Illness name: steissbeinfistel
Description:
Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Eine
Steißbeinfistel
(Sinus pilonidalis oder Pilonidalsinus) besteht aus kleinen Gängen und Hohlräumen unter der Haut im Bereich der Gesäßfalte. Sie beruht auf einer Entzündung im Unterhautfettgewebe. Neben symptomlosen Steißbeinfisteln gibt es auch solche, die Eiteransammlungen (Abszesse) bilden oder chronisch verlaufen. Mehr über Ursachen, Symptome, Diagnose, Behandlung und Prognose einer Steißbeinfistel lesen Sie hier!
"Steißbeinfistel" (auch "Steißbeinzyste") ist die unsaubere Bezeichnung für einen in der Steißbeinregion auftretenden
Pilonidalsinus (Sinus pilonidalis)
. Dabei handelt es sich um eine akut oder chronisch verlaufende Entzündung im Unterhautfettgewebe. Sie entwickelt sich meistens in der Steißbeinregion (genauer: in der dortigen Gefäßfalte), daher der Name Steißbeinfistel. Ein Pilonidalsinus kann sich aber auch an anderen Körperstellen bilden, beispielsweise im Bereich von
Brustwarze
, Nabel, weiblicher Schamregion,
Penis
,
Nase
, zwischen den Fingern oder hinter den Ohren.
Der lateinische Fachbegriff Sinus pilonidalis deutet auf das Erscheinungsbild und die Entstehung der Hautveränderung hin: "Sinus" bedeutet Hohlraum, "nidus" steht für Nest und "pilus" für Haar. Bei den Betroffenen befindet sich nämlich ein kleiner Hohlraum, oft mit einem abgebrochenen, eingewachsenen Haar beziehungsweise einem Haarknäuel unter der Haut (daher oft auch die Bezeichnung "Haarnestfistel" oder "Haarnestgrübchen"). Von dem Hohlraum gehen mehr oder weniger verzweigte, kleine Gänge ab, die über eine kleine Öffnung (Porus, Mehrzahl: Pori) nach außen an die Hautoberfläche führen können.
Was ist eine Fistel? Der Begriff bezeichnet allgemein nicht natürliche, röhrenförmige Verbindungen zwischen Hohlräumen im Körper oder einem Hohlraum und der Körperoberfläche.
Es gibt drei verschiedene Erscheinungsformen von Steißbeinfisteln:
Die Häufigkeit des Pilonidalsinus nimmt aus unbekannten Gründen seit einigen Jahren in Europa und Nordamerika zu. Beispielsweise erkrankten im Jahr 1995 in Deutschland etwa 26 von 100.000 Menschen an einer Fistel am Steißbein. Im Jahr 2012 waren es bereits 48 von 100.000 Menschen. Am häufigsten betroffen sind Männer im 2. und 3. Lebensjahrzehnt.
Um eine Steißbeinfistel zu diagnostizieren, reicht meist eine körperliche Untersuchung. Oft erkennt der Arzt die Fistel bereits anhand der charakteristischen Hautveränderungen: punktförmige Vertiefungen in der Haut in oder neben der Analfalte. Chronische Steißbeinfisteln sondern bei Druck eine klare oder blutige, hin und wieder eitrige Flüssigkeit über eine Hautöffnung ab.
Weitere Untersuchungen wie bildgebende Verfahren (z.B.
Ultraschall
,
Computertomografie
) sind in den allermeisten Fällen nicht nötig.
Steißbeinfistel – welcher Arzt ist zuständig? Am häufigsten kümmern sich Proktologen – Fachärzte für Erkrankungen des Enddarms – und Dermatologen (Hautärzte) um einen Pilonidalsinus am Steißbein.
Die Beschwerden, die mit einer Steißbeinfistel einhergehen, können auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Der Arzt muss deshalb bei der Diagnose beispielweise folgende Krankheitsbilder ausschließen:
Selten ist ein Steißbeinfistel
angeboren
. Sie tritt dann oft in Verbindung mit kindlichen Fehlbildungen des Rückenmarks und Wirbelkanals auf, beispielsweise einer Spina bifida ("offener Rücken"). Außerdem kann eine hohe Konzentration an
Phenytoin
(Mittel gegen
Epilepsie
) im
Blut
einer Schwangeren einen Pilonidalsinus beim Ungeborenen hervorrufen.
