wichtige Medikamentengruppe zur Fibromyalgie-Therapie sind die sogenannten Antikonvulsiva. Sie wurden zur Behandlung von
Nervenschmerzen
und
Epilepsie
entwickelt, können jedoch auch im Rahmen der Fibromyalgie-Therapie eingesetzt werden.
So erhalten manche Patienten das Antikonvulsivum
Pregabalin
, das auch schmerzlindernde Wirkung besitzt - es blockiert bestimmte Botenstoffe, die für die Schmerzübertragung verantwortlich sind. Das kann besonders Patienten helfen, bei denen starke Schmerzen im Vordergrund der Erkrankung stehen.
Obwohl Schmerzen das Hauptsymptom bei Fibromyalgie sind, werden die meisten gängigen Schmerzmittel zur Fibromyalgie-Therapie nicht empfohlen – sie wirken wenig oder gar nicht.
Da Fibromyalgie nicht mit entzündlichen Veränderungen einhergeht, machen auch entzündungshemmende Schmerzmittel wie
Ibuprofen
,
Acetylsalicylsäure
oder
Paracetamol
keinen Sinn. Ebensowenig eingesetzt wird der starke Entzündungshemmer Kortison.
Auch opioidhaltige Schmerzmittel sind für die Fibromyalgie-Therapie ungeeignet. Die meisten wirken nicht. Eine Ausnahme ist
Tramadol
. Es wird vor allem Patienten mit ausgeprägter Schmerzsymptomatik verschrieben.
Ergänzend zu den schulmedizinischen Methoden nutzen einige Fibromyalgie-Patienten alternative Heilverfahren. Dazu zählen Methoden der Traditionellen chinesischen Medizin (TCM) wie die Akupunktur, aber auch Osteopathie.
Andere Fibromyalgie-Patienten setzen auf Homöopathie. Abhängig von der Art der Symptome kommen verschiedene homöopathische Mittel infrage. So soll zum Beispiel
Rhus toxicodendron
Schmerzen lindern.
Alternativmedizinische Methoden können die schulmedizinische Behandlung allenfalls ergänzen, jedoch nicht ersetzen. Insbesondere das Konzept der Homöopathie ist umstritten und durch Studien nicht eindeutig belegt. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, wie Sie selbst die Therapie bestmöglich unterstützen können.
Grundsätzlich kann medizinisches Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen helfen, chronische Schmerzen zu therapieren. Bisher gibt es allerdings keine validen Studien, die seine Wirksamkeit auch bei Fibromyalgie-Schmerzen belegen. Deshalb wird Cannabis in den aktuellen medizinischen Leitlinien zur Behandlung der Fibromyalgie nicht empfohlen.
Zu Beginn einer Fibromyalgie-Therapie kann eine Schulung sehr hilfreich sein. Dabei erfahren die Patienten mehr über ihre Erkrankung und die Behandlung. Sie erhalten Infos und Anregungen zum Selbstmanagement (körperliche Aktivität, Stressreduktion etc.) und können sich mit anderen Betroffenen austauschen. Das kann jedem Einzelnen helfen, mit der Krankheit besser umzugehen.
Manche Patienten leiden so stark unter Beschwerden wie Schmerzen, starker Erschöpfung, Depressionen oder Ängsten, dass sie häufig am Arbeitsplatz fehlen. In extremen Fällen gehen manche Menschen mit Fibromyalgie vorzeitig in Rente.
Bei derart schweren Beeinträchtigungen und Leistungseinbußen kann eine Rehabilitationstherapie in einer Klinik sinnvoll sein. Dabei werden verschiedenst Behandlungsansätze gebündelt als multimodale Fibromyalgie-Therapie angeboten (z.B. Patientenschulung, physikalische Maßnahmen, Entspannungsverfahren, psychologische oder psychotherapeutische Betreuung).
Es gibt keine bestimmte Ernährungsweise, die nachweislich gegen Fibromyalgie-Symptome helfen kann. Allerdings gibt es Hinweise, dass eine Kost mit Schwerpunkt auf pflanzliche Lebensmittel den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann.
Mehr Informationen dazu, wie Sie sich bei Fibromyalgie am besten ernähren, finden Sie im Beitrag
Fibromyalgie - Ernährung
.
Die Ursachen von Fibromyalgie sind bis heute nicht vollständig geklärt. Meist findet sich kein eindeutiger Auslöser der Schmerzkrankheit. Gesichert ist, dass es sich nicht um eine entzündlich-rheumatische Erkrankung der Muskeln oder Gelenke und auch nicht um verschleißbedingte Schmerzen handelt.
Die wichtigste Hypothese zu den Ursachen einer Fibromyalgie ist derzeit, dass die zentralnervöse Schmerzwahrnehmung der Patienten verändert ist. Die Schwelle der Schmerzwahrnehmung liegt bei Fibromyalgie-Betroffenen niedriger als gewöhnlich, sodass das Gehirn bereits leichte Reize als Schmerz wahrnimmt und diesem eine größere Bedeutung beimisst. Eine mögliche Erklärung dafür ist ein niedriger
Serotoninspiegel
, der in einigen Studien bei Fibromyalgie-Patienten nachgewiesen wurde.