In den meisten Fällen aber ist eine Steißbeinfistel
erworben
. Sie bildet sich oft schon in der Pubertät – möglicherweise in Verbindung mit einer genetischen Veranlagung (in manchen Familien tritt der Pilonidalsinus nämlich gehäuft auf). Insgesamt die Fistel am Po durch mehrere Faktoren zu entstehen.
Vom Kopf herabfallende,
kurze und scharfkantige Schnitthaare oder abgebrochene Haare
können sich durch Reibebewegungen in die Haut einbohren – besonders leicht in der Gesäßfalte durch die Bewegung zwischen den Pobacken. Ein solches Haar kann bis ins Unterhautfettgewebe vordringen. Die feinen Hornschuppen der Haare verhindern als eine Art Widerhaken den Weg zurück. Indem die Haare immer weiter in die Haut eindringen, entstehen die typischen Vertiefungen (Pori).
Im tiefen Fettgewebe stellen die Haare Fremdkörper dar. Um den Fremdkörper entstehen chronische Entzündungsprozesse und es bildet sich knötchenförmig neues Gewebe – ein
Fremdkörpergranulom
. Dieses heilt nicht spontan ab (asymptomatische Steißbeinfistel), kann sich aber infizieren und in der Folge Beschwerden verursachen (als abszedierende oder chronische Steißbeinfistel).
Folgende Faktoren können den Übergang von einer asymptomatischen Steißbeinfistel in eine abszedierende oder chronische Fistel am Po begünstigen:
Manche Studien deuten auch darauf hin, dass vermehrtes Fettgewebe sowie die Tiefe der Analfalte die Entstehung einer Steißbeinfistel an sich begünstigen können. Dass eine schlechte Hygiene Steißbeinfisteln fördert, ist nach aktuellem Kenntnisstand und entgegen früherer Annahmen jedoch nicht erwiesen. Dennoch hilft regelmäßiges Duschen oder Baden dabei, etwaige Haarreste zu entfernen.
Welche Beschwerden eine Steißbeinfistel auslöst, hängt von der jeweiligen Form ab. Folgende Symptome kommen bei Steißbeinfisteln vor:
Befindet sich die Steißbeinfistel im Anfangsstadium, treten keine Beschwerden auf. Solche asymptomatischen Steißbeinfisteln erkennt man nur anhand ihres typischen Erscheinungsbilds: kleine, meist punktförmige Hautvertiefungen (Pori bzw. Pits) im Bereich der Gesäßfalte.
Diese Form der Steißbeinfistel äußert sich durch sehr schmerzhafte, knotenartige Schwellungen in oder neben der Gesäßfalte. Durch die Entzündung ist die betroffene Hautregion gerötet und fühlt sich warm an. Platzt der Pilonidalabszess auf, tritt meist eitrige Flüssigkeit aus. Eventuell tritt Fieber auf.
Chronische Steißbeinfisteln können nässen oder blutig-eitrige Flüssigkeit absondern. Dabei kann klares oder blutiges Sekret über die Hautöffnungen (Pori) fortlaufend oder nur zeitweise austreten.
Eine chronische Steißbeinfistel kann jederzeit in die akut abszedierende Form übergehen.
Insbesondere die akute Steißbeinfistel kann Schmerzen im Bereich des Steißbeins verursachen. Außer seiner Lage hat der Pilonidalsinus mit dem Steißbein aber nichts zu tun. Die Fistel tritt zwar nahe am Steißbein auf, direkte Steißbeinschmerzen haben aber üblicherweise andere Ursachen. Sie können zum Beispiel auf einer Steißbein-Entzündung beruhen. Auch eine
Prellung
, die man sich bei einem Sturz zugezogen hat, kann Schmerzen am Steißbein auslösen. Diese machen sich dann besonders im Sitzen bemerkbar. Es kann auch sein, dass die Schmerzen im Steißbein bis in den
Darm
ausstrahlen und verstärkt beim Stuhlgang auftreten.
Eine
asymptomatische Steißbeinfistel
heilt nicht von selbst, sondern bleibt lebenslang bestehen. Sie muss aber nicht behandelt werden. Wenn sie aber in eine
abszedierende Steißbeinfistel
übergeht – also einen Abszess bildet –, empfehlen Mediziner hingegen eine rasche Operation.