Die Fibromyalgie tritt oft familiär gehäuft auf. Das spricht für eine genetische Komponente - bestimmte Genveränderungen könnten eine erhöhte Schmerzsensibilität zur Folge haben, wurden bislang aber nicht identifiziert.
Untersuchungen der Universität Würzburg haben einen organischen Befund bei Fibromyalgie erbracht, also einen ersten Nachweis körperlicher Veränderungen bei den Betroffenen: Die Forscher stellten fest, dass die kleinen Nervenfasern im Muskelgewebe von Patienten mit Fibromyalgie verändert waren. Weitere Studienergebnisse der Universität lassen zudem vermuten, dass die Schwere der Fibromyalgie-Beschwerden davon abhängt, wie stark die Hautnerven geschädigt sind. Die Erkenntnisse der Forscher haben aber noch keine Auswirkungen auf die Diagnostik und Behandlung der Fibromyalgie.
Da man meist keine organische Erklärung für die Schmerzen findet, galten Betroffene lange als eingebildete Kranke. Oder es wurde fälschlicherweise angenommen, die Symptome der Fibromyalgie seien der rein psychosomatische Ausdruck einer Depression.
Diese Hypothese ist inzwischen widerlegt, auch wenn die Psyche bei der Entstehung der Krankheit durchaus eine zentrale Rolle spielen kann. So können Stress sowie physische oder emotionale Verletzungen (Traumata) eine Fibromyalgie begünstigen. Die Krankheit taucht nämlich oft in Phasen großer Belastung auf. Außerdem erkranken Menschen, die in der Kindheit oder als Erwachsene misshandelt oder sexuell missbraucht wurden, häufiger an Fibromyalgie.
Nicht zuletzt kann die hohe Belastung, die mit einem schweren Krankheitsverlauf einhergeht, Ängste und Depressionen begünstigen.
Auch ein ungünstiger Lebensstil kann deine Fibromyalgie fördern. Dazu zählen Rauchen, Übergewicht und geringe körperliche Aktivität.
Fibromyalgie kann in jedem Alter auftreten. Am häufigsten entwickelt sie sich jedoch zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: 80 Prozent der Erkrankten sind weiblich.
In machen Fällen scheint sich Fibromyalgie in Verbindung mit einer anderen Erkrankung zu entwickeln. Dann spricht man von einer sekundären Fibromyalgie - im Unterschied zur primären Fibromyalgie, bei der keine anderen Erkrankungen als Ursache infrage kommen.
Zu den Krankheiten, die Fibromyalgie begünstigen können, gehören:
Bei Verdacht auf ein Fibromyalgie-Syndrom ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner. Er behandelt die Erkrankung gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Fachkollegen wie spezialisierten Schmerztherapeuten, Neurologen, Psychotherapeuten und Physiotherapeuten.
Oft dauert es lange, bis die Diagnose Fibromyalgie gestellt wird, da das Krankheitsbild sehr vielfältig und schwer zu fassen ist. Die Betroffenen irren nicht selten jahrelang von Arzt zu Arzt und leiden darunter, dass ihre Beschwerden keiner Diagnose zugeordnet werden können. Das verunsichert die Betroffenen, verzögert die Behandlung und verschlechtert damit die Prognose.
Der erste Schritt bei der Abklärung einer möglichen Fibromyalgie ist das Gespräch zwischen Arzt und Patient zur Erhebung der Krankengeschichte (
Anamnese
). Typische Fragen des Arztes sind zum Beispiel:
Lange spielten die sogenannten Tender Points bzw. Fibromyalgie-Triggerpunkte eine zentrale Rolle bei der Diagnose. Das sind bestimmte Punkte am Körper, die auf Druck schmerzen können. Wenn bei einem Patienten mindestens 11 von insgesamt 18 Tender Points auf Druck mit Schmerz reagieren, galt dies als Hinweis auf ein Fibromyalgie-Syndrom.
Die ausschließliche Diagnostik anhand der Tender Points gilt jedoch mittlerweile als überholt. Experten raten stattdessen, die
Diagnose auf Basis des folgenden Symptombildes
zu stellen:
Weitere Hinweise geben Informationen aus der Anamnese:
Der Arzt wird den Patienten bitten, ein Schmerztagebuch zu führen, in dem er neben der Art, Dauer und dem Ort der Schmerzen auch begleitende Auffälligkeiten genau festhält. Dazu zählen beispielsweise auch Magen-Darm-Beschwerden oder Probleme beim Wasserlassen.
Ebenso sollten psychische Belastungen wie Konzentrations- oder Schlafstörungen sowie Antriebsschwäche notiert und mit dem Arzt besprochen werden. Solche Begleitsymptome sind typisch für das Fibromyalgie-Syndrom.