Dabei eröffnet der Arzt zuerst den Abszess, sodass der Eiter abfließen kann. Sobald die akuten Entzündungsreaktionen abgeklungen sind (nach etwa zehn bis 14 Tagen), wird die eigentliche Steißbeinfistel operiert. Dabei kann der Chirurg aus verschiedenen Verfahren wählen.
Diese können auch bei der Behandlung
chronischer Steißbeinfisteln
zum Einsatz kommen. Über die genaue Behandlung wird im Einzelfall entschieden. Bei kleineren Abszessen kann es übrigens manchmal genügen, diesen mit einem kleinen Schnitt zu eröffnen (einfache Inzision).
Oftmals kommen bei einer abszedierenden oder chronischen Steißbeinfistel minimal-invasive OP-Verfahren zur Anwendung. In anderen Fällen wählt man mediane Exzisionsverfahren oder plastische Verfahren.
Die verschiedenen OP-Verfahren unterscheiden sich in ihren Vor- und Nachteilen, etwa im Hinblick auf Rückfallquote und Wundheilungsdauer. Lassen Sie sich hierzu von ihrem Arzt genauer beraten.
Minimal-invasive Techniken zur Behandlung eines Pilonidalsinus können auch ambulant durchgeführt werden. Für den Eingriff reicht meist eine lokale Betäubung. Beispiele für solche OP-Verfahren sind:
Zu den minimal-invasiven Therapieverfahren bei Steißbeinfisteln zählen auch
Laser-basierte Techniken
. Sie sind in der Bevölkerung recht populär, weil sie optimale Heilungserfolge bei vergleichsweise kleinem Eingriff versprechen. Die wissenschaftliche Datenlage hierzu ist aber noch dünn. Eine Laser-Behandlung bei Steißbeinfisteln wird deshalb bislang nicht empfohlen.
Gleiches gilt für
endoskopischen Verfahren
. Dabei schneidet der Arzt die Hautöffnungen in der Mittellinie heraus. Anschließend versorgt er die Steißbeinfisteln im Unterhautfettgewebe – unter Sicht mittels Endoskop, also einem Gerät mit einer Lichtquelle und Kamera. Die Daten aus ersten Studien sind vielversprechend, allerdings ist die Methode vergleichsweise teuer.
Auch die Spaltung der Steißbeinfistel (
Fistulotomie
) im Lay-open-Verfahren empfehlen die Leitlinien-Experten derzeit (noch) nicht, da die bisherigen Studiendaten zu dieser minimal-invasiven OP-Methode nicht ausreichen. Hierbei eröffnet der Chirurg den Fistelgang bis zum Haarnest, er schneidet das Fistelsystem aber nicht vollständig heraus. Die entstandene offene Wunde ist meist kleiner als bei herkömmlichen Verfahren. Allerdings gibt es je nach Studie teils erhebliche Rückfallraten, wonach bis über Hälfte der Patienten erneut eine Steißbeinfistel bekamen.
Mediane Exzisionsverfahren gelten als "traditionelle" oder "klassische" OP-Methoden. Sie werden nämlich seit mindestens der 1980er Jahre in fast unveränderter Technik durchgeführt. Außerdem sind sie auch heute noch die weltweit häufigsten Methoden einer Steißbeinfistel-OP.
Konkret wird bei diesen Therapieverfahren der Pilonidalsinus so herausgeschnitten, dass die entstehende Wunde in der Mittellinie (Medianlinie) zu liegen kommt – der zuvor tiefsten Stelle der Analfalte. Größere Eingriffe erfolgen meist unter Vollnarkose oder "Teilnarkose" (Regionalanästhesie).
Von den verschiedenen medianen Exzisionsverfahren wird in Deutschland am häufigsten die
Exzision mit offener Wundbehandlung
durchgeführt (stationär oder ambulant). Dabei bleibt die durch das Herausschneiden der Fistel in der Medianlinie entstandene Wunde offen und wird mehrmals täglich mit klarem Leitungswasser ausgeduscht. Durch das Offenlassen und die tägliche Reinigung bildet sich mit der Zeit Narbengewebe, das weder Haarwurzeln noch Talgdrüsen enthält. Das senkt das Risiko einer neuen Fistel.