Die Beschwerden, unter denen Fibromyalgie-Patienten leiden, treten auch bei anderen Erkrankungen auf. Dazu gehören:
Mithilfe verschiedener Untersuchungen kann der Arzt solche Erkrankungen als Ursache der Beschwerden ausschließen beziehungsweise aufdecken, etwa mittels:
Entdeckt man bei diesen Untersuchungen keine krankhaften Veränderungen, spricht das für eine Fibromyalgie.
Die Bildgebung (z.B. Röntgen, CT) zeigt bei Fibromyalgie auch nach mehrjähriger Krankheitsdauer keine krankhaften Veränderungen in den schmerzenden Körperregionen. Gängige Labortests (etwa auf Rheumafaktoren) bleiben ebenfalls ergebnislos.
Verwechslungsgefahr bei Fibromyalgie-Beschwerden besteht auch mit der „anhaltenden somatoformen Schmerzstörung“ und der „chronischen Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren“. Bei diesen Krankheitsbildern werden die Schmerzen durch starke psychische Belastungen verursacht – was nicht bedeutet, dass sie bloße Einbildung sind! Bei Fibromyalgie ist starke psychische Belastung dagegen nicht die Ursache, auch wenn eine solche die Beschwerden verschlimmern kann.
Im Internet findet man verschiedene Online-Fragebögen zum Fibromyalgie-Selbsttest. Allerdings sind sie nicht sehr aussagefähig, beispielsweise beinhalten sie oft nur einzelne Symptombereiche wie den Schmerz. Das komplexe Krankheitsbild Fibromyalgie zu diagnostizieren, gehört aber in die Hände von erfahrenen Medizinern!
Fibromyalgie ist bislang nicht heilbar. Sie verursacht aber keine bleibenden Schäden an Muskeln und Gelenken, so dass Fibromyalgie-Patienten keine Schwerbehinderung droht. Auch die Lebenserwartung der Betroffenen ist nicht verkürzt.
Die chronischen Schmerzen und andere Fibromyalgie-Symptome können die Lebensqualität der Betroffenen allerdings erheblich beeinträchtigen. Die Behandlung zielt deshalb darauf ab, die Beschwerden so weit wie möglich zu reduzieren. Damit das gelingt, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient notwendig - die Fibromyalgie-Behandlung ist meist komplex und schwierig.
Dabei kann ein frühzeitiger Beginn die Erfolgsaussichten steigern: Wenn innerhalb von zwei Jahren nach Beginn der Symptome eine Behandlung eingeleitet wird, kann diese bis zu 50 Prozent der Betroffenen weitgehend von ihren Schmerzen befreien. Jenseits des 60. Lebensjahres bessern sich die Symptome einer Fibromyalgie oft von selbst.
Können die Fibromyalgie-Beschwerden nicht ausreichend gelindert werden, ist der Leidensdruck für die Betroffenen hoch. Wer arbeitet, muss sich krankheitsbedingt oft krankschreiben lassen. Manche Patienten erwägen in ihrer Not, einen Antrag auf Schwerbehinderung zu stellen oder gar frühzeitig in Rente zu gehen.
Rente tatsächlich bewilligt zu bekommen, ist jedoch schwierig, da sich die Beschwerden einer Fibromyalgie bislang kaum durch harte Befunde (wie Röntgenbilder oder Laborwerte) nachweisen lassen. Betroffene sollten sich in dieser Angelegenheit an Selbsthilfegruppen und Fibromyalgie-Organisationen wenden.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Clemens Gödel ist freier Mitarbeiter der NetDoktor-Medizinredaktion.
Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.
Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.
Fibromyalgie
Kurzübersicht
Fibromyalgie: Definition
Fibromyalgie: Symptome
Hauptsymptom Schmerz
Hauptsymptome Müdigkeit und Schlafstörungen
Weitere Fibromyalgie-Symptome
Schweregrade von Fibromyalgie
Fibromyalgie: Therapie
Bewegungstraining
Physikalische Therapie
Psychotherapie
Entspannungsverfahren
Medikamentöse Therapie
Antidepressiva
Antikonvulsiva
Meist wirkungslos: Schmerzmittel
Alternative Heilverfahren
Fibromyalgie: Cannabis wird nicht empfohlen
Patientenschulung
Reha-Maßnahmen
Fibromyalgie: Ernährung
Fibromyalgie: Ursachen und Risikofaktoren
Gestörte Schmerzverarbeitung
Genetische Veranlagung
Veränderte Nervenfasern
Psyche, Stress und Traumata
Ungesunder Lebensstil
Mittleres Alter, weibliches Geschlecht
Sekundäre Fibromyalgie
Fibromyalgie: Diagnose
Anamnesegespräch
Eckpfeiler der Diagnose
Schmerztagebuch als Diagnosehilfe
Ausschluss anderer Erkrankungen
Seelisch bedingte Schmerzstörungen
Fibromyalgie-Tests zur Selbstdiagnose?
Fibromyalgie: Verlauf und Prognose
Vorzeitige Rente?
Autoren- & Quelleninformationen