Für diese Formen von Steißbeinfistel-OP ist meist eine Vollnarkose oder "Teilnarkose" (Regionalanästhesie) nötig. Der Begriff "plastisch" verweist auf die Art der
Wundversorgung
: Die Wunde, die durch das Herausschneiden des Sinus pilonidalis entsteht, wird
mit Lappen aus Haut und Unterhautfettgewebe abgedeckt
. So bleibt nach dem Abheilen keine "Kuhle" im Gewebe zurück. Weil hier typischerweise rechts oder links der Mittellinie geschnitten wird, werden diese OP-Verfahren auch als "
asymmetrisch
" oder englisch "
off-midline procedures
" bezeichnet.
Viele Patienten fragen sich nach der operativen Behandlung der Fistel am Po: Wie lange bin ich krank, sprich arbeitsunfähig? Die Antwort darauf hängt vom Ausmaß des Eingriffs ab. So sind etwa Patienten nach einer ambulanten Pit picking-Behandlung meist nach einigen Tagen wieder fit. Bei größeren Eingriffen mit offener Wundbehandlung ist dagegen mit längeren Ausfällen zu rechnen.
Je nach Wundgröße kann sich auch eine mehrwöchige oder gar monatelange Genesungszeit anschließen. Fragen Sie am besten Ihren behandelnden Arzt. Er kann die Heilungsdauer im Einzelfall einschätzen und stellt die entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus.
Versuchen Sie
keinesfalls
, eine Steißbeinfistel selbst zu behandeln! Vor allem ein abszedierender Pilonidalsinus kann sich verschlimmern, wenn man zum Beispiel versucht, den Abszess wie einen Eiterpickel auszudrücken. Überlassen Sie die Behandlung einem erfahrenen Mediziner (Proktologen oder Hautarzt).
Eine Fistel heilt nicht von selbst, auch nicht die Steißbeinfistel. Selbst die asymptomatische Steißbeinfistel verschwindet nicht spontan. Allerdings verschlimmert sie sich meist auch nicht, so dass eine vorbeugende Behandlung nicht notwendig ist. Dagegen werden abszedierende und chronische Steißbeinfisteln operiert – beim Steißbeinabszess ist der Eingriff dringend notwendig, beim chronischen Pilonidalsinus kann der Termin der Operation mit dem Patienten vereinbart werden (elektiver Eingriff).
Auch nach erfolgreicher Behandlung können Steißbeinfisteln erneut auftreten (medizinisch: rezidivieren). Die Rezidivrate – also der Anteil der Patienten, bei denen die Fisteln nach erfolgter Therapie wiederkehren – hängt unter anderem von der Behandlungsmethode ab. Derzeit verfügbare Angaben dazu sind allerdings nur eingeschränkt gültig, weil sie auf Studien beruhen, in denen ein Rückfall (Rezidiv) unterschiedlich oder gar nicht definiert wird.
Insofern lassen sich zur Rezidivrate von Steißbeinfisteln derzeit keine allgemein gültigen, verlässlichen Angaben machen. Fragen Sie am besten Ihren behandelnden Arzt, wie hoch er das Rückfallrisiko in Ihrem Fall einschätzt.
Sehr selten zieht der chronische Pilonidalsinus am Steißbein als Spätfolge ein
Plattenepithelkarzinom
– eine Form von Hautkrebs – nach sich. Betroffen sind meist Patienten, die die Steißbeinfistel schon seit mehr als 15 Jahren haben.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.
Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor (zwischenzeitlich als freie Autorin).
Steißbeinfistel
Kurzübersicht
Steißbeinfistel: Beschreibung
Eingewachsenes Haar
Formen einer Steißbeinfistel
Häufigkeit von Steißbeinfisteln
Steißbeinfistel: Diagnose
Ausschluss anderer Ursachen
Steißbeinfistel: Entstehung und Ursachen
Risikofaktoren für Beschwerden
Steißbeinfistel: Symptome
Asymptomatische Steißbeinfistel
Abszedierende Steißbeinfistel
Chronische Steißbeinfistel
Steißbeinschmerzen haben andere Ursachen
Steißbeinfistel: Behandlung
Steißbeinfistel: OP-Verfahren
Minimal-invasive Verfahren
Mediane Exzisionsverfahren
Plastische Verfahren (off-midline procedures)
Sinus pilonidalis-OP: Wie lange ist man krank?
Steißbeinfistel selbst behandeln?
Steißbeinfistel: Verlauf und Prognose
Rückfallquote
Seltene Spätfolge: Krebs
Autoren- & Quelleninformationen